L 5 KR 377/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1312/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 377/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung.

Bei der 1983 geborenen Klägerin, die über ihre Eltern bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert ist, wurde vom 17.12.1991 bis 17.2.1998 eine kieferorthopädische Behandlung bei Dr. R. durchgeführt und abgeschlossen. An den Kosten der Behandlung hatte sich die Beklagte beteiligt.

Der Zahnarzt für Kieferorthopädie Dr. B. erstellte unter dem 24.11.2003 einen kieferorthopädischen Heil- und Kostenplan. Darin nahm er ein starkes Rezidiv sowie eine voraussichtliche Behandlungsdauer von etwa 16 Quartalen mit voraussichtlichen Gesamtkosten von 4.983,23 EUR an. Die Behandlung sei im vorgesehenen Umfang zur Wiederherstellung der Kaufähigkeit erforderlich bzw. zur Verhütung von Erkrankungen notwendig. Die Gebührenbemessung richte sich nach § 5 Abs. 1 GOÄ/GOZ.

Am 13.1.2004 beantragten die Eltern der Klägerin eine Kostenbeteiligung bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 23.1.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Nach dem Gesundheitsreformgesetz (GSG) gehöre die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener (18 Jahre und älter) seit dem 1.1.1993 gem. § 28 Abs. 2 Satz 6 und 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) mit Ausnahme der kombiniert kieferchirurgischen und kieferorthopädischen Behandlung von Versicherten mit schweren Kieferanomalien nicht mehr zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.3.2004 zurück. Sie führte ergänzend aus, der Versicherte müsse vor Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des vertragsärztlichen Systems die Kostenübernahme bei der Krankenkasse beantragen. Die Klägerin habe den Kostenerstattungsantrag jedoch erst nach Abschluss der Behandlung gestellt. Für eine schwere Kieferanomalie (§ 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V) lägen keine Anhaltspunkte vor. Der Widerspruchsbescheid wurde am 16.3.2004 zur Post gegeben.

Am 15.4.2004 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg. Sie trägt vor, offensichtlich sei die erste kieferorthopädische Behandlung bei Dr. R. fehlerhaft gewesen. Den Heil- und Kostenplan des Dr. B. vom 24.11.2003 habe sie Ende November von der Behandlung mitgebracht. Unter dem 8.1.2004 habe Dr. B. eine erste Rechnung über 1.234,40 EUR gestellt. Im Dezember 2003 sei mit der Beklagten telefonisch Kontakt wegen der Kostenerstattung aufgenommen worden; einen schriftlichen Kostenerstattungsantrag habe man unter dem 11.1.2004 gestellt.

Die Beklagte trug ergänzend vor, die Behandlung sei ausweislich der eingereichten Rechnung des Dr. B. vom 8.1.2004 (SG-Akte S. 9) bereits am 2.10.2003 aufgenommen worden (weitere Behandlungstermine: 16.10., 20.11., 24.11., 26.11., 9.12., 18.12. 2003). Der auf Grund dieser Behandlung erstellte Heil- und Kostenplan datiere vom 24.11.2003, Antrag auf Kostenerstattung sei aber erst unter dem 11.1.2004 gestellt worden. Bei Ergehen des Ablehnungsbescheids vom 23.1.2004 habe die Behandlung bereits begonnen gehabt.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.12.2004 wies das Sozialgericht die Klage unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheids ab.

Auf den am 5.1.2005 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24.1.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen und verweist auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (VI I ZR 266/03).

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28.12.2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.3.2004 zu verurteilen, die Kosten der Ende 2003 begonnenen kieferorthopädischen Behandlung bei Dr. B. gemäß dessen privatärztlichem Heil- und Kostenplan vom 24.11.2003 zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend; die angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs betreffe Schadensersatzansprüche gegen den Behandler und sei vorliegend nicht einschlägig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143,144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat eine Beteiligung an den Kosten der in Rede stehenden kieferorthopädischen Behandlung zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind §§ 27 Abs. 1, 28 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst (u. a.) die zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V). Gem. § 28 Abs. 2 SGB V umfasst die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Nach § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben, jedoch nicht zur zahnärztlichen Behandlung; insoweit ist für die Altersgrenze der Beginn der Behandlung maßgebend. Anderes gilt gem. § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V nur für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert.

Die Klägerin ist am 2.2.1983 geboren und hat am 2.2.2001 das 18. Lebensjahr vollendet. Die kieferorthopädische Behandlung, an deren Kosten sich die Beklagte beteiligen soll, hat am 2.10.2003 begonnen, zu einem Zeitpunkt also, als die Klägerin das 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte. Nach der klaren gesetzlichen (und verfassungsmäßigen - BSGE 81, 245) Regelung in § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V gehört diese Behandlung deshalb nicht mehr zur von der Leistungspflicht der Beklagten umfassten zahnärztlichen Behandlung i. S. des §§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 SGB V. Dass die Klägerin unter einer schweren, kombiniert kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordernden Kieferanomalie leidet, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Davon abgesehen hat die Klägerin, worauf die Beklagte mit Recht hinweist, die Behandlung auch außerhalb des vertragsärztlichen Systems durch eine privatärztliche Behandlung vornehmen lassen und diese nach der vorgelegten Rechnung des Dr. B. vom 8.1.2004 im Oktober bzw. November 2003 aufgenommen. Kostenerstattung hat sie nach eigenem Vorbringen frühestens im Dezember 2003 (telefonisch) beantragt. Ein Kostenerstattungsanspruch nach Maßgabe des § 13 Abs. 3 SGB V käme - unbeschadet dessen, dass die Beklagte die Kostenerstattung ohnehin gem. § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V zu Recht abgelehnt hat - auch aus diesem Grund nicht in Frage.

Ob die vorausgegangene kieferorthopädische Behandlung durch Dr. R. in der Zeit von 1991 bis 1998, an deren Kosten sich die Beklagte auch beteiligt hatte, fehlerhaft war oder nicht, ist für den hier geltend gemachten Leistungsanspruch rechtlich unerheblich. Das von der Klägerin angeführte Urteil des BGH befasst sich nicht mit der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenassen, die hier nach § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V (wie dargelegt) ausgeschlossen ist.

Die im Oktober 2003 aufgenommene erneute Behandlung kann nach knapp fünfjähriger Behandlungspause auch nicht als Fortsetzung der Ende 1998 abgeschlossenen Behandlung bei Dr. R. angesehen werden. Der Behandlungsbeginn kann nicht auf Grund einer längere Zeit zurückliegenden Behandlung vorverlegt werden (BSGE 81,245). Kürzere Behandlungsunterbrechungen sind zwar unschädlich, hiervon kann allerdings bei einer knapp fünfjährige Unterbrechung keine Rede sein. Außerdem wurde die Behandlung bei Dr. R. nicht unterbrochen, sie war vielmehr nach Auffassung der Klägerin, des behandelnden Zahnarztes Dr. R. und der Krankenkasse abgeschlossen. Die neue Behandlungsnotwendigkeit hat sich erst später aus den zwischenzeitlich eingetretenen anatomischen Veränderungen im Zahnbereich der Klägerin ergeben.

Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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