L 11 R 2561/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 1816/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2561/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. März 2004 sowie der Bescheid vom 17. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Mai 2003 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin vom 01. April 2005 bis 31. Dezember 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten; im übrigen findet eine Kostenerstattung zwischen den Beteiligten nicht statt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.12.2002 hinaus streitig.

Die am 18.09.1953 geborene und aus Italien stammende Klägerin hat ihren Angaben zufolge keinen Beruf erlernt. In der Bundesrepublik Deutschland war sie - mit Unterbrechungen - versicherungspflichtig bis zum Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit ab 22.09.1999 beschäftigt, zuletzt seit September 1989 als Montiererin bei der Fa. N. GmbH, B ...

Aus dem vom 06.09. bis 04.10.2000 in der Klinik für Tumorbiologie, F., durchgeführten Heilverfahren wurde die Klägerin unter den Entlassungsdiagnosen "1. CML erste chronische Phase. Z.n. fam.-allog. KMT 13.03.2000; 2. Hüftgelenksarthrose li.; 3. Hüftgelenksarthrose re., Z.n. TEP" als arbeitsunfähig entlassen. In der sozialmedizinischen Epikrise wurde ausgeführt, nach familiär allogener Stammzelltransplantation bei CML (chronisch myeloische Leukämie) befinde sich die Klägerin in partieller Remission. Weitere Spender - Lymphozyten - Gaben mit dem Ziel eines vollständigen Chimärismus seien erforderlich. Infolge der bisher durchgeführten intensiven Therapie bestehe ein deutlich reduzierter Kräftezustand. Bei Ausbleiben von Komplikationen sei ca. 1 Jahr nach Erzielen der kompletten Remission mit der Wiederaufnahme der Berufstätigkeit zu rechnen.

Mit Bescheid vom 26.01.2001 gewährte die Beklagte der Klägerin, die am 18.08.2000 den Reha-Antrag gestellt hatte, auf der Basis eines Leistungsfalles am 22.09.1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit vom 05.10.2000 bis 31.12.2001, die zunächst bis 31.03.2002 verlängert wurde. Auf den Weiterzahlungsantrag der Klägerin vom Februar 2002, dem ein Befundbericht der Universitätsklinik H. vom Januar 2002 beigefügt war, zog die Beklagte weitere Arztunterlagen bei und bewilligte der Klägerin, der sozialmedizinischen Stellungnahme der Internistin Dr. R. folgend, weiterhin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis zum 31.12.2002.

Nachdem bei der Klägerin im April 2002 eine zementfreie Hüft-TEP links implantiert wurde, führte die Beklagte in der Zeit vom 28.05. bis 25.06.2002 ein Heilverfahren in den Kliniken für Rehabilitation W. D., B. H., durch. In dem Entlassungsbericht wurde ausgeführt, aus orthopädischer Sicht werde die Klägerin nach Beendigung der 12-wöchigen postoperativen Rekonvaleszenzzeit voraussichtlich leichte, vorwiegend im Sitzen auszuführende Tätigkeiten wieder vollschichtig verrichten können. Die Erwerbsfähigkeit sei in Abhängigkeit vom weiteren Verlauf der Leukämie zu beurteilen. Die bis 1999 ausgeübte Tätigkeit als Fließbandarbeiterin (ausschließlich stehend) könne nach beidseits totalendoprothetischem Hüftgelenksersatz nicht mehr ausgeführt werden.

Am 17.09.2002 beantragte die Klägerin die Weiterzahlung der Rente. Nach Einholung eines Befundberichtes des Orthopäden Dr. L. und Beiziehung weiterer Arztunterlagen (u.a. Arztbriefe der Universitätsklinik H., Medizinische Klinik und Poliklinik, vom April, Juni und Oktober 2002 und des Städtischen Klinikums P. vom Juni 2002) veranlasste die Beklagte eine Untersuchung und Begutachtung der Klägerin auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet. Dr. R. diagnostizierte in seinem fachorthopädischen Zusatzgutachten als Gesundheitsstörungen: 1. Cervicobrachialsyndrom rechts, altersentsprechende Osteochondrose der unteren HWS; 2. Posttraumatisches subacromiales Syndrom rechts (Periarthritis humeroscapularis, simplex tendinotica); 3. Reizlose Narbenverhältnisse nach Epicondylitis-Operation und Reoperation rechts (1995), ebenfalls reizlose Narbenverhältnisse nach Carpaltunnel-Operation bds. (1986); 4. Lumbalsyndrom bei erheblicher Adipositas, Bauchmuskelinsuffizienz, Zustand nach Deckplattenimpression LWK II; 5. Restbeschwerden nach Alloarthroplastik linkes Hüftgelenk (April 2002), Zustand nach TEP rechte Hüfte (1992), Beinverkürzung rechts von 1 cm; 6. Zustand nach Arthroskopie linkes Kniegelenk (1996), femoropatellares Schmerzsyndrom; 7. Besenreißer- und Astvaricosis beide Beine, Senk-Spreiz-Fuß-Bildung. Für die berufliche Belastbarkeit seien die degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule und die rezidivierenden Reizzustände des rechten Schultergelenkes sowie der Zustand nach Alloarthroplastik beider Hüftgelenke relevant. Leichte körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg teils stehend, gehend und sitzend, seien der Klägerin noch vollschichtig zumutbar. Vermeiden müsse sie Arbeiten unter Kälte-, Nässe- oder Zuglufteinwirkung, ausschließliches oder überwiegendes Stehen, Gehen oder Sitzen, Zwangshaltungen für die LWS wie häufiges Bücken, Rückwärtsneigen des Oberkörpers sowie Verdrehen des Rumpfes, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten bzw. Klettern oder Steigen und häufige Überkopfarbeiten. Die Fußwege seien nicht eingeschränkt und die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich. Dr. R. kam unter zusätzlicher Berücksichtigung eines Befundberichtes des Internisten Dr. S. über die durchgeführte transthorakale Echokardiographie und Oberbauchsonographie zu dem Ergebnis, bezüglich der chronisch myeloischen Leukämie sei nach der im März 2000 erfolgreich durchgeführten familiär-allogenen T-Zelltransplantation komplette Remission eingetreten. Der Bluthochdruck sei medikamentös gut eingestellt; bei unauffälligem klinischen Untersuchungsbefund zeige das EKG einen regelrechten Stromkurvenverlauf. Die Lungenfunktionsuntersuchung sei normal gewesen und auch laborchemisch liege kein pathologischer Befund vor. Unter medikamentöser Behandlung seien die Magenbeschwerden abgeklungen. Leichte Tätigkeiten mit den orthopädisch bedingten Funktionseinschränkungen könne die Klägerin wieder vollschichtig verrichten.

Mit Bescheid vom 17.01.2003 lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag ab, weil über den Wegfallzeitpunkt hinaus weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege.

Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren äußerte sich Dr. L. in einem Attest vom Januar 2003 dahingehend, die Einschätzung des Leistungsvermögens mit angeblich vollschichtiger Belastung sei angesichts der Befunde im Bereich der LWS, der rechten Schulter und des linken Knies insuffizient. Die Beklagte hörte hierzu Dr. R. und Dr. H. und wies mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2003 den Widerspruch zurück.

Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit der Begründung, aufgrund der Schwere der nachgewiesenen Erkrankungen und der Beurteilungen der behandelnden Ärzte könne die Einschätzung der Beklagten nicht nachvollzogen werden. Seit der erstmaligen Berentung habe sich das bei ihr vorliegende Krankheitsbild in keinster Weise gebessert, vielmehr seien weitere Erkrankungen hinzugekommen. Eine Tätigkeit auf Dauer sei weder in ihrem bisherigen Beruf noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich. Zur Stützung ihres Begehrens legte die Klägerin Atteste des Internisten Dr. P. vom Juni und November 2003 und des Dr. L. vom Januar und November 2003 vor, ferner Arztbriefe des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. und des Radiologen Dr. S., jeweils vom Dezember 2003.

Das SG hörte zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen.

Dr. L. bekundete unter Beifügung eines Befundberichtes des Klinikums K.-L. vom November 2002 (Z.n. Sturz auf die rechte Schulter, kein Nachweis einer Rotatorenmanschettenruptur, kein Erguss) und des Städtischen Klinikums P. vom Juni 2002 (Implantation einer Hüft-TEP links), aufgrund der Polymorbidität könnten von der Klägerin auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch unter 3 Stunden täglich verrichtet werden.

Dr. A., Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, teilte mit, die lumbalgieformen Beschwerden und die Gelenkbeschwerden seien wechselnd. Bei der sitzenden Tätigkeit könnten immer wieder lumbalgieforme Beschwerden und beim Tragen auch von leichteren Lasten Schultergelenksschmerzen auftreten, so dass insgesamt die körperliche Leistungsfähigkeit auf unter 2-stündig eingeschränkt sei. Dr. A. fügte den Arztbrief der Universitätsklinik H. vom Juni 2003 bei, demzufolge sich die CML in einer kompletten Remission befinde.

Dr. P., Internist, übersandte weitere Arztunterlagen und führte aus, neu sei eine Coronarsklerose ohne relevante Coronarstenosen diagnostiziert worden. Aufgrund der Gelenk- und Wirbelsäulenbeschwerden sei die Klägerin auch bei leichten Tätigkeiten deutlich eingeschränkt.

Als gerichtlicher Sachverständiger erstattete Dr. J., Oberarzt in der Orthopädischen Klinik der St. V.-Kliniken K., ein fachorthopädisches Gutachten (Untersuchung 05.02.2004). Dr. J. legte zusammenfassend dar, bei der stark übergewichtigen Klägerin habe sich eine vermehrte Lendenhohlschwingung mit Insuffizienz der Bauchmuskulatur und eine im mittleren Drittel abgeflachte Brustwirbelsäulenkyphose gefunden. Die Beweglichkeiten der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule seien als altersentsprechend frei anzusehen bei regelrechter Entfaltung der Dornfortsätze. Die mäßig entwickelte Rückenstreckmuskulatur sei nicht auffällig verspannt gewesen. Neurologische Ausfälle hätten sich weder im Bereich der oberen noch der unteren Extremitäten ergeben, des weiteren keine Hinweise auf eine vorliegende Nervenwurzelreizung. Röntgenologisch und kernspintomographisch werde die bekannte Deckplattenimpression des zweiten Lendenwirbelkörpers bestätigt, ohne statisch wirksamen Achsknick. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der kleinen Wirbelgelenke L5/S1 könnten die von der Klägerin angegebenen Beschwerden im unteren Lendenwirbelsäulenbereich teilweise erklären. Im Bereich der oberen Extremitäten sei die aktive Schultergelenksbeweglichkeit rechts eingeschränkt, passiv frei. Arthrographisch und sonographisch habe bisher ein Rotatorenmanschettenriß nicht nachgewiesen werden können. Die Ellenbogengelenksbeweglichkeit sei seitengleich frei, im Bereich der Hände habe sich ein auffälliger krankhafter Befund nicht erheben lassen. Die von der Klägerin angegebenen massiven Schmerzen hätten sich klinisch und röntgenologisch nur sehr begrenzt objektivieren lassen. Aus orthopädischer Sicht könne die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 8 kg und mit der Möglichkeit zum Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ganzschichtig ausüben. Vermeiden sollte sie Wirbelsäulenzwangshaltungen, wiederkehrendes Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, wiederkehrendes Treppensteigen, Arbeiten in der Hocke und im Knien, Überkopfarbeiten rechts sowie Arbeiten in Kälte und Nässe. Die Klägerin könne noch viermal täglich Wegstrecken von jeweils 500 m bei einem Zeitaufwand von jeweils maximal 20 Minuten zu Fuß zurücklegen, auch stehe der Benutzung öffentlicher und privater Verkehrsmittel nichts entgegen. Seit der Begutachtung durch Dr. R. sei es zu keiner relevanten Befundänderung gekommen.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. H. entgegen.

Mit Urteil vom 30.03.2004, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 01.06.2004, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im Wesentlichen aus, aufgrund des beruflichen Werdegangs sei die Klägerin als ungelernte Arbeiterin anzusehen und auf alle Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar verweisbar. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme sei die Klägerin in der Lage, leichte körperliche Arbeiten unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig zu verrichten. Die in vollständiger Remission befindliche chronische myeloische Leukämie schränke die Klägerin in ihrem Leistungsvermögen nicht mehr maßgeblich ein, wie sich aus dem Arztbericht der Universitätsklinik H. vom September 2003 ergebe. Auch aus der Herzerkrankung der Klägerin seien Leistungseinschränkungen jedenfalls für leichte Arbeiten des Arbeitsmarktes nicht ableitbar. Aufgrund der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet sei die Klägerin nach den überzeugenden und schlüssigen Darlegungen des Dr. J. nur noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 8 kg zu verrichten, wenn die Möglichkeit zum Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen gegeben sei. Gemieden werden müssten Wirbelsäulenzwangshaltungen, wiederkehrendes Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, wiederkehrendes Treppensteigen, Arbeiten in der Hocke und im Knien, Überkopfarbeiten rechts sowie Arbeiten in Kälte und Nässe. Den abweichenden Beurteilungen von Dr. L. und Dr. A. könne nicht gefolgt werden, da beide Ärzte keine Befunde mitgeteilt hätten, die von Dr. J. bei seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung nicht berücksichtigt worden seien. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit sei nicht erforderlich, da die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen nach Anzahl, Art und Schwere nicht geeignet seien, typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren.

Hiergegen richtet sich die am 30.06.2004 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung beruft sie sich auf die Äußerungen der langjährig behandelnden Ärzte Dres. L. und A., die auch durch das Gutachten des Dr. J. nach nur einer Untersuchung nicht hätten erschüttert werden können. Aufgrund einer Humeruskopffraktur verbunden mit schmerzhaften Funktionseinschränkungen der Schulter habe sie im September 2004 in der R-.Klinik B. behandelt werden müssen. Die Klägerin hat Atteste des Dr. P. und des Dr. L., jeweils vom Dezember 2004, vorgelegt.

Die Klägerin beantragt - sinngemäß -,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. März 2004 sowie den Bescheid vom 17. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit über den 31. Dezember 2002 hinaus auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend und hat den Reha-Entlassungsbericht der R.-Kliniken D. über das vom 20.10. bis 17.11.2004 durchgeführte Heilverfahren (Diagnosen: 1. Schmerzhafte Funktionseinschränkung rechte Schulter nach osteosynthetischer Versorgung vom 13.09.2004 nach Humeruskopfmehrfragmentfraktur vom 07.09.2004, 2. traumatische Plexusläsion rechts, jetzt noch sensible Ausfälle C8, 3. belastungsabhängige Gonalgien beidseits bei Gonarthrose beidseits, 4. V.a. ACI-Stenose rechts als mögliche Ursache einer rezidivierenden Schwindelsymptomatik, 5. chronische myeloische Leukämie in Vollremission) vorgelegt. Danach könne die Klägerin nach dem Unfall wieder leichte, überwiegend sitzende Tätigkeiten 6 Stunden täglich und mehr verrichten.

Der Senat hat sachverständige Zeugenauskünfte von Dr. P. und Dr. L. eingeholt.

Dr. P. hat unter Beifügung von zahlreichen Befundberichten (u.a. Arztbriefe des Kardiologen Dr. B. vom Dezember 2004, der Universitätsklinik H. über die im September 2002 gemessene Knochendichte, des Städtischen Klinikums K. vom Juli 2003 über den Herzkatheter-Befund (Coronarsklerose ohne hämodynamisch relevante Stenosen), der Rechbergklinik B. vom August 2003 und Oktober 2004, des Neurologen Dr. H. vom September 2003, des Radiologen Dr. S. vom Dezember 2003, des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom Dezember 2003 und Oktober 2004, des Rheumatologen Dr. L. vom März 2004 und der Universitätsklinik H. vom März 2004 (CML in kompletter molekulargenetischer Remission)) mitgeteilt, die Klägerin sei im Wesentlichen von Facharztkollegen behandelt worden, er habe die hausärztliche Koordination durchgeführt. Nach der erlittenen Humeruskopfmehrfregmentfraktur mit Plexusläsion rechts habe die Klägerin bei Entlassung aus der Rehabilitation noch über Schmerzen und Funktionseinschränkung geklagt.

Dr. L. hat über Behandlungen der Klägerin ab Februar 2004 berichtet und die erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen mitgeteilt. Bei der letzten Untersuchung im Januar 2005 habe eine drittelgradige bis hälftige funktionelle Beeinträchtigung im rechten Schultergelenk, eine Brustwirbelblockierung und eine signifikante depressive Entwicklung bestanden. Eine zufriedenstellende Befundstabilisierung habe bislang nicht erzielt werden können. Dr. L. hat den radiologischen Befund der kernspintomographischen Untersuchung der rechten Schulter vom Juni 2004 übersandt.

Für die Beklagte hat sich dazu Dr. H. in einer sozialmedizinischen Stellungnahme dahingehend geäußert, auch unter Berücksichtigung der Humeruskopfmehrfregmentfraktur vom September 2004 lasse sich aufgrund des Entlassungsberichtes der R.-Kliniken D. ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten ableiten. Die Zeugenauskünfte von Dr. L. und Dr. P. lieferten keine Informationen, aus denen sich eine Einschränkung im quantitativen Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten begründen ließe. Der kardiologische Bericht des Dr. B. rechtfertige ebenfalls keine zeitliche Leistungslimitierung bei Beachtung entsprechender Funktionseinschränkungen. Das gleiche gelte bezüglich der Befunde im Bereich der rechten Schulter.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Dr. B., Arzt für Orthopädie, ein Gutachten erstattet (Untersuchung 18.10.2005). Dr. B. hat folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Halswirbelsäulen-Syndrom bei Fehlstatik, Gefügestörung, degenerativen Veränderungen sowie beginnenden Foramenstenosierungen mit blockierungsabhängigen Cephalgien und dringendem V. a. funktionelle Vertebralis-Basilaris-Insuffizienz mit ausgelösten kurzzeitigen Schwindelerscheinungen; 2. Posttraumatische Schultergelenksarthrose und Oberarm-Kopf-NekLuxation und Mehrfragment-Bruch und Nerven-Plexus-Läsion mit der Folge einer schmerzhaften Funktionseinschränkung und sensiblen C8-Wurzel-Restläsion peripher; 3. Ellbogengelenksarthrose postoperativ mit Funktionseinschränkung rechts und V. a. Ulnaris-Rinnen-Syndrom; 4. Epicondylitis humeri am linken Ellbogengelenk überlastungsbedingt; 5. Z. n. Carpaltunnel-Operation beidseits, mit leichten Funktionsbeeinträchtigungen; 6. Polyarthrose vom Typ: Heberden-Bouchard an beiden Händen mit beginnender Funktionseinschränkung in Fingermittel- und Endgelenken; 7. Chron. Lendenwirbelsäulensyndrom bei Fehlstatik und degenerativen Veränderungen mit Discopathien und funktionellen Wurzelreizbeschwerden; 8. Z. n. totalendoprothetischer Versorgung beider Hüftgelenke mit Restfunktionseinschränkungen und Belastungsinsuffizienz links; 9. V. a. mediale Meniscopathie links und Kniescheibenspitzen-Syndrom beidseits, links stärker als rechts. Hierdurch sei die Klägerin in ihren körperlichen Funktionen soweit eingeschränkt, dass ihr ein Leistungsvermögen im Erwerbsleben selbst für leichte Arbeiten nicht mehr zuzumuten sei. Dieser Zustand sei zunächst schon in der Phase der in Remission befindlichen Leukämie-Erkrankung bis 31.12.2002 erreicht worden. Auch ab dem 01.01.2003 habe nur ein Restleistungsvermögen im Erwerbsleben für leichte Arbeiten unter qualitativen Einschränkungen unter halbschichtig überwiegend im Sitzen ohne vermehrt geistige und verantwortungsvolle Beanspruchung außerhalb von Publikumsverkehr bestanden. Bisher seien weder die ständig drohende Gefahr eines unvorhersehbaren Schwindelereignisses (Vertebralis-basilaris-Syndrom) noch die Folgen der Unfallverletzung am 07.09.2004 mit erheblicher Funktionseinschränkung im rechten Schultergelenk und die psychische Beeinträchtigung der Klägerin durch die Leukämie berücksichtigt worden. Dr. B. hat dem Gutachten u.a. Arztbriefe der Medizinischen Universitätsklinik H. vom Februar 2005 (anhaltende Remission der CML), des Radiologen W. (Computertomographie LWS/BWK12 - S1 vom 14.04.2005) und der Rechbergklinik B. vom Juni 2005 (Metallentfernung am 22.06.2005 nach Humerusfraktur rechts) sowie den Bescheid des Landratsamtes K. über den Grad der Behinderung von 70 ab 11.03.2005 und das Merkzeichen "G" beigefügt.

Für die Beklagte hat Dr. K., Facharzt für Orthopädie, in einer beratungsärztlichen Stellungnahme dargelegt, dass die Leistungsbeurteilung des Dr. B. unter Zugrundelegung anerkannter sozialmedizinischer Kriterien aufgrund der von ihm erhobenen Befunde sowie unter Berücksichtigung der aktenkundigen Befunde nicht zutreffend sei. Vielmehr wiesen sämtliche Befunde darauf hin, das auch unter Berücksichtigung der Verletzungsfolgen des Unfalls vom 07.09.2004 ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten im Wechselrhythmus unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen nicht unüblicher Art vorliege. Die von Dr. J. angeführten qualitativen Einschränkungen hätten weiter Gültigkeit, auch wenn nach dem Trauma die Schulterbeweglichkeit rechts geringfügig schlechter geworden sei.

Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens von Prof. Dr. H., Fachkliniken H ... Prof. Dr. H. hat zusammenfassend ausgeführt, bei der Klägerin bestünden eine posttraumatische Humeruskopfnekrose rechts mit ausgeprägter Impingement-Symptomatik, eine Periarthralgie rechtes Ellenbogengelenk, ein Zustand nach Karpaltunnel-Spaltung mit Medianusrevision beidseits, eine intermittierende Zervikobrachialgie mit C8-Irritation, ein überlastungsbedingtes rezidivierendes Thorakolumbalsyndrom, Zustand nach Kompressions-Fraktur L2, ein Zustand nach bilateralem Hüftgelenksersatz beidseits, intermittierende Gonalgien beidseits bei möglicher Innenmeniskopathie beidseits, links-betont und eine Senk-Spreizfußbildung beidseits. Aktuell ganz im Vordergrund stehe die Situation der rechten Schulter mit aufgetretener posttraumatischer Humeruskopfnekrose und erheblichen schmerzhaften Funktionsdefiziten. Das Beschwerdebild der Klägerin sei glaubhaft und es bestehe Behandlungsbedürftigkeit, wobei ein alloarthroplastischer Gelenkersatz durchgeführt werden sollte mit einer Humeruskopfteilprothese. Durch einen derartigen Eingriff könnte sowohl das klinische Beschwerdebild und auch die Funktionalität verbessert werden. Von sozialmedizinisch untergeordneter Bedeutung sei die Situation im Bereich der Ellenbogengelenke, der Handgelenke und der Halswirbelsäule. Im Bereich der Rumpfwirbelsäule lägen nur geringfügige degenerative Veränderungen vor, im Vordergrund stehe hier die osteoporotische Situation, die eine medikamentöse Behandlungsbedürftigkeit mit sich bringe. Nach der bilateralen Hüftgelenksoperation liege ein gutes Funktionsergebnis vor. Es bestünden operationsimmanente dauerhafte qualitative Einschränkungen des körperlichen Restleistungsvermögens. Die Knie- und Fußsituation sei aktuell sozialmedizinisch nicht wesentlich relevant. Unter ausschließlicher Berücksichtigung der orthopädischen Gesundheitsstörungen sei nur noch von einem Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in überwiegend sitzender Körperhaltung auszugehen, wobei aufgrund der Schultersituation eine quantitative Limitierung des Restleistungsvermögens auf drei bis sechs Stunden gegeben sei. Bei der Klägerin sei darauf zu achten, dass eine ausreichende Tischhöhe bestehe, so dass mit dem rechten Arm vor dem Oberkörper gearbeitet und der Arm aufgelegt werden könne und nicht herunterhänge. Auch Überkopfarbeiten bzw. Arbeiten über der Horizontale seien nicht möglich. Zu vermeiden seien ferner das Heben und Tragen von Gewichten über 5 kp, Kälte, Nässe- und Zuglufteinfluss, Fein- und Sortierarbeiten, Arbeiten, die ein kraftvolles Zupacken mit der rechten Hand erfordern, Tätigkeiten mit Kopf-in-Nacken-Stellung, Arbeitsabläufe mit häufigen Kopfwende- und -Seitneigebewegungen, Arbeiten mit wirbelsäulenstrapazierenden Bewegungsabläufen wie Arbeiten in Hockstellung, Bückstellung, kniender Stellung oder Oberkörperanteklination, monotone Körperhaltungen wie ausschließliches Gehen, Stehen oder Sitzen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und auf unebenem Gelände sowie Tätigkeiten mit häufigem Besteigen von Treppen. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei hüftgelenksbedingt gering beeinträchtigt, einfache Wegstrecken von 1000 m könnten jedoch durchaus mehrmals täglich zurückgelegt werden. Im zeitlichen Längsschnitt sei es zu einer Verschlechterung der Schultersituation rechts gekommen, wobei als Zeitpunkt der wesentlichen Verschlimmerung das Kalenderjahr 2004 anzuführen sei, als die Klägerin im Zuge eines Sturzes eine Oberarmkopffraktur erlitten habe. Dies bedeute, dass allein von orthopädischer Seite aus im Kalenderjahr 2003 eine quantitative Beeinträchtigung des Leistungsvermögens nicht bestanden habe.

Die Beklagte hat hierzu eine sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. K. vorgelegt. Danach sei weiterhin davon auszugehen, dass die Klägerin leichte Arbeiten im Wechselrhythmus sechs Stunden täglich und mehr verrichten könne.

Prof. Dr. H. hat in einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Problematik bei der Klägerin vor allem auf dem Ausprägungsgrad der Arthrose der rechten Schulter mit hierdurch bedingter hochgradiger Schmerzhaftigkeit schon bei geringfügigen Bewegungsabläufen beruhe. Unter diesem Aspekt habe er auch eine operative Intervention empfohlen. Die deutliche Herabsetzung des Knochenkalksalzgehaltes im Bereich der rechten Schulter belege, dass der rechte Arm im Leben konsequent geschont und eigentlich kaum eingesetzt werde. Soweit die Klägerin einen weiteren Befundbericht der Rheumatologen Dres. B. und K. mit der Hauptdiagnose eines sog. Fibromyalgiesyndroms vorgelegt habe, werde diese Diagnose seinerseits nicht bestätigt. Die von der Klägerin angegebenen Beschwerdebilder seien eindeutigen morphologischen Veränderungen zuzuordnen.

Dagegen hat erneut Dr. K. für die Beklagte eingewandt, dass bei Berücksichtigung der Unfallverletzungsfolgen am rechten Arm auch die weiteren von Prof. Dr. H. im Gutachten angeführten orthopädischen Befunde keinesfalls das Vorliegen einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens zu begründen im Stande seien.

Prof. Dr. H. hat in einer weiteren Stellungnahme klarstellend dargelegt, gestützt auf die Aktenunterlagen habe zum Zeitpunkt des Wegfalls der Zeitrente ab 01.01.2003 wieder ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung vorgelegen. Die von ihm attestierte quantitative Leistungsminderung sei am 07.09.2004 (Humeruskopfmehrfregmentfraktur mit nachfolgender Humeruskopfnekrose und hierdurch bedingtem erheblichem Schmerzbild) eingetreten. Diese zusätzliche wesentliche Störung sei letztendlich der "entscheidende Tropfen Wasser" gewesen, der "das Glas zum Überlaufen gebracht habe". Die Klägerin könne unter Berücksichtigung der orthopädischen Situation täglich noch drei bis sechs Stunden qualitativ limitiert leichte Tätigkeiten verrichten. Sie könne aber nicht sechs Stunden und mehr körperlich arbeiten.

Die Beklagte hat unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L., Fachärztin für Chirurgie, an ihrem bisher eingenommenen Standpunkt festgehalten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und teilweise begründet. Die Klägerin hat ab 01.04.2005 Anspruch auf eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Im übrigen sind die angefochtenen Bescheide sowie das Urteil des SG nicht zu beanstanden.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Weitergewährung der Rente über den 31.12.2002 hinaus in der hier anzuwendenden bis 31.12.2000 gültigen Fassung (§ 302 b SGB VI) sind im angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 17.01.2003 und im Urteil des SG zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Gemäß § 43 SGB VI in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie u.a. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die außerstande sind, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes infolge der im September 2004 erlittenen Humeruskopfmehrfragmentfraktur rechts erfüllt. Diese Überzeugung des Senats stützt sich auf die kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. H ... Danach steht bei der Klägerin im Vordergrund des Beschwerdebildes die posttraumatische Humeruskopfmehrfragmentfraktur rechts mit ausgeprägter Impingement-Symptomatik. Es zeigte sich eine Verschmächtigung der schulterumspannenden und auch der Oberarmmuskulatur im Seitenvergleich als Ausdruck für eine längere Schonung sowie eine deutliche konzentrische Bewegungseinschränkung der Schulter. Der Nacken- und Schürzengriff war nur mühevoll und unvollständig durchführbar. Es fand sich sonographisch eine ausgedehnte, jedoch nicht komplett rupturierte Rotatorenmanschette und radiologisch eine schwerstgradige Destruktion des Humeruskopfes. Das Beschwerdebild der Klägerin ist, worauf der Sachverständige Prof. Dr. H. hingewiesen hat, erheblich und glaubhaft. Darüber hinaus leidet die Klägerin an einer Periarthralgie rechtes Ellenbogengelenk, einem Zustand nach Karpaltunnel-Spaltung beidseits, einer intermittierenden Zervikobrachialgie, einem überlastungsbedingten und rezidivierenden Thorakolumbalsyndrom, einem Zustand nach Kompressions-Fraktur L2, einem Zustand nach bilateralem Hüftgelenksersatz beidseits, intermittierenden Gonalgien beidseits bei möglicher Innenmeniskopathie beidseits und an einer Senk-Spreizfußbildung beidseits. Die chronisch myeloische Leukämie befindet sich weiterhin in Vollremission (Arztbrief der Medizinischen Univ.Klinik H. vom Februar 2005). Bezüglich der unklaren Schwindelsymptomatik ergab die Untersuchung (Duplexsonographie der Carotiden) eine leichtgradige Stenose der Arteria Carotis Externa rechts (Bericht des Dr. B. vom Dezember 2004).

Durch diese Gesundheitsstörungen, insbesondere durch die im Vordergrund stehende Schultersituation rechts, ist das gesundheitliche Leistungsvermögen der Klägerin deutlich eingeschränkt. Der rechte Arm ist im täglichen Leben nur sehr beschränkt einsetzbar für leichte Tätigkeiten, die nur vor dem Oberkörper durchgeführt werden können. Ein Anheben des Armes bis zur Horizontalen ist eingeschränkt, über der Horizontale nicht möglich. Im Anschluss an Prof. Dr. H. ist die Klägerin aufgrund des erheblichen Beschwerdebildes im Bereich der Schulter, der Wirbelfraktur im LWS-Bereich mit statischer Fehlhaltung, muskulären Fehlirritationen, Problemen beim langen Sitzen, dem Zustand nach Hüftgelenksersatz beidseits mit Verschmächtigung der hüftumspannenden Muskulatur, vorzeitiger muskulärer Ermüdung bei längerer gehender und stehender Tätigkeit derart eingeschränkt, dass sie selbst körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch drei bis sechs Stunden, aber nicht sechs Stunden und mehr täglich verrichten kann. Der Senat schließt sich dieser Leistungsbeurteilung des erfahrenen Sachverständigen an.

Die gegen das Gutachten von Prof. Dr. H. aufgrund der Stellungnahmen von Dr. K. und Dr. L. erhobenen Einwendungen der Beklagten überzeugen schon deswegen nicht, weil der Gerichtssachverständige die Klägerin - anders als Dr. K. und Dr. L., deren Stellungnahmen im wesentlichen Bestandteil des Parteivorbringens der Beklagten darstellen und wie solches zu werten sind (vgl. BSG vom 08.12.1988 - 2/9 b RV 66/87 und vom 06.04.1989 - 2 RU 55/88 -; LSG Baden-Württemberg vom 27.01.1999 - L 2 RJ 1981/98) - persönlich untersucht und begutachtet hat. Prof. Dr. H. hat sich auf ausdrückliche Nachfrage des Senats zu den Einwendungen von Dr. K. geäußert und ausdrücklich an seiner quantitativen Leistungsbeurteilung aufgrund seiner ärztlichen Erfahrung und einer Gesamtbetrachtung des Krankheitsbildes festgehalten. Er hat für den Senat überzeugend auf die Multimorbidität der Klägerin hingewiesen und deutlich gemacht, dass das Beschwerdebild der rechten Schulter zwar im Vordergrund steht, insgesamt bei der Klägerin aber drei große Körperabschnitte (obere Extremität, Wirbelsäule, untere Extremität) durch drei schwerwiegende Diagnosen beeinträchtigt sind. Der Beurteilung des gesundheitlichen Leistungsvermögens der Klägerin durch den erfahrenen Sachverständigen misst der Senat ein gegenüber den Stellungnahmen von Dr. K. und Dr. L. überlegenes Gewicht bei.

Mithin ist festzustellen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin über drei Stunden, aber unter sechs Stunden liegt, der Rentenanspruch daher auch von der Arbeitsmarktlage abhängig ist. Außerdem sind die Gesundheitsstörungen der Klägerin, insbesondere das Beschwerdebild in der rechten Schulter, einer weiteren Behandlung zugänglich, so dass eine Besserungsaussicht gegeben ist, wobei es auf die Duldungspflicht einer möglicherweise durchzuführenden Operation nicht ankommt (BSG, Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R -). Die Rente ist daher nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI auf Zeit zu leisten. Mit Prof. Dr. H. ist der Versicherungsfall am 07.09.2004 (Humeruskopfmehrfragmentfraktur) eingetreten. Für diesen Zeitpunkt sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach Mitteilung der Beklagten im Schreiben vom 27.10.2006 auch erfüllt. Der Senat hält hier bei einem Rentenbeginn ab 01.04.2005 (§ 101 Abs. 1 SGB VI) eine Zeitrentendauer bis 31.12.2007 für angemessen.

Dagegen vermochte sich der Senat nicht von einem Rentenanspruch der Klägerin über den 31.12.2002 hinaus zu überzeugen.

Rente wegen Berufsunfähigkeit steht der Klägerin im Zeitraum Januar 2003 bis September 2004 schon deswegen nicht zu, weil sie keinen Beruf erlernt und im Laufe ihres versicherungspflichtigen Erwerbslebens ausschließlich ungelernte, allenfalls angelernte Tätigkeiten des unteren Bereichs (vgl. insoweit BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 45) ausgeübt hat. Sie ist daher nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema (vgl. BSGE 62, 74 ff.; 59, 249 ff. und 43, 243, 246) der Berufsgruppe mit dem Leitbild der ungelernten Arbeiterin zuzuordnen und deshalb zumutbar auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Damit scheidet die Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente bereits von vornherein aus.

Im Zeitraum Januar 2003 bis September 2004 erachtet der Senat auch eine rentenrelevante Erwerbsminderung der Klägerin aufgrund der urkundsbeweislich verwertbaren Gutachten von Dr. R. und Dr. R. sowie der Gutachten von Dr. J. und Prof. Dr. H. nicht für erwiesen, denn vor der Humeruskopffraktur im September 2004 war die Klägerin trotz ihrer Gesundheitsstörungen fähig, körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit den von den Dres. R., R. sowie dem Sachverständigen Dr. J. genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr zu verrichten. Insoweit ist die Berufung bereits aus den vom SG ausführlich und zutreffend dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten keine andere Entscheidung rechtfertigt. Wenn Dr. B. ab 01.01.2003 das Leistungsvermögen der Klägerin mit unterhalbschichtig beurteilt, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar, da die führende schwere posttraumatische Schultergelenksarthrose rechts Folge der im September 2004 erlittenen Humeruskopffraktur rechts ist. Dagegen beinhaltet die HWS-Situation keine schweren degenerativen Veränderungen und ist sozialmedizinisch nicht relevant. Auch eine schwere Ellenbogengelenksarthrose rechts liegt nach den Darlegungen von Prof. Dr. H. nicht vor. Der Zustand nach Karpaltunnel-Operation und die Veränderungen in den Kniegelenken sind sozialmedizinisch von untergeordneter Bedeutung. Eine quantitative Einschränkung des körperlichen Restleistungsvermögens lässt sich auch nicht aufgrund der Hüftsituation und des Wirbelsäulen-Syndroms attestieren. Soweit Dr. B. auf die psychische Beeinträchtigung der Klägerin abhebt, fehlt ihm die Fachkompetenz. Insoweit sind keine Befunde aktenkundig, aus denen sich ein untervollschichtiges Leistungsvermögen ableiten ließe. Auch den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. L. und Dr. P. sind keine schwererwiegenden Befunde zu entnehmen, die von den Gutachtern nicht berücksichtigt worden wären. Ab 01.01.2003 bis September 2004 war das Leistungsvermögen der Klägerin zwar qualitativ, nicht aber quantitativ eingeschränkt. Sie konnte durchaus wieder leichte Montier-, Sortier-, oder Verpackungsarbeiten verrichten, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen lag bei der Klägerin in diesem Zeitraum nicht vor.

Aus diesen Gründen war der Klägerin auf ihre Berufung Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit zuzusprechen und das Urteil des SG sowie die Entscheidung der Beklagten entsprechend abzuändern.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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