L 13 AL 3133/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 1575/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3133/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der der Behörde obliegende Beweis für die Bekanntgabe des Verwaltungsakts kann auf Indizien gestützt und im Wege der freien Beweiswürdigung geführt werden (wie Bundesfinanzhof in BFHE 156, 56; 175, 327; 209, 416).
2. § 330 Abs. 2 SGB III ist dahin auszulegen, dass die Vorschrift auch die Erstattung von ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachten Leistungen erfasst, wenn für diese Erstattung der entsprechend anzuwendende § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X erfüllt ist. Deshalb ist Ermessen nicht auszuüben und für die Berücksichtigung eines Verschuldens der Behörde an der Überzahlung kein Raum.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Erstattung überzahlter Fahrkosten in Höhe von 3323,50 EUR.

Der am 1969 geborene und in Ulm wohnhafte Kläger war von Januar 1990 bis Ende Dezember 1993 Soldat auf Zeit. Von September 1994 bis Ende August 1998 stand er in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis als kaufmännischer Angestellter und von September 1998 bis Anfang Februar 1999 in einem solchen als Niederlassungsleiter; von Februar 2000 bis Ende September 2001 war er als Personalsachbearbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. In den Zeiten ohne Beschäftigung bezog er Übergangsgebührnisse, Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld wegen Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung.

Nachdem er vom 19. April 1999 bis 31. Januar 2000 an einer Weiterbildung zur IHK-Fachkraft Rechnungswesen und Personalabrechnung teilgenommen hatte, wofür vom Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) Ulm Unterhaltsgeld und Fahrkosten bewilligt worden waren, beantragte er am 17. Januar 2002 die Förderung der Teilnahme an der in Vollzeitunterricht in Stuttgart durchgeführten beruflichen Weiterbildung zum Organisationsberater mit SAP. Maßnahmeträger war die WBS Training AG. Die Maßnahme begann am 11. März 2002 und endete am 6. Dezember 2002. Im Förderantrag erklärte der Kläger unterschriftlich, das Merkblatt "Förderung der beruflichen Weiterbildung" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. In der Erklärung über Fahrkosten, ebenfalls vom 17. Januar 2002, gab er an, im entstünden durch Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel von U. nach S. und zurück Fahrkosten in Höhe von 302,50 EUR monatlich. Mit bindend gewordenen Bescheid vom 19. März 2002 bewilligte das Arbeitsamt dem Kläger für die Zeit vom 11. März bis 6. Dezember 2002 Lehrgangskosten in Höhe von 8682,80 EUR sowie Fahrkosten in Höhe von 2823,33 EUR; die im Überweisungsträger mit der Kennziffer 6502 versehenen Fahrkosten würden ab März 2002 in neun im voraus gezahlten Raten von 302,50 EUR monatlich sowie ab Dezember in einer ebenfalls im voraus erbrachten Rate von 100,83 EUR monatlich geleistet. Anschließend bewilligte das Arbeitsamt Unterhaltsgeld. In seiner am 19. April 2002 abgegebenen Erklärung zu den Fahrkosten teilte der Kläger mit, er werde vom 1. Mai bis 6. Dezember 2002 mit seinem PKW von U. nach S. und zurück fahren; die einfache Fahrstrecke betrage 100 km. In den Verwaltungsakten befindet sich ein mit dem Datum 2. Mai 2002 versehener abgezeichneter Bescheidentwurf, demzufolge dem Kläger vom 1. Mai bis 6. Dezember 2002 Fahrkosten in Höhe von 3626 EUR bewilligt werden; von diesen würden im Mai 2002 eine voraus geleistete Rate in Höhe von 173,50 EUR, ab Juni sechs Raten im voraus zu 476 EUR monatlich und ab Dezember 2002 eine Rate im voraus in Höhe von 294 EUR monatlich gezahlt; es folgt derselbe Verschlüsselungshinweis. Unter der Kennziffer für Fahrkosten wurden an den Kläger Leistungen wie folgt überwiesen: Am 5. April 2002 605 EUR, am 30. April 302,50 EUR, am 15. Mai 2002 649,50 EUR, am 31. Mai und in den folgenden fünf Monaten jeweils 952 EUR und am 28. November 2002 588 EUR.

Im November 2002 bemerkte das AA, dass dem Kläger die die Zeit ab 1. Mai betreffenden Fahrkosten doppelt überwiesen worden waren. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2002 hörte es den Kläger dazu an, dass er vom 1. Mai bis 6. Dezember 2002 Fahrkosten in Höhe von 3323,50 EUR zu Unrecht bezogen habe, was er schon aufgrund der Bewilligung vom 2. Mai 2002 ohne weiteres habe erkennen können. In seiner Rückäußerung vom 23. Dezember 2002 behauptete der Kläger, keinen Bescheid vom 2. Mai 2002 erhalten zu haben; da ihm auch nicht bekannt sei, wie das Arbeitsamt die Fahrkosten errechne, habe er nicht nachvollziehen können, ob das überwiesene Fahrgeld korrekt gewesen sei. Mit Bescheid vom 21. Januar 2003 teilte das Arbeitsamt dem Kläger mit, er habe seit 1. Mai 2002 Fahrkosten in Höhe von 6949,50 EUR erhalten, obwohl ihm mit Bescheid vom 2. Mai 2002 Fahrkosten lediglich in Höhe von 3626 EUR bewilligt worden seien. Das Arbeitsamt hob anschließend die Entscheidung über die Bewilligung der Leistung gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) auf und widerrief die Bewilligung der Leistung für Weiterbildungskosten-Teilnahmekosten (Fahrkosten) gem. § 47 Abs. 2 SGB X. Außerdem verfügte es die Erstattung von überzahlten Fahrkosten in Höhe von 3323,50 EUR. Der Kläger legte Widerspruch ein, mit welchem er sein Vorbringen im Anhörungsverfahren wiederholte. Im Vorverfahren legte der Kläger seine Kontoauszüge in Kopie vor. Das Arbeitsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2002 zurück; Rechtsgrundlage für die in ihrem pflichtgemäßen Ermessen stehende Erstattung sei allein § 50 Abs. 2 SGB X. Dem Kläger hätte sich, was sie näher ausführte, aufdrängen müssen, dass an der Zahlung der Fahrkosten ab 1. Mai 2002 etwas nicht stimmen könne. Bei Abwägung aller Gesichtspunkte und Interessen könne der Fehler des Arbeitsamt nicht dazu führen, dass dem Kläger die Überzahlung verbleiben könne.

Dagegen hat der Kläger am 4. Juli 2003 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2005 hat er die Aufhebung des Bescheids vom 21. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids beantragt. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten; sie hat das Merkblatt "Förderung der beruflichen Weiterbildung", Stand April 2001, vorgelegt und u.a. ausgeführt, dem Kläger seien eigentlich 3626 EUR doppelt überwiesen worden. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 22. Juni 2005 die Klage abgewiesen, weil das Arbeitsamt berechtigt gewesen sei, vom Kläger überzahlte Fahrtkosten nach § 50 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X zurückzufordern; der Kläger habe aufgrund grober Fahrlässigkeit verkannt, dass ihm die Überzahlung nicht zustehe. Ermessen habe das Arbeitsamt nicht ausüben müssen. Wegen der Entscheidungsgründe im einzelnen wird auf das dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 30. Juni 2005 zugestellte Urteil Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die am 26. Juli 2005 beim Sozialgericht zur Niederschrift eingelegte Berufung des Klägers, mit der dieser sein Anfechtungsbegehren weiter verfolgt und hierzu vorbringt: Das Urteil sei nach seinem Rechtsempfinden nicht nachvollziehbar. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe er dem Merkblatt nicht entnehmen können, wie viel Geld ihm wirklich zustehe; das Merkblatt sei nämlich nicht auf dem neuesten Stand gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Juni 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend.

Wegen der weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des Sozialgerichts Ulm (S 6 AL 1575/03) und die Berufungsakten (L 13 AL 3133/05) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers konnte keinen Erfolg haben.

Die Berufung ist zulässig, weil statthaft (vgl. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) sowie form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 2 und Abs. 1 SGG). Die Berufungsbeschränkungen des § 144 Abs. 1 SGG greifen nicht ein, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt bei der erhobenen Klage, die gegen einen eine Geldleistung von 3323,50 EUR fordernden Verwaltungsakt gerichtet ist, 500 EUR (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Die Berufung ist sachlich jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die isolierte Anfechtungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 SGG) gegen den Bescheid vom 21. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2003 zu Recht abgewiesen. Der eine Erstattung von 3323,50 EUR fordernde Bescheid des Arbeitsamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Vorab ist festzustellen, dass als den Kläger beschwerende und mit der Anfechtungsklage angefochtene Verfügung lediglich noch die Erstattung überzahlter Fahrkosten in Höhe von 3323,50 EUR wirksam ist. Zwar hat die Beklagte im Bescheid vom 21. Januar 2003 neben der Verlautbarung der Erstattung auch die Bewilligung aufgehoben und widerrufen. Hiervon ist sie aber im Widerspruchsbescheid - zuvor schon im aufklärenden Schreiben vom 24. Februar 2003 - abgerückt; sie hat an der Aufhebung und dem Widerruf nicht mehr festgehalten, sondern diese konkludent aufgehoben, in dem sie die Erstattung allein und ausdrücklich auf die keine Aufhebung und keinen Widerruf voraussetzende Vorschrift des § 50 Abs. 2 SGB X gestützt hat.

Zutreffend sind die Beklagte und das Sozialgericht von § 50 Abs. 2 SGB X als maßgebender verwaltungsverfahrensrechtlicher Eingriffsnorm für die Erstattung ausgegangen. Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie nach § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X zu erstatten; §§ 45 und 48 gelten dann entsprechend (vgl. § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Zunächst ist der Senat davon überzeugt, dass der Bescheid vom 2. Mai 2002 dem Kläger bis spätestens 6. Mai 2002 bekannt gegeben worden und damit wirksam (vgl. § 39 Satz 2 SGB X) geworden ist. Der der Beklagten obliegende Beweis (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB X) für die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes kann auf Indizien gestützt und im Wege der freien Beweiswürdigung geführt werden (so Bundesfinanzhof (BFH) in BFHE 156, 56; 175, 327; 209, 416). Dafür, dass der Bescheid vom 2. Mai 2002 dem Kläger zeitnah bekannt gegeben worden ist, spricht, dass ein Postrücklauf nicht zu verzeichnen war und der Kläger auf seinen Antrag vom 19. April 2002 nie die Erteilung eines Bescheides angemahnt hat, obwohl ihm aus dem früheren Bezug von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit, aber auch von Unterhaltsgeld und Fahrkosten bekannt war, dass die Beklagte grundsätzlich durch Anträge eingeleitete Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsaktes abschließt. Der mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehene Bescheid vom 2. Mai 2002 ist bindend geworden. Ausgehend hiervon sind dem Kläger für den im Bescheid erfassten Zeitraum 1. Mai 2002 bis 6. Dezember 2002 die mit 3626 EUR bewilligten Fahrkosten doppelt und damit zu Unrecht ausgezahlt worden. Zum gleichen Ergebnis würde man gelangen, wenn der Bescheid vom 2. Mai 2002 nicht zugegangen wäre. Dem Kläger hätten dann an Fahrkosten lediglich 3596 EUR für die Zeit vom 1. Mai bis 6. Dezember 2002 zugestanden.

Nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung können Fahrkosten übernommen werden für Fahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte (Pendelfahrten). § 83 Abs. 2 SGB III bestimmt für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002, dass die Fahrkosten bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Klasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels anfällt, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel bis zur Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 6 Abs. 1 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG; § 83 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Werden Kosten für Pendelfahrten übernommen, sind die Kosten monatlich in Höhe der zu Beginn der Teilnehme anfallenden Kosten zu übernehmen (§ 83 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Kosten für Pendelfahrten können nur bis zu der Höhe des Betrags übernommen werden, der bei auswärtiger Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre (§ 84 Abs. 3 SGB III). Diese Höchstgrenze betrug im streitbefangenen Zeitraum 476 EUR monatlich (§ 84 Nr. 1 und Nr. 2 SGB III). Der Kläger musste für die Teilnahme an der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme in der streitbefangenen Zeit an den wöchentlich fünf Unterrichtstagen mit seinem PKW zwischen der Wohnung in U.und der Bildungsstätte in S. hin und her fahren. Diese Pendelfahrten von täglich, wie vom Kläger angegeben, jeweils 100 km, also 200 km insgesamt waren mit der Wegstreckenentschädigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BRKG zu entschädigen. Diese Bestimmung sah in der bis 20. August 2002 geltenden Fassung bei Benutzung von Kraftfahrzeugen mit - wie hier - einem Hubraum von mehr als 600 ccm eine Wegstreckenentschädigung von 0,43 DM vor, was nach Umrechnung in EUR mit 1,95583 aufgerundete 0,22 EUR (so auch § 6 Abs. 1 Nr. 1 BRKG in der ab 20. August 2002 geltenden Fassung) und damit unterrichtstäglich 44 EUR ergibt. Bei monatlich zwischen 20 und 23 Unterrichtstagen würden sich Beträge zwischen 880 EUR sowie 1005 EUR monatlich und damit höhere Beträge als der Höchstbetrag von monatlich 476 EUR ergeben, weshalb eine Begrenzung auf letzteren vorzunehmen ist. Bei sieben vollen Monaten sind dies 3332 EUR; bei noch sechs Tagen im Dezember bis 6. Dezember fallen weitere 264 EUR, insgesamt also 3596 EUR und damit weniger als von der Beklagten bewilligt an. Dem Kläger sind indes die bewilligten 3626 EUR doppelt gezahlt worden. Die Beklagte fordert jedoch lediglich 3323,50 EUR zurück.

Dass ihm die von der Beklagten zurückverlangten 3323,50 EUR zu Unrecht gezahlt worden sind, hat der Kläger mindestens in Folge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X entsprechend), so dass er sich auf Vertrauen nicht berufen und die Beklagte die in der Vergangenheit überzahlten Fahrkosten zurückfordern kann (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 zweiter Halbsatz SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Zunächst steht fest, dass der Kläger die durch Banküberweisung gezahlten und in den Bankauszügen ausgewiesenen Fahrkosten gesehen hat, wie sich aus seiner Anhörung beim Sozialgericht und aus der Tatsache, dass der Kläger über Bankauszüge verfügt, ergibt. Etwas anderes wäre ihm auch nicht zu glauben. Dann aber musste es sich ihm aufdrängen, dass die doppelt gezahlten Fahrkosten unmöglich rechtens sein können. Dies gilt insbesondere, wenn, wovon der Senat überzeugt ist, der Bescheid vom 2. Mai 2002 dem Kläger bekannt gegeben worden ist. Diesem Bescheid konnte er ohne weiteres entnehmen, dass ihm für die Zeit vom 1. Mai bis 6. Dezember 2002 monatlich lediglich 476 EUR an Fahrkosten und für Dezember 294 EUR zuerkannt worden waren. Ihm ist aber mit der Überweisung jeweils das Doppelte gezahlt worden. Wenn der Kläger den Bescheid vom 2. Mai 2002 nicht gelesen haben sollte, würde allein dieser Umstand den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. Denn für Bescheidadressaten besteht die Obliegenheit, die ihnen zugesandten Leistungsbewilligungen zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Beim Kläger bestanden auch keinerlei Einschränkungen seiner Urteils- und Kritikfähigkeit (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 42). Er verfügte im Gegenteil aufgrund seiner Berufstätigkeit im kaufmännischen Bereich von September 1994 bis Februar 1999 und seiner Weiterbildung zur Fachkraft im Rechnungswesen über ein für Zahlbeträge besonders geschärftes Urteilsvermögen. Der Kläger hätte die Doppelzahlung aufgrund einfachster und ganz naheliegender Überlegungen auch dann erkennen können, wenn er den Bewilligungsbescheid vom 2. Mai 2005 nicht erhalten hätte. Zur Überzeugung des Senats wusste der Kläger dass für wegen Pendelfahrten anfallende Fahrkosten eine Höchstbetragsbegrenzung von 476 EUR monatlich galt. Es handelt sich dabei um einen Umstand, für den sich Teilnehmer an auswärtigen Bildungsmaßnahmen schon aus Kostengründen generell interessieren und den sie deshalb in Erfahrung zu bringen pflegen. Dies gilt auch für den kaufmännisch und im Rechnungswesen versierten Kläger. Auf die Höchstbetragsbegrenzung wird - wenn auch mit einem niedrigeren Wert - auch in dem dem Kläger ausgehändigten Merkblatt, zu dessen Lektüre er verpflichtet war, hingewiesen. Der Kläger wusste ferner, dass die Raten für die Fahrkosten monatlich im Voraus entrichtet werden. Dann aber musste ihm spätestens mit der am 15. Mai 2002 geleisteten Zahlung von 649,50 EUR, die der Überweisung am 30. April 2002 mit 302,50 EUR - in dieser Höhe waren zuvor mit Bescheid vom 19. März 2002 monatliche Fahrkosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bewilligt - nachfolgte und welche ganz klar erkennbar für Mai 2002 bestimmt war, ohne weiteres klar sein, dass er für Mai 2002 damit 952 EUR, also das Doppelte des tatsächlichen Höchstbetrages und mehr als das Doppelte des im Merkblatt ausgewiesenen niedrigeren Höchstbetrages erhalten hatte. Gleiches gilt für die anschließenden Zahlungen mit monatlichen 952 EUR statt 476 EUR.

Bei der Entscheidung für die Erstattung hatte die Beklagte kein Ermessen auszuüben. § 330 Abs. 2 SGB III bestimmt nämlich als Sonderregelung für die Aufhebung von Verwaltungsakten, dass ein Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, wenn die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen. Zwar geht es hier nicht um die Zurücknahme eines Verwaltungsaktes. Da § 50 Abs. 2 SGB X für die Erstattung von ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachten Leistungen aber anordnet, dass die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend gelten, muss, wenn der Leistungsempfänger sich wegen seiner qualifizierten Bösgläubigkeit nach § 45 Abs. 2 Satz 3 nicht auf Vertrauen berufen kann, § 330 Abs. 2 SGB III dahingehend ausgelegt werden, dass die Vorschrift auch den Fall der Erstattung von ohne Verwaltungsakt zu Unrecht gezahlten Leistungen erfasst, wenn für diese Erstattung der entsprechend anzuwendende § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X erfüllt ist (von Wulffen/Wiesner, SGB X, 8. Auflage, § 50 Rdnr. 13). Es wäre nicht verständlich, wenn die Beklagte Empfänger von Leistungen ohne gesicherte Rechtsposition anders als Empfänger von Leistungen aufgrund Verwaltungsaktes nur unter erschwerten Bedingungen, nämlich erst nach Ausübung von Ermessen zur Erstattung herziehen könnte (ebenso Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 330 SGB III Rz. 25). Damit ist auch kein Raum für die Berücksichtigung eines Verschuldens des Arbeitsamts an der Überzahlung (vgl. BSG, Beschluss vom 21. Juni 2001 - B 7 AL 18/01 B - abgedruckt in Juris). Die in § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X aufgestellte Jahresfrist für die Erstattung ist hier ebenfalls unzweifelhaft erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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