L 13 AL 3849/06 AK-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AL 1476/06 AK-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3849/06 AK-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Juni 2006 abgeändert. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers, welcher das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat (vgl. im Einzelnen §§ 172ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), ist zulässig und teilweise begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Übernahme der Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten durch die Beklagte.

Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben; das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird (§ 193 Abs. 1 Satz 3 SGG). Bei einer Zurücknahme der Klage - als eine solche ist die das Klageverfahren S 13 AL 4963/05 beendende Erklärung des Klägers vom 23. März 2006 auszulegen (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20. Dezember 1995 - 6 RKa 18/95 - veröffentlicht in Juris) - findet die Kostenentscheidung ihre Rechtsgrundlage in § 102 Satz 3 SGG. Kostenschuldner kann im sozialgerichtlichen Verfahren jeder Beteiligte im Sinne des § 69 SGG sein; als Kostengläubiger kommen lediglich natürliche und juristische Personen des Privatrechts in Betracht (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 193 Rdnr. 11f.)

Die Kostenentscheidung nach § 102 Satz 3 SGG erfolgt - ebenso wie eine Entscheidung gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG - nach richterlichem Ermessen. Anders als in vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Verfahrensordnungen haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach dem Gesetzeswortlaut keine inhaltlichen Voraussetzungen für die Entscheidung über die Kostentragungspflicht zu beachten. Sie sind bei der Kostenentscheidung freier; die zu vergleichbaren kostenrechtlichen Bestimmungen anderer Prozessordnungen (vgl. § 91a der Zivilprozessordnung, § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung) entwickelten Grundsätze mit ihren häufig allein auf Erfolg und Misserfolg ausgerichteten Kostentragungs- und Erstattungsregelungen können deshalb nicht uneingeschränkt herangezogen werden. Allerdings ist auch im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 102 Satz 3, 193 Abs. 1 Satz 3 SGG als wesentliches Kriterium das mutmaßliche Ergebnis des Rechtsstreits auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands zu berücksichtigen (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 2 und 3 m.w.N.). Das schließt indes nicht aus, auch andere für eine gerechte Verteilung der Kosten bedeutsame Umstände zu berücksichtigen. So kann bei einer Kostenentscheidung nicht außer Betracht bleiben, ob ein Versicherungsträger Anlass zur Klage gegeben (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 2; zuletzt BSG SozR 3-5050 § 22b Nr. 1) oder ein Beteiligter von vornherein vermeidbare und überflüssige Kosten verursacht hat (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. November 1985 - L 6 B 181/85 -; Senatsbeschluss vom 13. Januar 1998 - L 13 AL 3633/97 aK-B -).

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist dem Kläger hier ein Anspruch auf Erstattung seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zuzubilligen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach Vorlage ergänzender, den Umfang der Nebenbeschäftigungen betreffender Nachweise durch den Kläger an ihrer bisherigen Einschätzung, der Kläger sei seit 1. März 2005 nicht mehr arbeitslos gewesen und habe zu Unrecht gewährte Leistungen in Höhe von insgesamt 737,78 EUR zu erstatten, nicht mehr festhalten wollte und dies dem Kläger auch vor Klageerhebung mitgeteilt hat. Gleichwohl hat die Beklagte aber - insoweit stimmt der Senat mit dem SG nicht überein - einen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Der seitens des Klägers gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 9. September 2005 erhobene Widerspruch war bereits vor Eingang der ergänzenden Unterlagen (10. November 2005) mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2005 zurückgewiesen worden. Das an den Kläger gerichtete Schreiben vom 1. Dezember 2005 enthält zwar im Betreff einen Hinweis auf die zur Zurücknahme des Bescheids vom 9. September 2005 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. November 2005) berechtigende Vorschrift des § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X); einen entsprechenden, die Rechtsfolge des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufgreifenden Verfügungssatz enthält dieses Schreiben jedoch nicht. Eine Zurücknahme des Bescheids vom 9. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. November 2005 ist deshalb nicht verfügt worden. Dementsprechend drohte - durch Ablauf der Klagefrist - der Widerspruchsbescheid vom 9. November 2005 bestandskräftig zu werden. Es braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden, ob das Schreiben vom 1. Dezember 2005 überhaupt als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X, möglicherweise als bloße Ankündigung der beabsichtigten Zurücknahme des Bescheids vom 9. September 2005 oder lediglich als Zusicherung, dass aus diesem Bescheid nicht vollstreckt werde (vgl. § 34 SGB X), zu qualifizieren ist. Aufgrund der unklaren Formulierung des Schreibens vom 1. Dezember 2005 war dieses jedenfalls mitursächlich für die am 8. Dezember 2005 erfolgte Klageerhebung. Angesichts dieses Umstands und unter zusätzlicher Berücksichtigung der noch mit Schreiben vom 4. Dezember 2005 erfolgten Zahlungsaufforderung hält der Senat eine Verpflichtung der Beklagten zur hälftigen Kostenerstattung für angemessen.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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