L 1 U 2658/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1042/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2658/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. April 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Behandlungskosten und Gewährung von Verletztengeld wegen der Folgen eines als Arbeitsunfall geltend gemachten Ereignisses vom 14.02.2004.

Die 1943 geborene Klägerin betreibt die I. in S ... Am 14.02.2004 hob sie über Kopfhöhe einen Kasten Mineralwasser, dessen Gewicht nach ihren Angaben etwa 17 Kilogramm betrug, von einem Getränkekastenstapel nach unten. Wegen der räumlichen Enge des Abstellraumes war nach ihren Angaben ein mehrfaches Umgreifen des Kastens und eine Drehbewegung im Rückenbereich erforderlich. Hierbei traten Schmerzen an der linken Hand und im Rücken auf.

Die Klägerin erstattete unter dem 11.03.2004 für dieses Ereignis bei der Beklagten eine Unfallanzeige, in der sie angab, die am 14.02.2004 sofort eingestellte Arbeit am 23.02.2004 wieder aufgenommen zu haben. In dem von der Beklagten übersandten Vordruck erklärte sich die Klägerin mit der Übermittlung von Daten zu ihren gesundheitlichen Verhältnissen durch Ärzte, für die keine gesetzliche Übermittlungsbefugnis besteht, nicht einverstanden (Vordruck vom 11.03.2004). Mit Bescheid vom 23.03.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung für das geltend gemachte Ereignis ab, denn ein Unfall im Sinne des Gesetzes liege mangels einer äußeren Einwirkung nicht vor.

Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch, denn ihre Verletzung stehe sehr wohl in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die Klägerin verwies hierzu auf die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten bei der Arbeit vom 4. Dezember 1966. Auch in dem für sie geltenden Gewerbezweig 16 - Gaststätten - der Beklagten seien in der veröffentlichten Unfallstatistik Unfälle der Verletzten bei Tätigkeiten wie Heben, Tragen oder Ziehen angegeben. Die Beklagte holte die Auskunft von Dr. M. vom 05.05.2004 ein, zog die Akten eines früher von der Klägerin gemeldeten Unfalls vom 10.12.2002 bei und veranlasste nach Anhörung der Klägerin ein Gutachten bei Prof. Dr. D ... In dem Gutachten vom 15.10.2004 wurde nach Untersuchung der Klägerin ausgeführt, ein von außen auf den Menschen einwirkendes, unfreiwilliges Ereignis liege bei dem von der Klägerin geschilderten Sachverhalt nicht vor. Ein Unfall im Sinne des Gesetzes scheide aus. Außerdem bestehe bei dem geplanten und koordinierten Vorgang des Absetzens des Sprudelkastens kein wesentlicher innerer Zusammenhang mit der eingetretenen Überlastung der paravertebralen Muskulatur bzw. von Weichteilstrukturen im Bereich der linken Hand. Nach den aktuellen medizinischen Erkenntnissen sei bei einer physiologischen Belastung die wesentliche Teilursache in den fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen dieser Strukturen zu suchen. Auf die Veröffentlichung von Ludolph und die sonstige Gutachterliteratur wie z. B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, werde verwiesen. Die Klägerin machte geltend, sie habe nur einer Untersuchung durch Prof. Dr. D. zugestimmt, das dem Assistenten Dr. H. vertragswidrig übertragene Gutachten sei nicht verwertbar. Außerdem sei Auftragnehmer des Gutachtens das M. und nicht Prof. Dr. D. persönlich gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Klägerin hat am 25.02.2005 beim Sozialgericht S. Klage erhoben und ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren vertieft. Auf die Klageschrift vom 27.01.2005 (Blatt 1 bis 9 der Akte des Sozialgerichts) wird verwiesen. Ergänzend hat die Klägerin ausgeführt, eine bestimmte Krankheitsanlage bzw. ein konkreter Vorschaden habe nicht festgestellt werden können. Das Heben des Sprudelkastens komme in ihrer Branche in der Regel den männlichen Geschäftsführern zu, eine Bardame komme während ihrer Tätigkeit mit Getränkekästen eigentlich nicht in Berührung.

Nach Durchführung zweier Erörterungstermine am 23.06. und 30.8.2005, diesbezüglich wird auf die jeweiligen Niederschriften verwiesen, hat das Sozialgericht mit Urteil vom 12.04.2006 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat sich das Sozialgericht auf die Ausführungen von Prof. Dr. D. gestützt. Diese stimmten mit der einschlägigen Fachliteratur überein, wie z. B. mit Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 532 bezüglich plötzlich einsetzender Rückenschmerzen bei einem willentlich eingeleiteten eigentätigen Hebeakt. Zudem habe der behandelnde Orthopäde Dr. M. mitgeteilt, dass die Klägerin schon vor dem Ereignis wegen Lendenwirbelsäulenproblemen behandelt worden sei. Nicht jeder Gesundheitsschaden, den man während der betrieblichen Tätigkeit erleide, stelle einen versicherten Arbeitsunfall dar. Das Urteil ist der Klägerin mit Einschreiben am 29.04.2006 und mit Empfangsbekenntnis am 03.05.2006 übersandt worden.

Die Klägerin hat am 29.05.2006 hiergegen Berufung eingelegt und ausgeführt, wie das SG gehe sie davon aus, dass sie sich am 14.02.2004 beim Heben des Sprudelkastens eine Zerrung an der linken Hand und im Rücken zugezogen habe. Der Schmerz bei dem Hebevorgang beruhe aber nicht unbedingt auf der Hebetätigkeit als solcher, sondern eher auf der zu hohen Last des Getränkekastens. Das Gutachten von Prof. Dr. D. sei ein reines Parteigutachten, um die Auftraggeberin vor Haftung zu bewahren. Es sei seitens des Gutachters außer äußeren Vermessungen, die keine Besonderheiten ergeben haben, keine gründliche ärztliche Untersuchung erfolgt. Der Inhalt des Schreibens von Dr. M. sei ihr bis heute nicht bekannt. Das Gericht dürfe im Urteil kein Beweismittel verwenden, das den Parteien des Rechtsstreits nicht zugänglich gemacht worden sei. Das Sozialgericht habe sie auf ihre Bitte, ihr das Schreiben von Dr. M. zur Kenntnis zu bringen, lediglich an die Beklagte verwiesen, in deren Verwaltungsakte sich das Schreiben befinde. Eine ärztliche Behandlung der Lendenwirbelsäule durch Dr. M. habe vor dem Ereignis nicht stattgefunden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.04.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 23.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die bei Dr. M. entstandenen Behandlungskosten von 69,94 EUR zu erstatten sowie Verletztengeld vom 14.02.2004 bis 22.02.2004 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Sie führt zur Begründung aus, das von der Klägerin geltend gemachte Verletztengeld betrage nach ihrer Berechnung 479,97 EUR. Im Übrigen wird auf die Berufungserwiderung der Beklagten im Schriftsatz vom 21.06.2006 (Blatt 25 und 26 der Akte des Landessozialgerichts) verwiesen.

Mit richterlicher Verfügung vom 17.08.2006 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden.

Die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts sind beigezogen worden. Auf diese Unterlagen und die beim Senat angefallene Akte wird im übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist gem. §§ 143, 144 Abs. Nr. 1 SGG statthaft, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 549,91 EUR (Behandlungskosten von 69,94 EUR plus Verletztengeld in Höhe von 479,97 EUR) und übersteigt damit die Berufungssumme von 500 EUR. Die Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig.

Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Beru-fung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Ver-handlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG mit Verfügung des Berichterstatters vom 17.08.2006 hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Die Berufung ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten der Heilbehandlung und auf Gewährung von Verletztengeld.

Nach § 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ).

Die Heilbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 SGB VII insbesondere die Erstversorgung (Nr. 1), ärztliche Behandlung (Nr. 2) sowie Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (Nr. 4). Die ärztliche und zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt oder Zahnarzt angeordnet oder von ihm verantwortet werden (§ 28 Abs. 1 SGB VII). Die Unfallversicherungsträger haben alle Maßnahmen zu treffen, durch die eine möglichst frühzeitig nach dem Versicherungsfall einsetzende und sachgemäße Heilbehandlung und, soweit erforderlich, besondere unfallmedizinische oder Berufskrankheiten-Behandlung gewährleistet wird. Sie können zu diesem Zweck die von den Ärzten und Krankenhäusern zu erfüllenden Voraussetzungen im Hinblick auf die fachliche Befähigung, die sächliche und personelle Ausstattung sowie die zu übernehmenden Pflichten festlegen. Nach Art und Schwere des Gesundheitsschadens können besondere Verfahren für die Heilbehandlung vorgesehen werden (§ 34 Abs. 1 SGB VII).

Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit u.a. Anspruch auf Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen hatten (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII). Es wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt ist und endet u.a. mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit (§ 46 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 SGB VII). Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII). Arbeitsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann (BSGE 19, 179, 182; 57, 227, 228; 69, 180, 182). Mit der Formulierung "infolge eines Versicherungsfalls" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass die Leistung Verletztengeld nur gewährt werden kann, wenn Gesundheitsstörungen durch den Arbeitsunfall rechtlich wesentlich verursacht worden sind.

Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).

Ob die Verursachung eines Gesundheitsschadens oder des Todes eines Versicherten "durch" einen Arbeitsunfall festgestellt werden kann, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - letztlich danach, ob das Unfallereignis selbst und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache die wesentliche Bedingung für den Eintritt der Schädigung bildet (st. Rspr. des BSG; vgl. stellvertretend BSGE 63, 277 , 278 = SozR 2200 § 548 Nr 91 m.w.N). Welcher Umstand entweder für den Eintritt eines Arbeitsunfalls oder - worauf es bei der Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität entscheidend ankommt - für den Eintritt des Schadens als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Frage kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen gegeneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mitbewirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Zur Bewertung der Qualität einer bestimmten Bedingung hat die Rechtsprechung (vgl. etwa BSGE 59, 193 , 195 = SozR 2200 § 548 Nr. 77 m.w.N.) vielfach auf die Auffassung des "täglichen" oder "praktischen" Lebens abgestellt. Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 27, 45 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 mwN; SozR 2200 § 589 Nr. 96).

Gibt es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war (BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO, SozR Nr 69 zu § 542 RVO a.F.). Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10 S 30). War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (BSG Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 15).

Der Senat lässt dahinstehen, ob bei dem geschilderten Geschehensablauf bereits ein Unfallereignis nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ausscheidet, wie die Beklagte meint. Danach sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Die für einen Arbeitsunfall erforderliche äußere Einwirkung auf den Körper kann aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch darin bestehen, dass durch betriebliche Einflüsse eine krankhafte Störung im Körperinneren bei einer gewillkürten betriebsüblichen Handlung hervorgerufen wird (BSG, Urt. vom 12.04.2005, a.a.O.).

Jedenfalls besteht nach den oben dargelegten Voraussetzungen jedoch kein wesentlicher Zusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsschaden.

Dr. M. hat bei der Untersuchung der Klägerin am 16.02.2004 lediglich einen diffusen Druckschmerz der Wirbelsäule und der Beugesehne des dritten Fingers links diagnostiziert. Hinweise auf weitere Verletzungen fanden sich nicht. Dies ist im Gutachten vom 15.10.2004 als Zerrung im Bereich der linken Hand bzw. der paravertebralen Muskulatur im Bereich der Lendenwirbelsäule bewertet worden.

Die Auskunft von Dr. M. ist auch insoweit verwertbar, denn Dr. M. ist ausweislich des H-Arztberichtes vom 11.03.2002, der sich in der von der Beklagten beigezogenen Akte eines früher geltend gemachten Arbeitsunfalls der Klägerin befindet, ein zum Heilverfahren nach § 34 SGB VII zugelassener Arzt. Diese Ärzte sind nach § 201 Abs. 1 SGB VII zur Datenübermittlung an den Unfallversicherungsträger verpflichtet, einer Einwilligung des Versicherten bedarf es nicht. Es kommt auch nicht darauf an, dass die betreffenden Ärzte im konkreten Fall die Heilbehandlung wegen der Annahme eines Versicherungsfalls eingeleitet haben, ausreichend ist, dass sie zum Kreis der in § 34 SGB VII genannten Ärzte gehören (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, § 201 Rdnr. 3). Die Verwertung dieser Auskunft kann aber letztlich auch dahinstehen, denn die Klägerin hat die Erstdiagnose einer Zerrung nicht bestritten. Die vom Sozialgericht nicht gewährte, von der Klägerin sinngemäß beantragte Akteneinsicht führt deshalb zu keiner Rechtsverletzung der Klägerin. Anhaltspunkte für eine andere medizinische Beurteilung der von der Klägerin geltend gemachten Schmerzen sind für den Senat auch nicht ersichtlich.

Im Hinblick auf die geringfügige, nicht substanzielle Schädigung von Gewebestrukturen der linken Hand oder der Rückenmuskulatur, der allenfalls acht Tage bestehenden Arbeitsunfähigkeit, die im Übrigen ärztlich nicht bescheinigt ist, und des keine starke Belastung darstellenden, physiologisch gewollt ablaufenden Bewegungsvorgangs ist für den Senat die Beurteilung im Gutachten vom 15.10.2004 nachvollziehbar, dass die Überlastung der paravertebralen Muskulatur bzw. von Weichteilstrukturen im Bereich der linken Hand im Wesentlichen auf die körpereigene strukturelle Beschaffenheit zurückzuführen ist und nicht auf die als unwesentlich bewertete Teilursache des betriebsbedingten Anhebens einer Last. Dies ist für den Senat auch deshalb überzeugend, weil es im Einklang mit der bereits vom Sozialgericht zitierten unfallmedizinischen Literatur steht, auf die aber auch im Gutachten verwiesen wird, wenn auch - wie gerügt - ohne konkrete Seitenangabe. Auf die von der Klägerin geltend gemachten besonderen Umstände der Enge des Abstellraumes oder der für sie ungewöhnlichen Tätigkeit kommt es daher nicht an. Das gewollte Herunterheben des Sprudelkastens von Kopfhöhe auf den Boden beinhaltet nach den insoweit nachvollziehbaren Ausführungen im Gutachten vom 15.10.2004 keine besondere Kraftanstrengung.

Das Gutachten ist als Teil der Verwaltungsakte der Beklagten unter ausdrücklichem Hinweis in den Terminsbeschlüssen des Sozialgerichts vom 30.05. und 01.08.2005 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden, darüber hinaus hat die Klägerin das Gutachten als Anlage ihrer Klageschrift selbst in das Verfahren eingeführt.

Soweit die Klägerin bezweifelt, dass das Gutachten von Prof. Dr. D. erstattet worden ist, vermag dies die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu begründen. Die Beklagte hat ordnungsgemäß nach § 200 Abs. 2 SGB VII der Klägerin mehrere Ärzte zur Auswahl für die Gutachtenserstattung vorgeschlagen. Der von der Klägerin als Gutachter ausgewählte und von der Beklagten beauftragte Prof. Dr. D. war aber nicht gehalten, sämtliche Untersuchungen alleine vorzunehmen, sondern konnte hierzu Hilfspersonen beauftragen (vgl. Ricke a. a. O. § 200 Rdnr. 4). Inwieweit die abschließende gutachtliche Bewertung von Prof. Dr. D. vorgenommen wurde, ist dem vorgelegten Gutachten, was die Klägerin zu Recht rügt, nicht eindeutig zu entnehmen, denn das Gutachten enthält weder den entsprechenden Vermerk noch eine eindeutig Prof. Dr. D. zuordenbare Unterschrift. Die Verletzung des Wahlrechts nach § 200 Abs. 2 SGB VII begründet zwar einen Verfahrensmangel, der aber nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts i. S. von § 40 SGB X führt, ein besonders schwerwiegender Fehler ist darin nicht zu erkennen (vgl. auch Ricke a. a. O. § 200 Rdnr. 7). Der Verfahrensfehler ist jedoch nach § 42 SGB VII unbeachtlich, denn die gesetzlich gebundene, d. h. kein Ermessen einräumende Entscheidung der Beklagten zur Heilbehandlung bzw. zum Verletztengeld ist hiervon nicht beeinflusst. Die durch die persönliche Untersuchung der Klägerin von Assistenzarzt Dr. H. gewonnenen Ergebnisse hat der Senat nicht berücksichtigt. Soweit in dem jedenfalls von Dr. H. unterschriebenen Gutachten Bewertungen der aus der Aktenlage ersichtlichen Erkenntnisse vorgenommen werden, kommt die gutachtliche Äußerung einer Stellungnahme nach Aktenlage eines Beratungsarztes der Beklagten gleich, die die Beklagte jederzeit einholen kann und für die dem Versicherten kein Vorschlagsrecht nach § 200 Abs. 2 SGB VII eingeräumt werden muss. Die Verwertung des Gutachtens als Stellungnahme von Dr. H. nach Aktenlage war daher der Beklagten und auch dem Senat nicht versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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