L 10 R 4971/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2141/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4971/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung von Zeiten, in denen die Klägerin im Iran arbeitete.

Die am 1946 geborene Klägerin arbeitete nach eigenen Angaben von Januar 1968 bis Dezember 1978 mit einigen Unterbrechungen als Sekretärin sowie als Personal- bzw. Einkaufsachbearbeiterin für Unternehmen mit Sitz im Iran und leistete dort nach ihren Angaben auch Beiträge zur (iranischen) Rentenversicherung. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin vorgelegte Auflistung auf AS 119/120 der Verwaltungsakten Bezug genommen.

Auf Antrag der Klägerin vom 24. März 2006 stellte die Beklagte die rentenrechtlichen Zeiten mit Bescheid vom 11. April 2006 und Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2006 fest, wobei die Zeiten im Iran keine Berücksichtigung fanden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf auf AS 69 bis 73 der Verwaltungsakten Bezug genommen.

Die Klägerin hat hiergegen, gestützt auf verfassungsrechtliche Bedenken, am 6. Juli 2006 Klage bei dem Sozialgericht Mannheim erhoben. Dieses hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2006, der Klägerin am 7. September 2006 zugestellt, abgewiesen. Mit der am 2. Oktober 2006 erhobenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter.

Mit Bescheid vom 10. November 2006 hat die Beklagte der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 22. September 2006 Altersrente für Frauen ab 1. Januar 2007 bewilligt. Die Zeiten im Iran sind erneut nicht berücksichtigt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage 2 des Bescheides Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

den Bescheid der Beklagten vom 10. November 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr höhere Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung der Zeiten ihrer Arbeitstätigkeit im Iran zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist nur noch der Rentenbescheid vom 10. November 2006. Dieser ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden und hat den Feststellungsbescheid vom 11. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2006 ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 1978, 11 RA 9/78 in SozR 1500 § 96 Nr. 13; Urteil vom 14. Mai 2003, B 4 RA 26/02 R in SozR 4-2600 § 256b Nr. 1). Damit ist zugleich der angefochtene Gerichtsbescheid gemäß § 202 SGG i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz der Zivilprozessordnung (ZPO) gegenstandslos geworden, sodass der Senat nur noch auf Klage über den Rentenbescheid entscheidet.

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung ihrer Zeiten im Iran.

Die Höhe einer Rente richtet sich vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte umgerechnet (§ 63 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Die für die Berechnung des Monatsbetrages der Rente maßgeblichen persönlichen Entgeltpunkte sind u. a. von Entgeltpunkten für Beitragszeiten abhängig (vgl. § 64, § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Die Zeiten der Arbeitstätigkeit der Klägerin im Iran sind keine Beitragszeiten nach § 55 Abs. 1 SGB VI, was auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht. Mit dem Iran besteht auch kein Sozialversicherungsabkommen, auf das sich die Klägerin stützen könnte. Auch ansonsten besteht keine gesetzliche Grundlage für eine Anerkennung dieser Zeiten als Beschäftigungszeit oder in sonstiger, rentenrechtlich bedeutsamer Weise.

Dies stellt keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) oder sonstiges Verfassungsrecht dar.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, unter steter Orientierung am Gleichheitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es bleibt grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Allerdings muss er die Auswahl der gleich beziehungsweise ungleich zu behandelnden Sachverhalte sachgerecht treffen. Entscheidend ist, ob für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils betroffenen Zusammenhang so bedeutsam sind, dass der Gesetzgeber sie bei seiner Regelung beachten muss. Es verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte - bezogen auf den in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart - ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. Urteil vom 23. Mai 2006, 1 BvR 1484/99, NJW 2006, 2246).

Die Klägerin hat sich außerhalb des territorialen Bereichs (vgl. § 3 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) und damit auch außerhalb des Schutzes der deutschen Rentenversicherung begeben. Sie muss damit auch die rentenrechtlichen Folgen tragen, insbesondere dass sie Beitragsleistungen und sonstige rentenrechtlich bedeutsame Umstände nur gegenüber einem Sozialversicherungsträger oder einer sonstigen Stelle im Iran geltend machen kann. Ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber Versicherten, die in Staaten arbeiteten, mit denen ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen worden ist, liegt in dem durch das Sozialversicherungsabkommen verwirklichten Gegenseitigkeitsprinzip. Dieser Umstand hat auch im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) Bestand (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. September 1989, 1 BvR 830/88 und 1 BvR 815/88). Das Gegenseitigkeitsprinzip ist bei Tätigkeiten in Staaten, mit denen kein Sozialversicherungsabkommen besteht, gerade nicht gewährleistet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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