Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AL 62/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2101/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19.10.2005 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Arbeitslosengeld im Streit.
Die 1966 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 27.05.2004 mit Wirkung zum 01.07.2004 die Gewährung von Arbeitslosengeld. Hierbei bestätigte sie durch ihre Unterschrift, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Außerdem gab sie an, weder eine abhängige Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit auszuüben und verpflichtete sich, Änderungen in ihren Verhältnissen unverzüglich anzuzeigen.
Mit Bescheid vom 09.07.2004 bewilligte die Beklagte mit Wirkung ab dem 01.07.2004 Arbeitslosengeld.
Am 12.10.2004 erhielt die Beklagte einen Anruf eines Herrn B., des früheren Lebensgefährten der Klägerin, der mit dieser eine gemeinsame Tochter hat. Herr B. teilte der Beklagten mit, dass die Klägerin seines Wissens nach Arbeitslosengeld beziehe, andererseits aber selbständig tätig sei. Sie betreibe im Internet eine eigene Homepage, auf der sie Angebote mache. Daneben praktiziere sie über die "c." in M ... In der Verwaltungsakte finden sich anschließend auf den Seiten 40 ff. Ausdrucke eines Internetauftritts der Klägerin, mit dem sie "Körperenergiebehandlungen, Motivations-Coaching, und Selbstentfaltungs-Unterstützung" anbot. Ihre Tätigkeit praktizierte die Klägerin danach hauptsächlich in der "c." in M., deren Inhaberin die Zeugin A. P. ist. In der "c." der Zeugin P. war ein Raum eingerichtet, der der Klägerin für ihre Dienstleistungen im Bereich Wellness zur Verfügung stand.
Nach einem Beratungsvermerk der Beklagten vom 08.07.2004 (vgl. Bl. 94 ff. der Verwaltungsakte) hat die Klägerin gegenüber der Beklagten an diesem Tag erstmalig die Absicht geäußert, sich selbständig zu machen. Hierbei sei die Klägerin auf das Existenzgründungsseminar "Startbahnen" hingewiesen worden. Nach einem weiterem Beratungsvermerk hat die Klägerin am 12.07.2004 mitgeteilt, dass sie in der 26. Kalenderwoche an einem Existenzgründerseminar teilnehmen werde. Schließlich soll die Klägerin nach einem weiteren Beratungsvermerk vom 06.10.2004 mitgeteilt haben, dass ihre Selbständigkeit sich voraussichtlich auf den Monat Dezember verschiebe.
Die Beklagte hörte die Klägerin daraufhin zu der von ihr ausgeübten Tätigkeit an und teilte gleichzeitig mit, dass sie ihre Leistungen vorläufig eingestellt habe.
Die Klägerin informierte die Beklagte am 18.10.2004 darüber, dass sie bis dato keinerlei Gewinn aus ihrer nebenberuflichen Selbstständigkeit erzielt habe. Sie unterstütze die Zeugin P. freundschaftlich, indem sie in der "c." anwesend sei, wenn diese außer Haus müsse, denn sonst würde der Betrieb dort nicht weiter laufen. Sie erhalte hierfür keinerlei finanziellen Ausgleich, sondern zahle jedes Mal noch drauf, in dem sie Fahrkosten und Parkgebühren auf sich nehme. Ursprünglich sei gedacht gewesen, dass sie in der "c." fest praktizieren könne. Dies habe jedoch nicht funktioniert, so dass vereinbart worden sei, dass sie den Raum nur bei Bedarf miete. Ansonsten habe sie keinen Ort um zu praktizieren, außer bei Klienten daheim bzw. in deren Büroräumen. Die Klägerin legte eine Kopie ihrer Gewerbeanmeldung zum 01.07.2004 für eine Tätigkeit als "Persönlichkeitsentwicklungscoach, Lebensberatung mit Körperenergiearbeit, Wellnessberaterin" im Nebenerwerb (vorerst) vor.
Die Beklagte forderte daraufhin von der Klägerin ergänzende Informationen über ihren zeitlichen Arbeitsaufwand in der Zeit vom 01.07. bis zum 30.09.2004, wobei auch die angegebenen "Freundschaftsdienste" vermerkt sein sollten. Mit Schreiben vom 16.10.2004 teilte die Zeugin P. mit, dass die Klägerin sie in der "c." unterstütze, in dem sie anwesend sei und ihr Lokal geöffnet halte, während sie sich z. B. als Ausstellerin auf einer Messe befinde. Die Klägerin erhalte hierfür kein Geld von ihr; es werde ein freundschaftliches Miteinander und eine gegenseitige Hilfe gepflegt.
Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 18.10.2004 ergänzend mit, dass sie in der "c." in einem speziellen Raum ihre Möbel und ihre "Energiebehandlungsliege" aufgestellt habe. Sie habe gehofft, dass durch den Kundendurchlauf in der "c." auch Kunden zu einer Behandlung bei ihr kommen würden. Letztendlich hätten sich aber weniger Kunden als erwartet eingestellt, und sie habe in der Lounge seit Anmeldung ihrer Tätigkeit lediglich drei Coachings durchgeführt. Hierbei sei eine enge Freundschaft zu der Zeugin P. entstanden, so dass sie diese auch in ihrer privaten Zeit in der Lounge besucht und einfach gemeinsame Zeit mit ihr verbracht habe. Natürlich sei sie dann auch stets für die Kunden, die herein gekommen seien, da gewesen, wenn die Zeugin P. gerade beschäftigt gewesen sei. Die Aufenthaltszeiten könne sie nicht mehr genau mitteilen, da sie eigentlich ständig vormittags in der Lounge gewesen sei. Sie habe dort auch ihre PC-Arbeit erledigt und über das Internet Businesskontakte geknüpft. Mit dem Aufschreiben der Zeiten habe sie erst am 20.09. begonnen, als sie merkte, dass sie mit ihrem bisherigen Vorgehen nicht weitergekommen sei. Eine detaillierte Stundenaufstellung könnte sie daher erst am dem 20.09. anbieten. Für die Zeit davor könne die Beklagte davon ausgehen, dass sie seit dem 14.07. fast jeden Werktag - außer samstags vormittags - zwei bis vier Stunden in der Lounge gewesen sei. Der Stellungnahme der Klägerin war eine Aufstellung des zeitlichen Aufwands ab dem 01.07.2004 für ihre selbständige Tätigkeit beigefügt.
Mit Bescheid vom 05.11.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 14.07.2004 auf und stellte fest, dass die Klägerin zu Unrecht geleistetes Arbeitslosengeld für die Zeit bis zum 30.09.2004 in Höhe von 2.833,24 Euro zu erstatten habe. Zusätzlich machte sie die Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 932,40 Euro und Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von 117,41 Euro geltend.
Die Klägerin beantragte daraufhin erneut die Gewährung von Arbeitslosengeld und legte Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ein. Sie habe zu keinem Zeitpunkt seit ihrer Arbeitslosmeldung mehr als 14 Stunden wöchentlich gearbeitet und auch zu keiner Zeit mehr als 150,00 Euro durch ihre Tätigkeit eingenommen.
Am 01.12.2004 gab sich die Zeugin K., die Mitarbeiterin der Beklagten ist, telefonisch gegenüber der "c." als Kundin aus, und fragte nach einem Personalcoaching. Die Zeugin P. empfahl ihr daraufhin die Klägerin und stellte sie zu dieser durch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2004 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin habe unzweifelhaft in den Räumen eines anderen Gewerbes ein eigenes Gewerbe ausgeübt. Sie selbst habe außerdem angegeben, sich dort durchgängig vormittags aufzuhalten. Damit habe sie die Zeitgrenze von 15 Stunden pro Woche überschritten, ab der Arbeitslosigkeit nicht mehr vorliege. Hierfür sei es nicht erforderlich, 15 Stunden durchgehend zu arbeiten. Es reiche aus, dass die Klägerin sich in einem zeitlichem Umfang von über 15 Stunden wöchentlich in den Geschäftsräumen aufgehalten habe. Zwar möge es sein, dass die Klägerin in dieser Zeit nicht durchgängig Kunden bedient habe, sie habe aber in dieser Zeit beispielsweise auch ihre PC-Arbeit erledigt und neue Geschäftskontakte geknüpft und bei Erfordernis auch noch die Räumlichkeiten des vermietenden Gewerbes beaufsichtigt.
Die Klägerin hat am 07.01.2005 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Bei der ganzen Angelegenheit handele es sich um ein großes Missverständnis. Sie habe zwar seinerzeit genauestens aufgeführt, wann sie sich in der "c." aufgehalten habe, hierbei habe es sich jedoch hauptsächlich um private Besuche bei der Zeugin P. gehandelt. Sie habe nie mehr als ein paar Minuten "die Stellung" gehalten, wenn die Zeugin P. mal kurz etwas zu Essen besorgt habe oder zur Bank gegangen sei. Es sei darum gegangen, dass die Zeugin P. in diesen kurzen Zeiten nicht ihr Geschäft habe schließen müssen. In der gesamten fraglichen Zeit habe sie maximal 10 Mal das Telefon für die Zeugin P. entgegen genommen und hierbei insgesamt höchstens 60 Minuten pro Woche für die Zeugin P. "die Stellung gehalten", damit dieser keine Kunden abhanden kamen. Im Gegenzug sei es für die Zeugin P. auch selbstverständlich gewesen, ihr als Frau und Freundin zu helfen, in dem sie ihr einen sowieso leer stehenden Raum zur Verfügung gestellt habe. Für sie sei es eine willkommene kostenlose Werbung gewesen, dass die Zeugin P. sie auf ihrer Homepage aufgenommen habe. Dabei habe die Zeugin P. natürlich aufgeführt, dass sie dort praktiziere. Während ihrer Anwesenheit in der "c." habe sie ruhigen Gewissens alles unternehmen können, was ihrer Selbständigkeit gedient habe. Hierbei wies die Klägerin darauf hin, dass ihrer Auffassung nach die gesamte verfügbare Zeit eingesetzt werden müsse, wenn man als Selbständiger Erfolg haben wolle. Sie sei immer davon ausgegangen, dass sie von Juli bis Oktober ihre gesamte Zeit ihrer Selbständigkeit habe widmen dürfen. Die Verantwortung hierfür liege bei der Zeugin K. von der Beklagten, da diese sie nicht ausreichend informiert habe. Wegen des ausbleibenden Erfolgs ihrer Tätigkeit habe sie sich dann entschlossen, ihren Nebenerwerb rückwirkend zum 01.07.2004 anzumelden, damit sie das hierfür angeschaffte Mobiliar steuerlich geltend machen konnte.
Das SG hat in seiner mündlichen Verhandlung vom 19.10.2005 die Zeugin P. vernommen. Diese gab unter anderem an, dass die Klägerin aus zwei Gründen bei ihr in der "c." gewesen sei: Zum einen hätte man sich unterhalten, zum anderen hätte die Klägerin die Chance gesehen, dass jemand als Kunde komme, den sie coachen könnte. Die Klägerin habe sich mit ihrer Geschäftsidee selbständig machen wollen. Eine hohe zeitliche Belastung sei damit jedoch nicht verbunden gewesen, da keine Kunden vorhanden gewesen seien. Sie habe der Klägerin ihre Geschäftsräume und nach Bedarf auch ihren PC zur Verfügung gestellt. Die Klägerin habe ihr ab und zu geholfen, für sie gearbeitet habe sie nicht. Häufig habe die Klägerin nur an ihrer Bar gesessen und einen Kaffee getrunken bzw. mit ihr geredet. Es treffe zu, dass sie der Klägerin einen Raum in ihrer "c." unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe. Richtig sei auch, dass die Klägerin ab und zu auch samstags und nachmittags bei ihr gewesen sei, wobei sie dann jedoch nicht zum Arbeiten gekommen sei. Ab und zu sei die Klägerin um 10.00 Uhr gekommen, um die Geschäftsräume aufzuschließen; dies sei jedoch eine "absolute Ausnahme" gewesen. Richtig sei, dass die Klägerin ab und zu das Telefon bedient habe, was dieser "Spaß gemacht" habe. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen bei ihr zu erscheinen. Ihr eigenes Geschäft sei damals auch sehr schlecht gelaufen, da sie manchmal nicht einmal fünf Kunden pro Tag gehabt habe. Ihre Kunden habe sie alleine bedient. Es könne aber sein, dass die Kläger ab und zu das Solarium für jemanden angestellt habe. Die Klägerin habe eine eigene Homepage besessen. Sie hätten auf ihren Homepages wechselseitig auf ihre Aktivitäten hingewiesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.10.2005 als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin habe ihre selbständige Tätigkeit erst offenbart, nachdem eine entsprechende Mitteilung des Kindsvaters eingegangen sei. Dies sei zumindest grob fahrlässig unterblieben, da es der Klägerin spätestens nach Lesen des ihr ausgehändigten Merkblattes hätte klar sein müssen, dass die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit bedeutsam sein könne. Aufgrund der Angaben der Zeugin P. sowie der Einlassungen der Klägerin stehe fest, dass die Klägerin von montags bis freitags fast jeden Tag in der "c." zwischen zwei und vier Stunden anwesend gewesen sei. Lege man danach nur den Mittelwert von drei Stunden zugrunde und berücksichtige zusätzlich, dass sich die Klägerin auch ab und zu nachmittags bzw. an Samstagen in der "c." aufgehalten habe und berücksichtige man darüber hinaus, dass die Klägerin sich daneben auch von ihrem häuslichen Arbeitsplatz aus um ihre selbständige Tätigkeit bemüht habe, sei die 15-Stunden-Grenze zweifellos erreicht bzw. überschritten. Dem könne auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass sich die Klägerin teilweise privat in der "c." eingefunden habe. Denn unabhängig davon, dass Geschäftliches von privaten Plaudereien im Nachhinein nicht mehr auseinanderdividiert werden könne, komme es hierauf nicht entscheidend an. Denn die Klägerin habe mit ihrem Aufenthalten in der "c." nicht nur gute Gespräche führen und eine Freundin besuchen wollen, sondern stets auch zugleich bezweckt, Kunden für ihr Geschäft zu gewinnen und Umsätze zu tätigen. Dass ihr dies nicht gelungen sei, sei ebenso unerheblich wie die Antwort der Zeugin P. auf die Frage, in welchem Umfang die Klägerin ihr bei der Erledigung ihrer eigenen Aufgaben geholfen habe. Ausschlaggebend sei, dass sich die Klägerin ständig darum bemüht habe, ihre selbständige Tätigkeit durch ihr Engagement in der "c." voranzutreiben. Aus dem gleichen Grund sei auch der Tatsache, dass die Klägerin keinen Gewinn erzielt habe, keine &61506;edeutung zuzumessen. Denn hieraus könne nicht geschlossen werden, in welchem Umfang die selbständige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Auch die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegte Auflistung ihres Zeitaufwands stehe dem nicht entgegen. Nach ihren eigenen Angaben habe die Klägerin diesen Zeitaufwand lediglich anhand von Parkhausbelegen, die sie nach eigener Aussage nicht immer aufbewahrt habe, erst Monate später angefertigt. Schließlich sei auch dem Aspekt, dass die Zeugin K. die Bemühungen der Klägerin um den Aufbau einer selbständigen Tätigkeit "gedeckt" habe, keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Selbst wenn die zuträfe, wäre der Beklagten damit nicht bekannt gewesen, dass die selbständige Tätigkeit tatsächlich bereits in erheblichem Umfange verrichtet worden sei. Ansonsten hätte die Klägerin aus ihrer Sicht auch gar keinen Anlass sehen müssen, sich auf Anfrage der Beklagten hin im Oktober 2004 zu erklären und rückwirkend ihre Gewerbeanmeldung vorzulegen. Von der Vernehmung der Zeugin K. sei auch deswegen Abstand genommen worden, da diese zum zeitlichen Umfang der ausgeübten selbständigen Tätigkeit ohnehin keine Angaben hätte machen können. Die Akte des SG enthält keine Nachweise über die Zustellung des Urteils an die Beteiligten.
Mit Schriftsatz vom 21.04.2006, eingegangen beim Landessozialgericht am 24.04.2006, legten die Bevollmächtigten der Klägerin Berufung ein und teilten mit, dass das Urteil des SG am 17.03.2006 zugestellt worden sei. Seit dem Zeitpunkt der Verkündung des Urteils hatte die Klägerin ihren Wohnsitz in England.
Zu Unrecht habe das SG von der Vernehmung der Zeugin K. abgesehen. Denn die Klägerin habe gegenüber der Zeugin K. eindeutig die Aussage gemacht, dass sie sich selbständig machen wolle, weshalb der Klägerin auch in der Zeit vom 26.07. bis 29.07.2004 ein von der Beklagten bezahlter Existenzgründerkurs bewilligt worden sei. Diesen Kurs habe die Zeugin K. der Klägerin vermittelt, wobei die Zeugin K. der Klägerin auch zugesagt habe, bezüglich der mitgeteilten Existenzgründung in der Zeit vom Juli bis September 2004 "die Hände über sie zu halten". Diese Aussage der Zeugin K. habe die Klägerin zu der für einen juristischen Laien berechtigten Annahme veranlasst, sie könne eben genau das tun, was ihr nun von der Beklagten vorgeworfen werde. Wegen der Aussagen der Zeugin K. könne jedenfalls keinesfalls von einem grob fahrlässigen Verhalten der Klägerin hinsichtlich ihrer Mitwirkungspflicht (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) oder der Berechtigung zum Leistungsbezug (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X) gemacht werden. Auch nach dem Schutzzweck der Norm des § 119 Abs. 3 SGB III könne das bewilligte Arbeitslosengeld nicht zurückverlangt werden. Die Klägerin sei für die Beklagte jederzeit über ihr Mobiltelefon, von dem die Zeugin K. auch die Nummer gehabt habe, erreichbar gewesen. Deswegen hätte die Klägerin jederzeit eine Teilzeitstelle antreten können, wenn die Beklagte ihr eine solche vermittelt hätte. Die Klägerin hätte dann ihr Experiment "Selbständigkeit" sofort beendet. Schließlich habe die Klägerin auch weniger als 15 Stunden pro Woche ihre selbständige Tätigkeit ausgeübt. Die Klägerin habe nämlich den ihr zur Verfügung gestellten Raum in der "c." lediglich dann genutzt, wenn wirklich Bedarf hierfür gewesen sei. Im wesentlichen sei sie bei der Zeugin P. gewesen, weil sie jemanden benötigte, der sie in einer für sie schwierigen Zeit unterstützt und ihr zugehört habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19,.10.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 05.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für rechtmäßig.
Der Senat hat in seiner Sitzung vom 29.09.2006 die Zeugin K. vernommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Akten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Berufung ist zulässig. Die Berufung ist insbesondere innerhalb der für Urteilszustellungen ins Ausland geltenden Drei-Monats-Frist des § 87 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG eingelegt worden (vgl. BSG SozR-1500 § 151 Nr. 4).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht ab dem 14.07.2004 die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben und die Erstattung der ab diesem Zeitpunkt gewährten Leistungen gefordert.
Die Gewährung von Arbeitslosengeld und -hilfe erfolgt durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung sich bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass herrschten, nach den Voraussetzungen von § 48 SGB X richtet.
Nach § 48 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Hierbei hat die Beklagte beim Vorliegen der Voraussetzungen von § 48 SGB X kein Ermessen auszuüben, weil § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der im Jahr 2004 geltenden Fassung vorsieht, dass beim Vorliegen der in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben ist.
Vorliegend sind die Voraussetzungen der Tatbestandsalternativen des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 SGB X erfüllt.
Denn die Klägerin war jedenfalls seit dem 14.07.2004 durch die Ausübung einer mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit nicht arbeitslos im Sinne des § 118 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung. Nach Absatz 2 Satz 1 dieser Vorschrift schließt die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Eine selbständige Tätigkeit und eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger stehen einer Beschäftigung gleich, Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift. Nach Abs. 3 Satz 2 der Vorschrift schließt die Fortführung einer mindestens 15 Stunden wöchentlich, aber weniger als 18 Stunden wöchentlich umfassenden selbständigen Tätigkeit, die unmittelbar vor dem Tag der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens zehn Monate neben der Beschäftigung, die den Anspruch begründet, ausgeübt worden ist, Beschäftigungslosigkeit ebenfalls nicht aus.
Im Falle der Klägerin ist die maßgebliche Zeitgrenze nach § 118 SGB III, ab der die für den Bezug von Arbeitslosengeld erforderliche Voraussetzung der Arbeitslosigkeit nicht mehr vorlag, ein durchschnittlicher Tätigkeitsumfang von 15 Stunden wöchentlich. Denn die Voraussetzungen, die zur Anwendung der 18-Stunden-Grenze gemäß § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB III führen, sind im Fall der Klägerin, die bis zum 30.06.2004 als kaufmännische Angestellte versicherungspflichtig beschäftigt war und ihr Gewerbe erst zum 01.07.2004 als Nebenerwerbsgewerbe angemeldet hat, nicht erfüllt.
Die Klägerin hat nach den zutreffenden Ausführungen des SG, denen sich der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, aufgrund des Umfangs ihres Aufenthalts und ihrer Tätigkeiten in der "c." ab dem 14.07.2004 nicht mehr arbeitslos. Das SG weist zu Recht darauf hin, dass es hierfür nicht auf die tatsächliche Erzielung eines Gewinns, sondern auf die Anzahl der Stunden ankommt, in der die Erzielung eines Gewinns versucht wird. Das SG hat in überzeugender Weise aus den Angaben der Klägerin, sie sei in der Regel vormittags zwei bis vier Stunden in der "c." anwesend gewesen, einen Mittelwert von drei Arbeitsstunden pro Tag gebildet, der bereits für sich genommen zum Überschreiten der Kurzzeitigkeitsgrenze von weniger als 15 Stunden wöchentlich des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III führt. Berücksichtigt man hierbei, dass insofern auch noch Aufenthalte an Nachmittagen, Arbeitszeiten in der Privatwohnung und Fahrten von und zu der "c." eingeräumt worden sind, ist ein Überschreiten der Kurzzeitigkeitsgrenze zur Überzeugung des Senats erwiesen.
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst in ihrem Klageschriftsatz vom 07.01.2005 gegenüber dem SG zum Ausdruck gebracht hat, "dass man seine gesamte Zeit der Selbständigkeit zur Verfügung stellen muss, wenn man Erfolg haben will". Desweiteren führt sie in dem Schriftsatz aus, die Äußerungen der Zeugin K. so verstanden zu haben, dass sie "ihre gesamte Zeit" und nicht lediglich 14 Wochenstunden der Selbständigkeit habe widmen dürfen. Diese Äußerungen der Klägerin sind dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin tatsächlich ihre gesamte Zeit - und damit jedenfalls mindestens 15 Wochenstunden - für den Erfolg ihrer selbständigen Tätigkeit eingesetzt hat.
Die von der Klägerin aufgestellte Behauptung, der Zeugin P. im wesentlichen private Besuche abgestattet zu haben, überzeugt in diesem Zusammenhang nicht. Die Klägerin räumt insofern auch selbst ein, dass sie während ihrer Aufenthalte in der "c." auf Laufkundschaft gehofft habe. Dass sie insofern unvermeidliche vergebliche Wartezeiten für private Gespräche mit der Zeugin P. nutzte, die ebenfalls zuwenig Kundschaft hatte, ist nachvollziehbar, nimmt der Anwesenheit aber nicht den beruflichen Charakter.
Auch etwaige Aussagen oder nicht erfolgte Hinweise der Zeugin K. ändern nichts daran, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht arbeitslos war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann die Verletzung von Nebenpflichten, zu denen insbesondere Beratungspflichten gehören, zwar einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen. Als Folge des Herstellungsanspruchs ist der Versicherte dann so zu stellen, als ob der Sozialleistungsträger seinen Verpflichtungen nachgekommen wäre. Das Eingreifen des Herstellungsanspruchs ist indes an folgende Voraussetzungen geknüpft (vgl. BSG SozR 3-4100 § 110 Nr. 2 m.w.N.):
1. Der Sozialleistungsträger muss eine ihm auf Grund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht verletzt haben. Auch wenn der Betroffene nicht konkret um eine Beratung beim Sozialleistungsträger nachgesucht hat, ist dieser auch von Amts wegen gehalten, Leistungsempfänger bei Vorliegen eines konkreten Anlasses von sich aus "spontan" auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, dass sie ein verständiger Versicherter mutmaßlich nutzen würde.
2. Der erlittene Nachteil muss mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden können.
3. Zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil für den Versicherten muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen.
Selbst wenn jedoch die Beklagte oder ihre Mitarbeiterin, die Zeugin K., insofern eine Beratungspflicht verletzt hätten, so könnte dieser eventuelle Fehler nicht im Rahmen der gesetzlichen Regelung (vgl. Nr. 2) ausgeglichen werden. Die objektive Tatsache, dass die Klägerin nicht arbeitslos war, kann nicht durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ersetzt werden. Selbst bei einem (unterstellten) Fehlverhalten der Beklagten kommt nämlich eine Korrektur im Wege des Herstellungsanspruchs jedenfalls deshalb nicht in Frage, wenn der Nachteilsausgleich auf ein gesetzwidriges Handeln des Leistungsträgers hinauslaufen würde. Da die Annahme von Arbeitslosigkeit trotz Nichtvorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen von Arbeitslosigkeit dem Gesetz zuwiderliefe, kann das Vorliegen von Arbeitslosigkeit nicht durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert bzw. ersetzt werden (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG SozR 3-4100 § 249 e Nr. 4; BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr. 1).
Nach den Aussagen der Zeugin K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese von der Selbständigkeit der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum wusste. Die Zeugin hat deutlich gemacht, dass nach ihrer Erinnerung die Klägerin im Gegenteil von einer Verschiebung der Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit berichtet habe. Der Senat hält dies nach dem Gesamteindruck von der Zeugin für glaubhaft, zumal diese Aussage sich mit den Beratungsvermerken der Beklagten deckt. Demnach geht der Senat auch davon aus, dass die Zeugin K. der Klägerin auch nicht zugesichert haben konnte, "die Hände über die Klägerin zu halten", solange diese bereits ihre selbständige Tätigkeit ausübte. Da die Klägerin im Übrigen durch das Merkblatt der Beklagten ausreichend über die Voraussetzungen des Bezugs von Arbeitslosengeld informiert war, ist ihre grobe Fahrlässigkeit beim Bezug von Arbeitslosengeld während der mehr als geringfügigen Ausübung ihrer selbständigen Tätigkeit zu bejahen.
Im Übrigen sind hinsichtlich der Höhe des nach den §§ 330 Abs. 3 und 335 SGB III sowie nach § 50 SGB X geltend gemachten Erstattungsbetrages keine Bedenken ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Arbeitslosengeld im Streit.
Die 1966 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 27.05.2004 mit Wirkung zum 01.07.2004 die Gewährung von Arbeitslosengeld. Hierbei bestätigte sie durch ihre Unterschrift, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Außerdem gab sie an, weder eine abhängige Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit auszuüben und verpflichtete sich, Änderungen in ihren Verhältnissen unverzüglich anzuzeigen.
Mit Bescheid vom 09.07.2004 bewilligte die Beklagte mit Wirkung ab dem 01.07.2004 Arbeitslosengeld.
Am 12.10.2004 erhielt die Beklagte einen Anruf eines Herrn B., des früheren Lebensgefährten der Klägerin, der mit dieser eine gemeinsame Tochter hat. Herr B. teilte der Beklagten mit, dass die Klägerin seines Wissens nach Arbeitslosengeld beziehe, andererseits aber selbständig tätig sei. Sie betreibe im Internet eine eigene Homepage, auf der sie Angebote mache. Daneben praktiziere sie über die "c." in M ... In der Verwaltungsakte finden sich anschließend auf den Seiten 40 ff. Ausdrucke eines Internetauftritts der Klägerin, mit dem sie "Körperenergiebehandlungen, Motivations-Coaching, und Selbstentfaltungs-Unterstützung" anbot. Ihre Tätigkeit praktizierte die Klägerin danach hauptsächlich in der "c." in M., deren Inhaberin die Zeugin A. P. ist. In der "c." der Zeugin P. war ein Raum eingerichtet, der der Klägerin für ihre Dienstleistungen im Bereich Wellness zur Verfügung stand.
Nach einem Beratungsvermerk der Beklagten vom 08.07.2004 (vgl. Bl. 94 ff. der Verwaltungsakte) hat die Klägerin gegenüber der Beklagten an diesem Tag erstmalig die Absicht geäußert, sich selbständig zu machen. Hierbei sei die Klägerin auf das Existenzgründungsseminar "Startbahnen" hingewiesen worden. Nach einem weiterem Beratungsvermerk hat die Klägerin am 12.07.2004 mitgeteilt, dass sie in der 26. Kalenderwoche an einem Existenzgründerseminar teilnehmen werde. Schließlich soll die Klägerin nach einem weiteren Beratungsvermerk vom 06.10.2004 mitgeteilt haben, dass ihre Selbständigkeit sich voraussichtlich auf den Monat Dezember verschiebe.
Die Beklagte hörte die Klägerin daraufhin zu der von ihr ausgeübten Tätigkeit an und teilte gleichzeitig mit, dass sie ihre Leistungen vorläufig eingestellt habe.
Die Klägerin informierte die Beklagte am 18.10.2004 darüber, dass sie bis dato keinerlei Gewinn aus ihrer nebenberuflichen Selbstständigkeit erzielt habe. Sie unterstütze die Zeugin P. freundschaftlich, indem sie in der "c." anwesend sei, wenn diese außer Haus müsse, denn sonst würde der Betrieb dort nicht weiter laufen. Sie erhalte hierfür keinerlei finanziellen Ausgleich, sondern zahle jedes Mal noch drauf, in dem sie Fahrkosten und Parkgebühren auf sich nehme. Ursprünglich sei gedacht gewesen, dass sie in der "c." fest praktizieren könne. Dies habe jedoch nicht funktioniert, so dass vereinbart worden sei, dass sie den Raum nur bei Bedarf miete. Ansonsten habe sie keinen Ort um zu praktizieren, außer bei Klienten daheim bzw. in deren Büroräumen. Die Klägerin legte eine Kopie ihrer Gewerbeanmeldung zum 01.07.2004 für eine Tätigkeit als "Persönlichkeitsentwicklungscoach, Lebensberatung mit Körperenergiearbeit, Wellnessberaterin" im Nebenerwerb (vorerst) vor.
Die Beklagte forderte daraufhin von der Klägerin ergänzende Informationen über ihren zeitlichen Arbeitsaufwand in der Zeit vom 01.07. bis zum 30.09.2004, wobei auch die angegebenen "Freundschaftsdienste" vermerkt sein sollten. Mit Schreiben vom 16.10.2004 teilte die Zeugin P. mit, dass die Klägerin sie in der "c." unterstütze, in dem sie anwesend sei und ihr Lokal geöffnet halte, während sie sich z. B. als Ausstellerin auf einer Messe befinde. Die Klägerin erhalte hierfür kein Geld von ihr; es werde ein freundschaftliches Miteinander und eine gegenseitige Hilfe gepflegt.
Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 18.10.2004 ergänzend mit, dass sie in der "c." in einem speziellen Raum ihre Möbel und ihre "Energiebehandlungsliege" aufgestellt habe. Sie habe gehofft, dass durch den Kundendurchlauf in der "c." auch Kunden zu einer Behandlung bei ihr kommen würden. Letztendlich hätten sich aber weniger Kunden als erwartet eingestellt, und sie habe in der Lounge seit Anmeldung ihrer Tätigkeit lediglich drei Coachings durchgeführt. Hierbei sei eine enge Freundschaft zu der Zeugin P. entstanden, so dass sie diese auch in ihrer privaten Zeit in der Lounge besucht und einfach gemeinsame Zeit mit ihr verbracht habe. Natürlich sei sie dann auch stets für die Kunden, die herein gekommen seien, da gewesen, wenn die Zeugin P. gerade beschäftigt gewesen sei. Die Aufenthaltszeiten könne sie nicht mehr genau mitteilen, da sie eigentlich ständig vormittags in der Lounge gewesen sei. Sie habe dort auch ihre PC-Arbeit erledigt und über das Internet Businesskontakte geknüpft. Mit dem Aufschreiben der Zeiten habe sie erst am 20.09. begonnen, als sie merkte, dass sie mit ihrem bisherigen Vorgehen nicht weitergekommen sei. Eine detaillierte Stundenaufstellung könnte sie daher erst am dem 20.09. anbieten. Für die Zeit davor könne die Beklagte davon ausgehen, dass sie seit dem 14.07. fast jeden Werktag - außer samstags vormittags - zwei bis vier Stunden in der Lounge gewesen sei. Der Stellungnahme der Klägerin war eine Aufstellung des zeitlichen Aufwands ab dem 01.07.2004 für ihre selbständige Tätigkeit beigefügt.
Mit Bescheid vom 05.11.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 14.07.2004 auf und stellte fest, dass die Klägerin zu Unrecht geleistetes Arbeitslosengeld für die Zeit bis zum 30.09.2004 in Höhe von 2.833,24 Euro zu erstatten habe. Zusätzlich machte sie die Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 932,40 Euro und Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von 117,41 Euro geltend.
Die Klägerin beantragte daraufhin erneut die Gewährung von Arbeitslosengeld und legte Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ein. Sie habe zu keinem Zeitpunkt seit ihrer Arbeitslosmeldung mehr als 14 Stunden wöchentlich gearbeitet und auch zu keiner Zeit mehr als 150,00 Euro durch ihre Tätigkeit eingenommen.
Am 01.12.2004 gab sich die Zeugin K., die Mitarbeiterin der Beklagten ist, telefonisch gegenüber der "c." als Kundin aus, und fragte nach einem Personalcoaching. Die Zeugin P. empfahl ihr daraufhin die Klägerin und stellte sie zu dieser durch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2004 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin habe unzweifelhaft in den Räumen eines anderen Gewerbes ein eigenes Gewerbe ausgeübt. Sie selbst habe außerdem angegeben, sich dort durchgängig vormittags aufzuhalten. Damit habe sie die Zeitgrenze von 15 Stunden pro Woche überschritten, ab der Arbeitslosigkeit nicht mehr vorliege. Hierfür sei es nicht erforderlich, 15 Stunden durchgehend zu arbeiten. Es reiche aus, dass die Klägerin sich in einem zeitlichem Umfang von über 15 Stunden wöchentlich in den Geschäftsräumen aufgehalten habe. Zwar möge es sein, dass die Klägerin in dieser Zeit nicht durchgängig Kunden bedient habe, sie habe aber in dieser Zeit beispielsweise auch ihre PC-Arbeit erledigt und neue Geschäftskontakte geknüpft und bei Erfordernis auch noch die Räumlichkeiten des vermietenden Gewerbes beaufsichtigt.
Die Klägerin hat am 07.01.2005 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Bei der ganzen Angelegenheit handele es sich um ein großes Missverständnis. Sie habe zwar seinerzeit genauestens aufgeführt, wann sie sich in der "c." aufgehalten habe, hierbei habe es sich jedoch hauptsächlich um private Besuche bei der Zeugin P. gehandelt. Sie habe nie mehr als ein paar Minuten "die Stellung" gehalten, wenn die Zeugin P. mal kurz etwas zu Essen besorgt habe oder zur Bank gegangen sei. Es sei darum gegangen, dass die Zeugin P. in diesen kurzen Zeiten nicht ihr Geschäft habe schließen müssen. In der gesamten fraglichen Zeit habe sie maximal 10 Mal das Telefon für die Zeugin P. entgegen genommen und hierbei insgesamt höchstens 60 Minuten pro Woche für die Zeugin P. "die Stellung gehalten", damit dieser keine Kunden abhanden kamen. Im Gegenzug sei es für die Zeugin P. auch selbstverständlich gewesen, ihr als Frau und Freundin zu helfen, in dem sie ihr einen sowieso leer stehenden Raum zur Verfügung gestellt habe. Für sie sei es eine willkommene kostenlose Werbung gewesen, dass die Zeugin P. sie auf ihrer Homepage aufgenommen habe. Dabei habe die Zeugin P. natürlich aufgeführt, dass sie dort praktiziere. Während ihrer Anwesenheit in der "c." habe sie ruhigen Gewissens alles unternehmen können, was ihrer Selbständigkeit gedient habe. Hierbei wies die Klägerin darauf hin, dass ihrer Auffassung nach die gesamte verfügbare Zeit eingesetzt werden müsse, wenn man als Selbständiger Erfolg haben wolle. Sie sei immer davon ausgegangen, dass sie von Juli bis Oktober ihre gesamte Zeit ihrer Selbständigkeit habe widmen dürfen. Die Verantwortung hierfür liege bei der Zeugin K. von der Beklagten, da diese sie nicht ausreichend informiert habe. Wegen des ausbleibenden Erfolgs ihrer Tätigkeit habe sie sich dann entschlossen, ihren Nebenerwerb rückwirkend zum 01.07.2004 anzumelden, damit sie das hierfür angeschaffte Mobiliar steuerlich geltend machen konnte.
Das SG hat in seiner mündlichen Verhandlung vom 19.10.2005 die Zeugin P. vernommen. Diese gab unter anderem an, dass die Klägerin aus zwei Gründen bei ihr in der "c." gewesen sei: Zum einen hätte man sich unterhalten, zum anderen hätte die Klägerin die Chance gesehen, dass jemand als Kunde komme, den sie coachen könnte. Die Klägerin habe sich mit ihrer Geschäftsidee selbständig machen wollen. Eine hohe zeitliche Belastung sei damit jedoch nicht verbunden gewesen, da keine Kunden vorhanden gewesen seien. Sie habe der Klägerin ihre Geschäftsräume und nach Bedarf auch ihren PC zur Verfügung gestellt. Die Klägerin habe ihr ab und zu geholfen, für sie gearbeitet habe sie nicht. Häufig habe die Klägerin nur an ihrer Bar gesessen und einen Kaffee getrunken bzw. mit ihr geredet. Es treffe zu, dass sie der Klägerin einen Raum in ihrer "c." unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe. Richtig sei auch, dass die Klägerin ab und zu auch samstags und nachmittags bei ihr gewesen sei, wobei sie dann jedoch nicht zum Arbeiten gekommen sei. Ab und zu sei die Klägerin um 10.00 Uhr gekommen, um die Geschäftsräume aufzuschließen; dies sei jedoch eine "absolute Ausnahme" gewesen. Richtig sei, dass die Klägerin ab und zu das Telefon bedient habe, was dieser "Spaß gemacht" habe. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen bei ihr zu erscheinen. Ihr eigenes Geschäft sei damals auch sehr schlecht gelaufen, da sie manchmal nicht einmal fünf Kunden pro Tag gehabt habe. Ihre Kunden habe sie alleine bedient. Es könne aber sein, dass die Kläger ab und zu das Solarium für jemanden angestellt habe. Die Klägerin habe eine eigene Homepage besessen. Sie hätten auf ihren Homepages wechselseitig auf ihre Aktivitäten hingewiesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.10.2005 als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin habe ihre selbständige Tätigkeit erst offenbart, nachdem eine entsprechende Mitteilung des Kindsvaters eingegangen sei. Dies sei zumindest grob fahrlässig unterblieben, da es der Klägerin spätestens nach Lesen des ihr ausgehändigten Merkblattes hätte klar sein müssen, dass die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit bedeutsam sein könne. Aufgrund der Angaben der Zeugin P. sowie der Einlassungen der Klägerin stehe fest, dass die Klägerin von montags bis freitags fast jeden Tag in der "c." zwischen zwei und vier Stunden anwesend gewesen sei. Lege man danach nur den Mittelwert von drei Stunden zugrunde und berücksichtige zusätzlich, dass sich die Klägerin auch ab und zu nachmittags bzw. an Samstagen in der "c." aufgehalten habe und berücksichtige man darüber hinaus, dass die Klägerin sich daneben auch von ihrem häuslichen Arbeitsplatz aus um ihre selbständige Tätigkeit bemüht habe, sei die 15-Stunden-Grenze zweifellos erreicht bzw. überschritten. Dem könne auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass sich die Klägerin teilweise privat in der "c." eingefunden habe. Denn unabhängig davon, dass Geschäftliches von privaten Plaudereien im Nachhinein nicht mehr auseinanderdividiert werden könne, komme es hierauf nicht entscheidend an. Denn die Klägerin habe mit ihrem Aufenthalten in der "c." nicht nur gute Gespräche führen und eine Freundin besuchen wollen, sondern stets auch zugleich bezweckt, Kunden für ihr Geschäft zu gewinnen und Umsätze zu tätigen. Dass ihr dies nicht gelungen sei, sei ebenso unerheblich wie die Antwort der Zeugin P. auf die Frage, in welchem Umfang die Klägerin ihr bei der Erledigung ihrer eigenen Aufgaben geholfen habe. Ausschlaggebend sei, dass sich die Klägerin ständig darum bemüht habe, ihre selbständige Tätigkeit durch ihr Engagement in der "c." voranzutreiben. Aus dem gleichen Grund sei auch der Tatsache, dass die Klägerin keinen Gewinn erzielt habe, keine &61506;edeutung zuzumessen. Denn hieraus könne nicht geschlossen werden, in welchem Umfang die selbständige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Auch die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegte Auflistung ihres Zeitaufwands stehe dem nicht entgegen. Nach ihren eigenen Angaben habe die Klägerin diesen Zeitaufwand lediglich anhand von Parkhausbelegen, die sie nach eigener Aussage nicht immer aufbewahrt habe, erst Monate später angefertigt. Schließlich sei auch dem Aspekt, dass die Zeugin K. die Bemühungen der Klägerin um den Aufbau einer selbständigen Tätigkeit "gedeckt" habe, keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Selbst wenn die zuträfe, wäre der Beklagten damit nicht bekannt gewesen, dass die selbständige Tätigkeit tatsächlich bereits in erheblichem Umfange verrichtet worden sei. Ansonsten hätte die Klägerin aus ihrer Sicht auch gar keinen Anlass sehen müssen, sich auf Anfrage der Beklagten hin im Oktober 2004 zu erklären und rückwirkend ihre Gewerbeanmeldung vorzulegen. Von der Vernehmung der Zeugin K. sei auch deswegen Abstand genommen worden, da diese zum zeitlichen Umfang der ausgeübten selbständigen Tätigkeit ohnehin keine Angaben hätte machen können. Die Akte des SG enthält keine Nachweise über die Zustellung des Urteils an die Beteiligten.
Mit Schriftsatz vom 21.04.2006, eingegangen beim Landessozialgericht am 24.04.2006, legten die Bevollmächtigten der Klägerin Berufung ein und teilten mit, dass das Urteil des SG am 17.03.2006 zugestellt worden sei. Seit dem Zeitpunkt der Verkündung des Urteils hatte die Klägerin ihren Wohnsitz in England.
Zu Unrecht habe das SG von der Vernehmung der Zeugin K. abgesehen. Denn die Klägerin habe gegenüber der Zeugin K. eindeutig die Aussage gemacht, dass sie sich selbständig machen wolle, weshalb der Klägerin auch in der Zeit vom 26.07. bis 29.07.2004 ein von der Beklagten bezahlter Existenzgründerkurs bewilligt worden sei. Diesen Kurs habe die Zeugin K. der Klägerin vermittelt, wobei die Zeugin K. der Klägerin auch zugesagt habe, bezüglich der mitgeteilten Existenzgründung in der Zeit vom Juli bis September 2004 "die Hände über sie zu halten". Diese Aussage der Zeugin K. habe die Klägerin zu der für einen juristischen Laien berechtigten Annahme veranlasst, sie könne eben genau das tun, was ihr nun von der Beklagten vorgeworfen werde. Wegen der Aussagen der Zeugin K. könne jedenfalls keinesfalls von einem grob fahrlässigen Verhalten der Klägerin hinsichtlich ihrer Mitwirkungspflicht (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) oder der Berechtigung zum Leistungsbezug (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X) gemacht werden. Auch nach dem Schutzzweck der Norm des § 119 Abs. 3 SGB III könne das bewilligte Arbeitslosengeld nicht zurückverlangt werden. Die Klägerin sei für die Beklagte jederzeit über ihr Mobiltelefon, von dem die Zeugin K. auch die Nummer gehabt habe, erreichbar gewesen. Deswegen hätte die Klägerin jederzeit eine Teilzeitstelle antreten können, wenn die Beklagte ihr eine solche vermittelt hätte. Die Klägerin hätte dann ihr Experiment "Selbständigkeit" sofort beendet. Schließlich habe die Klägerin auch weniger als 15 Stunden pro Woche ihre selbständige Tätigkeit ausgeübt. Die Klägerin habe nämlich den ihr zur Verfügung gestellten Raum in der "c." lediglich dann genutzt, wenn wirklich Bedarf hierfür gewesen sei. Im wesentlichen sei sie bei der Zeugin P. gewesen, weil sie jemanden benötigte, der sie in einer für sie schwierigen Zeit unterstützt und ihr zugehört habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19,.10.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 05.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für rechtmäßig.
Der Senat hat in seiner Sitzung vom 29.09.2006 die Zeugin K. vernommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Akten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Berufung ist zulässig. Die Berufung ist insbesondere innerhalb der für Urteilszustellungen ins Ausland geltenden Drei-Monats-Frist des § 87 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG eingelegt worden (vgl. BSG SozR-1500 § 151 Nr. 4).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht ab dem 14.07.2004 die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben und die Erstattung der ab diesem Zeitpunkt gewährten Leistungen gefordert.
Die Gewährung von Arbeitslosengeld und -hilfe erfolgt durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung sich bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass herrschten, nach den Voraussetzungen von § 48 SGB X richtet.
Nach § 48 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Hierbei hat die Beklagte beim Vorliegen der Voraussetzungen von § 48 SGB X kein Ermessen auszuüben, weil § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der im Jahr 2004 geltenden Fassung vorsieht, dass beim Vorliegen der in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben ist.
Vorliegend sind die Voraussetzungen der Tatbestandsalternativen des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 SGB X erfüllt.
Denn die Klägerin war jedenfalls seit dem 14.07.2004 durch die Ausübung einer mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit nicht arbeitslos im Sinne des § 118 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung. Nach Absatz 2 Satz 1 dieser Vorschrift schließt die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Eine selbständige Tätigkeit und eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger stehen einer Beschäftigung gleich, Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift. Nach Abs. 3 Satz 2 der Vorschrift schließt die Fortführung einer mindestens 15 Stunden wöchentlich, aber weniger als 18 Stunden wöchentlich umfassenden selbständigen Tätigkeit, die unmittelbar vor dem Tag der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens zehn Monate neben der Beschäftigung, die den Anspruch begründet, ausgeübt worden ist, Beschäftigungslosigkeit ebenfalls nicht aus.
Im Falle der Klägerin ist die maßgebliche Zeitgrenze nach § 118 SGB III, ab der die für den Bezug von Arbeitslosengeld erforderliche Voraussetzung der Arbeitslosigkeit nicht mehr vorlag, ein durchschnittlicher Tätigkeitsumfang von 15 Stunden wöchentlich. Denn die Voraussetzungen, die zur Anwendung der 18-Stunden-Grenze gemäß § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB III führen, sind im Fall der Klägerin, die bis zum 30.06.2004 als kaufmännische Angestellte versicherungspflichtig beschäftigt war und ihr Gewerbe erst zum 01.07.2004 als Nebenerwerbsgewerbe angemeldet hat, nicht erfüllt.
Die Klägerin hat nach den zutreffenden Ausführungen des SG, denen sich der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, aufgrund des Umfangs ihres Aufenthalts und ihrer Tätigkeiten in der "c." ab dem 14.07.2004 nicht mehr arbeitslos. Das SG weist zu Recht darauf hin, dass es hierfür nicht auf die tatsächliche Erzielung eines Gewinns, sondern auf die Anzahl der Stunden ankommt, in der die Erzielung eines Gewinns versucht wird. Das SG hat in überzeugender Weise aus den Angaben der Klägerin, sie sei in der Regel vormittags zwei bis vier Stunden in der "c." anwesend gewesen, einen Mittelwert von drei Arbeitsstunden pro Tag gebildet, der bereits für sich genommen zum Überschreiten der Kurzzeitigkeitsgrenze von weniger als 15 Stunden wöchentlich des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III führt. Berücksichtigt man hierbei, dass insofern auch noch Aufenthalte an Nachmittagen, Arbeitszeiten in der Privatwohnung und Fahrten von und zu der "c." eingeräumt worden sind, ist ein Überschreiten der Kurzzeitigkeitsgrenze zur Überzeugung des Senats erwiesen.
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst in ihrem Klageschriftsatz vom 07.01.2005 gegenüber dem SG zum Ausdruck gebracht hat, "dass man seine gesamte Zeit der Selbständigkeit zur Verfügung stellen muss, wenn man Erfolg haben will". Desweiteren führt sie in dem Schriftsatz aus, die Äußerungen der Zeugin K. so verstanden zu haben, dass sie "ihre gesamte Zeit" und nicht lediglich 14 Wochenstunden der Selbständigkeit habe widmen dürfen. Diese Äußerungen der Klägerin sind dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin tatsächlich ihre gesamte Zeit - und damit jedenfalls mindestens 15 Wochenstunden - für den Erfolg ihrer selbständigen Tätigkeit eingesetzt hat.
Die von der Klägerin aufgestellte Behauptung, der Zeugin P. im wesentlichen private Besuche abgestattet zu haben, überzeugt in diesem Zusammenhang nicht. Die Klägerin räumt insofern auch selbst ein, dass sie während ihrer Aufenthalte in der "c." auf Laufkundschaft gehofft habe. Dass sie insofern unvermeidliche vergebliche Wartezeiten für private Gespräche mit der Zeugin P. nutzte, die ebenfalls zuwenig Kundschaft hatte, ist nachvollziehbar, nimmt der Anwesenheit aber nicht den beruflichen Charakter.
Auch etwaige Aussagen oder nicht erfolgte Hinweise der Zeugin K. ändern nichts daran, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht arbeitslos war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann die Verletzung von Nebenpflichten, zu denen insbesondere Beratungspflichten gehören, zwar einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen. Als Folge des Herstellungsanspruchs ist der Versicherte dann so zu stellen, als ob der Sozialleistungsträger seinen Verpflichtungen nachgekommen wäre. Das Eingreifen des Herstellungsanspruchs ist indes an folgende Voraussetzungen geknüpft (vgl. BSG SozR 3-4100 § 110 Nr. 2 m.w.N.):
1. Der Sozialleistungsträger muss eine ihm auf Grund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht verletzt haben. Auch wenn der Betroffene nicht konkret um eine Beratung beim Sozialleistungsträger nachgesucht hat, ist dieser auch von Amts wegen gehalten, Leistungsempfänger bei Vorliegen eines konkreten Anlasses von sich aus "spontan" auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, dass sie ein verständiger Versicherter mutmaßlich nutzen würde.
2. Der erlittene Nachteil muss mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden können.
3. Zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil für den Versicherten muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen.
Selbst wenn jedoch die Beklagte oder ihre Mitarbeiterin, die Zeugin K., insofern eine Beratungspflicht verletzt hätten, so könnte dieser eventuelle Fehler nicht im Rahmen der gesetzlichen Regelung (vgl. Nr. 2) ausgeglichen werden. Die objektive Tatsache, dass die Klägerin nicht arbeitslos war, kann nicht durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ersetzt werden. Selbst bei einem (unterstellten) Fehlverhalten der Beklagten kommt nämlich eine Korrektur im Wege des Herstellungsanspruchs jedenfalls deshalb nicht in Frage, wenn der Nachteilsausgleich auf ein gesetzwidriges Handeln des Leistungsträgers hinauslaufen würde. Da die Annahme von Arbeitslosigkeit trotz Nichtvorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen von Arbeitslosigkeit dem Gesetz zuwiderliefe, kann das Vorliegen von Arbeitslosigkeit nicht durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert bzw. ersetzt werden (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG SozR 3-4100 § 249 e Nr. 4; BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr. 1).
Nach den Aussagen der Zeugin K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese von der Selbständigkeit der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum wusste. Die Zeugin hat deutlich gemacht, dass nach ihrer Erinnerung die Klägerin im Gegenteil von einer Verschiebung der Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit berichtet habe. Der Senat hält dies nach dem Gesamteindruck von der Zeugin für glaubhaft, zumal diese Aussage sich mit den Beratungsvermerken der Beklagten deckt. Demnach geht der Senat auch davon aus, dass die Zeugin K. der Klägerin auch nicht zugesichert haben konnte, "die Hände über die Klägerin zu halten", solange diese bereits ihre selbständige Tätigkeit ausübte. Da die Klägerin im Übrigen durch das Merkblatt der Beklagten ausreichend über die Voraussetzungen des Bezugs von Arbeitslosengeld informiert war, ist ihre grobe Fahrlässigkeit beim Bezug von Arbeitslosengeld während der mehr als geringfügigen Ausübung ihrer selbständigen Tätigkeit zu bejahen.
Im Übrigen sind hinsichtlich der Höhe des nach den §§ 330 Abs. 3 und 335 SGB III sowie nach § 50 SGB X geltend gemachten Erstattungsbetrages keine Bedenken ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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