L 3 AL 3205/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 890/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3205/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt derzeit beim erkennenden Senat in insgesamt sechs Verfahren - L 3 AL 566/00, L 3 AL 278/01, L 3 AL 3178/03, L 3 AL 3205/03, L 3 AL 3206/03 sowie L 3 AL 4390/05 - sozialgerichtlichen Rechtsschutz gegen die Beklagte. Im vorliegenden Rechtsstreit erstrebt er die behördliche Abänderung unanfechtbarer Bewilligungs-, Anpassungs- und Dynamisierungsbescheide sowie die Gewährung höherer Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab dem Jahre 1994.

Der im Jahre 1961 geborene Kläger war nach Abschluss einer Ausbildung zum Diplom-Betriebswirt (FH) vom 01.11.1988 bis zum 31.12.1989 als Vertragsassistent bei der Firma L. GmbH in Freiburg mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von rund DM 4.200,00 beschäftigt. Anschließend übte er bis zum 31.03.1991 eine Tätigkeit als Projektkaufmann bei der Firma A. GmbH in Konstanz aus und erzielte dabei ein monatliches Bruttoeinkommen von DM 5.933,00.

Ab dem 01.04.1991 bezog der Kläger zunächst Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von wöchentlich DM 1.370,00. Seinen nach Erschöpfung dieses Anspruchs gestellten Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe lehnte die Beklagte wegen zu berücksichtigenden Vermögens für die Zeit vom 11.04.1992 bis zum 18.12.1992 ab. Im Anschluss daran bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von - DM 1.430,00 ab dem 19.12.1992 (Bewilligungsbescheid vom 08.04.1993), - DM 1.520,00 ab dem 01.04.1993 (Bewilligungsbescheid vom 05.05.1993, Anrechnungs-Änderungsbescheid vom 16.08.1993 und Anpassungsbescheid vom 03.01.1994), - DM 1.160,00 ab dem 01.04.1994 (der Höhe nach vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 25.03.1994 in der Gestalt des die Leistungshöhe endgültig festsetzenden Bemessungs-Änderungsbescheides vom 05.04.1994, Bewilligungsbescheid vom 21.09.1994, Anpassungsbescheid vom 16.01.1995 und Bewilligungsbescheid vom 23.03.1995), - DM 1.190,00 ab dem 01.04.1995 (Bewilligungsbescheid vom 19.05.1995 und Anpassungsbescheid vom 15.01.1996), - DM 1.220,00 ab dem 01.04.1996 (Bewilligungsbescheid vom 09.05.1996), - DM 1.180,00 ab dem 01.07.1996 (Dynamisierungsbescheid vom 15.07.1996, Anpassungsbescheid vom 13.01.1997 und Bewilligungsbescheid vom 16.04.1997), - DM 1.160,00 ab dem 01.07.1997 (Dynamisierungsbescheid vom 14.07.1997, Anpassungsbescheid vom 02.01.1998 und Bewilligungsbescheid vom 23.03.1998), - DM 1.140,00 ab dem 31.07.1998 (Dynamisierungsbescheid vom 28.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.1998 sowie Anpassungsbescheid vom 04.01.1999 und Bewilligungsbescheid vom 12.03.1999), - DM 1.120,00 ab dem 05.09.1999 (Bewilligungsbescheid vom 06.07.1999, Anpassungsbescheid vom 03.01.2000 und Bewilligungsbescheid vom 07.03.2000) sowie schließlich - DM 1.100,00 ab dem 01.07.2000 (Dynamisierungsbescheid vom 26.07.2000) bis zur Einstellung der Leistungen zum 31.07.2000.

Gegen den das gerundete wöchentliche Bruttoarbeitsentgelt für die Zeit ab dem 01.04.1994 auf DM 1.160,00 herabsetzenden Bemessungs-Änderungsbescheid vom 05.04.1994 erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung trug er im wesentlichen vor, die Herabbemessung sei angesichts tariflicher Lohnerhöhungen und von seiner Seite erfolgter Weiterqualifizierungen nicht gerechtfertigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.1994 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die hiergegen beim Sozialgericht Konstanz erhobene Klage blieb ohne Erfolg (Urteil vom 10.08.1995 - S 5 Ar 1479/94 -). Die vom Kläger daraufhin eingelegte Berufung wurde mit (rechtskräfigem) Urteil des erkennenden Senats vom 05.11.1997 - L 3 Ar 3287/95 - zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die von der Beklagten vorgenommene Einstufung des Klägers sei angesichts der Dauer seiner Arbeitslosigkeit, seiner nur geringen Berufserfahrung und seiner schon durch die Vielzahl der fehlgeschlagenen Bewerbungen belegten schlechten Arbeitsmarktchancen nicht zu beanstanden. Auch sei bei der im April 1994 vorzunehmenden fiktiven Bemessung des Arbeitsentgelts die weitere Qualifikation des Klägers als Diplom-Verwaltungswissenschaftler nicht zu berücksichtigen gewesen, da er die entsprechende Prüfung erst im Dezember 1995 abgelegt habe.

Mit Schreiben vom 27.12.1999 beantragte der Kläger unter Berufung auf § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Gewährung höherer Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab Dezember 1995, da er mit dem zu dieser Zeit erfolgten Abschluss des Studiums als Diplom-Verwaltungswissenschaftler eine zusätzliche Qualifikation erworben habe. Die danach erforderliche Neubemessung des maßgeblichen Bruttoarbeitsentgelts sei zu Unrecht nicht erfolgt. Festzusetzen sei, wie sich auch aus Vermittlungsvorschlägen der Beklagten selbst ergebe, mindestens ein Entgelt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung. Gegen den diesen Antrag ablehnenden Bescheid vom 09.02.2000 erhob der Kläger Widerspruch.

Am 08.05.2000 hat der Kläger beim Sozialgericht Konstanz Untätigkeitsklage erhoben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2000 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Einen mit Schreiben vom 27.12.2000 gestellten Antrag des Klägers, das maßgebliche Bruttoarbeitsentgelt im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs rückwirkend ab dem Jahre 1994 mindestens in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze festzusetzen, hat die Beklagte mit Bescheid vom 03.01.2001 abgelehnt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat sie durch Widerspruchsbescheid vom 07.02.2001 verbunden mit dem Hinweis zurückgewiesen, der Bescheid werde gem. § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens.

Mit Urteil vom 21.03.2002 hat das Sozialgericht die gegen den Bescheid vom 09.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2000 und den Bescheid vom 03.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2001 sowie auf Neuberechnung der Arbeitslosenhilfe ab dem Jahre 1994 auf der Grundlage der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze gerichtete Klage abgewiesen. Diese Entscheidung ist dem Kläger am 14.07.2003 zugestellt worden.

Am 14.08.2003 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, das der Arbeitslosenhilfe zu Grunde liegende Bemessungsentgelt sei jeweils entsprechend den Höchstsätzen der Arbeitslosenhilfeverordnung anzusetzen, nachdem er während des Arbeitslosenhilfebezuges eine Zusatzqualifikation erworben habe und daher auf dem Arbeitsmarkt ein höheres Gehalt erzielen könne.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21.03.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2000 und den Bescheid vom 03.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheides vom 05.04.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.1994 sowie der nachfolgenden Bewilligungsbescheide Arbeitslosenhilfe ab 1994 auf der Grundlage der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze neu zu berechnen

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Eine vom Kläger in Bezug auf das durch Urteil vom 05.11.1997 rechtskräftig beendete Verfahren L 3 Ar 3287/95 - im wesentlichen mit der Begründung, nunmehr aufgefundene Unterlagen belegten nicht nur fehlerhafte Vermittlungsbemühungen der Beklagten, sondern auch seine bereits frühzeitig bestehende überregionale Mobilität - erhobene Wiederaufnahmeklage ist mit Urteil des Senats vom heutigen Tage - L 3 AL 566/00 - abgewiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des vorliegenden sowie der eingangs angeführten weiteren beim Senat anhängigen Verfahren einschließlich der im Verfahren L 3 AL 566/00 beigezogenen Vorakten des Senats - L 3 Ar 3287/95 - und des Sozialgerichts Konstanz - S 5 Ar 1479/94, die von der Beklagten vorgelegten Leistungsakten und die beigezogenen Akten des Sozialgerichts Konstanz - S 5 AL 890/00 - verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) durch den Berichterstatter allein (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG).

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts sowie der Bescheid vom 09.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2000 und der Bescheid vom 03.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2001 sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn dem Kläger steht kein Anspruch auf Abänderung bzw. Teilaufhebung des unanfechtbaren Bemessungs-Änderungsbescheides vom 05.04.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.1994 sowie der gleichfalls bestandskräftigen nachfolgenden Bewilligungsbescheide nebst im Wege der Stufenklage schließlich erstrebter Erhöhung der ihm gewährten Arbeitslosenhilfe zu.

Dies gilt unabhängig von der Frage, ob das Abänderungs- bzw. Teilaufhebungsbegehren des Klägers auf der Grundlage (allein) des § 44 SGB X oder (auch) des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bzw. des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs zu beurteilen ist. Denn die genannten allgemeinen Rechtsinstitute setzen ebenso wie § 44 SGB X die Rechtswidrigkeit des in der Vergangenheit liegenden Verwaltungshandelns, hier des in Rede stehenden Bemessungsbescheides und der nachfolgenden Bewilligungsbescheide voraus. Eine solche liegt aber hier nicht vor:

Dass und weshalb der das gerundete wöchentliche Bruttoarbeitsentgelt für die Zeit ab dem 01.04.1994 auf DM 1.160,00 herabsetzende Bemessungs-Änderungsbescheid der Beklagten vom 05.04.1994 und der Widerspruchsbescheid vom 07.10.1994 nicht zu beanstanden sind, hat der erkennende Senat bereits im zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil vom 05.11.1997 - L 3 Ar 3287/95 - ausführlich dargelegt; hierauf wird verwiesen. Mit Blick auf das klägerische Vorbringen im parallelen Wiederaufnahmeverfahren L 3 AL 566/00 weist das Gericht erneut darauf hin, dass die - trotz seiner Qualifikation auch in den Folgejahren bestätigten - schlechten Chancen auf eine Eingliederung des im Jahre 1994 nur über geringe Berufserfahrung verfügenden Klägers in den regulären Arbeitsmarkt bereits durch die Vielzahl seiner fehlgeschlagenen Bewerbungen - darunter auch diejenige bei der Deutschen Girozentrale in Frankfurt, die ihm eine stressfreie Arbeitsstelle nicht anbieten konnte - belegt sind. Angesichts dessen kommt es für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Bemessungsentgelts zum 01.04.1994 auch nicht darauf an, ob der Kläger zu jener Zeit überregional mobil war und ob die Vermittlungsbemühungen der Beklagten als ausreichend anzusehen sind. Auch fällt die zu jener Zeit lediglich begonnene Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswissenschaftler bei Berücksichtigung der bereits vorhandenen Qualifikation des Klägers nicht entscheidend ins Gewicht.

Im Ergebnis nichts anderes gilt für die Bemessung des wöchentlichen Bruttoarbeitsentgelts bezogen auf die Zeit nach Abschluss der Ausbildung des Klägers zum Diplom-Verwaltungswissenschaftler im Dezember 1995. Denn der Erwerb dieser weiteren Qualifikation hatte keinen Anspruch des Klägers auf Heraufbemessung des in Rede stehenden Arbeitsentgelts zur Folge.

So sah zunächst § 136 Abs. 2b Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis zum 31.03.1996 geltenden Fassung eine (lediglich) im Drei-Jahres-Turnus individuell vorzunehmende fiktive Neubemessung des maßgebenden Arbeitsentgelts vor. Ausgehend von der zum 01.04.1994 erfolgten Neubemessung wäre damit bezogen auf Kläger eine fiktive Heraufbemessung des Arbeitsentgelts erst zum 01.04.1997 möglich gewesen. Eine solche war aber nach der bereits zum 01.04.1996 in Kraft getretenen und gemäß § 242v Abs. 2 AFG ab dem 01.07.1996 anzuwendenden Neuregelung des § 136 Abs. 2b Satz 1 AFG nicht mehr möglich. Vielmehr sah diese Vorschrift - ebenso wie die Nachfolgeregelung des § 201 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) - eine im jährlichen Turnus vorzunehmende, rein rechnerisch-schematische Neubemessung des maßgebenden Arbeitsentgelts durch Anpassung mit einem um 0,03 verminderten Anpassungsfaktor i. S. des § 112a AFG vor (vgl. zu alledem Niesel, SGB III, 1. Aufl. 1998, Rdnr. 3 ff. zu § 201).

Soweit sich der Kläger auf § 136 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 112 Abs. 7 AFG (bzw. § 200 Abs. 2 SGB III) beruft, vermag dies seinem Begehren ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn diese Regelung betrifft nur die (vorübergehende) Herabbemessung aus in der Person bzw. in den Verhältnissen des Arbeitslosen liegenden Gründen und geht damit zu Lasten des Arbeitslosenhilfeempfängers. Sie ermächtigt hingegen nicht - gleichsam im Gegenteil - zu einer für den Arbeitslosen günstigen Heraufbemessung des maßgeblichen Arbeitsentgelts wegen erworbener Zusatzqualifikation.

§ 136 Abs. 2 Satz 1 AFG (bzw. § 200 Abs. 1 SGB III) regelt allein die Ermittlung des Bemessungsentgelts bei erstmaliger Gewährung der Arbeitslosenhilfe und mithin nicht die Herauf- oder Herabbemessung im Falle der Wiederbewilligung (vgl. Niesel, a. a. O., Rdnr. 3 zu § 200) oder gar während des laufenden Leistungsbezuges.

In Ansehung der vom Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 136 Abs. 2b AFG u. a. gerade beabsichtigten Verringerung des Verwaltungsaufwandes (vgl. BT-Drucks. 13/2898, S. 7) bei der Neubemessung im Verlaufe des Arbeitslosenhilfebezuges scheidet schließlich auch eine entsprechende Anwendung der angeführten Regelungen aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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