L 8 AL 1698/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AL 2097/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1698/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. März 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ohne den Abzug von Kirchensteuer.

Dem 1953 geborenen Kläger wurde mit Bescheid des Arbeitsamtes G., jetzt Agentur für Arbeit (AA), vom 12.03.2003 Alhi ab dem 20.02.2003 bis 18.03.2004 in Höhe von wöchentlich 137,90 EUR weiterbewilligt (Bemessungsentgelt 360 EUR, Leistungsgruppe A, Rechtsverordnung 2003). Im Bescheid wurde zur Erläuterung der Berechnung des Leistungsentgeltes mitgeteilt, dass u.a. für die Kirchensteuer ein Abzug von 3,03 EUR berücksichtigt sei. Mit Änderungsbescheid vom 12.03.2003 wurde Alhi ab 19.03.2003 bis 18.03.2004 in Höhe von wöchentlich 135,31 EUR bewilligt (Bemessungsentgelt 350 EUR, Leistungsgruppe A, Rechtsverordnung 2003). Im Bescheid wurde zur Erläuterung der Berechnung des Leistungsentgeltes mitgeteilt, dass u.a. für die Kirchensteuer ein Abzug von 2,80 EUR berücksichtigt sei.

Hiergegen legte der Kläger am 21.03.2003 Widerspruch ein, mit dem er sich gegen den Abzug der Kirchensteuer wandte. Sein Widerspruch wurde von der Widerspruchsstelle des AA mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2003 zurückgewiesen.

Am 28.04.2003 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er machte geltend, Alhi sei ohne Berücksichtigung eines Kirchensteuersatzes zu berechnen, da er keiner Konfession angehöre. Er sehe hier den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Gleichbehandlung in Frage gestellt. Es könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass noch eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Religionsgemeinschaft angehöre, weshalb der Abzug der Kirchensteuer nicht gerechtfertigt sei.

Mit Bescheid vom 01.03.2004 bewilligte das AA dem Kläger für den Bewilligungsabschnitt ab 19.03.2004 bis 31.12.2004 Alhi in Höhe von wöchentlich 135,66 EUR (Bemessungsentgelt 340 EUR, Leistungsgruppe A, Rechtsverordnung 2004) weiter. Hiergegen erhob der Kläger am 09.03.2004 Widerspruch, mit dem er sich unter Bezug auf seine Klage beim SG wiederum gegen den Abzug von Kirchensteuer wandte. Mit Schreiben vom 20.07.2004 teilte ihm die AA mit, dass der Bescheid vom 01.03.2004 Gegenstand der Klage sei und dass ein gesondertes Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt werde.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.03.2005 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen den am 01.04.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28.04.2005 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, die Ansicht des SG sei unzutreffend. Seit 1999 sei nach seiner Ansicht der Anteil der Kirchenmitglieder deutlich unter 55 % gesunken. Danach könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Kirchensteuer beim Arbeitnehmer gewöhnlicherweise anfalle. Er gehöre keiner Konfession an, weshalb ein pauschaler Abzug für die Kirchensteuer bei ihm folglich nicht gerechtfertigt sei. Jedenfalls hätte das SG solange warten müssen, bis die statistische Auswertung des Bundesamtes für das Jahr 2003 vorliege.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. März 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2003 und des Bescheides vom 1. März 2004 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 19. März 2003 bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe ohne Kirchensteuerabzug zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend und beruft sich auf ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27.01.2005.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten und wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Akten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 144 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Zwar ist der Wert des Beschwerdegegenstandes in Höhe von mehr als 500 EUR nicht erreicht. Bei der Berechnung des Beschwerdewertes ist bei Zahlungsansprüchen auf den Geldbetrag abzustellen, um den unmittelbar gestritten wird, ohne Zinsen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 144 RdNr. 15). Im Streit ist zwischen den Beteiligten nur, ob der Kläger einen Anspruch auf Alhi ohne Abzug von Kirchensteuer hat. Dies ist ein Betrag von (maximal) 3,03 EUR wöchentlich. Damit wird der Beschwerdewert des § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erst nach ca. 165 Wochen erreicht, was beim Kläger auch unter Einbeziehung des Weiterbewilligungsbescheids vom 01.03.2004, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist, nicht der Fall ist. Die Berufung betrifft jedoch wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (vom 19.03.2003 bis 31.12.2004), weshalb das Nichterreichen des Wertes des Beschwerdegegenstandes der Statthaftigkeit der Berufung nicht entgegen steht (§ 144 Absatz 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 12.03.2003 und 01.03.2004 sind nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht im Zeitraum vom 19.03.2003 bis 31.12.2004 höhere Alhi ohne Kirchensteuerabzug nicht zu, wie das SG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zu derselben Überzeugung und nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG vom 29.03.2005 Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers bleibt ergänzend auszuführen:

Nach der bis 31.12.2004 gültigen Vorschrift des § 136 Abs. 1 SGB III ist das Leistungsentgelt das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt. Nach Absatz 2 Satz 2 Nr. 2 dieser Vorschrift sind Entgeltabzüge unter anderem die Kirchensteuer in Höhe des im Vorjahr in den Ländern geltenden niedrigsten Kirchensteuer-Hebesatzes. Diese Vorschrift war nicht verfassungswidrig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.1994, BVerfGE 90, 226 ff.). Zwar hat das BVerfG in diesem Beschluss dem Gesetzgeber aufgegeben, hinsichtlich des Anteils der kirchenzugehörigen Arbeitnehmer die weitere Entwicklung zu beobachten. Nach der Rechtsprechung des BSG wird die dem Gesetzgeber vom BVerfG auferlegte Handlungspflicht erst dann ausgelöst, wenn der Gesetzgeber auf Grund statistischer Erkenntnisse davon ausgehen muss, dass nicht mehr eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer zur Erhebung von Kirchensteuer ermächtigten Kirche angehört (vgl. BSG, Beschluss vom 23.03.2004 - B 11 AL 213/03 B, m. w. N.). Das SG war daher nicht gehalten, mit seiner Entscheidung so lange zuzuwarten, bis die statistische Auswertung des Bundesamtes für das Jahr 2003 vorliegt, wie der Kläger meint. Entsprechendes gilt für das Berufungsverfahren. Dass der Gesetzgeber gegen die ihm auferlegte Handlungspflicht bezüglich des vorliegend streitigen Zeitraumes verstoßen hat, ist zur Überzeugung des Senates nicht festzustellen. Zwar ist der Anteil kirchenzugehörigen Arbeitnehmer von etwa 85 Prozent im Jahre 1983 auf 57,1 Prozent im Jahre 1998 zurückgegangen. Der Gesetzgeber durfte jedoch - auch mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der zeitnahen Datenerhebung - jedenfalls bis Ende 2004 annehmen, dass eine wesentliche Veränderung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes noch nicht eingetreten war (so BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.04.2005 - 1 BVR 952/04 -, SozR 4-4300 § 136 Nr. 1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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