L 5 R 2140/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1567/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2140/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 20. April 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1953 geborene Klägerin ist slowenische Staatsangehörige. Sie verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Im Oktober 1971 reiste sie aus Slowenien in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seitdem arbeitete sie als Verpackerin und Schneidearbeiterin. Zuletzt (seit 1986) war sie wieder als Verpackerin in einer Keksfabrik (Fa. T.) bis zum Eintritt ihrer Arbeitsunfähigkeit Anfang 2002 versicherungspflichtig tätig. In der Folgezeit war sie arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

Am 17. Juli 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab hierbei an, sie halte sich wegen ihrer "Halswirbelsäule" seit September 2001 für erwerbsgemindert.

In dem von der Beklagten eingeholten sozialmedizinischen Gutachten von Dr. Z.-R. vom 5. September 2002 stellte diese eine chronifizierte Schmerzsymptomatik bei verschleißbedingten Veränderungen der Halswirbelsäule mit Osteochondrose und Retrospondylose sowie Einengung des Rückenmarkkanals in Höhe C 4/C 7 ohne Nachweis eines Bandscheibenvorfalls mit endgradiger Bewegungseinschränkung, einen Verdacht auf phobischen Schwankschwindel bei ängstlicher Persönlichkeitsstruktur, leichte Wirbelsäulenfehlstatik und Übergewicht fest. Zusammenfassend sei die Klägerin in ihrer Belastbarkeit hinsichtlich der Veränderungen der Wirbelsäule gemindert. Zum jetzigen Zeitpunkt könne sie leichte Arbeiten fünf bis unter sechs Stunden am Tag ohne häufige Zwangshaltungen, insbesondere häufige Kopfneigung nach unten, in wechselnder Körperhaltung, ohne häufiges Heben und Tragen über 10 kg, ohne Nachtschicht ausüben. In ihrer letzten Tätigkeit hätte sie noch drei bis maximal unter sechs Stunden tätig sein können. Es sei nicht auszuschließen, dass bei weiterer Stabilisierung der privaten Situation sowie unter weiterer Schmerzdistanzierung und Schmerzbewältigung eine Besserung eintreten könne. Eine Besserung sei bis Juli 2003 wahrscheinlich.

Mit Bescheid vom 13. September 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin ab 1. November 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, befristet bis zum 31. Juli 2003.

Am 31. März 2003 beantragte die Klägerin die Weiterzahlung ihrer Rente über den Juli 2003 hinaus. Die Beklagte holte daraufhin bei Dr. R. ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten ein. Dr. R. stellte in seinem Gutachten vom 24. Juni 2003 degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, Adipositas sowie verschiedene allgemeine Symptome fest. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule sei nicht eingeschränkt und keine verminderte statische Belastbarkeit abzuleiten. Neurologische Ausfälle lägen nicht vor. Funktionsbeeinträchtigungen, die bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Verpackerin wesentlich zum Tragen kämen, bestünden nicht. Auch Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin sechs Stunden und mehr täglich verrichten.

Unter Bezugnahme auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Juni 2003 die wiederholte Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung ab.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, dass sie aufgrund ihrer Erkrankungen nicht in der Lage sei einer Tätigkeit nachzugehen. Auch den Haushalt könne sie nicht richtig erledigen. Nach ca. einer halben Stunde müsse sie eine längere Pause einlegen.

In der Zeit vom 9. Oktober 2003 bis 30. Oktober 2003 befand sich die Klägerin stationär in der Reha-Klinik S. in D ... Im Entlassbericht vom 13. November 2003 wurden bei der Klägerin Fingergelenkspolyarthrose beider Hände - Verdacht auf rheumatisches Geschehen, chronifiziertes Zervikobrachial- und Lumbalsyndrom bei degenerativer Wirbelsäulenerkrankung, Adipositas (BMI 35) und Verdacht auf Somatisierungsstörung diagnostiziert. Die Entlassung erfolgte als weiterhin arbeitsfähig. Die Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig (sechs Stunden und mehr) vermittelbar. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2004 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin sei nicht mehr erwerbsgemindert.

Hiergegen hat die Klägerin am 5. Juli 2004 vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, ihre Gesundheit habe sich extrem verschlechtert, außerdem sei ein Tumor in der Wirbelsäule bei ihr festgestellt worden und sie mache eine psychische Therapie.

Das SG hat daraufhin die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Der Internist Dr. G. hat in seiner Auskunft vom 1. September 2004 angegeben, dass sich nach der Begutachtung durch die Reha-Klinik bei MRT-Aufnahmen im Rückenmark eine Raumforderung gefunden hätte. Von einem operativen Eingriff werde jedoch derzeit Abstand genommen und nur halbjährliche Kontrollen vorgenommen. Sollte der raumfordernde Prozess im Rückenmark ein malignes Geschehen sein, so sei auf nicht absehbare Zeit eine berufliche Tätigkeit bei der Klägerin wahrscheinlich nicht mehr möglich. Die Klägerin leide daneben unter Schmerzen im Schulter-, Nacken- und Armbereich, unter Kopfschmerzen sowie Schmerzen im LWS-Bereich. Die Klägerin könne seiner Ansicht nach nur noch leichte körperliche Tätigkeiten halbschichtig verrichten. Der Neurologe Dr. K. hat in seiner Auskunft vom 16. September 2004 mitgeteilt, dass die Klägerin aufgrund der zunehmend chronifizierten Schmerzsymptomatik und der depressiven Entwicklung für leichte Tätigkeiten nur unter drei Stunden belastbar sei. Der Orthopäde Dr. F. hat sich in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 17. September 2004 der Leistungseinschätzung im Reha-Entlassungsbericht prinzipiell angeschlossen, allerdings das negative Leistungsbild aufgrund der chronischen Schmerzproblematik und der Tumordiagnose insofern erweitert, als häufiges Bücken, überwiegendes Heben und Tragen sowie überwiegendes Überkopfarbeiten bei der Klägerin vermieden werden sollte. Der Neurochirurg Dr. W. hat schließlich in seiner Auskunft vom 5. Oktober 2004 angegeben, dass ihm eine exakte Aussage zur Leistungsfähigkeit der Klägerin wegen des ungeklärten Prozesses im Rückenmarkbereich nicht möglich sei.

Das SG hat sodann von Amts wegen ein nervenärztlich-sozialmedizinisches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen, Klinische Geriatrie und Spezielle Schmerztherapie Dr. H. eingeholt. In seinem Gutachten vom 12. Januar 2005 hat Dr. H. darauf verwiesen, dass sich die Beschwerden der Klägerin nur zum Teil auf organische Ursachen zurückführen ließen. Kein Zweifel bestünde am Vorliegen von degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule und der Fingergelenke (Bouchard-Arthrose), jedoch ohne schwerwiegende Funktionseinschränkungen. Hieraus ließen sich allenfalls funktionelle Leistungseinschränkungen ableiten, nicht aber zeitliche. Dem raumfordernden Prozess im Bereich der LWS, der vermutlich ein Neurinom sei, komme keine klinische Bedeutung zu, da sich keinerlei neurologischen Ausfälle fänden. Der restliche Teil des Beschwerdebildes lasse sich als Somatisierungsstörung werten, woraus sich aber auch keine zeitliche Leistungsminderung ableiten ließe. So wandere die Klägerin nach ihren eigenen Angaben noch gerne in den Bergen. Der Klägerin seien jedoch schwere körperliche Arbeiten nicht mehr zumutbar, auch nicht Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Über-Kopf-Arbeiten sowie Tätigkeiten unter Einwirkung von Kälte und starken Temperaturschwankungen sowie Zugluft und Nässe. Zusätzliche Pausen an einem Arbeitstag seien nicht erforderlich. Die Klägerin könne weiterhin als Arbeiterin in einer Keksfabrik tätig sein, ihre Umstellungsfähigkeit sei aber auch nicht eingeschränkt.

Die Klägerin trug ergänzend in einem Schreiben vom 3. März 2005 daraufhin noch vor, dass neben dem Tumor noch Syntrose (wohl gemeint: Arthrose) in den Händen bei ihr entstanden sei und sie deswegen nicht mehr arbeiten könne.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. April 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Klägerin weder vollständig noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sei. Die für die Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin maßgeblichen Erkrankungen würden auf dem Fachgebiet der Nervenheilkunde und der Orthopädie liegen. Unter Berücksichtigung der Arztauskünfte, des sozialmedizinischen Gutachtens von Dr. R. und des Sachverständigengutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. H. sei festzustellen, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch einer vollschichtigen Tätigkeit nachgehen könne. Zwar seien ihr schwere körperliche Arbeiten nicht mehr zumutbar, auch nicht das Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Über-Kopf-Arbeiten sowie Tätigkeiten unter Einwirkung von Kälte und starken Temperaturschwankungen sowie Zugluft und Nässe. Da darin jedoch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung zu sehen sei, brauche auch keine bestimmte Verweisungstätigkeit bezeichnet zu werden. Insbesondere würden auch die von Dr. H. erhobenen Befunde im Wesentlichen denen der behandelnden Ärzte entsprechen. Der von Dr. H. erhobene Tagesablauf mit den Freizeitinteressen und Hobbys in Verbindung mit den von ihm erhobenen Befunden lasse insgesamt keine so weitgehende Einschränkung erkennen, dass die Annahme einer quantitativen, das bedeute zeitlichen Einschränkung medizinisch gerechtfertigt wäre. Vielmehr habe sich vor Dr. H. der begründete Eindruck einer lebenstüchtigen Frau ergeben. Die hiervon abweichende Leistungsbeurteilung von Dr. G. und Dr. K., der auch eine depressive Entwicklung bei der Klägerin erkannt haben wolle, sei nach Auffassung des SG nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens widerlegt. Aus dem raumgreifenden Prozess in der Wirbelsäule lasse sich derzeit, wie Dr. H. überzeugend nach Auffassung des SG ausgeführt habe, keine Leistungsminderung ableiten. Auch die behandelnden Ärzte hätten insoweit eine abwartende Haltung befürwortet. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien nach Überzeugung des SG nicht anzustellen gewesen, da die von der Klägerin zuletzt noch vorgebrachten Beschwerden bereits im Gutachten von Dr. H. ihren Niederschlag und ihre Berücksichtigung gefunden hätten. Dies gelte insbesondere für die Fingergelenksarthrose. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Sie sei nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit sei der "bisherige" Beruf, den der Versicherte ausgeübt habe. Die Klägerin sei zuletzt als Verpackerin in einer Keksfabrik tätig gewesen - eine Tätigkeit, die als ungelernte Tätigkeit oder angelernte Tätigkeit im unteren Bereich anzusehen sei. Eine Ausbildung habe die Klägerin nicht absolviert. Insoweit sei von einer Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen. Berufsschutz komme bei der Klägerin nicht in Betracht. Hinzu komme bei der Klägerin aber auch, dass sie ihren bisherigen Beruf nach den für das SG nachvollziehbaren Erwägungen von Dr. H. weiterhin ausüben könne.

Die Klägerin hat gegen den ihr mit Einschreiben/Rückschein am 23. April 2005 zugestellten Gerichtsbescheid am 20. Mai 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, dass sich ihr Zustand wieder verschlechtert habe und ihr Hausarzt Dr. G. erneut einen Reha-Aufenthalt bei der Beklagten beantragt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 20. April 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 31. Juli 2003 hinaus Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

In der Zeit vom 17. Januar 2006 bis 7. Februar 2006 befand sich die Klägerin in der F.klinik Bad B., Abteilung Rheumatologie, in einer stationären Reha-Maßnahme. Im Entlassbericht vom 14. Februar 2006 sind als Diagnosen ein Zervikobrachial-Syndrom rechts bei Osteochondrose, relativer spinaler Enge, eine Lumboischialgie rechts bei spinaler Raumforderung conus medularis - DD Neurinom/Ependynom, Schwindel unklarer Genese, Polyathralgie, Adipositas, Somatisierungsstörung unter dem Bild einer Hemifibromyalgie rechts aufgeführt. Zum Leistungsbild ist festgestellt, dass die Klägerin ihre letzte berufliche Tätigkeit als Arbeiterin in einer Keksfabrik mit sechs Stunden und mehr weiterhin ausüben könne. Generell sei eine leichte Tätigkeit im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen, Stehen leidensgerecht, vermieden werden sollten dauerhafte Zwangshaltungen der LWS sowie dauerhafte Über-Kopf-Arbeiten. Auch eine gelegentlich mittelschwere Hebe- und Tragebelastung sei vorstellbar, zeitlich könne die Klägerin diese Tätigkeiten sechs und mehr Stunden täglich ausüben. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Arbeiterin in einer Keksfabrik sei weiterhin möglich.

Der behandelnde Orthopäde Dr. Bo. hat in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 6. Juni 2006 noch mitgeteilt, die im Entlassbericht vom 14. Februar 2006 angeführten Diagnosen seien teilweise richtig wiedergegeben, allerdings liege mittlerweile ein chronifiziertes fibromyalgieformes Schmerzsyndrom mit Zervikobrachialgie und Zervikocephalgie im Sinne einer chronischen Schmerzerkrankung vor. Der Beurteilung hinsichtlich des Leistungsvermögens könne er sich daher nicht anschließen. Vielmehr könnten derzeit auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur unter dreistündig täglich durchgeführt werden.

In der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. J., Fachärztin für Innere Medizin -Sozialmedizin - vom 21. Juni 2006 ist hierzu noch ausgeführt, dass gerade in dem eingeholten nervenfachärztlichen Gutachten von Dr. H., der speziell auch in der Schmerzbegutachtung über große Erfahrung verfüge, plausibel dargelegt worden sei, dass weder die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und der Fingergelenke noch die überlagernde Somatisierungsstörung zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führe. Hingewiesen sei in dem Zusammenhang insbesondere auch auf die Gestaltung des Tagesablaufes und die erhaltenen Freizeitaktivitäten. Ein wesentlich neuer Aspekt ergebe sich auch aus dem Bericht der neurologischen Abteilung des Zentrums für Psychiatrie W. über einen Aufenthalt vom 12. September 2005 bis 28. September 2005 nicht. Es habe sich dort weder eine Nervenwurzelkompression noch eine Myelopathie oder Polyneuropathie gefunden.

Mit Dr. Bo. bestehe insoweit Übereinstimmung, dass das chronische Schmerzsyndrom für die Beurteilung des Leistungsvermögens maßgeblich sei. Seine Auffassung, dass dies bei der bisherigen Beurteilung nicht entsprechend berücksichtigt worden sei, könne allerdings nicht nachvollzogen werden. So sei sowohl im Entlassungsbericht der F.klinik, vor allem aber auch im Gutachten von Dr. H. ausführlich hierauf eingegangen worden. Die von Dr. Bo. angesprochene Stadieneinteilung der Schmerzchronizität nach Gerbershagen sage nur etwas über die Chronifizierung der Symptomatik aus, nicht über den Schweregrad der Einschränkungen in den verschiedenen biopsychosozialen Bereichen, die für die Leistungsbeurteilung maßgeblich seien. Das Fehlen der Stadieneinteilung nach Gerbershagen im Gutachten von Dr. H. stelle daher kein Manko dar, ebenso wenig der Verzicht auf Schmerztagebücher oder Selbstbefragungsbögen, die in der gutachterlichen Situation sowieso nur von begrenzter Aussagekraft seien. Nach Auffassung von Dr. J. werde durch den im Gutachten von Dr. H. beschriebenen weitgehend unauffälligen psychischen Befund und die geschilderten vielfältigen Aktivitäten des täglichen Lebens ausreichend belegt, dass keine quantitative Leistungseinschränkung für eine leichte Tätigkeit bestehe. Die anders lautende Einschätzung von Dr. Bo. werde von ihm nicht durch entsprechende Darstellung von Funktionsbeeinträchtigungen belegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (Renten- und Reha-Akten) sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor, denn die Berufung betrifft eine wiederkehrende oder laufende Leistung für mehr als ein Jahr.

II.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen für die wiederholte Gewährung einer Rente wegen (voller bzw. teilweiser) Erwerbsminderung nicht vorliegen.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI (in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I, 1827) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).

Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sei kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen der Beklagten bei der Klägerin vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit. Die Klägerin ist jedoch nicht im Sinne der obigen gesetzlichen Regelung erwerbsgemindert.

In Übereinstimmung mit dem SG ist auch der Senat auf der Grundlage des hier im Urkundenbeweis zu verwertenden Gutachtens von Dr. R. einerseits, des vom SG eingeholten nervenärztlichen Gutachtens von Dr. H. andererseits und unter Berücksichtigung des Entlassungsberichts der F.klinik wie auch der zuletzt noch abgegebenen sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. J. der Überzeugung, dass die Klägerin auch unter Berücksichtigung ihrer auf orthopädischen wie auch auf nervenärztlichem Gebiet bestehenden Erkrankungen bezüglich der hier streitigen Zeit ab 1. August 2003 - unter Berücksichtigung entsprechender qualitativer Einschränkungen - in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig (sechs Stunden und mehr) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. So hat Dr. R. bei der übergewichtigen Klägerin (162 cm/94 kg) hinsichtlich der Gelenke der oberen und unteren Extremitäten keine Bewegungseinschränkungen festgestellt, er fand die Gelenkkonturen allseits regelrecht ohne Schwellungen, Hautprüfungen und Überwärmungen. Auch erfolgten die Bewegungen sämtlich flott und flüssig mit physiologischem Muster. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule war nicht eingeschränkt. Des weiteren sind alle Reflexe an den oberen und unteren Extremitäten seitengleich mittellebhaft auslösbar. Hinsichtlich der Psyche stellte Dr. R. keine inhaltlichen oder formalen Denkstörungen fest, die Klägerin war örtlich, zeitlich, zur Person und Situation orientiert. Allerdings befanden sich Zeichen einer etwas verstärkten und geringen ängstlichen Selbstbeobachtung. Das Auffassungs- und Reaktionsvermögen war regelrecht. Auch Dr. H. fand orthopädischerseits lediglich eine Verdickung der Fingermittelgelenke beidseits mit endgradiger Schmerzangabe im Sinne einer Bouchard-Arthrose. Neurologisch fanden sich keine Hirnnervenausfälle und keine Halbseitensymptomatik, auch keinerlei Störungen der Koordination und der Gleichgewichtsfunktion. Die Wirbelsäule war in allen Abschnitten vollständig frei beweglich ohne jegliche radikuläre Symptomatik. Auch im übrigen waren alle Messungen auf neurologischen Gebiet unauffällig. Psychisch war die Klägerin bei Dr. H. keinesfalls tiefergehend depressiv herabgestimmt, ausgesprochen lebhaft in Gestik und Mimik. Sie schilderte Dr. H. gegenüber auch vielfältige Freizeitaktivitäten, so gab sie unter anderem an, mit dem Schäferhund ihres Sohnes viel spazieren zu gehen, auch wandere Sie gerne in den Bergen. Handarbeiten könne sie jedoch wegen ihrer Beschwerden in den Fingern nicht mehr machen. Das Spazierengehen und Wandern mache jedoch sehr viel Freude. Sie berichtete auch zum Tagesablauf, meist gegen 7:00 Uhr aufzustehen, sich ihr Frühstück zu bereiteten. Sie gab ferner an, vormittags häufig Arzttermine zu haben, dann ihren Sohn zu besuchen und mit dem Hund spazieren zu gehen. Ab und zu koche sie für sich, habe jedoch oft keinen Appetit. Mittags lege sie sich wieder hin. Dann versorge sie ihren Haushalt, gehe nachmittags erneut mit dem Hund spazieren, dabei treffe sie meist Bekannte, sie habe viele Kontakte. Abends gehe sie meist nicht weg. Unter Berücksichtigung der von ihm erhobenen Befunde, wonach zwar zweifellos degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie der Fingergelenke bei der Klägerin vorliegen, jedoch ohne schwerwiegende Funktionseinschränkung, ließen sich allseits funktionelle Leistungseinschränkungen ableiten, nicht jedoch eine zeitliche Leistungsminderung. Dem zuletzt festgestellten raumfordernden Prozess im Bereich der LWS, mutmaßlich ein Neurinom, kommt nach Auffassung auch von Dr. H. keine klinische Bedeutung zu. Es finden sich diesbezüglich keinerlei neurologische Ausfälle und auch von den behandelnden Ärzten wird in ihren Stellungnahmen ein abwartendes Verhalten empfohlen. Auch die Orthopäden Dr. L./Dr. F. haben in der Auskunft vom 17. September 2004 unter Berücksichtigung entsprechender Leistungseinschränkungen die Klägerin noch für leichte Tätigkeiten vollschichtig leistungsfähig angesehen. So weit dagegen der behandelnde Hausarzt Dr. G. das Leistungsvermögen der Klägerin nur noch auf leichte körperliche Arbeiten halbschichtig (vier Stunden) eingeschränkt ansah kann dem aus den obengenannten Gründen nicht gefolgt werden. Ergänzend ist noch auszuführen, dass zum einen zwischenzeitlich auch der hier im Berufungsverfahren nunmehr noch vorgelegte Entlassbericht der F.klinik von Bad B. vom 14. Februar 2006 ausdrücklich eine Leistungsfähigkeit der Klägerin mit sechs Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen, Stehen mit entsprechenden qualitativen Einschränkungen bestätigt hat. Soweit nun der Orthopäde Dr. Bo. hiervon abweichend in seiner Auskunft vom 6. Juni 2006 die Auffassung vertritt, bei der Klägerin bestehe eine hypomyalgieforme Störung sowie ein chronisches Schmerzsyndrom, weshalb seiner Meinung nach die Klägerin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter drei Stunden täglich durchführen könne, kann der Senat dem in keiner Weise folgen. Zum einen ist bereits im Reha-Entlassungsbericht der F.klinik sehr wohl entgegen den Ausführungen von Dr. Bo. das Problem hier einer Hypomyalgie bzw. Somatisierungsstörung gesehen worden und wurde dort u. a. unter 6.2 "Zusammenfassender Bericht" darauf verwiesen, dass bei der Klägerin eine Somatisierungsstörung bestehe, die primär aus einer malignen Krankheitsverarbeitung entstanden ist und derzeit durch Versorgungswünsche geprägt werde, wobei die Gewährung einer Zeitrente die Fixierung auf einen weiteren Rentenbezug deutlich verstärkt habe. Da die Sozialgerichtsverhandlung noch ausstehe, sei derzeit ein ambulanter Psychotherapieversuch nicht erfolgversprechend. Weiter hat die F.klinik dort ausdrücklich in der sozialmedizinischen Beurteilung im Anschluss daran darauf verwiesen, dass aus psychotherapeutischer Sicht die Klägerin arbeitsfähig sei sowie vollschichtig leistungsfähig ohne Dreischichtarbeit. Das heißt aber mit anderen Worten, dass die F.klinik entgegen den Ausführungen von Dr. Bo. sehr wohl dieses Problem gesehen und bei ihrer Einschätzung zur Leistungsfähigkeit berücksichtigt hat. Zutreffend hat in diesem Zusammenhang auch die Sozialmedizinerin Dr. J. in ihrer Stellungnahme vom 21. Juni 2006 noch darauf hingewiesen, dass auch Dr. H. in seinem nervenärztlichen Gutachten u. a. eine undifferenzierte Somatisierungsstörung festgestellt hat, jedoch gleichzeitig darauf hingewiesen hat, dass sich hieraus eine zeitliche Leistungsminderung ebenso wenig wie aus den degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke ableiten ließe. Hinweise auf eine somatoforme Schmerzstörung nach Art einer Fibromyalgie habe er im Übrigen nicht gefunden. Die Tenderpoints waren nach seinen Feststellungen nicht druckdolent. Zu berücksichtigen ist in dem Zusammenhang auch der von Dr. H. beschriebene, weitgehend unauffällige psychische Befund und auch die geschilderten vielfältigen Aktivitäten des täglichen Lebens, wonach etwa auch die Klägerin nach ihren eigenen Angaben drei Stunden täglich mit dem Schäferhund des Sohnes spazieren gehe, außerdem Wandern und Spazierengehen ihr Hobby seien. Wobei sie gleichzeitig Dr. H. gegenüber erklärt hatte, sie könne nicht länger laufen. Zu berücksichtigen ist hier auch noch, dass die Klägerin einerseits Dr. H. gegenüber angab, sie könne nicht länger als 10 Minuten sitzen, andererseits bei der lang dauernden Exploration aber diesbezüglich keinerlei Auffälligkeiten bot.

Festzuhalten bleibt damit, dass nach Überzeugung des Senats die Klägerin damit - unter Berücksichtigung entsprechender qualitativer Einschränkungen - leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr, jedenfalls ab dem 1. August 2003 (wieder) ausüben kann. Damit besteht kein Anspruch auf die wiederholte Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Das SG hat auch zu Recht im Übrigen im Hinblick auf dieses Leistungsvermögen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchgeführt, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI). Auch Anhaltspunkte dafür, dass hier in der Person der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehe nicht und schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSGE 56, 64 = SozR 2200 § 1246 Nr. 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des großen Senats vom 19. Dezember 1996 in BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; siehe auch zuletzt BSG im Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R - in JURIS, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

Festzuhalten bleibt vielmehr, dass die Klägerin weder voll noch teilweise im Sinne der gesetzlichen Regelung erwerbsgemindert ist, weshalb auch kein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente besteht. Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI, da die Klägerin - wie bereits vom SG ausgeführt - der Vertrauensschutzregelung nicht unterfällt, denn die Klägerin genießt keinen Berufsschutz, da ihre letzte Tätigkeit als Verpackerin in einer Keksfabrik als ungelernte Tätigkeit oder angelernte Tätigkeit im unteren Bereich anzusehen ist.

Aus all diesen Gründen wird die Berufung zurückgewiesen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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