Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 2264/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 4682/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. September 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Sonderrechtsnachfolgerin des im März 1935 geborenen und am 24. Februar 2005 verstorbenen Versicherten H. S ... Streitig ist ein Anspruch auf Verletztenrente für den Zeitraum von Dezember 2001 bis Februar 2005.
Der Versicherte war vom 1. April 1964 bis 31. Mai 2001 als Bootsbauer und -baumeister versicherungspflichtig beschäftigt. Neben dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall (AU) vom 13. November 2000, bei dem der Versicherte bei der Arbeit über eine Holzleiste gestolpert und auf den linken Ellenbogen gestürzt war, erlitt er am 26. März 1973 und 15. November 1978 weitere AU, für die die Beklagte jeweils für einen vorübergehenden Zeitraum, jedoch nicht auf Dauer, Verletztenrente gewährte.
In Bezug auf den streitgegenständlichen AU diagnostizierte Dr. R. im Durchgangsarztbericht vom 14. November 2000 eine dislozierte Radiusköpfchenfraktur links. Die Unfallanzeige des Arbeitgebers erfolgte mit Schreiben 18. Dezember 2000. Nach Beiziehung der Nachschauberichte vom 14. und 28. November sowie 18. Dezember 2000 und 19. Februar 2001 (nach denen u. a. am 21. November 2000 eine operative Reposition mittels Schrauben- und Plattenosteosynthese in den Krankenanstalten Konstanz durchgeführt worden war), erstattete Chirurg Dr. Schl. das Erste Rentengutachten vom 8. Mai 2001. Als Unfallfolgen nannte er eine dislozierte Radiusköpfchenmeißelfraktur, einen Zustand nach operativer Versorgung mit "Leibinger Minischrauben", eine posttraumatische Bewegungseinschränkung des linken Ellenbogengelenks bei Streckung, Beugung und - gering - Einwärtsdrehung, eine objektiv störende Bewegungseinschränkung und Minderung der Belastbarkeit sowie mäßige Schmerzen bei der Streckung. Im Röntgenbild zeigte sich eine deutliche Stufenbildung in der Radiusköpfchengelenkfläche bei noch liegendem Metall. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er vom 2. April 2001 bis 12. November 2001 mit 20 vH, danach voraussichtlich 15 vH, ein.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2001 anerkannte die Beklagte als Folgen des AU: am linken Arm Bewegungseinschränkungen im Ellenbogengelenk, Herabsetzung der Gebrauchsfähigkeit, reizlose Narbenverhältnisse nach einem knöchern unter Stufenbildung der Gelenkfläche fest verheilten Bruch des Speichenköpfchens mit noch einliegendem Fremdmaterial. Sie gewährte dem Versicherten eine Rente als vorläufige Entschädigung in Form einer Gesamtvergütung für die Zeit vom 2. April 2001 bis 30. November 2001 nach einer MdE von 20 vH. Auf den Antrag vom 5.Dezember 2001 auf Weiterzahlung der Rente veranlasste die Beklagte das Zweite Rentengutachten vom 2. Mai 2002 bei Dr. Schl., der - bei im Wesentlichen gleicher Diagnose wie im Ersten Rentengutachten - die Bewegungsmaße des linken Ellenbogens wie folgt angab: Einschränkung der Streck- und Beugebewegung des linken Ellenbogens (li.: 0-20-130; re.: 5-0-140); die Unterarmeinwärtsdrehung sei auf der verletzten Seite um ein Fünftel vermindert (li.: 90-0-70; re.: 90-0-90). Die MdE betrage weiterhin 20 vH. Nachdem der Beratungsarzt Dr. B. auf Grund der vom Gutachter genannten Bewegungsmaße lediglich eine MdE unter 20 vH bejahte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 2002 die Weitergewährung einer Verletztenrente ab, weil keine MdE von rentenberechtigendem Ausmaß vorliege.
Hiergegen erhob der Versicherte Widerspruch und trug vor, auf Grund des AU vom 13. November 2000 sei die Gebrauchsfähigkeit des linken Armes weiterhin herabgesetzt, auf Grund des AU vom 26. März 1973 sei der linke Zeigefinger versteift, die Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt, der Finger sei schlecht durchblutet, blau verfärbt und kalt. Aus dem AU vom 10. November 1978 resultierten noch Beschwerden nach verheilten Kahnbeinbruch. Bezüglich der früheren AU zog die Beklagte den Bescheid vom 21. November 1974 (Entziehung der gewährten vorläufigen Rente mit Ablauf des Monats Dezember 1974 wegen Besserung der aktiven Beweglichkeit des linken Zeigefingers im Grund- und Mittelgelenk) sowie den Bescheid vom 26. Juli 1979 bei, demzufolge für die Unfallfolgen (leichte Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk, Schmerzhaftigkeit im Bereich des 2. Mittelhandknochens links, subjektive Beschwerden nach verheiltem Kahnbeinbruch links) für die Zeit vom 17. April bis 30. Juni 1979 eine Rente nach einer MdE 20 vH gewährt worden war. Weitere Unterlagen über diese AU sind nach den Feststellungen der Beklagten nicht mehr vorhanden. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Versicherten zurück.
Hiergegen hat der Versicherte Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Das SG hat die anlässlich der AU erstellten Röntgenaufnahmen beigezogen und die Begutachtung des Versicherten durch Orthopäden Dr. Bo. veranlasst. In seinem Gutachten vom 21. Oktober 2003 hat der Sachverständige u. a. ausgeführt, aus dem AU vom 26. März 1973 sei eine Funktionseinschränkung und Gebrauchsminderung des linken Zeigefingers mit Narbenbeschwerden und Gefühlsstörungen sowie eine posttraumatische Arthrose im End- und Mittelgelenk verblieben, die MdE betrage insoweit 10 vH. Aus dem AU vom 15. November 1978 ergebe sich eine endgradige Funktionseinschränkung des linken Handgelenks mit geringfügigen Restbeschwerden ohne wesentliche Gebrauchsminderung bei diskreten posttraumatischen Arthrosezeichen, hier betrage die MdE unter 10 vH. Zu dem AU vom 13. November 2000 hat er ausgeführt, es bestehe eine mäßiggradige Funktionseinschränkung und deutliche Gebrauchsminderung des linken Ellenbogengelenks mit Muskelverschmächtigung am linken Unterarm bei posttraumatischer Arthrose des Humeroradialgelenks. Die MdE betrage für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis 21. Februar 2002 20 vH und danach 15 vH. Es sei eine Gesamt-MdE von 25 vH gegeben. Hiergegen hat sich die Beklagte mit den beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. B. vom 19. und 26. November 2003 gewandt: Aus dem AU von 1973 bestehe nach dem Gutachten Dr. Bo. eine eingeschränkte Zeigefingerbeweglichkeit, es sei jedoch eine bessere Funktion gegeben als bei der Amputation im Grundgelenk, somit betrage die MdE unter 10 vH, zumal der Finger nicht asensibel sei. Bezüglich des AU aus dem Jahre 2000 betrage die MdE 10 vH. Nach dem im Gutachten genannten Bewertungsmaßstab aus R./E. betrage die MdE bei einer Bewegungseinschränkung des Ellenbogens von 0-30-120 10 vH. Der Versicherte zeige sowohl nach den Gutachten des Dr. Schl. als auch des Dr. Bo. am Ellenbogen mit den Bewegungsmaßen von 0-20-130 ein besseres Ergebnis als das bei R./E. für eine MdE von 10 vH dargestellte. Es sei jedoch die Einwärtsdrehung endgradig eingeschränkt, weshalb eine MdE von 10 vH gerechtfertigt sei. Es könne jedoch dahinstehen, ob bzgl. des AU eine MdE von 10 vH oder 15 vH bestehe, weil aus dem AU von 1973 keine MdE um mindestens 10 vH hervorgehe. Hierzu hat der Sachverständige Dr. Bo. am 8. Januar 2004 ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, er halte an seiner bisherigen Auffassung fest. Zwar sei bezüglich des AU aus 2000 richtig, dass die Beuge- und Streckfähigkeit mit einem Wert von 0-20-130 diskret besser sei als im Beispielsfall aus R./E., es sei jedoch nicht schematisch an diesen Einschätzungen festzuhalten. Hier sei der Wert bei R./E. nicht anzuwenden, da dieser eine völlig freie Umwendmöglichkeit impliziere, die hier nicht gegeben sei. Hierauf hat Dr. B. die Stellungnahme vom 10. März 2004 abgegeben. Es sei bezüglich des AU von 2000 festzustellen, dass die Einschränkung der Unterarmdrehung von 20 Grad weniger bedeutend sei, da diese in der Schulter kompensiert werden könne. Deshalb betrage die MdE 10 vH. Zum AU von 1973 hat er ausgeführt, dass der Zeigefinger des Versicherten funktionell besser sei, als ein amputierter, weil bestimmte Greifformen, wenn auch eingeschränkt, möglich seien. Dr. Bo. hat in seiner Stellungnahme vom 17. Mai 2004 u. a. erwidert, dass bei dem Versicherten auf Grund eines privaten Unfalls von 1997 geringgradige funktionelle Einschränkungen an der linken Schulter bestünden, weshalb nicht ohne weiteres die von Dr. B. unterstellte Kompensation stattfinden könne. Hinsichtlich des AU von 1973 hat er an seiner Bewertung (MdE 10 vH) festgehalten. Dem ist Beklagte mit der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. B. vom 14. Juli 2004 wiederum entgegengetreten. Der Zeigefinger zeige lediglich ein Streckdefizit von 2 cm. Aufgrund der Nutzungsmöglichkeiten sei der Versicherte besser gestellt, als bei einem amputierten Finger, weshalb eine MdE unter 10 vH angenommen werden müsse. Die Einschränkung der Unterarmdrehung betreffe die Einwärtsdrehung. Da die Schulterbeweglichkeit aber nur jeweils um 10 Grad gegenüber der gesunden Seite eingeschränkt sei, könne die Beeinträchtigung der Unterarmdrehung in der Schulter durchaus kompensiert werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. September 2004 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2002 abgeändert und die Beklagte verpflichtet, für den Unfall vom 26. März 1973 eine MdE in Höhe von 10 vH für Funktionseinschränkung und Gebrauchsminderung des linken Zeigefingers mit Narbenbeschwerden und Gefühlsstörungen sowie posttraumatischer Arthrose im Endgelenk und Mittelgelenk anzuerkennen und für den Unfall vom 13. November 2000 eine MdE in Höhe von 15 vH zu gewähren und als Gesundheitsstörung anzuerkennen: Mäßiggradige Funktionseinschränkung und deutliche Gebrauchsminderung des linken Ellenbogengelenks mit Muskelverschmächtigung am linken Unterarm bei posttraumatischer Arthrose des Humeroradialgelenkes. In den Entscheidungsgründen hat das SG sich der Auffassung des Sachverständigen Dr. Bo. angeschlossen.
Gegen den am 1. Oktober 2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 15. Oktober 2004 eingelegte Berufung der Beklagten. Nach dem Tod des Versicherten führt dessen Ehefrau als Sonderrechtsnachfolgerin das Verfahren fort (Erklärung 10. März 2005). Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen die Beweiswürdigung des SG angegriffen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. September 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Der Beurteilung des Dr. Bo., der den Versicherten untersucht habe, sei Vorrang einzuräumen gegenüber der des Dr. B., der den Versicherten nie zu Gesicht bekommen habe.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädisch-chirurgischen Sachverständigengutachtens nach Aktenlage bei Prof. Dr. H ... In seinem Gutachten vom 28. April 2005 hat der Sachverständige u. a. zum AU vom 20. März 1973 ausgeführt, unter Berücksichtigung der Messdaten und Ausführungen des Dr. Bo. liege ein minimaler, nur numerisch erkennbarer, Funktionsverlust der linken Hand vor, der nicht mit einer kompletten Versteifung oder dem Verlust des Fingers, die/der mit einer MdE von 10 vH bewertet werde, vergleichbar sei; die MdE liege insoweit deutlich unter 10 vH. Zum AU vom 13. November 2000 hat der Sachverständige ausgeführt, lege man die von Dr. Bo. ermittelten Bewegungsmaße und Feststellungen zugrunde sei die reine Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks mit einer MdE unter 10 vH einzuschätzen. Unter Beachtung der Einschränkung in der Drehung und zusätzlich der Stufenbildung sei eine MdE von 10 vH anzunehmen. Nachdem die Klägerin weiteres Bildmaterial zur Verfügung gestellt hatte, hat der Sachverständige in den ergänzenden Stellungnahmen 10. Mai und 27. Juli 2005 gegenüber seinem Gutachten keine Änderung der Bewertung vorgenommen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG) sowie frist - und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Dem Versicherten - und der Klägerin als dessen Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - hat für den streitbefangenen Zeitraum kein Anspruch auf Verletztenrente zugestanden, weil die Unfallfolgen der AU aus den Jahren 1973, 1978 und 2000 nicht wenigstens eine MdE von zusammen 20 vH erreichen.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 27. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2002, mit dem die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente - unter Berücksichtigung der AU vom 26. März 1973, 15. November 1978 und 13. November 2000 - über November 2001 hinaus abgelehnt hat.
Nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20vH gemindert ist, haben Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vH mindern (§ 56 Abs. 1 S. 1-3 SGB VII).
Die Unfallereignisse vom 26. März 1973, 15. November 1978 und 13. November 2000 erfüllen die Voraussetzungen eines AU (von außen auf den Körper einwirkendes schädigendes Ereignis, versicherte Tätigkeit, innerer Zusammenhang); dies hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid (hinsichtlich der früheren AU in den damaligen Bescheiden) anerkannt.
Die Folgen der Versicherungsfälle erreichen jedoch insgesamt nicht eine MdE um 20 vH. Die Gesundheitsstörungen, die auf die AU von 1973 und 1978 zurückzuführen sind, erreichen jeweils nicht mindestens eine MdE 10 vH, sodass sie nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nicht zu berücksichtigen sind. Der streitgegenständliche AU vom 13. November 2000 hat lediglich eine MdE um 10 vH nach sich gezogen. Bei dem AU vom 15. November 1978 hat sich der Kläger an der linken Hand einen Bruch des Kahnbeins zugezogen. In Übereinstimmung der Sachverständigen Dr. Bo. und Prof. Dr. H. sind am linken Handgelenk lediglich eine endgradige Funktionseinschränkung und geringgradige Restbeschwerden ohne wesentliche Gebrauchsminderung festzustellen gewesen. Die vorgelegten Röntgenaufnahmen haben nach Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. H. ergeben, dass die Fissur des Kahnbeins bereits am 5. Februar 1981 völlig folgenlos ausgeheilt gewesen ist. Eine MdE von wenigstens 10 vH ist somit nicht gegeben. Auch die Folgen des AU vom 26. März 1973 rechtfertigen keine MdE von wenigstens 10 vH. Der Versicherte hat damals einen Trümmerbruch des Grundglieds des Zeigefingers links ohne wesentliche Dislokation und einen knöchernen Strecksehnenabriss am Endglied bzw. nach Einheilungen geringfügige Verformungen des Grundgliedschaftes und der Endgliedbasis erlitten. Dies ergibt sich aus den zeitnah erstellten Röntgenaufnahmen (vom 26. März 1973, 27. April 1973, 6. September 1973, 14 Oktober 1974), wie Prof. Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 27. Juli 2005 dargelegt hat. Auch die aktuellen Aufnahmen, die der Begutachtung durch Dr. Bo. im Jahre 2003 zu Grunde gelegen haben, haben röntgenologisch keine weiteren Unfallfolgen ergeben. Maßgeblich für die Bewertung der MdE ist die verbliebene Funktionseinschränkung. Auf der Grundlage der von Dr. Bo. beschriebenen Funktionseinschränkungen ist nach überzeugender Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. H. und des Beratungsarztes der Beklagten Dr. B. im Gegensatz zu der Auffassung von Dr. Bo. eine von MdE 10 vH durch den AU von 1973 nicht gerechtfertigt. So ist die Beugefähigkeit des linken Zeigefingers im Grundglied nicht wesentlich eingeschränkt gewesen. Das Streckdefizit des Zeigefingers betrug 2 Zentimeter bzw. 10 Grad. Der Sachverständige Prof. Dr. H. hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass auf Grund dieser Einschränkung weder die Zeige-, noch die Greiffunktion einer Hand bemerkbar eingeschränkt werde, und zwar auch dann nicht, wenn - wie hier - der Zeigefinger betroffen ist. Es sei auch nicht vorstellbar, dass andere Griffvarianten, wie der Spitzgriff, der Breitgriff und der Schlüsselgriff (vgl zu den Begriffen Schönbereger/Mehrtens/Valentin 7.Aufl. S. 613) dadurch eingeschränkt würden. Derartige Einschränkungen hat auch Dr. Bo. nicht festgestellt. Die radiologisch zusätzlich festgestellte ulnare Abweichung im Grundglied könne - so Prof. Dr. H. - nur minimal gewesen sein, da bei der Streckung und Beugung der Mittelfinger den Zeigefinger nicht behindert habe. Wäre dies der Fall gewesen, hätte eine der beiden Bewegungen erheblich eingeschränkt sein müssen oder es hätten sich auch die anderen Finger in einer Ulnardeviation befinden müssen, was von Dr. Bo. jedoch nicht dargestellt worden sei. Prof. Dr. H. hat weiter für den Senat überzeugend darauf hingewiesen, dass, wenn für die Greif- und Haltefunktionen - auch hinsichtlich kleiner Gegenstände - ein Gesamtbeugeausmaß eines Zeigefingers von ca. 230° zur Verfügung stehe, verteilt auf ca.70° im Grund-, 110° im Mittel- und. 50° im Endgelenk, daraus deutlich werde, dass eine etwaige Fehlstellung von 10° , also das Streckdefizit, die Greif- und Haltefunktion einer Hand nicht bedeutsam einschränke. Somit ist der minimale Verlust unwesentlich und in keiner Weise vergleichbar mit dem Verlust oder der kompletten Versteifung des Fingers, die jeweils mit einer MdE von 10 vH bewertet werden (R./E., Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 4. Aufl., 6.2.). Somit kommt es nicht mehr darauf an, ob der AU vom 13. November 2000 zu einer MdE von 15 vH - wie von Dr. Bo. und darauf gestützt vom SG angenommen - oder nur zu einer MdE von 10 vH - wie von der Beklagten und dem Sachverständigen Prof. Dr. H. eingeschätzt - geführt hat, weil mangels einer MdE um 10 vH aus mindestens einem der früheren AU insgesamt keine rentenberechtigende MdE von wenigstens 20 vH gegeben ist.
Das Argument der Klägerin, eine sachgerechte Beurteilung könne nur ein Sachverständiger, der den Versicherten auch untersucht habe, abgeben, ist nicht überzeugend. Gerade in den Fällen, in denen es - wie hier - um die Auswirkungen von nach der Neutral-0-Methode festgestellten Bewegungseinschränkungen geht, steht einer Beurteilung nach Aktenlage nichts entgegen, weil Grundlage dieser Beurteilung allein die festgestellten Bewegungseinschränkungen ist.
Der Vollständigkeit halber weist der Senat ergänzend darauf hin, dass - unabhängig vom Vorliegen eines Stütztatbestandes - auch für die Zeit von Dezember 2001 bis Februar 2002 ein Rentenanspruch nicht zu begründen ist. Zwar hat Dr. Bo. für diesen Zeitraum die MdE wegen der Unfallfolgen aus dem AU von November 2000 - in Anlehnung an Dr. Schl. - mit 20 vH bewertet; eine Begründung hierfür hat er jedoch - außer der, dass nach seiner Einschätzung ein schlüssiges erstes wie auch zweites Rentengutachten von Dr. Schl. vorliege - nicht gegeben. Wenn das aber so ist, dann hätte Dr. Bo. bei im Wesentlichen gegenüber Dr. Schl. gleich gebliebenen objektiven Befunden (insbesondere Bewegungseinschränkungen) bezüglich des linken Ellenbogens nicht zu einer MdE auf Dauer von 15 vH gelangen können. Seine Beurteilung ist daher in sich nicht schlüssig und als Entscheidungsgrundlage des Senats ungeeignet.
Das angefochtene Urteil ist aus den dargelegten Gründen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Sonderrechtsnachfolgerin des im März 1935 geborenen und am 24. Februar 2005 verstorbenen Versicherten H. S ... Streitig ist ein Anspruch auf Verletztenrente für den Zeitraum von Dezember 2001 bis Februar 2005.
Der Versicherte war vom 1. April 1964 bis 31. Mai 2001 als Bootsbauer und -baumeister versicherungspflichtig beschäftigt. Neben dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall (AU) vom 13. November 2000, bei dem der Versicherte bei der Arbeit über eine Holzleiste gestolpert und auf den linken Ellenbogen gestürzt war, erlitt er am 26. März 1973 und 15. November 1978 weitere AU, für die die Beklagte jeweils für einen vorübergehenden Zeitraum, jedoch nicht auf Dauer, Verletztenrente gewährte.
In Bezug auf den streitgegenständlichen AU diagnostizierte Dr. R. im Durchgangsarztbericht vom 14. November 2000 eine dislozierte Radiusköpfchenfraktur links. Die Unfallanzeige des Arbeitgebers erfolgte mit Schreiben 18. Dezember 2000. Nach Beiziehung der Nachschauberichte vom 14. und 28. November sowie 18. Dezember 2000 und 19. Februar 2001 (nach denen u. a. am 21. November 2000 eine operative Reposition mittels Schrauben- und Plattenosteosynthese in den Krankenanstalten Konstanz durchgeführt worden war), erstattete Chirurg Dr. Schl. das Erste Rentengutachten vom 8. Mai 2001. Als Unfallfolgen nannte er eine dislozierte Radiusköpfchenmeißelfraktur, einen Zustand nach operativer Versorgung mit "Leibinger Minischrauben", eine posttraumatische Bewegungseinschränkung des linken Ellenbogengelenks bei Streckung, Beugung und - gering - Einwärtsdrehung, eine objektiv störende Bewegungseinschränkung und Minderung der Belastbarkeit sowie mäßige Schmerzen bei der Streckung. Im Röntgenbild zeigte sich eine deutliche Stufenbildung in der Radiusköpfchengelenkfläche bei noch liegendem Metall. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er vom 2. April 2001 bis 12. November 2001 mit 20 vH, danach voraussichtlich 15 vH, ein.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2001 anerkannte die Beklagte als Folgen des AU: am linken Arm Bewegungseinschränkungen im Ellenbogengelenk, Herabsetzung der Gebrauchsfähigkeit, reizlose Narbenverhältnisse nach einem knöchern unter Stufenbildung der Gelenkfläche fest verheilten Bruch des Speichenköpfchens mit noch einliegendem Fremdmaterial. Sie gewährte dem Versicherten eine Rente als vorläufige Entschädigung in Form einer Gesamtvergütung für die Zeit vom 2. April 2001 bis 30. November 2001 nach einer MdE von 20 vH. Auf den Antrag vom 5.Dezember 2001 auf Weiterzahlung der Rente veranlasste die Beklagte das Zweite Rentengutachten vom 2. Mai 2002 bei Dr. Schl., der - bei im Wesentlichen gleicher Diagnose wie im Ersten Rentengutachten - die Bewegungsmaße des linken Ellenbogens wie folgt angab: Einschränkung der Streck- und Beugebewegung des linken Ellenbogens (li.: 0-20-130; re.: 5-0-140); die Unterarmeinwärtsdrehung sei auf der verletzten Seite um ein Fünftel vermindert (li.: 90-0-70; re.: 90-0-90). Die MdE betrage weiterhin 20 vH. Nachdem der Beratungsarzt Dr. B. auf Grund der vom Gutachter genannten Bewegungsmaße lediglich eine MdE unter 20 vH bejahte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 2002 die Weitergewährung einer Verletztenrente ab, weil keine MdE von rentenberechtigendem Ausmaß vorliege.
Hiergegen erhob der Versicherte Widerspruch und trug vor, auf Grund des AU vom 13. November 2000 sei die Gebrauchsfähigkeit des linken Armes weiterhin herabgesetzt, auf Grund des AU vom 26. März 1973 sei der linke Zeigefinger versteift, die Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt, der Finger sei schlecht durchblutet, blau verfärbt und kalt. Aus dem AU vom 10. November 1978 resultierten noch Beschwerden nach verheilten Kahnbeinbruch. Bezüglich der früheren AU zog die Beklagte den Bescheid vom 21. November 1974 (Entziehung der gewährten vorläufigen Rente mit Ablauf des Monats Dezember 1974 wegen Besserung der aktiven Beweglichkeit des linken Zeigefingers im Grund- und Mittelgelenk) sowie den Bescheid vom 26. Juli 1979 bei, demzufolge für die Unfallfolgen (leichte Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk, Schmerzhaftigkeit im Bereich des 2. Mittelhandknochens links, subjektive Beschwerden nach verheiltem Kahnbeinbruch links) für die Zeit vom 17. April bis 30. Juni 1979 eine Rente nach einer MdE 20 vH gewährt worden war. Weitere Unterlagen über diese AU sind nach den Feststellungen der Beklagten nicht mehr vorhanden. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Versicherten zurück.
Hiergegen hat der Versicherte Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Das SG hat die anlässlich der AU erstellten Röntgenaufnahmen beigezogen und die Begutachtung des Versicherten durch Orthopäden Dr. Bo. veranlasst. In seinem Gutachten vom 21. Oktober 2003 hat der Sachverständige u. a. ausgeführt, aus dem AU vom 26. März 1973 sei eine Funktionseinschränkung und Gebrauchsminderung des linken Zeigefingers mit Narbenbeschwerden und Gefühlsstörungen sowie eine posttraumatische Arthrose im End- und Mittelgelenk verblieben, die MdE betrage insoweit 10 vH. Aus dem AU vom 15. November 1978 ergebe sich eine endgradige Funktionseinschränkung des linken Handgelenks mit geringfügigen Restbeschwerden ohne wesentliche Gebrauchsminderung bei diskreten posttraumatischen Arthrosezeichen, hier betrage die MdE unter 10 vH. Zu dem AU vom 13. November 2000 hat er ausgeführt, es bestehe eine mäßiggradige Funktionseinschränkung und deutliche Gebrauchsminderung des linken Ellenbogengelenks mit Muskelverschmächtigung am linken Unterarm bei posttraumatischer Arthrose des Humeroradialgelenks. Die MdE betrage für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis 21. Februar 2002 20 vH und danach 15 vH. Es sei eine Gesamt-MdE von 25 vH gegeben. Hiergegen hat sich die Beklagte mit den beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. B. vom 19. und 26. November 2003 gewandt: Aus dem AU von 1973 bestehe nach dem Gutachten Dr. Bo. eine eingeschränkte Zeigefingerbeweglichkeit, es sei jedoch eine bessere Funktion gegeben als bei der Amputation im Grundgelenk, somit betrage die MdE unter 10 vH, zumal der Finger nicht asensibel sei. Bezüglich des AU aus dem Jahre 2000 betrage die MdE 10 vH. Nach dem im Gutachten genannten Bewertungsmaßstab aus R./E. betrage die MdE bei einer Bewegungseinschränkung des Ellenbogens von 0-30-120 10 vH. Der Versicherte zeige sowohl nach den Gutachten des Dr. Schl. als auch des Dr. Bo. am Ellenbogen mit den Bewegungsmaßen von 0-20-130 ein besseres Ergebnis als das bei R./E. für eine MdE von 10 vH dargestellte. Es sei jedoch die Einwärtsdrehung endgradig eingeschränkt, weshalb eine MdE von 10 vH gerechtfertigt sei. Es könne jedoch dahinstehen, ob bzgl. des AU eine MdE von 10 vH oder 15 vH bestehe, weil aus dem AU von 1973 keine MdE um mindestens 10 vH hervorgehe. Hierzu hat der Sachverständige Dr. Bo. am 8. Januar 2004 ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, er halte an seiner bisherigen Auffassung fest. Zwar sei bezüglich des AU aus 2000 richtig, dass die Beuge- und Streckfähigkeit mit einem Wert von 0-20-130 diskret besser sei als im Beispielsfall aus R./E., es sei jedoch nicht schematisch an diesen Einschätzungen festzuhalten. Hier sei der Wert bei R./E. nicht anzuwenden, da dieser eine völlig freie Umwendmöglichkeit impliziere, die hier nicht gegeben sei. Hierauf hat Dr. B. die Stellungnahme vom 10. März 2004 abgegeben. Es sei bezüglich des AU von 2000 festzustellen, dass die Einschränkung der Unterarmdrehung von 20 Grad weniger bedeutend sei, da diese in der Schulter kompensiert werden könne. Deshalb betrage die MdE 10 vH. Zum AU von 1973 hat er ausgeführt, dass der Zeigefinger des Versicherten funktionell besser sei, als ein amputierter, weil bestimmte Greifformen, wenn auch eingeschränkt, möglich seien. Dr. Bo. hat in seiner Stellungnahme vom 17. Mai 2004 u. a. erwidert, dass bei dem Versicherten auf Grund eines privaten Unfalls von 1997 geringgradige funktionelle Einschränkungen an der linken Schulter bestünden, weshalb nicht ohne weiteres die von Dr. B. unterstellte Kompensation stattfinden könne. Hinsichtlich des AU von 1973 hat er an seiner Bewertung (MdE 10 vH) festgehalten. Dem ist Beklagte mit der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. B. vom 14. Juli 2004 wiederum entgegengetreten. Der Zeigefinger zeige lediglich ein Streckdefizit von 2 cm. Aufgrund der Nutzungsmöglichkeiten sei der Versicherte besser gestellt, als bei einem amputierten Finger, weshalb eine MdE unter 10 vH angenommen werden müsse. Die Einschränkung der Unterarmdrehung betreffe die Einwärtsdrehung. Da die Schulterbeweglichkeit aber nur jeweils um 10 Grad gegenüber der gesunden Seite eingeschränkt sei, könne die Beeinträchtigung der Unterarmdrehung in der Schulter durchaus kompensiert werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. September 2004 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2002 abgeändert und die Beklagte verpflichtet, für den Unfall vom 26. März 1973 eine MdE in Höhe von 10 vH für Funktionseinschränkung und Gebrauchsminderung des linken Zeigefingers mit Narbenbeschwerden und Gefühlsstörungen sowie posttraumatischer Arthrose im Endgelenk und Mittelgelenk anzuerkennen und für den Unfall vom 13. November 2000 eine MdE in Höhe von 15 vH zu gewähren und als Gesundheitsstörung anzuerkennen: Mäßiggradige Funktionseinschränkung und deutliche Gebrauchsminderung des linken Ellenbogengelenks mit Muskelverschmächtigung am linken Unterarm bei posttraumatischer Arthrose des Humeroradialgelenkes. In den Entscheidungsgründen hat das SG sich der Auffassung des Sachverständigen Dr. Bo. angeschlossen.
Gegen den am 1. Oktober 2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 15. Oktober 2004 eingelegte Berufung der Beklagten. Nach dem Tod des Versicherten führt dessen Ehefrau als Sonderrechtsnachfolgerin das Verfahren fort (Erklärung 10. März 2005). Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen die Beweiswürdigung des SG angegriffen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. September 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Der Beurteilung des Dr. Bo., der den Versicherten untersucht habe, sei Vorrang einzuräumen gegenüber der des Dr. B., der den Versicherten nie zu Gesicht bekommen habe.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädisch-chirurgischen Sachverständigengutachtens nach Aktenlage bei Prof. Dr. H ... In seinem Gutachten vom 28. April 2005 hat der Sachverständige u. a. zum AU vom 20. März 1973 ausgeführt, unter Berücksichtigung der Messdaten und Ausführungen des Dr. Bo. liege ein minimaler, nur numerisch erkennbarer, Funktionsverlust der linken Hand vor, der nicht mit einer kompletten Versteifung oder dem Verlust des Fingers, die/der mit einer MdE von 10 vH bewertet werde, vergleichbar sei; die MdE liege insoweit deutlich unter 10 vH. Zum AU vom 13. November 2000 hat der Sachverständige ausgeführt, lege man die von Dr. Bo. ermittelten Bewegungsmaße und Feststellungen zugrunde sei die reine Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks mit einer MdE unter 10 vH einzuschätzen. Unter Beachtung der Einschränkung in der Drehung und zusätzlich der Stufenbildung sei eine MdE von 10 vH anzunehmen. Nachdem die Klägerin weiteres Bildmaterial zur Verfügung gestellt hatte, hat der Sachverständige in den ergänzenden Stellungnahmen 10. Mai und 27. Juli 2005 gegenüber seinem Gutachten keine Änderung der Bewertung vorgenommen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG) sowie frist - und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Dem Versicherten - und der Klägerin als dessen Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - hat für den streitbefangenen Zeitraum kein Anspruch auf Verletztenrente zugestanden, weil die Unfallfolgen der AU aus den Jahren 1973, 1978 und 2000 nicht wenigstens eine MdE von zusammen 20 vH erreichen.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 27. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2002, mit dem die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente - unter Berücksichtigung der AU vom 26. März 1973, 15. November 1978 und 13. November 2000 - über November 2001 hinaus abgelehnt hat.
Nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20vH gemindert ist, haben Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vH mindern (§ 56 Abs. 1 S. 1-3 SGB VII).
Die Unfallereignisse vom 26. März 1973, 15. November 1978 und 13. November 2000 erfüllen die Voraussetzungen eines AU (von außen auf den Körper einwirkendes schädigendes Ereignis, versicherte Tätigkeit, innerer Zusammenhang); dies hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid (hinsichtlich der früheren AU in den damaligen Bescheiden) anerkannt.
Die Folgen der Versicherungsfälle erreichen jedoch insgesamt nicht eine MdE um 20 vH. Die Gesundheitsstörungen, die auf die AU von 1973 und 1978 zurückzuführen sind, erreichen jeweils nicht mindestens eine MdE 10 vH, sodass sie nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nicht zu berücksichtigen sind. Der streitgegenständliche AU vom 13. November 2000 hat lediglich eine MdE um 10 vH nach sich gezogen. Bei dem AU vom 15. November 1978 hat sich der Kläger an der linken Hand einen Bruch des Kahnbeins zugezogen. In Übereinstimmung der Sachverständigen Dr. Bo. und Prof. Dr. H. sind am linken Handgelenk lediglich eine endgradige Funktionseinschränkung und geringgradige Restbeschwerden ohne wesentliche Gebrauchsminderung festzustellen gewesen. Die vorgelegten Röntgenaufnahmen haben nach Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. H. ergeben, dass die Fissur des Kahnbeins bereits am 5. Februar 1981 völlig folgenlos ausgeheilt gewesen ist. Eine MdE von wenigstens 10 vH ist somit nicht gegeben. Auch die Folgen des AU vom 26. März 1973 rechtfertigen keine MdE von wenigstens 10 vH. Der Versicherte hat damals einen Trümmerbruch des Grundglieds des Zeigefingers links ohne wesentliche Dislokation und einen knöchernen Strecksehnenabriss am Endglied bzw. nach Einheilungen geringfügige Verformungen des Grundgliedschaftes und der Endgliedbasis erlitten. Dies ergibt sich aus den zeitnah erstellten Röntgenaufnahmen (vom 26. März 1973, 27. April 1973, 6. September 1973, 14 Oktober 1974), wie Prof. Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 27. Juli 2005 dargelegt hat. Auch die aktuellen Aufnahmen, die der Begutachtung durch Dr. Bo. im Jahre 2003 zu Grunde gelegen haben, haben röntgenologisch keine weiteren Unfallfolgen ergeben. Maßgeblich für die Bewertung der MdE ist die verbliebene Funktionseinschränkung. Auf der Grundlage der von Dr. Bo. beschriebenen Funktionseinschränkungen ist nach überzeugender Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. H. und des Beratungsarztes der Beklagten Dr. B. im Gegensatz zu der Auffassung von Dr. Bo. eine von MdE 10 vH durch den AU von 1973 nicht gerechtfertigt. So ist die Beugefähigkeit des linken Zeigefingers im Grundglied nicht wesentlich eingeschränkt gewesen. Das Streckdefizit des Zeigefingers betrug 2 Zentimeter bzw. 10 Grad. Der Sachverständige Prof. Dr. H. hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass auf Grund dieser Einschränkung weder die Zeige-, noch die Greiffunktion einer Hand bemerkbar eingeschränkt werde, und zwar auch dann nicht, wenn - wie hier - der Zeigefinger betroffen ist. Es sei auch nicht vorstellbar, dass andere Griffvarianten, wie der Spitzgriff, der Breitgriff und der Schlüsselgriff (vgl zu den Begriffen Schönbereger/Mehrtens/Valentin 7.Aufl. S. 613) dadurch eingeschränkt würden. Derartige Einschränkungen hat auch Dr. Bo. nicht festgestellt. Die radiologisch zusätzlich festgestellte ulnare Abweichung im Grundglied könne - so Prof. Dr. H. - nur minimal gewesen sein, da bei der Streckung und Beugung der Mittelfinger den Zeigefinger nicht behindert habe. Wäre dies der Fall gewesen, hätte eine der beiden Bewegungen erheblich eingeschränkt sein müssen oder es hätten sich auch die anderen Finger in einer Ulnardeviation befinden müssen, was von Dr. Bo. jedoch nicht dargestellt worden sei. Prof. Dr. H. hat weiter für den Senat überzeugend darauf hingewiesen, dass, wenn für die Greif- und Haltefunktionen - auch hinsichtlich kleiner Gegenstände - ein Gesamtbeugeausmaß eines Zeigefingers von ca. 230° zur Verfügung stehe, verteilt auf ca.70° im Grund-, 110° im Mittel- und. 50° im Endgelenk, daraus deutlich werde, dass eine etwaige Fehlstellung von 10° , also das Streckdefizit, die Greif- und Haltefunktion einer Hand nicht bedeutsam einschränke. Somit ist der minimale Verlust unwesentlich und in keiner Weise vergleichbar mit dem Verlust oder der kompletten Versteifung des Fingers, die jeweils mit einer MdE von 10 vH bewertet werden (R./E., Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 4. Aufl., 6.2.). Somit kommt es nicht mehr darauf an, ob der AU vom 13. November 2000 zu einer MdE von 15 vH - wie von Dr. Bo. und darauf gestützt vom SG angenommen - oder nur zu einer MdE von 10 vH - wie von der Beklagten und dem Sachverständigen Prof. Dr. H. eingeschätzt - geführt hat, weil mangels einer MdE um 10 vH aus mindestens einem der früheren AU insgesamt keine rentenberechtigende MdE von wenigstens 20 vH gegeben ist.
Das Argument der Klägerin, eine sachgerechte Beurteilung könne nur ein Sachverständiger, der den Versicherten auch untersucht habe, abgeben, ist nicht überzeugend. Gerade in den Fällen, in denen es - wie hier - um die Auswirkungen von nach der Neutral-0-Methode festgestellten Bewegungseinschränkungen geht, steht einer Beurteilung nach Aktenlage nichts entgegen, weil Grundlage dieser Beurteilung allein die festgestellten Bewegungseinschränkungen ist.
Der Vollständigkeit halber weist der Senat ergänzend darauf hin, dass - unabhängig vom Vorliegen eines Stütztatbestandes - auch für die Zeit von Dezember 2001 bis Februar 2002 ein Rentenanspruch nicht zu begründen ist. Zwar hat Dr. Bo. für diesen Zeitraum die MdE wegen der Unfallfolgen aus dem AU von November 2000 - in Anlehnung an Dr. Schl. - mit 20 vH bewertet; eine Begründung hierfür hat er jedoch - außer der, dass nach seiner Einschätzung ein schlüssiges erstes wie auch zweites Rentengutachten von Dr. Schl. vorliege - nicht gegeben. Wenn das aber so ist, dann hätte Dr. Bo. bei im Wesentlichen gegenüber Dr. Schl. gleich gebliebenen objektiven Befunden (insbesondere Bewegungseinschränkungen) bezüglich des linken Ellenbogens nicht zu einer MdE auf Dauer von 15 vH gelangen können. Seine Beurteilung ist daher in sich nicht schlüssig und als Entscheidungsgrundlage des Senats ungeeignet.
Das angefochtene Urteil ist aus den dargelegten Gründen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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