L 12 R 3498/06 KO-A

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 R 3498/06 KO-A
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten vom 11.5.2006 wird wie in der Rechnung vom 20.6.2006 auf 1764,97 Euro festgestellt.

Gründe:

In dem beim Landessozialgericht anhängigen Berufungsverfahren L 11 R 2897/03 geht es um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Mit Schreiben vom 23.11.2005 wurde der Antragsteller zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines Gutachtens aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers gebeten. Die hierbei zu berücksichtigenden Verwaltung- und Gerichtsakten hatten zu diesem Zeitpunkt einen Umfang von etwa 750 Blatt. Der Antragsteller, der der Leiter der Abteilung Orthopädische Schmerztherapie der Orthopädischen Universitätsklinik H. ist, erstattete unter dem 11.5.2006 sein Sachverständigengutachten auf der Grundlage einer orthopädisch-klinischen, röntgenologischen, fragebogengestützten sowie psychologischen Untersuchung des Klägers am 2.5.2006. Das Gutachten hat einen Umfang von 46 Seiten zuzüglich 10 Seiten psychologischer Evaluation.

Der Antragstellern verlangte mit seiner Rechnung vom 20.6.2006 eine Vergütung von 1764,97 Euro. Hierbei hat er - soweit hier von Interesse - 16 Stunden Arbeitszeit nach einem Stundensatz von 85 Euro zugrundegelegt.

Der Kostenbeamte hat den Zeitrahmen von 16 Stunden bestätigt, jedoch den Stundensatz mit 60 Euro anerkannt und den Rechnungsbetrag auf 1311,85 Euro herabgesetzt.

Mit seinem Antrag auf richterliche Kostenfestsetzung hat sich der Antragsteller gegen die Einstufung in die Honorargruppe M 2 gewandt. Es habe sich sehr wohl um ein Gutachten hohen Schwierigkeitsgrades gehandelt, da es drei verschiedene Sachgebiete der Medizin, nämlich Orthopädie, Algesiologie und Psychologie berücksichtigt habe. Es sei eine fachübergreifende integrative sachverständige Beurteilung erforderlich gewesen. Dadurch seien im übrigen weitere Gutachten erspart worden. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die psychologische Arbeitsleistung nicht unter 60 Euro pro Stunde zu erlangen sei. Da er aber als Mitarbeiter der orthopädischen Universitätsklinik 30% Nutzungsentgelt abführen müsse, würden bei einem Stundensatz nach M 2 nur noch etwa 40 Euro für den mitarbeitenden Psychologen verbleiben. Damit würde er seine eigenen Kosten nicht decken können.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

Im vorliegenden Fall finden die Regelungen des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) Anwendung, weil der Gutachtensauftrag nach dem 30.6.2004 an den Antragsteller erteilt worden ist (§ 25 Satz 1 JVEG). Der Senat entscheidet nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG durch den hierzu bestimmten Einzelrichter. Medizinische Sachverständige erhalten nach § 9 Abs. 1 für jede Stunde ein Honorar in Höhe von 50, 60 oder 85 EUR, je nachdem, welcher Honorargruppe (M 1 bis M 3) das von ihnen erstattete Gutachten nach der Anlage 1 JVEG zuzuordnen ist.

In Anlage 1 des JVEG werden die medizinischen Gutachten ihrem Schwierigkeitsgrad entsprechend in die bereits genannten drei Honorargruppen M 1, M 2 und M 3 eingeteilt, wobei sich der Gesetzgeber an den verschiedenen Gegenständen medizinischer Gutachten und ihrem Umfang orientiert hat und die Vergütung damit aufwandsbezogen gestaltet haben will (BTDrs. 15/1971 Seite 186).

Einfachere gutachtliche Beurteilungen mit einer Vergütung nach Honorargruppe M 1 (50 EUR) sind medizinische Gutachten, bei denen die Diagnose zu beurteilender Gesundheitsstörungen verhältnismäßig leicht zu stellen ist und die Beweisfragen ohne sonderliche Mühe zu beantworten sind, insbesondere wenn die Beurteilung durch antizipierte Sachverständigengutachten (Anhaltspunkte) oder einschlägige Tabellenwerke erleichtert wird. Hierunter fallen etwa • augen- und ohrenfachärztliche Gutachten zur Frage des Ausmaßes einer Seh- oder Hörminderung sowie • Gutachten unabhängig vom Sachgebiet (also auch die unten genannten "Zustandsgutachten") ohne schwierige Diagnostik, wenn die Beurteilung - z.B. bei einer Monoverletzung - im Wesentlichen auf Zustand oder Funktion eines Organs (Organpaares) bzw. Körperteiles gerichtet ist und keine komplizierten Überlegungen anzustellen sind.

Gutachten mit einer Vergütung nach der Honorargruppe M 2 (60 EUR) sind die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten, die durchschnittliche Anforderungen stellen. In diese Gruppe fällt daher der Großteil der von den Sozialgerichten eingeholten Gutachten. Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit sind solche, bei denen die diagnostischen oder die ätiologischen Fragen oder die Beurteilung des Leistungsvermögens eingehendere Überlegungen erfordern. Hierbei handelt es sich • vor allem um sog. "Zustandsgutachten", in denen das Leistungsvermögen des Untersuchten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung oder im Bereich des Schwerbehindertenrechts/SGB IX und • die Leidensbesserungen oder -verschlimmerungen bei Neufeststellungen in der gesetzlichen Unfallversicherung oder im sozialen Entschädigungsrecht unter Berücksichtigung von Vorgutachten und Vorbefunden zu erörtern sind sowie • Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung oder des sozialen Entschädigungsrechts, wenn die zu klärenden Kausalfragen keine besonders schwierigen Überlegungen erfordern, insbesondere wenn sich die Beantwortung der Kausalfragen ohne kritische Auseinandersetzung allein an den Standardwerken der unfallmedizinischen Literatur (z.B. Schöneberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit; Izbicki/Neumann/Spohr, Unfallbegutachtung) orientiert. Hierzu gehören dann auch die in der Anlage 1 des JVEG aufgeführten, im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit zwar denkbaren, aber kaum anzutreffenden Gutachten zu spurenkundlichen oder rechtsmedizinischen Fragestellungen mit Befunderhebungen (z.B. bei Verletzungen und anderen Unfallfolgen)

Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad nach der Honorargruppe M 3 (85 EUR) liegen vor, wenn der Sachverständige umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen anstellen muss. Die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen, aber auch andere Gründe haben, z.B. durch eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben bedingt sein. In erster Linie sind hier • Zusammenhangsgutachten in der gesetzlichen Unfallversicherung und im sozialen Entschädigungsrecht einzuordnen, die sich im notwendigen Umfang mit den im Schrifttum vertretenen wissenschaftlichen Meinungen im Gutachten auseinandersetzen sowie

• Zustandsgutachten bei sehr komplizierten, widersprüchlichen Befunden und entsprechenden Schwierigkeiten bei deren diagnostischer Einordnung. In diese Honorargruppe gehören auch die in der Anlage 1 des JVEG beispielhaft aufgeführten Gutachten in Verfahren nach dem HHG, zur Geschäfts- oder Prozessfähigkeit und Gutachten zu rechtsmedizinischen, toxikologischen und spurenkundlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit einer abschließenden Todesursachenklärung, ärztlichen Behandlungsfehlern oder einer Beurteilung der Schuldfähigkeit, sofern der eingangs dargestellte hohe Schwierigkeitsgrad vorliegt.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei einer nach dem Schwierigkeitsgrad völlig gleichmäßigen Abstufung die betragsmäßig ungleichmäßige, aber vom Gesetz verbindlich vorgegebene unterschiedliche Vergütung der Honorargruppen von 50 EUR über 60 EUR bis zu 85 EUR nicht nachvollziehbar erscheinen würde. Soweit in der Begründung zum Gesetzentwurf (BTDrs. aaO) in diesem Zusammenhang auf den Umfang der Gutachten verwiesen und eine aufwandsbezogene Ausgestaltung der Vergütung behauptet wird, wird nach Auffassung des Senats vernachlässigt, dass sich der Umfang der Inanspruchnahme des Sachverständigen und damit sein Aufwand in erster Linie an der typischerweise ebenfalls vom Schwierigkeitsgrad des Gutachtens abhängigen Anzahl erforderlicher und zu vergütender Stunden zeigt. Vor diesem Hintergrund erfordert eine Vergütung nach Honorargruppe M 3 einen gegenüber Gutachten, die nach Honorargruppe M 2 vergütet werden, deutlich höheren Schwierigkeitsgrad, wobei sich dieser Schwierigkeitsgrad gerade aus den Darlegungen im Gutachten entnehmen lassen muss. Es genügt daher für eine Vergütung nach Honorargruppe M 3 nicht, dass ein schwieriges Gutachten in Auftrag gegeben wurde. Aus dem Gutachten selbst muss sich vielmehr ergeben, dass der Sachverständige die geforderten vielseitigen bzw. vielschichtigen Überlegungen auch anstellte und wodurch diese veranlasst wurden.

Im vorliegenden Fall erscheint die Honorargruppe M 3 entsprechend dem Antrag des Antragstellers als angemessen. Bei dem vorgelegten Gutachten handelt es sich zwar um ein so genanntes "Zustandgutachten", in dem das Leistungsvermögen des Untersuchten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung zu erörtern war. Es ist jedoch nicht zu verkennen, dass bei der vorliegenden Begutachtung eine komplizierte, widersprüchliche Befundsituation vorlag und dementsprechend die diagnostische Einordnung entsprechend schwierig war. Insbesondere die bei dem Kläger diagnostizierte undifferenzierte Somatisierungsstörung erforderte bei der Diagnosestellung und Beurteilung vielfältige und vielschichtige Überlegungen, auch von anderen medizinischen Fachgebieten her.

Es wird hier durchaus gesehen, dass angesichts des betragsmäßig ungleichmäßigen Unterschieds in der Vergütung der einzelnen Honorargruppen, insbesondere des großen Abstandes zwischen M 2 und M 3, ein deutlich höherer Schwierigkeitsgrad zu verlangen ist. Nach Ansicht des Senats ist aber dem Gutachten durchaus zu entnehmen, dass sich der Antragsteller der besonderen Schwierigkeit der Diagnosestellung, der Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern und der Leistungsbeurteilung bewusst war und auch die zu fordernden vielseitigen bzw. vielschichtigen Überlegungen im Gutachten angestellt hat. Insgesamt ist daher die Anwendung der Honorargruppe M 3 vorliegend gerechtfertigt.

Nachdem die anderen in Rechnung gestellten Positionen vom Kostenbeamten nicht beanstandet wurden und auch nicht zu beanstanden sind, ist die Vergütung des Antragstellers entsprechend seiner Rechnung vom 20.6.2006 auf 1764,97 Euro festzusetzen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 der JVEG).
Rechtskraft
Aus
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