L 7 AY 4940/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AY 1586/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 4940/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Verlangt die für die Durchführung der Abschiebung zuständige Ausländerbehörde von dem ehemaligen Asylbewerber nach einem gescheiterten Versuch keine (weiteren) Vorsprachen bei der Botschaft seines Landes zum Zwecke der Beschaffung von Reisepapieren mehr, kann das Unterlassen von Vorsprachen aus eigenem Antrieb nicht als Obliegenheitsverletzung i.S.v. § 1a Nr. 2 AsylblG angesehen werden.
Dasselbe gilt, wenn die Ausreise bzw. Abschiebung des ehemaligen Asylbewerbers zur Trennung von seinem minderjährigen Kind führen würde, für das ihm die gemeinsame elterliche Sorge gem. § 1626a BGB zusteht.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Oktober 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember und dessen Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2005 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern über den 15. Dezember 2004 hinaus Taschengeld in gesetzlicher Höhe nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG zu gewähren.

Der Beklagte hat den Klägern ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

In diesem Verfahren geht es um die Höhe von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die Kläger wenden sich gegen die Einstellung von Taschengeldzahlungen und begehren deren Weiterleistung.

Der 1984 geborene Kläger stammt nach seinen Angaben aus Aserbaidschan. Er reiste im September 2001 ins Bundesgebiet ein und stellte hier Asylantrag. Dieser wurde durch Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15. Mai 2003 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. In diesem Bescheid wird der Kläger nach der Verneinung von Abschiebungshindernissen aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und ihm gleichzeitig für den Fall der nicht fristgemäßen Ausreise die Abschiebung nach Aserbaidschan angedroht. Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht K. durch Urteil vom 30. Oktober 2003 - Az - abgewiesen. Dieses Urteil ist nach Ablehnung des Berufungszulassungsantrages durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. Januar 2004 - Az - rechtskräftig. Seit dem 26. August 2003 ist der Kläger im Besitz von zeitlich befristeten, immer wieder verlängerten ausländerrechtlichen Duldungen.

Die Klägerin ist 2004 als nichteheliches Kind des Klägers mit einer russischen Staatsangehörigen in Deutschland geboren worden. Der Kläger hat die Vaterschaft durch Erklärung gegenüber dem Standesamt S. anerkannt. Nach entsprechender Erklärung der Mutter erhielt das Kind mit Wirkung vom 10. August 2004 den Familiennamen des Klägers. Am 14. Juni 2006 haben der Kläger und die Mutter der Klägerin gegenüber dem Jugendamt des Beklagten eine Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge für die Klägerin abgegeben (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Diese Erklärung kann nur durch Entscheidung des Familiengerichts wieder aufgehoben werden.

Für die Klägerin wurde ebenfalls ein Asylverfahren durchgeführt, in welchem das nunmehr zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge umbenannte Bundesamt von einer Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation ausging. Mit Bescheid vom 18. Mai 2005 wurde der Asylantrag abgelehnt und der Klägerin die Abschiebung in die Russische Föderation für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise angedroht. Dieser Bescheid wurde mangels Einlegung eines Rechtsbehelfs nach zwei Wochen bestandskräftig. Auch die Klägerin ist im Besitz einer ausländerrechtlichen Duldung, die auf dem Duldungspapier der leiblichen Mutter eingetragen wurde.

Seit dem Abschluss der Asylverfahren erhielten die Kläger vom Beklagten Leistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG in Form von Sachleistungen für den laufenden Lebensunterhalt und eines Taschengeldes, dasa nach dessen Satz 4 für den Kläger 80,00 DM (= 40,90 EUR) und für die Klägerin 40,00 DM (= 20,45 EUR) beträgt.

Das für die Durchführung der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zuständige Regierungspräsidium K. (RP) forderte den Kläger erstmals mit Bescheid vom 21. August 2003 auf, entweder gültige Reisedokumente (Pass/Passersatz) vorzulegen oder innerhalb einer gesetzten Frist persönlich bei der Botschaft vorzusprechen und dort einen Pass/Passersatz zu beantragen. Als maßgebliche Botschaft wird die der Republik Armenien bezeichnet. Dem Bescheid war ein entsprechendes Formular für eine Bescheinigung dieser Botschaft beigefügt.

Mit einem weiteren Bescheid vom 11. September 2003 wurde der Kläger nunmehr aufgefordert, für den Fall der Nichtvorlage von Reisedokumenten persönlich bei der Botschaft der Republik Aserbaidschan vorzusprechen. Diesem Bescheid war wie dem ersten eine von der Botschaft auszufüllende Bescheinigung der Republik Armenien beigefügt. Mit einem dritten Bescheid vom 11. Oktober 2003 forderte das Regierungspräsidium K. den Kläger nunmehr unter Fristsetzung bis zum 30. November 2003 zur Vorlage gültiger Reisedokumente auf und für den Fall der Nichtvorlage zur persönlichen Vorsprache bei der Botschaft der aserbaidschanischen Republik. Diesem Bescheid war ein von dieser Botschaft auszufüllendes Formular beigefügt.

Mit einem Schreiben vom 3. November 2004 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Einschränkung der Leistungen auf das unabweisbar Notwendige an, weil er bei der Passbeschaffung nicht mitgewirkt habe. Es sei beabsichtigt, ihm und seiner Tochter N. ab dem 15. November 2004 kein Taschengeld mehr auszubezahlen. Am 10. November 2004 sprach der Kläger beim Beklagten vor und erklärte, er sei am 29. September 2003 bei der Botschaft gewesen. Er habe dort die vorbereitete Bescheinigung vorgelegt. Diese sei nicht ausgefüllt worden, weil im Kopf der Bescheinigung Aserbaidschan und weiter unten aber Armenien gestanden sei. Man habe ihm gesagt, er solle mit einer richtigen Bescheinigung nochmals kommen. Dies habe er anschließend auf der Ausländerbehörde bekannt gegeben. Er habe dort etwas ausfüllen müssen und habe dies auch getan. Weitere Aufforderungen, bei der Botschaft vorzusprechen, habe er nicht bekommen.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2004 stellte der Beklagte die dem Kläger und der Klägerin gewährten Taschengeldzahlungen ab 15. Dezember 2004 ein und ordnete die sofortige Vollziehung dieses Bescheides an. Die Reduzierung der Leistung beruhe auf § 1a AsylbLG. Der Kläger sei der späteren Aufforderung vom 11. Oktober 2003 nicht nachgekommen, weshalb die Voraussetzungen des § 1a AsylbLG vorlägen. Hiergegen erhob der Kläger über seinen Bevollmächtigten am 10. Januar 2005, einem Montag, Widerspruch und machte geltend, er habe alles in seiner Macht stehende getan, um seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten nachzukommen.

Der Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2005 zurück. Zur Begründung heißt es, wegen der fehlerhaften Angabe des Staates Armenien in der ersten Aufforderung vom 30. September 2003 habe die aserbaidschanische Botschaft jegliche Bestätigung verweigert. Der Kläger sei jedoch bereits am 11. Oktober 2003 erneut aufgefordert worden, gültige Reisedokumente vorzulegen. dieser Verfügung sei eine korrekte Bescheinigung beigefügt gewesen, welche hätte bearbeitet werden können. Der Kläger sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen, sodass er es aufgrund seiner fehlenden Mitwirkung zu vertreten habe, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten. Er habe nicht dargetan, was er konkret unternommen habe, um der Aufforderung der Ausländerbehörde nachzukommen. Die Klägerin müsse sich das Verhalten ihres Vaters zurechnen lassen; minderjährigen Kindern sei das in Ausübung des Personensorgerechts vorgenommene Verhalten der Eltern zuzurechnen. Dieser Widerspruchsbescheid wurde am 9. Februar 2005 zugestellt.

Hiergegen haben die Kläger am 9. März 2005 beim Verwaltungsgericht K. - entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides - Klage erhoben, welche dieses mit Beschluss vom 2. Mai 2005 an das zuständige Sozialgericht Mannheim (SG) verwiesen hat.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 2005 abgewiesen. In der Begründung der Entscheidung wird im Wesentlichen darauf abgehoben, dass nicht ersichtlich sei, in welcher Weise der Kläger außer der mitgeteilten Fahrt am 29. September 2003 zur Botschaft bei der Beschaffung von Ausweispapieren sonst mitgewirkt hätte. Es sei für das Gericht nicht erkennbar, was der Kläger zur Ausübung seiner Mitwirkungspflicht bislang getan habe. Die Klägerin müsse sich als Minderjährige das Verhalten ihres gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen.

Gegen diesen am 21. Oktober 2005 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 21. November 2005 Berufung eingelegt. Sie tragen vor, der Kläger sei bei der Botschaft gewesen. In der Botschaft der Republik Aserbaidschan herrschten erhebliche Ressentiments gegenüber Armeniern. Dies beruhe auf dem kriegerischen Konflikt um die Region Berg Karabach. Er sei beleidigt worden und man habe ihm gesagt, er solle nie wieder dort erscheinen. Er habe dies der Ausländerbehörde mitgeteilt, die daraufhin selber bei der Botschaft nachgefragt habe. Eine erneute Vorsprache bei der Botschaft sei von ihm nicht verlangt worden. Die Einstellung für die Tochter sei schon deshalb rechtswidrig, weil sie russische Staatsangehörige sei.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Oktober 2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 8. Dezember 2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern über den 15. Dezember 2004 hinaus Taschengeld in gesetzlicher Höhe nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Tochter habe die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit.

Der Senat hat die Ausländerakten der Kläger von der Ausländerbehörde der Stadt S. beigezogen. Daraus ergibt sich, dass der Kläger nach Verstreichen der zuletzt gesetzten Frist bis zum 30. November 2003 vom RP aufgefordert worden war, Vordrucke für die aserbaidschanische Botschaft auszufüllen. Diese hat er am 22. März 2004 ausgefüllt - jedoch in ungenügender Form, nämlich nicht in aserbaidschanischer Sprache. Er hat sie dann erneut am 6. April 2004 ausgefüllt. Mit diesen Unterlagen ist von der Ausländerbehörde am 20. April 2004 ein Rückreisedokument beantragt worden. Die Ausländerbehörde hat die erforderlichen Unterlagen an die Botschaft der aserbaidschanischen Republik übersandt. Nachfragen bei der Botschaft sind in der Folgezeit mehrfach erfolgt und ergebnislos verlaufen. Es ist nach Einschätzung der Behörde nicht sicher, ob überhaupt und wann eine Antwort von der aserbaidschanischen Botschaft erfolgen werde. In einem Aktenvermerk heißt es, in der Vergangenheit habe man schlechte Erfahrungen mit der Botschaft machen müssen. Die Aussichten für ein Dokument seien minimal. Dem Kläger sei es allerdings möglich, selbstständig zur Botschaft zu gehen und einen Pass zu beantragen.

Der Senat hat weiter die Akten des RP beigezogen. Daraus ist eine Nachfrage hinsichtlich der am 20. April 2004 beantragten Reisepapiere vom 12. Mai 2006 ersichtlich, die die Botschaft unter dem 18. Mai 2006 dahingehend beantwortet hat, dass die Feststellung der Identität nicht möglich gewesen sei wegen unvollständiger oder fehlerhafter Angaben - insbesondere betreffend die frühere Adresse in Aserbaidschan. Unter dem 24. Juli 2006 beantragte das RP erneut die Ausstellung von Rückreisedokumenten. Diesem Antrag lag ein vom Kläger am 18. Juli 2006 ausgefülltes Formular bei, in dem - wie zuvor - eine frühere Adresse in Aserbaidschan angegeben ist. Aus den ebenfalls beigezogenen Akten des RP betreffend die Mutter der Klägerin ist zu entnehmen, dass das RP sich um Rückreisedokumente für diese zur Rückreise in die Russische Förderation bemüht und dass die Botschaft der Russischen Förderation sich weigert, nur Papiere für die Mutter und das Kind auszustellen und dadurch die Partner (Eltern) zu trennen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Mannheim - S 8 AY 1586/05 - sowie auf die genannten beigezogenen Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die entsprechend § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten. Sie haben weiterhin Anspruch auf die zu Unrecht eingestellten Taschengeldzahlungen.

Die Kläger sind beide ehemalige Asylbewerber und derzeit im Besitz von Duldungen nach § 60a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (vom 30. Juli 2004, BGBl I 1950 - AufenthG). Sie gehören damit zum Kreis der Leistungsberechtigten. Ihnen stehen grundsätzlich Leistungen gemäß § 3 Abs. 1 AsylbLG einschließlich eines Taschengeldes nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG zu. Dieser Anspruch durfte nicht auf der Grundlage des § 1a Nr. 2 AsylbLG beschränkt werden. Nach dieser Vorschrift erhalten Leistungsberechtigte Leistungen nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist, wenn aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Auffassung des Beklagten und des SG für beide Kläger nicht vor.

Was den Kläger angeht, beruht dies auf Folgendem: Die vom zuständigen RP angeordnete Vorsprache bei der Botschaft der Republik Aserbaidschan konnte zu keinem Erfolg führen, da dem Aufforderungsschreiben ein fehlerhaftes Formular beigefügt war, das von der Botschaft nicht ausgefüllt werden konnte. Dieser Fehler kann dem Kläger nicht zugerechnet werden. Er ist der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig und musste davon ausgehen, dass das ihm übergebene Formular das richtige sei. Die zweite Aufforderung des RP hat der Kläger befolgt und dabei - wie er für den Senat glaubhaft in Übereinstimmung mit seinem früheren Vorbringen angegeben hat - wegen der infolge des Fehlers des RP unzureichenden Bescheinigung Beschimpfungen über sich ergehen lassen müssen.

Was die weitere Aufforderung zur Vorsprache bei der Botschaft angeht (vom 11. Oktober 2003), gibt es zwar einen Zustellungsnachweis (16. Oktober 2003) in den Akten; dieser bezieht sich jedoch auf ein anderes Aktenzeichen und auf ein Schreiben vom 9. Oktober 2003 und damit offenbar nicht auf den Bescheid vom 11. Oktober. Der Kläger hat den Zugang dieser Aufforderung stets verneint, was ihm angesichts seines sonst gezeigten Verhaltens geglaubt werden kann. Dazu kommt, dass diese Aufforderung mit der Androhung der Vorführung beim Generalkonsulat der Russischen Förderation erneut einen Fehler enthält, der die Mitarbeitsbereitschaft der aserbaidschanischen Botschaft nicht befördern dürfte. Das RP ist auf der Grundlage der bisherigen vergeblichen Bemühungen auch dazu übergegangen, den Kläger aufzufordern, entsprechende Formulare auszufüllen und selber die Rückreisepapiere zu beantragen. Bei diesen Bemühungen hat der Kläger die von ihm verlangten Angaben gemacht. Das heißt aber, dass die für die Abschiebung zuständige Behörde eine weitere Mitwirkung des Klägers in Form von Vorsprachen bei der Botschaft nicht mehr verlangt. Angesichts der geschilderten Vorgeschichte musste es sich ihm nicht aufdrängen, dass er gleichwohl aus eigenem Antrieb noch einmal bei der Vertretung seines Landes vorsprechen sollte, wie es der Beklagte offenbar meint.

Nach Ansicht des Senats kann dem Kläger dieses Unterlassen nicht als Obliegenheitsverletzung vorgehalten werden. Damit fehlt es aber an einem zurechenbaren Verhalten, das zu dem derzeitigen Zustand der Passlosigkeit und damit der fehlenden Möglichkeit der Aufenthaltsbeendigung geführt hat.

Dazu kommt ein weiteres: Eine Ausreise nach Aserbaidschan zum derzeitigen Zeitpunkt würde den Kläger voraussichtlich definitiv von seiner minderjährigen Tochter, der Klägerin, trennen. Unabhängig von deren offenbar nicht geklärter Staatsangehörigkeit existiert ihr gegenüber eine Abschiebungsandrohung des Bundesamtes in die Russische Förderation. Offensichtlich bemüht sich weder das RP noch die allgemeine Ausländerbehörde, Rückreisepapiere für die Klägerin nach Aserbaidschan zu beschaffen. Bei dieser Sachlage führte die Ausreise des Klägers notwendig zur Trennung von seiner minderjährigen Tochter, der gegenüber er personensorgeberechtigt und -verpflichtet ist. Die verlangte Ausreise stellte mithin eine Verletzung seines aus Artikel 6 Grundgesetz folgenden Elternrechts dar. Angesichts dieser Situation ist es auch unter diesem Gesichtspunkt nicht im Sinne des § 1a AsylbLG vom Kläger zu vertreten, dass derzeit aufenthaltsbeendende Maßnahmen ihm gegenüber nicht vollzogen werden können. Dies beruht vielmehr auf anderen Gründen. Die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes gibt für eine andere Beurteilung nichts her. Zum einen geht es dort um (erwachsene) Ehegatten und nicht um die Personensorge für ein minderjähriges Kind, vor allem aber war die postulierte Trennung der Ehegatten im Zielstaat der Abschiebung nicht entscheidungstragend, wie sich aus dem letzten Absatz des Beschlusses ergibt (Beschluss vom 3. November 1998, Inf AuslR 1999, 330).

Was die Klägerin angeht, so liegen die Voraussetzungen des § 1a Nr. 2 AsylbLG - unabhängig von der Frage der Zurechenbarkeit des Verhaltens ihres Vaters - schon deshalb nicht vor, weil bisher nicht klar ist, in welcher Weise der Kläger für eine Ausreise der Klägerin nach Aserbaidschan oder in die Russische Föderation sorgen können soll. Zwar behauptet der Beklagte, die Klägerin habe auch die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit. Fest steht für das Gericht jedoch, dass sie jedenfalls die der Russischen Förderation hat und dass ihr derzeit die Abschiebung dorthin angedroht ist. Auch in ihrem Falle kommt hinzu, dass eine freiwillige Ausreise nach Aserbaidschan - so sie denn überhaupt möglich wäre - sie notwendig von ihrer leiblichen Mutter trennen würde, die ebenfalls personensorgeberechtigt ist. Hinsichtlich der Klägerin fehlt es damit unter jedem Gesichtspunkt an einem für die derzeitige Situation kausalen Verhalten.

Die Kläger haben deshalb weiterhin Anspruch auf die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG einschließlich des dort geregelten Taschengeldes auch über den 15. Dezember 2004 hinaus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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