L 13 AL 1070/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 2449/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1070/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18.Februar 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit wird darüber geführt, ob die Beklagte die Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 1. Januar bis 5. Dezember 2002 teilweise zurücknehmen und von der Klägerin einen Gesamtbetrag von EUR 3034,05 zur Erstattung fordern darf.

Die 1973 geborene Klägerin, gelernte Arzthelferin, lebt seit 1995 in eheähnlicher Gemeinschaft mit R. L ... Sie war nach ihrer im Juni 1994 beendeten Ausbildung zeitweise arbeitslos geblieben und hatte Arbeitslosengeld (Alg) bezogen, dessen Bemessungsentgelt bei der Beendigung des Leistungsbezugs am 6. September 1995 bei wöchentlich DM 270 lag. Vom 7. September 1995 bis 6. März 1997 erwarb sie aus einer Beschäftigung als Verkäuferin mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von etwas über DM 2000 einen neuen Anspruch auf Alg. Sie bezog diese Leistung zunächst vom 14. März bis 30. Juni 1997 (wöchentliches Bemessungsentgelt DM 520, wöchentlicher Leistungssatz A/0 DM 219). Vom 1. Juli bis 30. September 1997 war sie nochmals als Arzthelferin zu einem festen Monatsbrutto von DM 2336 beschäftigt. Ab 1. Oktober 1997 bezog die Klägerin wieder Alg im zuvor genannten Betrag, vom 1. Januar bis 6. März 1998 erhöht auf DM 220,78. Anlässlich des Dynamisierungsstichtags erhöhte sich vom 7. März bis 3. Mai 1998 das wöchentliche Bemessungsentgelt auf DM 530 und der Leistungssatz auf DM 223,44. Vom 4. Mai bis 6. September 1998 nahm sie an einem Abrechnungskurs für Arzthelferinnen teil und erhielt Unterhaltsgeld (Uhg) bei einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von DM 540 und einem Leistungssatz von DM 226,24. Es folgte vom 7. September bis 25. Oktober 1998 Anschlussunterhaltsgeld (AUhg) nach einer wöchentlichen Bemessung von DM 530 und einem Leistungssatz von DM 223,44. Vom 26. Oktober bis 5. Dezember 1998 wurde der Restanspruch auf Alg bei gleichen Beträgen erschöpft.

Für die anschließende Zeit beantragte die Klägerin erstmals Alhi. Wegen Einkommens des Partners ergaben sich Anrechnungsbeträge. Bei gleichbleibendem Bemessungsentgelt von wöchentlich DM 530 wurde vom 6. bis 31. Dezember 1998 ein wöchentlicher Zahlbetrag von noch DM 80,15, vom 1. Januar bis 21. März 1999 (Ende der Leistungsfortzahlung wegen Krankheit) von DM 83,23 gezahlt. Vom 15. Mai bis 5. Dezember 1999 belief sich dieser auf DM 93,94. Im neuen Bewilligungsabschnitt verblieben vom 6. bis 31. Dezember 1999 bei einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von DM 520 noch DM 7, vom 1. Januar bis 28. Mai 2000 DM 100,73.

Vom 29. Mai bis 26. November 2000 besuchte die Klägerin wiederum eine Bildungsmaßnahme, für welche Uhg mit wöchentlicher Bemessung von DM 520 und einem Leistungssatz von DM 228,20 bewilligt wurde; ab 1. Juli 2000 erhöhte sich die wöchentliche Bemessung auf DM 570 und der Leistungssatz auf DM 243,04. Vom 27. November bis 30. Dezember 2000 bezog die Klägerin Krankengeld. Vom 31. Dezember 2000 bis 30. März 2001 bestand nochmals Anspruch auf AUhg bei wöchentlicher Bemessung von DM 580 und einem Leistungssatz von zunächst (Dezember 2000) DM 245,70, ab 1. Januar 2001 DM 251,51.

Beim anschließenden Bezug von Alhi ergab sich (Bescheid vom 8. Mai 2001) vom 31. März 2001 bis 5. Dezember 2001 bei einer wöchentlichen Bemessung von DM 520 nach Abzug eines Anrechnungsbetrags von DM 166,53 ein wöchentlicher Zahlbetrag von nur noch DM 38,71. Dieser erhöhte sich für den neuen Bewilligungsabschnitt vom 6. Dezember 2001 bis 5. Dezember 2002 (Bescheid vom 20. Dezember 2001) wegen einer Anrechnung von nur noch DM 101,80 auf (bis 31. Dezember 2001) DM 103,46. Bei der Währungsumstellung zum 1. Januar 2002 übersah das Arbeitsamt F. (ArbA), dass das wöchentliche Bemessungsentgelt von jetzt DM 515 ungekürzt in die neue Währung Euro übernommen wurde. Im Bescheid vom 4. Januar 2002 war nach Abzug eines - zutreffend umgerechneten - Anrechnungsbetrags von EUR 52,05 ein wöchentlicher Zahlbetrag von EUR 115,22 bewilligt. Dieser wurde bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 5. Dezember 2002 gezahlt.

Bei der Bearbeitung des im November 2002 gestellten Fortzahlungsantrags wurde bemerkt, dass seit 1. Januar 2002 der Betrag des Bemessungsentgelts unverändert von DM in Euro übernommen worden war. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2002 hörte das ArbA die Klägerin zur beabsichtigten Teilrücknahme der Bewilligungsentscheidung und zur Erstattungsverpflichtung über EUR 3034,05 an. Die Klägerin ließ sich ein, der Fehler sei nicht durch sie verursacht worden und habe nicht erkannt werden können, zumal sich in der Gesetzgebung und bei den verschiedenen Leistungsarten ständig Änderungen der Beträge ergeben hätten. Durch Bescheid vom 11. Februar 2003 nahm das ArbA die Bewilligungsentscheidung über Alhi für die Zeit vom 1. Januar bis 5. Dezember 2002 teilweise in Höhe von EUR 62,65 wöchentlich zurück und verpflichtete zur Erstattung von EUR 3034,05. Aufgrund der Höhe der bewilligten Leistung habe mit einfachsten und nahe liegenden Überlegungen erkannt werden können, dass Alhi in dieser Höhe - doppelt so hoch wie bisher - nicht zustehe. Mit dem Widerspruch brachte die Klägerin im Wesentlichen vor, auch bei früheren Leistungen seien hohe Zahlbeträge bewilligt worden; hinzu kämen laufende Gesetzesänderungen. Es erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2003. Die Zahlbeträge der anrechnungsfreien Leistungen Uhg und AUhg könnten nicht gegen die Alhi ins Feld geführt werden, bei welcher regelmäßig eine merkliche Anrechnung des Partnereinkommens stattgefunden habe. Es habe sich aufdrängen müssen, dass beim nahtlosen Übergang der Zahlungen von 2001 nach 2002 bei im Wesentlichen unveränderten Verhältnissen nicht eine Leistungserhöhung auf das Doppelte habe stattfinden können.

Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Freiburg ist die Klägerin bei ihrem bisherigen Vorbringen verblieben und hat ergänzend geltend gemacht, eine Prüfung des Bemessungsentgelts dürfe von ihr nicht verlangt werden. Es komme auf den Zahlbetrag an und dieser habe bekanntlich in der Vergangenheit bei verschiedenen Leistungsarten erheblich geschwankt; auch seien auf Seiten der Beklagten verschiedentlich Fehler aufgetreten. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat sich im Wesentlichen nochmals auf die Begründung des Widerspruchsbescheids berufen. Das Sozialgericht hat im Erörterungstermin vom 23. März 2004 die Klägerin angehört, die dabei verblieben ist, eine Prüfung des Bemessungsentgelts und der Ursache der erheblichen Steigerung des Leistungsbetrags habe von ihr nicht verlangt werden dürfen. Durch Gerichtsbescheid vom 18. Februar 2005 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen dargelegt, zwar habe sich in den Fällen der unterbliebenen Umrechnung von DM in EUR regelmäßig jedem Leistungsempfänger der Gedanke an eine Fehlerhaftigkeit des Bescheids aufdrängen müssen. Hier aber sei die Erhöhung aufgrund der großen Schwankungsbreite der verschiedenen Leistungsarten und auch des Anrechnungsbetrages bei der Alhi nicht in augenfälliger Weise aus dem Rahmen gefallen. Auf die Entscheidungsgründe wird im übrigen Bezug genommen.

Gegen den Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 15. März 2005 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Klägerin habe sich fragen müssen, weshalb in zwei kurz nacheinander ihr zugehenden Bescheiden solch unterschiedliche Leistungsbeträge genannt gewesen seien. Zwischen den beiden Bescheiden vom 20. Dezember 2001 und vom 4. Januar 2002 seien keine Änderungen in den Verhältnissen eingetreten. Dann aber habe eine derart weitgehende Änderung in der Leistungshöhe nicht richtig gewesen sein können. Jedenfalls hätte sich Anlass geboten, Rücksprache zu halten.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Februar 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie entgegnet, das Sozialgericht habe aufgrund der bekannten Umstände hier zu Recht einen Ausnahmefall gesehen. Die Leistungsbeträge seien in der Vergangenheit erheblich voneinander abgewichen. Sie - die Klägerin - habe die erheblichen Schwankungen auch zu ihren Lasten jederzeit für normal gehalten. Auch hätten bereits frühere Bescheide seit 1999 jeweils nachrichtlich den umgerechneten Eurobetrag enthalten. Der Fehler habe allein auf Seiten der Beklagten gelegen. Frühere Überzahlungen seien meist in kurzer Frist aufgedeckt und anstandslos bereinigt worden.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Leistungsakten (Kundennr.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts durfte die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden des ArbA die Bewilligungsentscheidung über Alhi für die Zeit vom 1. Januar bis 5. Dezember 2002 teilweise zurücknehmen und einen Betrag von EUR 3034,05 zur Erstattung fordern.

Verfahrensrechtliche Grundlage für die Teilrücknahme eines Verwaltungsaktes (hier des Änderungsbescheids vom 4. Januar 2002) ist § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Soweit ein begünstigender Verwaltungsakt rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (vgl. Abs. 1). Auf Vertrauensschutz und Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme (vgl. Abs. 2 Satz 1 und 2) kann sich gemäß Abs. 2 Satz 3 der Begünstigte nicht berufen, soweit (Nr. 3) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Eine Ermessensausübung ist - auch etwa bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln - unter diesen Voraussetzungen im Bereich des Arbeitsförderungsrechts entbehrlich (vgl. § 330 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - SGB III -).

Grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. Bundessozialgericht - BSG - BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 62, 32, 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2; SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Das Außerachtlassen von Hinweisen in einem Merkblatt ist im allgemeinen grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Erläuterungen nicht verstanden hat (BSGE 44, 264, 273).

Die hier streitige Leistung der Alhi hätte, wie das ArbA zutreffend errechnet hat, ab 1. Januar 2002 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von EUR 265 anstelle tatsächlich EUR 515 gezahlt werden müssen. Dies ergibt sich wie folgt: Die Klägerin hatte aus der Beschäftigung vom 7. September 1995 bis 6. März 1997 einen Anspruch auf Alg nach einem auf den nächsten Zehnerbetrag (vgl. § 132 Abs. 3 SGB III früherer Fassung) gerundeten Betrag von DM 520 erworben. Dieses Bemessungsentgelt erhöhte sich aufgrund der seinerzeitigen Veränderung der Bruttoarbeitsentgelte zum jährlichen Anpassungstag (vgl. § 138 Abs. 1 Satz 1 SGB III) ab 7. März 1998 auf DM 530; dieser Betrag war für die ab 6. Dezember 1998 bezogene Alhi zu übernehmen (vgl. § 200 Abs. 1 SGB III damaliger Fassung) und nach einem Jahr (ab 6. Dezember 1999) um 0,03 v.H. (vgl. § 201 Satz SGB III damaliger Fassung) auf gerundet DM 520 abzusenken. Bei diesem Bemessungsentgelt ist es sodann bis 31. Dezember 2001 verblieben. Der Ansatz eines Bemessungsentgelts von EUR 515 im Bescheid vom 4. Januar 2002 ist offenkundig dadurch zustandegekommen, dass das ArbA zwar - fehlerhaft - den letzten DM-Betrag in EUR übernommen hat, jedoch - da das ungerundete Bemessungsentgelt bei etwa DM 516 gelegen hatte - die jetzige Rundung auf den nächsten durch 5 teilbaren EUR-Betrag (vgl. § 198 Satz 1 i.V.m. § 132 Abs. 3 SGB III jetzt geltender Fassung) beachtet hat. Zutreffend wäre der Betrag von DM 520 in EUR 265 umzurechnen gewesen.

Ausgehend von diesem Bemessungsentgelt wäre nach der SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2002 vom 20. Dezember 2001, BGBl. I S. 4036 ein ungekürzter Leistungssatz (Leistungsgruppe A/0) von EUR 104,65 zu zahlen gewesen; wegen der fehlerhaften Zugrundelegung von wöchentlich EUR 515 wurde der ungekürzte Zahlbetrag auf EUR 167,30 errechnet. Die wöchentliche Differenz beträgt EUR 62,65. Vom 6. bis 31. Dezember 2001 hätte nach der SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2001 vom 22. Dezember 2000, BGBl. I S. 2056 der ungekürzte wöchentliche Leistungssatz bei DM 205,24 gelegen.

Von diesen ungekürzten Leistungsätzen war gemäß § 194 Abs. 1 und 2 SGB III damaliger Fassung das Einkommen des in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partners abzuziehen. Für die Berechnung im Einzelnen, für deren Unrichtigkeit keine Anhaltspunkte ersichtlich sind - im Übrigen würden geringfügige Fehler im Ergebnis am Erstattungsbetrag nichts ändern -, wird auf Bl. 199 der Leistungsakte Bezug genommen. Der Anrechnungsbetrag belief sich im Dezember 2001 auf DM 101,80 (wobei sodann mit DM 103,46 wöchentlich 0,02 DM zuviel gezahlt wurden); er wurde richtig in EUR 52,05 umgerechnet. Somit hätte der wöchentlich zustehende Zahlbetrag EUR 52,60 anstelle der fehlerhaft überwiesenen EUR 115,22 betragen, wobei sich die Abrundung des eigentlich EUR 115,25 betragenden Ergebnisses auf den nächsten durch 7 Tage teilbaren Betrag auf die Erstattungssumme nicht auswirkt.

Der Klägerin ist jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis der teilweisen Rechtswidrigkeit der Bewilligung vorzuhalten. Der wöchentliche Zahlbetrag hatte sich von DM 103,46 (2001) auf EUR 115,22 (2002) mehr als verdoppelt. Ein neuer Antrag war bezüglich des Änderungsbescheids vom 4. Januar 2002 nicht erforderlich; neue Angaben zum anzurechnenden Entgelt des Partners waren nicht gefordert. Unter diesen Umständen ist die Vermutung, die Verdoppelung des Zahlbetrags habe auf einer Gesetzesänderung beruht, eine Schutzbehauptung. Von einer Gesetzesänderung war seinerzeit weder in den Medien die Rede noch war eine solche im Bescheid angedeutet. Es war auch höchst unwahrscheinlich, dass die bereits seit Jahren stets neuen Absenkungen unterliegende Alhi nunmehr schlicht verdoppelt worden wäre. Im übrigen könnte mit der Vermutung, es habe sich um eine Gesetzesänderung gehandelt, jede Pflicht zur Prüfung offenkundiger Fehler der Bewilligung obsolet gemacht werden. Schließlich bestand um die Zeit der Währungsumstellung zur Jahreswende 2001/2002 allgemein erhöhte Sensibilität dafür, ob korrekte Umrechnungen stattfinden würden.

Der Senat vermag auch nicht dem vom Sozialgericht im Sinne eines Ausnahmefalls gutgeheißenen Vorbringen der Klägerin Recht zu geben, sie habe aufgrund ihrer in den vorhergehenden Jahren stark schwankenden Leistungsbezüge auf die Richtigkeit des Bescheids vom 4. Januar 2002 vertrauen dürfen. Die Klägerin stand seit Oktober 1997, also seit über vier Jahren durchgängig im Leistungsbezug. Das Bemessungsentgelt schwankte zwischen höchstens DM 580 (AUhg vom 31. Dezember 2000 bis 30. März 2001) und am niedrigsten DM 520 (zuletzt Alhi). Richtig ist, dass sich bei den anrechnungsfreien Leistungen Alg, Uhg und AUhg Leistungssätze ergeben haben, die in der Nähe des im hier streitigen Zeitraum geleisteten Betrags gelegen haben und dass die Alhi wegen des unterschiedlichen Anrechnungsbetrags starken Schwankungen unterlag. Gerade angesichts des häufigen Wechsels der Leistungsart über vier Jahre hinweg war es der Klägerin aber geläufig, dass allein die Alhi einer Anrechnung des Partnereinkommens unterlag, zumal anlässlich der Antragstellung jeweils zu Beginn der Bewilligungsabschnitte (Dezember 1998, Dezember 1999, März und Dezember 2001) umfangreiche Angaben zum ggf. anzurechnenden Entgelt gefordert wurden und diese von der Klägerin und ihrem Partner auch präzise - insbesondere bezüglich der für die Leistung günstigen Daten - getätigt wurden. Angesichts der Vielzahl der ergangenen Bescheide und zur pflichtgemäßen Lektüre ausgehändigten Merkblätter ist auch nicht zu glauben, dass die Klägerin mit dem für die Leistungsberechnung den wesentlichen Ausgangspunkt bildenden Begriff des Bemessungsentgelts nichts habe verbinden können. Für die Leistungsberechnung wirkte immer noch das in der Beschäftigung als Verkäuferin vom September 1995 bis März 1997 erzielte Bruttomonatsentgelt von etwas über DM 2000 nach. Dann aber konnte es unmöglich richtig sein, wenn im Bescheid vom 4. Januar 2002 ein Bemessungsentgelt in EUR ausgewiesen war, das im Wesentlichen dem seit Jahren in DM angesetzten entsprach. Insoweit war es zuzumuten, die wesentlichen Daten des Bescheids zur Kenntnis zu nehmen und auf Plausibilität zu prüfen. Hierzu war sie verpflichtet. Wenn sie das getan hätte, hätte ihr ohne weiteres auffallen müssen, dass das in EUR ausgewiesene Bemessungsentgelt unmöglich zutreffend sein kann. Als langjähriger Leistungsbezieherin war der Klägerin auch die Bedeutung des Bemessungsentgelts für die Höhe der Leistung bekannt; davon ist der Senat überzeugt. Wenn die Klägerin die Bewilligung nur oberflächlich und nicht sorgfältig gelesen hat, kann dies den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entkräften, sondern begründet ihn.

Einschränkungen der Urteils- und Kritikfähigkeit der Klägerin sind nicht ersichtlich. Diese war gelernte Arzthelferin, hatte eine Beschäftigung als Verkäuferin im Textilhandel ausgeübt und immerhin von Mai bis September 1998 eine Bildungsmaßnahme mit Schwerpunkt Abrechnung für Arzthelferinnen besucht. Sie vermag deshalb nicht ernstlich damit durchzudringen, sie habe sich stets mit dem Leistungsbetrag zufrieden gegeben und sich für die anderen Berechnungsfaktoren nicht interessieren müssen. Dass die Fehlerhaftigkeit vom ArbA verursacht worden ist, hindert, da nach § 330 Abs. 2 SGB III Ermessenserwägungen auch bei grobem Verschulden der Behörde nicht geboten sind, nicht den Vorhalt grober Fahrlässigkeit.

Der gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstattende Betrag von insgesamt EUR 3034,05 ist zutreffend errechnet (täglich EUR 8,95 für 339 Kalendertage). Auf Verbrauch der Leistung oder Fähigkeit zur Erstattung kommt es vorliegend nicht an; über deren Modalitäten ist hier nicht zu entscheiden (ständige Rechtsprechung).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Rechtskraft
Aus
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