L 6 U 718/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 00366/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 718/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger bestehende Gesundheitsstörungen Folgen des Arbeitsunfalls vom 15.10.1999 sind und er deshalb Anspruch auf Verletztenrente hat.

Am 15.10.1999 befand sich der Kläger innerhalb des BASF-Werksgeländes in L. mit dem Werksfahrrad auf dem Weg zur Werkstatt, um dort sein Mittagessen einzunehmen. Er wurde von einem Pkw angefahren, prallte auf dessen Windschutzscheibe und wurde dann zu Boden geschleudert. Dabei zog er sich eine Gehirnerschütterung, eine Nasenbeinfraktur, eine Platzwunde an der linken Augenbraue sowie multiple Prellungen und Schürfungen zu (Durchgangsarztbericht (DAB) vom 15.10.1999 von Prof. Dr. S., Direktor der Chirurgischen Klinik des Klinikums der Stadt L.). Am 22.10.1999 wurde er aus der stationären in ambulante Behandlung entlassen (vgl. Mitteilung von Prof. Dr. S. vom 22.10.1999). Arbeitsunfähigkeit wurde bis 12.11.1999 attestiert (Mitteilung von Dr. T., Chirurg an der A.-Praxisklinik-H., vom 16.11.1999). Demgegenüber nahm Dr. E., Nervenärztin an der A.-Klinik, in ihrer Mitteilung vom 26.11.1999 weitere Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit wegen einer posttraumatischen Belastungsreaktion bei Zustand nach Gehirnerschütterung an. An dieser Beurteilung hielt Dr. E. in ihrer Auskunft vom 13.12.1999 fest. In dem hierzu auf Veranlassung der Beklagten erstatteten Gutachten des Nervenarztes B., L.-O., vom 21.01.2000 hieß es, beim Kläger bestünden ein Zustand nach Gehirnerschütterung ohne neurologisches Defizit sowie eine ängstlich-depressiv gefärbte posttraumatische Belastungsreaktion, die noch auf den Unfall vom 15.10.1999 zurückzuführen sei. Hierdurch sei Arbeitsunfähigkeit bis zum 16.01.2000 bedingt worden. In dem Krankheitsbericht der Berufsgenossenschaftlichen (BG-)Unfallklinik L. vom 28.02.2000 wurde ausgeführt, ein beim Kläger bestehender Zustand nach Lendenwirbelsäulen-Kontusion/Distorsion sei nicht unfallbedingt. Nervenarzt B. diagnostizierte laut seinem neurologischen Befundbericht vom 02.10.2000 einen Zustand nach Gehirnerschütterung ohne verbliebenes neurologisches Defizit sowie eine vollständig abgeklungene posttraumatische phobisch-depressive Belastungsstörung bei primär ängstlich-depressiv strukturierter Grundpersönlichkeit sowie einen Becken- und Hüftschmerz links ohne neurologisches oder elektrophysiologisches Defizit. Daraufhin verneinte die Beklagte mit Bescheid vom 20.10.2000 unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit ab 11.02.2000 sowie einen Anspruch auf Rente. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 16.01.2001).

Hiergegen erhob der Kläger am 15.02.2001 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Dieses vernahm auf schriftlichem Wege Dr. P., Orthopäde in H., Dr. K., Facharzt für Psychotherapeutische Medizin/Verhaltenstherapie am Berufsförderungswerk H., Dr. D., Arzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie in H. sowie Dr. E. schriftlich als sachverständige Zeugen (Auskünfte vom 03., 04., 05. und 20.04.2001). Ferner holte es von Dr. B., Nervenarzt in H., von Amts wegen das aufgrund ambulanter Untersuchung am 25.09.2001 erstattete Gutachten vom 19.11.2001 ein. Darin wurden ein Zustand nach Gehirnerschütterung ohne bleibende neurologische Defizite sowie leichte periphere Sensibilitätsstörungen im Narbenbereich an der Stirn und am Nasenrücken links als unfallbedingt bezeichnet. Für die leichte, nun nur noch residuale posttraumatische Belastungsstörung spiele manifestationsfördernd die depressiv-zwanghaft strukturierte Primärpersönlichkeit des Klägers mit einer persönlichkeitseigenen Neigung zu psychogenen Reaktionen bei entsprechenden äußeren und inneren Belastungen eine Rolle, welche sich schon 1988 in einer psychogenen Depression niedergeschlagen habe. Mit dieser Primärpersönlichkeit sei der Kläger beim Eintritt des Unfallereignisses vom 15.10.1999 in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert gewesen. Das Unfallereignis selbst und die dabei erlittenen Verletzungen seien zwar nicht schwer und nicht existentiell vital bedrohlich gewesen, stellten gleichwohl eine plausible Auslösebedingung für die erstmals am 11.11.1999 festgestellte posttraumatische Belastungsstörung dar, die seit Abschluss der traumapsychologischen Behandlung bei Dr. K. nur noch ganz gering, residual sei und keine wesentliche Funktionsminderung im Alltag mehr mit sich bringe. Wenn der Kläger erstmals ab 10/2000 häufig Kopfschmerzen angegeben habe, dann seien diese Spannungskopfschmerzen zum Einen durch eine kernspintomographisch festgestellte Sinusitis maxillaris rechts und Sinusitis sphenoidalis links und zum Anderen aber vor allem durch die in der Persönlichkeit des Klägers wurzelnde Neigung zu psychosomatischen Beschwerdebildungen und durch seinen selbst gesetzten überhöhten Selbstanspruch sowie daraus resultierende innere und motorische Anspannung, Schlafstörungen und Befindlichkeitsstörungen bedingt. Die diskrete Innenohrschwerhörigkeit beidseits sei unfallunabhängig, die leichte Wirbelsäulenfehlstatik anlagebedingt. Auch wegen seines Cervicalsyndroms sei der Kläger schon vor dem Unfall krankgeschrieben gewesen. Eine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde durch die Unfallfolgen nicht bedingt. Der Kläger legte in der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2001 den Arztbrief des Universitätsklinikums B., Klinik und Poliklinik für HNO-Kranke vom 09.11./12.12.2001 vor, der u. a. die Diagnose einer posttraumatischen Anosmie enthielt. Der Kläger habe sich beim Verkehrsunfall im Oktober 1999 ein Schädel-Hirn-Trauma II. Grades zugezogen.

Gestützt auf die Stellungnahme von Dr. P. und die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. wies das SG durch Urteil vom 19.12.2001 die Klage ab. Eine MdE rentenberechtigenden Grades liege selbst dann nicht vor, wenn der diagnostizierte Riechverlust auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werde.

Gegen das am 30.01.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.02.2002 Berufung eingelegt und sich zur Begründung auf den Arztbrief des Universitätsklinikums B. vom 09.11./12.12.2001 berufen. Wegen des unfallbedingten Verlusts des Riechvermögens sei er auch besonders beruflich betroffen. Als Betriebsschlosser bei der BASF sei seine Aufgabe auch, chemische Leitungen und Anlagen zur Produktion von chemischen Stoffen instand zu halten und zu warten. Er sei bei seiner Tätigkeit im Zuge der Gefahrabwehr und Gefahrverhinderung auch auf sein Riechvermögen angewiesen. Gerade bei - drohenden - Lecks sei das Riechvermögen in den unübersichtlichen Maschinenräumen oft der einzige Anhaltspunkt, einen Fehler in der Anlage zu orten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19.12.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20.10.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2001 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15.10.1999 ab dem 17.01.2000 Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vom Hundert (v. H.) zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist hierzu auf die angefochtene Entscheidung. Es könne nicht als erwiesen angesehen werden, dass der Riechverlust auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Diese Beschwerden seien erstmals über zwei Jahre nach dem Unfall vorgetragen worden. Zuvor ergäben sich weder aus medizinischen Befunden noch aus Gutachten Hinweise, die auf einen traumatischen Riechverlust schließen ließen. Folglich liege auch keine besondere berufliche Betroffenheit des Klägers vor.

Der Senat hat von Amts wegen von Privatdozent Dr. T., Oberarzt an der HNO-Universitätsklinik H., das am 30.05.2003 eingegangene Gutachten eingeholt. Darin heißt es abschließend, die Untersuchungsbefunde seien grundsätzlich vereinbar mit dem vollständigen Verlust des Riechvermögens. Aus den Untersuchungsbefunden vom 03.02.2003 sei eine Simulation oder Aggravation nicht unmittelbar abzuleiten. Die Glaubwürdigkeit der Angaben würde jedoch eingeschränkt durch die auffallend geringe Wahrnehmung der trigeminalen Reizstoffe Essigsäure und Salmiak. Gegen eine traumatisch bedingte Anosmie spreche, dass in zwei neurologischen Gutachten, die nach dem Unfall angefertigt worden seien, ein regelrechtes Riechvermögen festgestellt worden sei. Das Ausmaß der Verletzung (Bewusstlosigkeit, Gehirnerschütterung) sei als ausreichend anzusehen für einen Abriss der Riechfasern an der Schädelbasis mit nachfolgendem bleibenden, kompletten Ausfall des Riechvermögens. Dieser Verlust des Riechvermögens werde jedoch in der Regel wenige Tage nach dem Unfall von dem Betroffenen bemerkt. Dass der Kläger keine Angaben darüber habe machen können, wann diese Riechstörung erstmals aufgefallen sei, spreche nicht für eine posttraumatische Anosmie. Nach eigenen Angaben habe der Kläger sich über Riechstörungen bei seiner Schwester (Medizinstudentin) informiert und habe die Riechprüfung an der ehemaligen Arbeitsstelle der Schwester durchführen lassen. Der unfallbedingte Verlust des Tastsinnes der linken Stirn bedinge keine MdE.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 30.06.2003 u. a. beantragt, das Gutachten der Klinik und Poliklinik für HNO-Kranke im Universitätsklinikum B. zur Stellungnahme vorzulegen. Zu den vom Kläger erhobenen Einwendungen hat der Sachverständige, nunmehr Leitender Arzt und stellvertretender Chefarzt an der HNO-Klinik, Hals- und Gesichtschirurgie des K.spitals St. G., unter dem 18.11.2003 ausgeführt, eine objektive Riechprüfung sei geeignet, den Verlust des Riechsinns nachzuweisen. Gegen den vollständigen Verlust des Riechsinns spreche beim Kläger die Wahrnehmung des Riechstoffs Aethylbutyrat in der subjektiven Riechprüfung. Dabei handle es sich um ein Verfahren, bei dem der Kläger stets eine Angabe machen müsse. Dessen ausgesprochen ablehnende Haltung während dieses Tests sei auch für Patienten mit einem vollständigen Verlust des Riechvermögens ungewöhnlich. Für die Annahme eines kompletten Riechverlusts sei eine hinreichende Plausibilität der Befunde sowie eine Übereinstimmung zwischen Vorgeschichte, aktuellen Beschwerden und Untersuchungsbefunden zu fordern. Naturgemäß sei es nicht möglich, mit Hilfe der subjektiven Riechprüfung einen kompletten Verlust des Riechvermögens zu beweisen oder zu widerlegen. Wie die Diagnose einer regelrechten Funktion des ersten Hirnnerven im Rahmen der neurologischen Beurteilungen erbracht worden sei, sei aus den Unterlagen nicht ersichtlich. Es werde jedoch für unwahrscheinlich gehalten, dass aus neurologischer Sicht eine regelrechte Funktion des ersten Hirnnerven (Riechnerv) dokumentiert werde, wenn der Patient unter einer posttraumatischen kompletten Anosmie leide.

Auf den Antrag des Klägers gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat zuletzt von Prof. Dr. H., dem Direktor der Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde der Universität K., das Gutachten vom 17.07.2006 eingeholt. Dieser kam in Übereinstimmung mit PD Dr. T. zu dem Ergebnis, die Ursache der - durch eine objektive Olfaktometrie nachgewiesenen - Riechstörung sei unabhängig vom Arbeitsunfall vom 15.10.1999 zu sehen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Auch der Senat ist der Ansicht, dass der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente hat.

Gem. § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII i.V.m. § 7 Abs. 1 haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Bei der Einschätzung der MdE kommt es nicht auf den bisherigen Beruf oder die bisherige Tätigkeit des Versicherten an, sondern bei identischen Unfallfolgen ist die MdE aller Verletzten prinzipiell dieselbe, sofern nicht besondere Gründe Abweichungen rechtfertigen (BSG SozR 2000 § 581 Nr. 28, Nr. 22 mwN). In der gesetzlichen Unfallversicherung herrscht das Prinzip der abstrakten Schadensbemessung, d. h. die Entschädigung ist nach dem Unterschied der auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens bestehenden Erwerbsmöglichkeiten des Verletzten vor und nach dem Versicherungsfall zu bemessen (so schon BSGE 23, 253, 254; BSGE 31, 185; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 151). Zur Einschätzung der MdE sind im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Versicherten allgemeine Erfahrungswerte heranzuziehen, die sogenannten Regel- oder Normalsätze, die nach der Rechtsprechung aufgrund ständiger Übung zu beachten sind. Hierbei kommt es vordergründig nicht darauf an, welche Diagnosen im Einzelnen zu stellen sind, sondern darauf, wie sich unfallbedingte Krankheitszustände funktionell auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten auswirken (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 23; Ricke in Kass. Komm. § 56 RndNr. 19). Bei der Bestimmung des Grades der MdE durch das Gericht bilden schlüssige ärztliche Schätzungen in Gutachten bedeutsame Anhaltspunkte, ohne dass das Gericht an diese Schätzungen gebunden wäre. Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der eingetretenen bzw. bestehenden Gesundheitsstörung (vgl. BSG in Breithaupt 1980, 564, 566). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u. a. die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung gehören, mit einem der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein, während zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSGE 19, 52, 53; 32, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287; 80, 63). Nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausallehre von der wesentlichen Bedingung (vgl. BSGE 61, 127, 129) sind als Ursache und Mitursache im Rechtssinne unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur die Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 13; Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 12. Auflage, Band 3, RndNrn. 309 ff. zu § 8 SGB VII mwN). Haben mehrere Bedingungen gemeinsam zu einem Erfolg geführt, sind sie rechtlich nur dann wesentliche Bedingung und damit Mitursache, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges in gleichem Maße wesentlich sind (Krasney aaO RndNr. 314). Kommt dagegen einer der Bedingungen gegenüber der oder den anderen eine überwiegende Bedeutung zu, so ist sie allein wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne (BSGE 12, 242, 245 f; 13, 175, 176; Brackmann aaO S. 480K I mwN). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286), d. h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (vgl. BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112). Dieselben Kausalitätserwägungen gelten auch bei Reaktionen auf psychischem Gebiet. In diesem Fall ist zu prüfen, ob das Unfallereignis und seine Auswirkungen auf psychischem Gebiet ihrer Eigenart und Stärke nach unersetzlich waren oder ob die Anlage so leicht ansprechbar war, dass sie gegenüber den psychischen Auswirkungen des Unfallereignisses die rechtlich allein wesentliche Ursache war. Von Bedeutung sind dabei u. a. die Schwere des Unfallereignisses, ob eine latente "Anlage" bestand und ob sich diese bereits in Symptomen manifestiert hat. Ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang ist in der Regel zu verneinen, wenn die psychische Reaktion im Zusammenhang mit persönlichen Lebenskonflikten steht oder wenn sie wesentlich die Folge wunschbedingter Vorstellungen ist (vgl. BSG 18, 173, 176; 19, 275, 277/278).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die beim Kläger bestehende leichte periphere Sensibilitätsstörung im Narbenbereich an der linken Stirn und am linken Nasenrücken und der angrenzenden Haut als Unfallfolge zu werten. Dies entnimmt der Senat den übereinstimmenden Gutachten von Nervenarzt B., Dr. B. und von PD Dr. T. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig, was insoweit auch für die MdE-Bewertung gilt. Laut nachvollziehbarer und überzeugender gutachterlicher Beurteilung resultiert hieraus keine MdE.

Weitere Unfallfolgen liegen zur Überzeugung des Senats beim Kläger nicht vor. Soweit sich der Kläger auf orthopädische Unfallfolgen beruft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass hier schon eine unfallbedingte Primärschädigung von entsprechender Schwere nicht erwiesen ist. Zwar enthält der Krankheitsbericht der BG-Unfallklinik L. die Diagnose eines Zustandes nach Lendenwirbelsäulen-Kontusion/Distorsion. Jedoch heißt es in dem Bericht weiter, bei der heutigen (25.02.2000) Untersuchung hätten in Bezug auf die festgestellte Lendenwirbelsäulenproblematik keine Unfallfolgen nachvollzogen werden können (= fehlende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs), weil der Kläger bereits seit 12/94 über rezidivierende Lumboischialgie klage und sich deswegen in kassenärztlicher Behandlung befunden habe. Bestätigt wird diese Beurteilung durch den nervenärztlichen Sachverständigen Dr. B., wonach die leichte Wirbelsäulenfehlstatik und eine meningeale Zyste mit Arrosionszeichen bei S2 mit größter Wahrscheinlichkeit anlagebedingt und eine mediolaterale linksseitige Bandscheibenprotrusion mit angedeuteten degenerativen Veränderungen bei LWK 4/5 verschleißbedingt seien, weil der Unfall selbst nicht zu einer knöchernen Verletzung im Wirbelsäulen-, Becken- und Beinbereich geführt habe. Dem Unfallgeschehen komme hier nur eine untergeordnete Bedeutung für die - erneute - Manifestation und zeitweilige Aufrechterhaltung zu. Entsprechendes gilt nach den für den Senat auch insoweit nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen von Dr. B. für das wiederkehrende Zervikobrachialsyndrom links mit funktionell unerheblichem Restbefund nach alter Nervenwurzelreizung 6/7 C links, nachdem der Kläger bereits 1989 erstmals wegen eines Zervikalsyndroms krankgeschrieben worden war und der Unfall selbst nicht zu einer strukturellen Verletzung des Knochen-, Muskel- und Sehnenapparates im Schultergürtel-Arm-Bereich geführt hat. Zudem wurden diesbezüglich Brückensymptome bei Voruntersuchungen nicht dokumentiert und entsprechende Beschwerden erstmals elf Monate nach dem Unfall geäußert.

Nach übereinstimmender fachärztlicher Beurteilung von Dr. B. und Nervenarzt B. hat die beim Kläger aufgetretene psychische posttraumatische Belastungsstörung ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zum 17.01.2000 zumindest keine MdE um 20 v. H. mehr bedingt. Soweit der Kläger erstmals ein Jahr nach dem Unfall wieder über Kopfschmerzen geklagt hat, handelt es sich nach übereinstimmender nervenärztlicher Beurteilung um einen Spannungskopfschmerz, der durch persönlichkeitseigene psychosomatische Mechanismen verursacht wird, d. h. hierfür ist ausschließlich Ursache im Rechtssinne eine persönliche Veranlagung des Klägers. Der Arbeitsunfall spielt hierfür keine Rolle.

Auch der vom Sachverständigen PD Dr. T. diagnostizierte Verlust des Geruchssinns kann nicht als Unfallfolge berücksichtigt werden. Der Senat hält nicht für wahrscheinlich, dass es bei dem Unfall zum Abriss der Riechfasern an der Schädelbasis gekommen ist. Ein entsprechender Befund wurde nie erhoben, vielmehr wird noch im neurologischen Befundbericht des Nervenarztes B. vom 02.10.2000 ausgeführt, dass sämtliche Hirnnerven, also auch der Erste (= Riechnerv) intakt sind. Der Befund einer Anosmie könnte erstmals durch den Arztbrief des Universitätsklinikums B. vom 09.11./12.12.2001 als gesichert gelten. Nach Aktenlage hat der Kläger erstmals anlässlich der Untersuchung bei Dr. B. am 25.09.2001 über ein Nachlassen seines Geruchsinns seit dem Unfall geklagt. Gegenüber Nervenarzt B. hat er keine entsprechenden Angaben gemacht und der Gutachter ist damals zum Ergebnis gelangt, dass Geruchs- und Geschmackssinn ungestört seien. Auch Dr. B. hat noch eine Normosmie (= regelrechtes Riechvermögen) diagnostiziert. Wäre es beim Kläger zu einer entsprechenden Unfallverletzung gekommen, so hätte ein Nachlassen des Geruchssinns von ihm wenige Tage nach dem Unfall bemerkt und auch angegeben werden müssen. Wenn der Kläger erstmals im September 2001, also zwei Jahre nach dem Unfall, Angaben über ein Nachlassen seines Geruchssinns gemacht hat, so lässt sich nicht mit der geforderten Wahrscheinlichkeit auf eine entsprechende, durch den Unfall verursachte Schädigung schließen. Der Senat stützt sich hierfür auf die überzeugende Beurteilung von PD Dr. T., der sich im Übrigen auch Prof. Dr. H. angeschlossen hat.

Gegenüber Prof. Dr. H. hat der Kläger ebenso wie in der mündlichen Verhandlung angegeben, bei geschlossenen Augen könne er nichts riechen. Zusätzlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, wegen der Behandlung einer Depression und der Belastungsstörung mit Psychopharmaka habe er die Riechstörung erst sehr spät bemerkt. Gegenüber Prof. Dr. H. hat der Kläger aber angegeben, er habe die Geruchsstörung schon einige Wochen nach dem Unfall bei einer Untersuchung gegenüber einem Arzt erwähnt. Beide Aussagen stehen in einem Widerspruch zueinander. Prof. Dr. H. hat im Übrigen den Vortrag des Klägers, nur bei geschlossenen Augen sei das Riechvermögen beeinträchtigt, keine Bedeutung beigemessen. Mit Prof. Dr. H. ist der Senat deshalb davon überzeugt, dass der Umstand, dass erst 23 Monate nach dem Unfall Klagen über eine Riechstörung vorgebracht worden sind, entscheidend gegen einen Zusammenhang mit dem Unfall spricht.

Somit lassen sich beim Kläger keine gesundheitlichen Unfallfolgen mehr feststellen, die eine MdE bedingen. Dahingestellt bleiben kann, ob nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zum 17.01.2000 die damals noch therapiebedürftige posttraumatische Belastungsstörung eine MdE bedingt hat, denn eine solche in rentenberechtigendem Grad - mindestens 20 v. H. - konnte nie festgestellt werden. Die Voraussetzungen für die Erhöhung der MdE wegen sogenannter "besonderer beruflicher Betroffenheit" im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII haben nie vorgelegen. Nach dieser Vorschrift werden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die Versicherte dadurch erleiden, dass sie bestimmte, von ihnen erworbene berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten ausgeglichen werden. Der Kläger macht hier geltend, als Betriebselektriker bei der BASF sei er in besonderer Weise auf sein Riechvermögen angewiesen. Wie dargelegt, ist der beim Kläger vorliegende Verlust des Riechvermögens jedoch nicht unfallbedingt.

Im Hinblick auf die eindeutige Sachlage bedurfte es keiner weiteren Beweiserhebung von Amts wegen.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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