Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1165/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4651/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. September 2005 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt - unter Rücknahme der früheren entgegenstehenden Entscheidung - die Anerkennung seiner Halswirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1944 geborene Kläger beantragte im Juni 2001 die Anerkennung seiner Wirbelsäulenbeschwerden, die er auf seine Tätigkeit als Gießereiarbeiter zurückführte, als Berufskrankheit. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Edel- und Unedelmetall-Berufsgenossenschaft, lehnte mit Bescheid vom 25.03.2002 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nrn. 2108, 2109 und 2110 der Anlage zur BKV ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10.07.2002). Im anschließenden Klageverfahren (S 5 U 1808/02) vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) nahm der Kläger seine Klage am 03.09.2004 zurück, nachdem Prof. Dr. R. in dem von Amts wegen eingeholten orthopädischen Gutachten vom 24.02.2003, Prof. Dr. W. in dem auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten orthopädischen Gutachten vom 17.09.2003 und Prof. Dr. T. in seinem ebenfalls gem. § 109 SGG eingeholten neurochirurgischen Gutachten vom 13.07.2004 übereinstimmend das Vorliegen einer Berufskrankheit im Bereich der Wirbelsäule des Klägers verneint hatten.
An 11.02.2005 sprach der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten vor und beantragte die Überprüfung des ablehnenden Bescheides vom 25.03.2002. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass bei ihm ein Bandscheibenvorfall vorliege.
Mit Bescheid vom 24.02.2005 lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 25.03.2002 gem. § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X ab, weil der Kläger keine neuen Erkenntnisse geltend gemacht habe, die von der Verwaltung nicht schon bei der ursprünglichen Entscheidung berücksichtigt worden seien. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2005 zurückgewiesen.
Die dagegen am 14.04.2005 erhobene Klage, mit der die Anerkennung der Halswirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV geltend gemacht wurde, wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 19.09.2005 ab. Der Gerichtsbescheid wurde dem damaligen Klägervertreter, Rechtsanwalt E., am 20.09.2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 26.10.2005, beim Landessozialgericht (LSG) am 08.11.2005 eingegangen, hat der Kläger dagegen Berufung eingelegt. Das schwere Heben und Tragen von Gewichten über 50 Kilogramm als junger Mensch, aber auch später, habe seine Wirbelsäule nachhaltig geschädigt und sei für seinen derzeitigen Gesundheitszustand verantwortlich. Die Anerkennung als Berufskrankheit sei zu Unrecht abgelehnt worden.
Der Berichterstatter hat den Kläger unter Hinweis darauf, dass die Berufungsfrist auf Grund der Zustellung des angefochtenen Gerichtsbescheides an den früheren Klägerbevollmächtigten am 20.10.2005 abgelaufen sei, um Mitteilung der Gründe für die verspätete Berufungseinlegung gebeten. Der Kläger hat daraufhin mit Schreiben vom 07.12.2005 mitgeteilt, dass er "in dieser Angelegenheit" von Herrn von B. von der Bezirksverwaltung der Beklagten betreut worden sei. Er habe ab dem 22.09.2005 versucht, diesen telefonisch zu erreichen. Er habe ihm bei der Einlegung der Berufung behilflich sein sollen. Als er endlich mit ihm habe sprechen können, habe er ihm einen Termin gegeben und dann das Berufungsschreiben aufgesetzt. Er (der Kläger) habe gefragt, ob es nicht zu spät wäre, aber Herr von B. habe ihm gesagt, dass die Berufung noch rechtzeitig gemacht würde und er nichts zu befürchten habe.
Die Beklagte hat hierzu die Stellungnahme des Herrn von B. vom 21.02.2006 vorgelegt. Herr von B. hat angegeben, dass er dem Kläger - auch im Zusammenhang mit früheren Verwaltungs- und Klageverfahren - im Rahmen der gesetzlichen Beratungspflicht Auskünfte erteilt, mehrfach Kopien von Aktenunterlagen übersandt und Unterlagen, die der Kläger immer wieder vorgelegt habe, an die zuständigen Stellen weitergeleitet habe. Wegen des angefochtenen Gerichtsbescheides vom 19.09.2005 habe er dem Kläger bei dessen vielfachen telefonischen und persönlichen Nachfragen geraten, sich mit seinem Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen bzw. selber Berufung einzulegen. Er habe ihm erklärt, dass dies schriftlich oder aber zur Niederschrift beim Landessozialgericht Baden-Württemberg oder beim SG erfolgen müsse. Er habe ihn ausdrücklich auf die Rechtsmittelfrist von einem Monat hingewiesen und ihm mündlich Hilfe zum Einlegen der Berufung gegeben. Bei einem der vielen Telefongespräche in der Folgezeit habe der Kläger erklärt, dass dies erfolgt sei, ohne dass er genau habe verstehen können, ob die Berufung persönlich oder schriftlich eingelegt worden sei. Er habe dem Kläger dann weiter erläutert, dass für die erforderliche Begründung die Rechtsmittelfrist nicht gelten würde, diese aber abgegeben werden müsse. Die Bitte des Klägers, ihm diese Begründung zu formulieren, habe er aber abgelehnt.
Der Kläger hat dagegen geltend gemacht, Herr von B. habe ihm zugesagt, die Berufung für ihn einzulegen. Dies habe er jedoch nicht getan, weshalb er sich schließlich an die "M. C." in S. gewandt habe. Dort habe ihm eine Frau das Berufungsschreiben vom 26.10.2005 aufgesetzt.
Der Kläger beantragt,
ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.09.2005 und den Bescheid vom 24.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 25.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2002 zurückzunehmen und seine Halswirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Herrn von B. als Zeugen vernommen. Dieser hat angegeben, er habe dem Kläger nicht zugesagt, für ihn Berufung einzulegen. Der Kläger habe ihn wegen des angefochtenen Gerichtsbescheids ganz allgemein um Hilfe gebeten. Dies habe er früher schon immer wieder getan, auch in Angelegenheiten, mit denen er selbst beruflich nicht befasst gewesen sei. Er habe ihm aufgezeigt, dass er Berufung einlegen müsse. Er solle sich deshalb an seinen Rechtsanwalt, der ihn im Klageverfahren vertreten habe, oder direkt an das Gericht wenden. Er habe ihn auch darauf hingewiesen, dass er die maßgebliche Berufungsfrist einhalten müsse. Die Bitte des Klägers, die Berufung für ihn zu begründen, habe er abgelehnt. Insgesamt sei die Verständigung mit dem Kläger aber schwierig gewesen. Er könne deshalb nicht ausschließen, dass sie zeitweise aneinander vorbeigeredet hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unzulässig, weil sie verspätet eingelegt worden ist.
Gem. § 151 Abs. 1 i. V. m. § 105 Abs. 3 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Landessozialgericht einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim SG eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der angefochtene Gerichtsbescheid ist am 20.09.2005 dem damaligen Klägerbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden (vgl. § 63 Abs. 1 und 2 SGG i. V. m. §§ 172, 174 ZPO). Die Berufungsfrist begann somit am 21.09.2005 zu laufen (§ 64 Abs. 1 SGG) und endete am 20.10.2005, einem Donnerstag (§ 64 Abs. 2 SGG). Die am 08.11.2005 beim LSG eingegangene Berufung ist damit verspätet eingelegt worden.
Dem Kläger ist wegen der Versäumung der Berufungsfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
War jemand ohne Verschulden gehindert, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gem. § 67 Abs. 1 SGG, der nach § 153 Abs. 1 SGG auch für das Berufungsverfahren entsprechend gilt, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gem. § 67 Abs. 2 SGG ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die Berufung rechtzeitig einzulegen. Er wusste sowohl aus Begründung des Antrages der dem angefochtenen Gerichtsbescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung als auch auf Grund des Hinweises des Zeugen von B., dass er die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides einlegen musste. Der Zeuge hat ihm auch geraten, die Berufung entweder selbst einzulegen oder sich deshalb mit seinem Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen. Dass der Kläger den Zeugen zunächst nicht erreichen konnte, entschuldigt es ebenfalls nicht, dass er die Berufung verspätet eingelegt hat. Da er wusste, dass die Berufung innerhalb einer bestimmten Frist eingelegt werden musste, hätte er sich entweder an seinen damaligen Rechtsanwalt wenden oder zunächst - zur Fristwahrung - Berufung einlegen müssen. Der Kläger kann sich zu seiner Entschuldigung auch nicht darauf berufen, der Zeuge habe ihm zugesagt, für ihn die Berufung einzulegen. Denn zur Überzeugung des Senats steht aufgrund der schriftlichen und mündlichen Bekundungen des Zeugen fest, dass dieser eine entsprechende Zusage nicht gemacht hat. Der Zeuge hat für den Senat nachvollziehbar und überzeugend darauf hingewiesen, dass er nicht gegen seine eigene Berufsgenossenschaft Berufung einlegen konnte und wollte.
Eventuell fehlende Sprachkenntnisse des Klägers stellen ebenfalls keinen Grund dar, eine unverschuldete Fristversäumung anzunehmen, da der Kläger, wie sich aus seinen Einlassungen ergibt, gewusst hat, dass die Berufung innerhalb einer bestimmten Frist einzulegen war.
Da der Kläger somit nicht glaubhaft gemacht hat, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, rechtzeitig Berufung einzulegen, ist ihm keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weshalb die Berufung als unzulässig zu verwerfen war.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Berufung auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte. Streitgegenstand ist ausschließlich die Frage, ob die Halswirbelsäulenerkrankung des Klägers im Rahmen des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X als Berufskrankheit anzuerkennen ist.
Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Dabei wird die Bundesregierung ermächtigt, solche Krankheiten als Berufskrankheit zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Eine Berufskrankheit liegt nur dann vor, wenn die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist (haftungsbegründende Kausalität) und durch die schädigenden Einwirkungen die Krankheit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden ist (haftungsausfüllende Kausalität). Wie bei einem Arbeitsunfall müssen auch hier die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u. a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkung und die Krankheit gehören, erwiesen seien, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286; 60, 58 mwN); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. Mehrtens/Perlebach, BKV Kommentar, E § 9 SGB VII, Anmerkung 26). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).
Nach der Nr. 2109 der Anlage zur BKV sind als Berufskrankheit anzuerkennen bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Dabei ist ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung bandscheibenbedingter Erkrankungen der HWS anzunehmen, wenn Lastgewichte von 50 kg und mehr regelmäßig auf der Schulter getragen wurden (Merkblatt des Bundesarbeitsministeriums, Bundesarbeitsblatt 3/93, S. 53 = Mehrtens/Perlebach, aaO, M 2109). Entsprechende Tätigkeiten hat der Kläger nicht verrichtet.
Der Kläger hat unter dem 18.07.2001 (Bl. 50/52 der Verwaltungsakten) Angaben über seine verschiedenen Beschäftigungsverhältnisse und die damit verbundenen Wirbelsäulenbelastungen gemacht. Als einzigen Beschäftigungszeitraum, in dem er wirbelsäulenschädigende Tätigkeiten verrichtet hat, hat er die Zeit von August 1962 bis August 1966 in den Badischen Maschinenwerken, K.-D., genannt. Dort hat er aber keine Lasten von 50 kg oder mehr auf der Schulter getragen. Entsprechende Belastungen hat es nach dem Bericht des TAD der Textil- und Bekleidungs-Berufsgenossenschaft vom 04.01.2002 (Blatt 101 bis 104 Verwaltungsakte) auch nicht während der Tätigkeit des Klägers in der M. N. GmbH, M: (Beschäftigungszeiten von Februar 1968 bis Mai 1970 und wieder seit Juni 1979) gegeben. In der mündlichen Verhandlung am 02.08.2006 hat der Kläger auf ausdrückliches Befragen angegeben, dass er bei seiner Arbeit keine Lasten auf den Schultern getragen, sondern solche nur hochgehoben habe. Damit liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV nicht vor, weshalb die Beklagte die Anerkennung der Halswirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit (und damit auch den Überprüfungsantrag des Klägers) zu Recht abgelehnt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt - unter Rücknahme der früheren entgegenstehenden Entscheidung - die Anerkennung seiner Halswirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1944 geborene Kläger beantragte im Juni 2001 die Anerkennung seiner Wirbelsäulenbeschwerden, die er auf seine Tätigkeit als Gießereiarbeiter zurückführte, als Berufskrankheit. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Edel- und Unedelmetall-Berufsgenossenschaft, lehnte mit Bescheid vom 25.03.2002 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nrn. 2108, 2109 und 2110 der Anlage zur BKV ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10.07.2002). Im anschließenden Klageverfahren (S 5 U 1808/02) vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) nahm der Kläger seine Klage am 03.09.2004 zurück, nachdem Prof. Dr. R. in dem von Amts wegen eingeholten orthopädischen Gutachten vom 24.02.2003, Prof. Dr. W. in dem auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten orthopädischen Gutachten vom 17.09.2003 und Prof. Dr. T. in seinem ebenfalls gem. § 109 SGG eingeholten neurochirurgischen Gutachten vom 13.07.2004 übereinstimmend das Vorliegen einer Berufskrankheit im Bereich der Wirbelsäule des Klägers verneint hatten.
An 11.02.2005 sprach der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten vor und beantragte die Überprüfung des ablehnenden Bescheides vom 25.03.2002. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass bei ihm ein Bandscheibenvorfall vorliege.
Mit Bescheid vom 24.02.2005 lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 25.03.2002 gem. § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X ab, weil der Kläger keine neuen Erkenntnisse geltend gemacht habe, die von der Verwaltung nicht schon bei der ursprünglichen Entscheidung berücksichtigt worden seien. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2005 zurückgewiesen.
Die dagegen am 14.04.2005 erhobene Klage, mit der die Anerkennung der Halswirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV geltend gemacht wurde, wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 19.09.2005 ab. Der Gerichtsbescheid wurde dem damaligen Klägervertreter, Rechtsanwalt E., am 20.09.2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 26.10.2005, beim Landessozialgericht (LSG) am 08.11.2005 eingegangen, hat der Kläger dagegen Berufung eingelegt. Das schwere Heben und Tragen von Gewichten über 50 Kilogramm als junger Mensch, aber auch später, habe seine Wirbelsäule nachhaltig geschädigt und sei für seinen derzeitigen Gesundheitszustand verantwortlich. Die Anerkennung als Berufskrankheit sei zu Unrecht abgelehnt worden.
Der Berichterstatter hat den Kläger unter Hinweis darauf, dass die Berufungsfrist auf Grund der Zustellung des angefochtenen Gerichtsbescheides an den früheren Klägerbevollmächtigten am 20.10.2005 abgelaufen sei, um Mitteilung der Gründe für die verspätete Berufungseinlegung gebeten. Der Kläger hat daraufhin mit Schreiben vom 07.12.2005 mitgeteilt, dass er "in dieser Angelegenheit" von Herrn von B. von der Bezirksverwaltung der Beklagten betreut worden sei. Er habe ab dem 22.09.2005 versucht, diesen telefonisch zu erreichen. Er habe ihm bei der Einlegung der Berufung behilflich sein sollen. Als er endlich mit ihm habe sprechen können, habe er ihm einen Termin gegeben und dann das Berufungsschreiben aufgesetzt. Er (der Kläger) habe gefragt, ob es nicht zu spät wäre, aber Herr von B. habe ihm gesagt, dass die Berufung noch rechtzeitig gemacht würde und er nichts zu befürchten habe.
Die Beklagte hat hierzu die Stellungnahme des Herrn von B. vom 21.02.2006 vorgelegt. Herr von B. hat angegeben, dass er dem Kläger - auch im Zusammenhang mit früheren Verwaltungs- und Klageverfahren - im Rahmen der gesetzlichen Beratungspflicht Auskünfte erteilt, mehrfach Kopien von Aktenunterlagen übersandt und Unterlagen, die der Kläger immer wieder vorgelegt habe, an die zuständigen Stellen weitergeleitet habe. Wegen des angefochtenen Gerichtsbescheides vom 19.09.2005 habe er dem Kläger bei dessen vielfachen telefonischen und persönlichen Nachfragen geraten, sich mit seinem Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen bzw. selber Berufung einzulegen. Er habe ihm erklärt, dass dies schriftlich oder aber zur Niederschrift beim Landessozialgericht Baden-Württemberg oder beim SG erfolgen müsse. Er habe ihn ausdrücklich auf die Rechtsmittelfrist von einem Monat hingewiesen und ihm mündlich Hilfe zum Einlegen der Berufung gegeben. Bei einem der vielen Telefongespräche in der Folgezeit habe der Kläger erklärt, dass dies erfolgt sei, ohne dass er genau habe verstehen können, ob die Berufung persönlich oder schriftlich eingelegt worden sei. Er habe dem Kläger dann weiter erläutert, dass für die erforderliche Begründung die Rechtsmittelfrist nicht gelten würde, diese aber abgegeben werden müsse. Die Bitte des Klägers, ihm diese Begründung zu formulieren, habe er aber abgelehnt.
Der Kläger hat dagegen geltend gemacht, Herr von B. habe ihm zugesagt, die Berufung für ihn einzulegen. Dies habe er jedoch nicht getan, weshalb er sich schließlich an die "M. C." in S. gewandt habe. Dort habe ihm eine Frau das Berufungsschreiben vom 26.10.2005 aufgesetzt.
Der Kläger beantragt,
ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.09.2005 und den Bescheid vom 24.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 25.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2002 zurückzunehmen und seine Halswirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Herrn von B. als Zeugen vernommen. Dieser hat angegeben, er habe dem Kläger nicht zugesagt, für ihn Berufung einzulegen. Der Kläger habe ihn wegen des angefochtenen Gerichtsbescheids ganz allgemein um Hilfe gebeten. Dies habe er früher schon immer wieder getan, auch in Angelegenheiten, mit denen er selbst beruflich nicht befasst gewesen sei. Er habe ihm aufgezeigt, dass er Berufung einlegen müsse. Er solle sich deshalb an seinen Rechtsanwalt, der ihn im Klageverfahren vertreten habe, oder direkt an das Gericht wenden. Er habe ihn auch darauf hingewiesen, dass er die maßgebliche Berufungsfrist einhalten müsse. Die Bitte des Klägers, die Berufung für ihn zu begründen, habe er abgelehnt. Insgesamt sei die Verständigung mit dem Kläger aber schwierig gewesen. Er könne deshalb nicht ausschließen, dass sie zeitweise aneinander vorbeigeredet hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unzulässig, weil sie verspätet eingelegt worden ist.
Gem. § 151 Abs. 1 i. V. m. § 105 Abs. 3 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Landessozialgericht einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim SG eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der angefochtene Gerichtsbescheid ist am 20.09.2005 dem damaligen Klägerbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden (vgl. § 63 Abs. 1 und 2 SGG i. V. m. §§ 172, 174 ZPO). Die Berufungsfrist begann somit am 21.09.2005 zu laufen (§ 64 Abs. 1 SGG) und endete am 20.10.2005, einem Donnerstag (§ 64 Abs. 2 SGG). Die am 08.11.2005 beim LSG eingegangene Berufung ist damit verspätet eingelegt worden.
Dem Kläger ist wegen der Versäumung der Berufungsfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
War jemand ohne Verschulden gehindert, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gem. § 67 Abs. 1 SGG, der nach § 153 Abs. 1 SGG auch für das Berufungsverfahren entsprechend gilt, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gem. § 67 Abs. 2 SGG ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die Berufung rechtzeitig einzulegen. Er wusste sowohl aus Begründung des Antrages der dem angefochtenen Gerichtsbescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung als auch auf Grund des Hinweises des Zeugen von B., dass er die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides einlegen musste. Der Zeuge hat ihm auch geraten, die Berufung entweder selbst einzulegen oder sich deshalb mit seinem Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen. Dass der Kläger den Zeugen zunächst nicht erreichen konnte, entschuldigt es ebenfalls nicht, dass er die Berufung verspätet eingelegt hat. Da er wusste, dass die Berufung innerhalb einer bestimmten Frist eingelegt werden musste, hätte er sich entweder an seinen damaligen Rechtsanwalt wenden oder zunächst - zur Fristwahrung - Berufung einlegen müssen. Der Kläger kann sich zu seiner Entschuldigung auch nicht darauf berufen, der Zeuge habe ihm zugesagt, für ihn die Berufung einzulegen. Denn zur Überzeugung des Senats steht aufgrund der schriftlichen und mündlichen Bekundungen des Zeugen fest, dass dieser eine entsprechende Zusage nicht gemacht hat. Der Zeuge hat für den Senat nachvollziehbar und überzeugend darauf hingewiesen, dass er nicht gegen seine eigene Berufsgenossenschaft Berufung einlegen konnte und wollte.
Eventuell fehlende Sprachkenntnisse des Klägers stellen ebenfalls keinen Grund dar, eine unverschuldete Fristversäumung anzunehmen, da der Kläger, wie sich aus seinen Einlassungen ergibt, gewusst hat, dass die Berufung innerhalb einer bestimmten Frist einzulegen war.
Da der Kläger somit nicht glaubhaft gemacht hat, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, rechtzeitig Berufung einzulegen, ist ihm keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weshalb die Berufung als unzulässig zu verwerfen war.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Berufung auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte. Streitgegenstand ist ausschließlich die Frage, ob die Halswirbelsäulenerkrankung des Klägers im Rahmen des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X als Berufskrankheit anzuerkennen ist.
Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Dabei wird die Bundesregierung ermächtigt, solche Krankheiten als Berufskrankheit zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Eine Berufskrankheit liegt nur dann vor, wenn die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist (haftungsbegründende Kausalität) und durch die schädigenden Einwirkungen die Krankheit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden ist (haftungsausfüllende Kausalität). Wie bei einem Arbeitsunfall müssen auch hier die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u. a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkung und die Krankheit gehören, erwiesen seien, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286; 60, 58 mwN); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. Mehrtens/Perlebach, BKV Kommentar, E § 9 SGB VII, Anmerkung 26). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).
Nach der Nr. 2109 der Anlage zur BKV sind als Berufskrankheit anzuerkennen bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Dabei ist ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung bandscheibenbedingter Erkrankungen der HWS anzunehmen, wenn Lastgewichte von 50 kg und mehr regelmäßig auf der Schulter getragen wurden (Merkblatt des Bundesarbeitsministeriums, Bundesarbeitsblatt 3/93, S. 53 = Mehrtens/Perlebach, aaO, M 2109). Entsprechende Tätigkeiten hat der Kläger nicht verrichtet.
Der Kläger hat unter dem 18.07.2001 (Bl. 50/52 der Verwaltungsakten) Angaben über seine verschiedenen Beschäftigungsverhältnisse und die damit verbundenen Wirbelsäulenbelastungen gemacht. Als einzigen Beschäftigungszeitraum, in dem er wirbelsäulenschädigende Tätigkeiten verrichtet hat, hat er die Zeit von August 1962 bis August 1966 in den Badischen Maschinenwerken, K.-D., genannt. Dort hat er aber keine Lasten von 50 kg oder mehr auf der Schulter getragen. Entsprechende Belastungen hat es nach dem Bericht des TAD der Textil- und Bekleidungs-Berufsgenossenschaft vom 04.01.2002 (Blatt 101 bis 104 Verwaltungsakte) auch nicht während der Tätigkeit des Klägers in der M. N. GmbH, M: (Beschäftigungszeiten von Februar 1968 bis Mai 1970 und wieder seit Juni 1979) gegeben. In der mündlichen Verhandlung am 02.08.2006 hat der Kläger auf ausdrückliches Befragen angegeben, dass er bei seiner Arbeit keine Lasten auf den Schultern getragen, sondern solche nur hochgehoben habe. Damit liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV nicht vor, weshalb die Beklagte die Anerkennung der Halswirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit (und damit auch den Überprüfungsantrag des Klägers) zu Recht abgelehnt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved