Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 16/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3178/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt derzeit beim erkennenden Senat in insgesamt sechs Verfahren - L 3 AL 566/00, L 3 AL 278/01, L 3 AL 3178/03, L 3 AL 3205/03, L 3 AL 3206/03 sowie L 3 AL 4390/05 - sozialgerichtlichen Rechtsschutz gegen die Beklagte. Im vorliegenden Rechtsstreit wendet er sich gegen eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Beklagten wegen Erlöschens seines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe infolge Eintritts einer weiteren Sperrzeit.
Der im Jahre 1961 geborene Kläger ist schwerbehindert. Er leidet an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I sowie an einer neurotischen Persönlichkeitsstörung. Nach Abschluss einer Ausbildung zum Diplom-Betriebswirt (FH) war er vom 01.11.1988 bis zum 31.12.1989 als Vertragsassistent bei der Firma L. GmbH in Freiburg mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von rund DM 4.200,00 beschäftigt. Anschließend übte er bis zum 31.03.1991 eine Tätigkeit als Projektkaufmann bei der Firma A. GmbH in Konstanz aus und erzielte dabei ein monatliches Bruttoeinkommen von DM 5.933,00.
Ab dem 01.04.1991 bezog der Kläger zunächst Arbeitslosengeld. Seinen nach Erschöpfung dieses Anspruchs gestellten Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe lehnte die Beklagte wegen zu berücksichtigenden Vermögens für die Zeit vom 11.04.1992 bis zum 18.12.1992 ab. Im Anschluss daran wurde ihm Arbeitslosenhilfe gewährt. Während der Zeit des Leistungsbezuges absolvierte der Kläger zunächst eine Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswissenschaftler, die er im Dezember 1995 abschloss. Sodann nahm er ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz auf. Nachdem die Beklagte die Leistungsbewilligung im Jahre 1999 infolge Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung aufgehoben hatte (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom heutigen Tage - L 3 AL 278/01 -), bezog der Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum auf Grund des Bewilligungsbescheides vom 07.03.2000 zunächst Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich DM 342,37 (DM 48,91 täglich) und ab dem 01.07.2000 (Dynamisierungsbescheid vom 26.07.2000) bis zur Einstellung der Leistungen zum 31.07.2000 Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich DM 338,03 (DM 48,29 täglich).
Unter dem 13.06.2000 bot die Beklagte dem Kläger eine Arbeitsstelle als Projektmanager bei der Firma Innovation Avantgarde Akademie für Weiterbildung und Kultur GmbH an. Nach der Stellenbeschreibung handelte sich um Tätigkeiten zur Konzipierung, Entwicklung und Umsetzung von Projekten im Bereich des Seniorenmarketings (Produkte und Dienstleistungen 50-Plus). Vorausgesetzt wurden betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Erfahrungen im Managementbereich sowie Belastbarkeit. Diesem Vermittlungsvorschlag war eine Belehrung über die Rechtsfolgen einer Ablehnung des Arbeitsangebotes bzw. eines Nichtantritts der angebotenen Arbeitsstelle beigefügt.
Mit Schreiben vom 16.06.2000 bewarb sich der Kläger schriftlich. Unter der Überschrift Bewerbung - Stellenausschreibung über "Arbeitsammt" teilte er mit, er übersende beiliegende Unterlagen auf Vorlage des Arbeitsamts. Dabei wies er auf seine abgeschlossenen Ausbildungen, seinen Schwerpunkt in der Kommunal- und "Redionalpolitik" sowie seine beruflichen Erfahrungen hin. Darüber hinaus heißt es, über Erfahrungen in dem in Frage kommenden Tätigkeitsgebiet "ferfüge" er nicht. Er befinde sich kurz vor Ablegung der Ersten juristischen Staatsprüfung. Weiter ist ausgeführt, er sei Schwerbehinderter mit einem GdB von 50 und befinde er sich aus gesundheitlichen Gründen derzeit noch für eine längere Zeit in ständiger ärztlicher Behandlung. Er wolle darauf hinweisen, dass er beim Arbeitsamt Anträge für den Bereich Bildung/Existenzgründung gestellt habe, über die derzeit noch nicht entschieden sei.
Unter dem 19.06.2000 teilte die Firma Innovation Avantgarde Akademie für Weiterbildung und Kultur GmbH der Beklagten mit, der Kläger sei nicht eingestellt worden, da er in seiner Bewerbung angegeben habe, er befinde sich aus gesundheitlichen Gründen in ärztlicher Behandlung und habe darüber hinaus beim Arbeitsamt Anträge für den Bereich Bildung/Existenzgründung gestellt. Der Kläger habe sich bereits Mitte 1999 nach Aufforderung durch das Arbeitsamt schriftlich beworben, sei aber zu keinem angebotenen Einstellungsgespräch erschienen.
Im Rahmen der daraufhin erfolgten Anhörung trug der Kläger im wesentlichen vor, er sei für die Stelle gesundheitlich nicht geeignet und fachlich überqualifiziert.
Mit Bescheiden vom 30.08.2000 und vom 06.11.2000 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe wegen Erlöschens des Anspruchs infolge Eintritts einer weiteren Sperrzeit von zwölf Wochen für die Zeit ab dem 20.06.2000 auf und forderte vom Kläger die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen in Höhe von DM 2.035,00.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2000 zurück. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe durch vorwerfbares Verhalten das Zustandekommen des zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses vereitelt, da er das Bewerbungsschreiben so abgefasst habe, dass er von vornherein nicht als an der angebotenen Stelle interessierter Bewerber habe erscheinen müssen. Mangels besonderer Härte sei daher gem. § 144 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten. Angesichts der bereits im Jahre 1999 eingetretenen zwölfwöchigen Sperrzeit sei der Leistungsanspruch gem. § 196 Abs. 1 Nr. 3 SGB III erloschen. Die Entscheidung über die Leistungsbewilligung sei gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III ab dem 20.06.2000 ganz aufzuheben. Die überzahlten Leistungen seien gem. § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Am 04.01.2001 hat der Kläger beim Sozialgericht Konstanz Klage erhoben. Zur Begründung hat er ergänzend vorgetragen, bei den im Bewerbungsschreiben enthaltenen Schreibfehlern handle es sich um Flüchtigkeitsfehler. Seine gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber gemachten Angaben seien zutreffend und auch im übrigen gerechtfertigt. Sie seien daher nicht geeignet, einen Sperrzeittatbestand zu begründen. Ein Abbruch seines kurz vor dem Abschlus stehenden Studiums sei nicht zumutbar gewesen. Schließlich lägen die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 48 SGB X nicht vor.
Mit Urteil vom 21.03.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung ist dem Kläger am 14.07.2003 zugestellt worden.
Am 13.08.2003 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, er habe das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses durch sein Bewerbungsschreiben nicht vereitelt. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei es unschädlich, wenn im Bewerbungsschreiben gewisse negative Elemente des bisherigen Lebenslaufs in den Vordergrund gerückt würden bzw. das Schreiben einen leicht ironischen Unterton enthalte. Was die Zumutbarkeit der angebotenen Arbeit betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass die Firma Innovation Avantgarde Akademie für Weiterbildung und Kultur GmbH nach Berichten in der Tagespresse den Akademiebetrieb nie ernsthaft aufgenommen und durch dubiose Verhaltensweisen immense Schulden bei Dritten aufgehäuft habe. Ein Verschulden i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X sei ihm nicht vorzuwerfen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21.03.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 20.06.2000 weiter Arbeitslosenhilfe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des vorliegenden sowie der eingangs angeführten weiteren beim Senat anhängigen Verfahren, die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten und die gleichfalls beigezogenen Akten des Sozialgerichts Konstanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) durch den Berichterstatter allein (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG).
Der Kläger wendet sich bei sachdienlicher Auslegung seines Berufungsbegehrens (§ 123 SGG) - allein - mit der Anfechtungsklage gegen die Aufhebung der Arbeitslosenhilfebewilligung sowie die behördlicherseits verfügte Verpflichtung zur Erstattung überzahlter Leistungen in den Bescheiden vom 30.08.2000 und vom 06.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2000. Nachdem im Falle des Erfolges der Anfechtungsklage die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wieder auflebt und dem Kläger daher ohne weiteres ein Zahlungsanspruch zusteht, bedarf es eines darüber hinausgehenden, auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe gerichteten Leistungsausspruchs nicht.
Die so gefasste Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Denn die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Dass und weshalb die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III vorliegen, hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 06.12.2000 ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend ist folgendes auszuführen:
Dass der Kläger die ihm angebotene Arbeit im Rechtssinne nicht angenommen hat, ergibt sich ohne weiteres aus dem Inhalt des Bewerbungsschreibens vom 16.06.2000. Zwar ist weder sein Hinweis auf das Studium der Rechtswissenschaften und ein bevorstehendes Examen noch derjenige auf seine Schwerbehinderung und eine behandlungsbedürftige Erkrankung jeweils für sich genommen als Ablehnung des Arbeitsangebotes anzusehen. Indes zeugen diese Mitteilungen zusammengenommen auch nicht ansatzweise von einem wie auch immer gearteten Interesse an der angebotenen Stelle. Hinzu kommen die - angesichts der qualifizierten Ausbildung des Klägers, des nur kurzen Textes und seines vergleichbaren Verhaltens im Jahre 1999 (vgl. hierzu das Verfahren L 3 AL 278/01) - zur Überzeugung des Gerichts bewusst eingestreuten Schreibfehler "Arbeitsammt", "Redionalpolitik" und "ferfüge". Dass der zu jener Zeit bereits seit neun Jahren arbeitslose Kläger dann noch zusätzlich auf angeblich beim Arbeitsamt gestellte Anträge für den Bereich Bildung/Existenzgründung hinwies, musste jeden potenziellen Arbeitgeber abschrecken. Nachdem zu diesem Zeitpunkt nur mündlich über die genannten Förderungsmöglichkeiten gesprochen worden war, also ein von der Beklagten zu verbescheidender Antrag noch nicht gestellt war, zeigt der in Rede stehende - unrichtige - Hinweis des einschlägig vorgebildeten Klägers zugleich die Absicht, das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zu vereiteln.
Die angebotene Tätigkeit war dem Kläger auch zuzumuten.
Dies gilt in Ansehung seiner - wie ausgeführt - bereits seit neun Jahren bestehenden Arbeitslosigkeit zunächst mit Blick auf seinen Vortrag, er sei für die Stelle überqualifiziert. Auch musste sein Interesse an einer bevorstehenden Beendigung seines während des Leistungsbezuges aufgenommenen Studiums der Rechtswissenschaften hinter das öffentliche Interesse an einer Beendigung des Leistungsbezuges zurücktreten. Soweit er vorträgt, die Firma Innovation Avantgarde Akademie für Weiterbildung und Kultur GmbH habe nach - wohl aus dem Jahre 2002 stammenden - Berichten in der Tagespresse den Akademiebetrieb nie ernsthaft aufgenommen und durch dubiose Verhaltensweisen immense Schulden bei Dritten aufgehäuft, machte dies eine Arbeitsaufnahme im Jahre 2000 nicht unzumutbar, zumal für Rückstände bei Löhnen und Gehältern keinerlei Anhaltspunkte bestehen.
Ferner war die dem Kläger angebotene Maßnahme auch in gesundheitlicher Hinsicht zumutbar. Insbesondere liegt Unzumutbarkeit nicht mit Blick auf die in der Stellenbeschreibung geforderte allgemeine Belastbarkeit vor. Denn im - vom Kläger im parallelen Berufungsverfahren L 3 AL 278/01 in Fotokopie vorgelegten - arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 14.10.1998 werden lediglich Tätigkeiten unter gesteigertem Zeitdruck (Einzel- bzw. Gruppenakkord) unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten ausgeschlossen.
Anhaltspunkte für eine fehlende Kausalität zwischen dem Verhalten des Klägers und seiner Nichteinstellung bestehen nicht.
Eine die Verkürzung der danach eingetretenen grundsätzlich zwölfwöchigen Sperrzeit auf sechs Wochen begründende besondere Härte i. S. des § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III liegt im Ergebnis ebenfalls nicht vor. Die vom Kläger im Rahmen der Zumutbarkeit - insbesondere mit Blick auf sein Studium und seine gesundheitlichen Einschränkungen - geltend gemachten Gründe rechtfertigen nach den insoweit dargelegten Umständen ebenfalls nicht die Annahme, die Regeldauer der Sperrzeit sei objektiv unverhältnismäßig (vgl. hierzu Niesel, SGB III, 2. Aufl. 2002, Rdnr. 105 zu § 144).
Ausgehend von einem - von der Beklagten zugunsten des Klägers angenommenen - Beginn der zwölfwöchigen Sperrzeit am 20.06.2000 lag zu diesem Zeitpunkt mithin auch eine Änderung der Verhältnisse i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III vor, die die Beklagte zur Aufhebung der Leistungsbewilligung berechtigte. Denn angesichts des Umstandes, dass nach Entstehung des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosenhilfe bereits im Jahre 1999 eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten war (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom heutigen Tage im parallelen Rechtsstreit - L 3 AL 278/01 -), ist sein Leistungsanspruch gem. § 196 Abs. 1 Nr. 3 SGB III mit dem 20.06.2000 erloschen.
Aber auch im übrigen ist die Aufhebung des Bewilligungsbescheides nicht zu beanstanden. Insbesondere lag bei dem einschlägig vorgebildeten Kläger zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis vom kraft Gesetzes eingetretenen Erlöschen seines Leistungsanspruchs vor, zumal dieser bereits im Jahre 1999 wegen eines vergleichbaren Verhaltens zum Ruhen gekommen war.
Bedenken gegen die Erstattungsforderung der Beklagten bestehen nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt derzeit beim erkennenden Senat in insgesamt sechs Verfahren - L 3 AL 566/00, L 3 AL 278/01, L 3 AL 3178/03, L 3 AL 3205/03, L 3 AL 3206/03 sowie L 3 AL 4390/05 - sozialgerichtlichen Rechtsschutz gegen die Beklagte. Im vorliegenden Rechtsstreit wendet er sich gegen eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Beklagten wegen Erlöschens seines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe infolge Eintritts einer weiteren Sperrzeit.
Der im Jahre 1961 geborene Kläger ist schwerbehindert. Er leidet an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I sowie an einer neurotischen Persönlichkeitsstörung. Nach Abschluss einer Ausbildung zum Diplom-Betriebswirt (FH) war er vom 01.11.1988 bis zum 31.12.1989 als Vertragsassistent bei der Firma L. GmbH in Freiburg mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von rund DM 4.200,00 beschäftigt. Anschließend übte er bis zum 31.03.1991 eine Tätigkeit als Projektkaufmann bei der Firma A. GmbH in Konstanz aus und erzielte dabei ein monatliches Bruttoeinkommen von DM 5.933,00.
Ab dem 01.04.1991 bezog der Kläger zunächst Arbeitslosengeld. Seinen nach Erschöpfung dieses Anspruchs gestellten Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe lehnte die Beklagte wegen zu berücksichtigenden Vermögens für die Zeit vom 11.04.1992 bis zum 18.12.1992 ab. Im Anschluss daran wurde ihm Arbeitslosenhilfe gewährt. Während der Zeit des Leistungsbezuges absolvierte der Kläger zunächst eine Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswissenschaftler, die er im Dezember 1995 abschloss. Sodann nahm er ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz auf. Nachdem die Beklagte die Leistungsbewilligung im Jahre 1999 infolge Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung aufgehoben hatte (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom heutigen Tage - L 3 AL 278/01 -), bezog der Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum auf Grund des Bewilligungsbescheides vom 07.03.2000 zunächst Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich DM 342,37 (DM 48,91 täglich) und ab dem 01.07.2000 (Dynamisierungsbescheid vom 26.07.2000) bis zur Einstellung der Leistungen zum 31.07.2000 Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich DM 338,03 (DM 48,29 täglich).
Unter dem 13.06.2000 bot die Beklagte dem Kläger eine Arbeitsstelle als Projektmanager bei der Firma Innovation Avantgarde Akademie für Weiterbildung und Kultur GmbH an. Nach der Stellenbeschreibung handelte sich um Tätigkeiten zur Konzipierung, Entwicklung und Umsetzung von Projekten im Bereich des Seniorenmarketings (Produkte und Dienstleistungen 50-Plus). Vorausgesetzt wurden betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Erfahrungen im Managementbereich sowie Belastbarkeit. Diesem Vermittlungsvorschlag war eine Belehrung über die Rechtsfolgen einer Ablehnung des Arbeitsangebotes bzw. eines Nichtantritts der angebotenen Arbeitsstelle beigefügt.
Mit Schreiben vom 16.06.2000 bewarb sich der Kläger schriftlich. Unter der Überschrift Bewerbung - Stellenausschreibung über "Arbeitsammt" teilte er mit, er übersende beiliegende Unterlagen auf Vorlage des Arbeitsamts. Dabei wies er auf seine abgeschlossenen Ausbildungen, seinen Schwerpunkt in der Kommunal- und "Redionalpolitik" sowie seine beruflichen Erfahrungen hin. Darüber hinaus heißt es, über Erfahrungen in dem in Frage kommenden Tätigkeitsgebiet "ferfüge" er nicht. Er befinde sich kurz vor Ablegung der Ersten juristischen Staatsprüfung. Weiter ist ausgeführt, er sei Schwerbehinderter mit einem GdB von 50 und befinde er sich aus gesundheitlichen Gründen derzeit noch für eine längere Zeit in ständiger ärztlicher Behandlung. Er wolle darauf hinweisen, dass er beim Arbeitsamt Anträge für den Bereich Bildung/Existenzgründung gestellt habe, über die derzeit noch nicht entschieden sei.
Unter dem 19.06.2000 teilte die Firma Innovation Avantgarde Akademie für Weiterbildung und Kultur GmbH der Beklagten mit, der Kläger sei nicht eingestellt worden, da er in seiner Bewerbung angegeben habe, er befinde sich aus gesundheitlichen Gründen in ärztlicher Behandlung und habe darüber hinaus beim Arbeitsamt Anträge für den Bereich Bildung/Existenzgründung gestellt. Der Kläger habe sich bereits Mitte 1999 nach Aufforderung durch das Arbeitsamt schriftlich beworben, sei aber zu keinem angebotenen Einstellungsgespräch erschienen.
Im Rahmen der daraufhin erfolgten Anhörung trug der Kläger im wesentlichen vor, er sei für die Stelle gesundheitlich nicht geeignet und fachlich überqualifiziert.
Mit Bescheiden vom 30.08.2000 und vom 06.11.2000 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe wegen Erlöschens des Anspruchs infolge Eintritts einer weiteren Sperrzeit von zwölf Wochen für die Zeit ab dem 20.06.2000 auf und forderte vom Kläger die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen in Höhe von DM 2.035,00.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2000 zurück. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe durch vorwerfbares Verhalten das Zustandekommen des zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses vereitelt, da er das Bewerbungsschreiben so abgefasst habe, dass er von vornherein nicht als an der angebotenen Stelle interessierter Bewerber habe erscheinen müssen. Mangels besonderer Härte sei daher gem. § 144 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten. Angesichts der bereits im Jahre 1999 eingetretenen zwölfwöchigen Sperrzeit sei der Leistungsanspruch gem. § 196 Abs. 1 Nr. 3 SGB III erloschen. Die Entscheidung über die Leistungsbewilligung sei gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III ab dem 20.06.2000 ganz aufzuheben. Die überzahlten Leistungen seien gem. § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Am 04.01.2001 hat der Kläger beim Sozialgericht Konstanz Klage erhoben. Zur Begründung hat er ergänzend vorgetragen, bei den im Bewerbungsschreiben enthaltenen Schreibfehlern handle es sich um Flüchtigkeitsfehler. Seine gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber gemachten Angaben seien zutreffend und auch im übrigen gerechtfertigt. Sie seien daher nicht geeignet, einen Sperrzeittatbestand zu begründen. Ein Abbruch seines kurz vor dem Abschlus stehenden Studiums sei nicht zumutbar gewesen. Schließlich lägen die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 48 SGB X nicht vor.
Mit Urteil vom 21.03.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung ist dem Kläger am 14.07.2003 zugestellt worden.
Am 13.08.2003 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, er habe das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses durch sein Bewerbungsschreiben nicht vereitelt. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei es unschädlich, wenn im Bewerbungsschreiben gewisse negative Elemente des bisherigen Lebenslaufs in den Vordergrund gerückt würden bzw. das Schreiben einen leicht ironischen Unterton enthalte. Was die Zumutbarkeit der angebotenen Arbeit betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass die Firma Innovation Avantgarde Akademie für Weiterbildung und Kultur GmbH nach Berichten in der Tagespresse den Akademiebetrieb nie ernsthaft aufgenommen und durch dubiose Verhaltensweisen immense Schulden bei Dritten aufgehäuft habe. Ein Verschulden i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X sei ihm nicht vorzuwerfen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21.03.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 20.06.2000 weiter Arbeitslosenhilfe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des vorliegenden sowie der eingangs angeführten weiteren beim Senat anhängigen Verfahren, die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten und die gleichfalls beigezogenen Akten des Sozialgerichts Konstanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) durch den Berichterstatter allein (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG).
Der Kläger wendet sich bei sachdienlicher Auslegung seines Berufungsbegehrens (§ 123 SGG) - allein - mit der Anfechtungsklage gegen die Aufhebung der Arbeitslosenhilfebewilligung sowie die behördlicherseits verfügte Verpflichtung zur Erstattung überzahlter Leistungen in den Bescheiden vom 30.08.2000 und vom 06.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2000. Nachdem im Falle des Erfolges der Anfechtungsklage die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wieder auflebt und dem Kläger daher ohne weiteres ein Zahlungsanspruch zusteht, bedarf es eines darüber hinausgehenden, auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe gerichteten Leistungsausspruchs nicht.
Die so gefasste Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Denn die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Dass und weshalb die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III vorliegen, hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 06.12.2000 ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend ist folgendes auszuführen:
Dass der Kläger die ihm angebotene Arbeit im Rechtssinne nicht angenommen hat, ergibt sich ohne weiteres aus dem Inhalt des Bewerbungsschreibens vom 16.06.2000. Zwar ist weder sein Hinweis auf das Studium der Rechtswissenschaften und ein bevorstehendes Examen noch derjenige auf seine Schwerbehinderung und eine behandlungsbedürftige Erkrankung jeweils für sich genommen als Ablehnung des Arbeitsangebotes anzusehen. Indes zeugen diese Mitteilungen zusammengenommen auch nicht ansatzweise von einem wie auch immer gearteten Interesse an der angebotenen Stelle. Hinzu kommen die - angesichts der qualifizierten Ausbildung des Klägers, des nur kurzen Textes und seines vergleichbaren Verhaltens im Jahre 1999 (vgl. hierzu das Verfahren L 3 AL 278/01) - zur Überzeugung des Gerichts bewusst eingestreuten Schreibfehler "Arbeitsammt", "Redionalpolitik" und "ferfüge". Dass der zu jener Zeit bereits seit neun Jahren arbeitslose Kläger dann noch zusätzlich auf angeblich beim Arbeitsamt gestellte Anträge für den Bereich Bildung/Existenzgründung hinwies, musste jeden potenziellen Arbeitgeber abschrecken. Nachdem zu diesem Zeitpunkt nur mündlich über die genannten Förderungsmöglichkeiten gesprochen worden war, also ein von der Beklagten zu verbescheidender Antrag noch nicht gestellt war, zeigt der in Rede stehende - unrichtige - Hinweis des einschlägig vorgebildeten Klägers zugleich die Absicht, das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zu vereiteln.
Die angebotene Tätigkeit war dem Kläger auch zuzumuten.
Dies gilt in Ansehung seiner - wie ausgeführt - bereits seit neun Jahren bestehenden Arbeitslosigkeit zunächst mit Blick auf seinen Vortrag, er sei für die Stelle überqualifiziert. Auch musste sein Interesse an einer bevorstehenden Beendigung seines während des Leistungsbezuges aufgenommenen Studiums der Rechtswissenschaften hinter das öffentliche Interesse an einer Beendigung des Leistungsbezuges zurücktreten. Soweit er vorträgt, die Firma Innovation Avantgarde Akademie für Weiterbildung und Kultur GmbH habe nach - wohl aus dem Jahre 2002 stammenden - Berichten in der Tagespresse den Akademiebetrieb nie ernsthaft aufgenommen und durch dubiose Verhaltensweisen immense Schulden bei Dritten aufgehäuft, machte dies eine Arbeitsaufnahme im Jahre 2000 nicht unzumutbar, zumal für Rückstände bei Löhnen und Gehältern keinerlei Anhaltspunkte bestehen.
Ferner war die dem Kläger angebotene Maßnahme auch in gesundheitlicher Hinsicht zumutbar. Insbesondere liegt Unzumutbarkeit nicht mit Blick auf die in der Stellenbeschreibung geforderte allgemeine Belastbarkeit vor. Denn im - vom Kläger im parallelen Berufungsverfahren L 3 AL 278/01 in Fotokopie vorgelegten - arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 14.10.1998 werden lediglich Tätigkeiten unter gesteigertem Zeitdruck (Einzel- bzw. Gruppenakkord) unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten ausgeschlossen.
Anhaltspunkte für eine fehlende Kausalität zwischen dem Verhalten des Klägers und seiner Nichteinstellung bestehen nicht.
Eine die Verkürzung der danach eingetretenen grundsätzlich zwölfwöchigen Sperrzeit auf sechs Wochen begründende besondere Härte i. S. des § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III liegt im Ergebnis ebenfalls nicht vor. Die vom Kläger im Rahmen der Zumutbarkeit - insbesondere mit Blick auf sein Studium und seine gesundheitlichen Einschränkungen - geltend gemachten Gründe rechtfertigen nach den insoweit dargelegten Umständen ebenfalls nicht die Annahme, die Regeldauer der Sperrzeit sei objektiv unverhältnismäßig (vgl. hierzu Niesel, SGB III, 2. Aufl. 2002, Rdnr. 105 zu § 144).
Ausgehend von einem - von der Beklagten zugunsten des Klägers angenommenen - Beginn der zwölfwöchigen Sperrzeit am 20.06.2000 lag zu diesem Zeitpunkt mithin auch eine Änderung der Verhältnisse i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III vor, die die Beklagte zur Aufhebung der Leistungsbewilligung berechtigte. Denn angesichts des Umstandes, dass nach Entstehung des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosenhilfe bereits im Jahre 1999 eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten war (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom heutigen Tage im parallelen Rechtsstreit - L 3 AL 278/01 -), ist sein Leistungsanspruch gem. § 196 Abs. 1 Nr. 3 SGB III mit dem 20.06.2000 erloschen.
Aber auch im übrigen ist die Aufhebung des Bewilligungsbescheides nicht zu beanstanden. Insbesondere lag bei dem einschlägig vorgebildeten Kläger zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis vom kraft Gesetzes eingetretenen Erlöschen seines Leistungsanspruchs vor, zumal dieser bereits im Jahre 1999 wegen eines vergleichbaren Verhaltens zum Ruhen gekommen war.
Bedenken gegen die Erstattungsforderung der Beklagten bestehen nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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