L 4 P 2006/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 P 1746/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2006/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin erstrebt einen Zuschuss zum Einbau eines - bereits auf eigene Kosten beschafften - Treppenlifts.

Die am 1948 geborene Klägerin erlitt im November 2001 einen Mediainfarkt rechts mit Hemiparese links, Facialis-Parese links und Dysarthrie. Sie ist zeitweise auf den Rollstuhl angewiesen und muss im Übrigen unter Verwendung eines 4-Punkt-Gehstocks gestützt werden. Seit August 2003 bezieht sie Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II (vgl. Gutachten der Pflegefachkraft B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg [MDK] in M. vom 22. August 2003). Die Pflege wird überwiegend vom Ehemann, teilweise auch von der Tochter getätigt.

Die Klägerin bewohnt mit ihrer Familie ein Einfamilienhaus. Im Erdgeschoß befinden sich Wohn/Esszimmer, Schlafzimmer, Küche sowie Bad und WC. Zum Obergeschoss führt eine Wendeltreppe, zum Untergeschoss ließen die Eheleute am 05. Februar 2004 einen Treppenlift einbauen. Die Rechnung der "Lifta" Lift und Antrieb GmbH Köln vom 06. Februar 2004 belief sich auf EUR 6.612,00.

Mit Schreiben vom 15. Januar 2004 beantragte die Klägerin Gewährung eines Zuschusses für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes. Es sei ihr nicht mehr möglich, Treppen sicher zu überwinden. Dr. R. vom MDK in M. nahm unter dem 23. Januar 2004 Stellung; der Treppenlift führe nicht zu einer erheblichen Erleichterung der häuslichen Pflege oder zu einer selbstständigeren Lebensführung. Mit dieser Begründung lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 27. Januar 2004 die Gewährung eines Zuschusses ab. Mit dem Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, im Untergeschoß könne ein Raum von 24 Quadratmeter für die fortwährend in Anspruch zu nehmende Ergotherapie und Krankengymnastik genutzt werden; dort seien die Therapiegeräte untergebracht. Der MDK (Pflegefachkraft B.) blieb in der Stellungnahme vom 15. März 2004 bei der bisherigen Auffassung. Es erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004. Die häusliche Pflege sei (wie bisher) im Erdgeschoß sichergestellt. Somit seien die Tatbestandsvoraussetzungen, wie bereits im Ausgangsbescheid dargestellt, nicht erfüllt.

Mit der Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim wies die Klägerin wiederum auf den günstig zu nutzenden Raum im Untergeschoss hin. Mit dessen Nutzung könne ihre Bewegungsfreiheit und selbstständige Lebensführung erheblich erweitert werden. Insbesondere könne ein 24 qm großer Raum für Ergotherapie und Krankengymnastik genutzt werden. Dies stelle eine erhebliche Erleichterung der häuslichen Pflege dar. Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die bekannten Gutachten entgegen. Im Ehebett - im Erdgeschoss befindlich - sei ein elektrischer Einlegerahmen angebracht, der die ergotherapeutischen und krankengymnastischen Übungen erleichtere. Das SG befragte behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Internist Dr. T. beschrieb in der Aussage vom 10. September 2004 den auf seinem Fachgebiet bekannten Befund, wollte jedoch zu den Streitfragen nicht näher Stellung nehmen. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. M. unterstützte unter dem 21. September 2004 die Auffassung, ein Zugang zum Untergeschoss mit dem für Krankengymnastik geeigneten Raum trage zur Erleichterung der Pflege und zu einer selbstständigen Lebensführung bei. Schließlich bekräftigte Arzt Dr. L. (Eingang 01. Oktober 2004) in Vertretung der zwischenzeitlich verstorbenen Allgemeinärztin S., mit dem Lift erhöhe sich die Lebensqualität der Klägerin. Der MDK (Pflegefachkraft B.) verblieb in der Stellungnahme vom 27. Oktober 2004 bei der bisherigen Auffassung. Durch Urteil vom 15. April 2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, durch den Einbau des Lifts würden nicht die im Gesetz vorgegebenen Zwecke verwirklicht. Der Aufenthalt im Untergeschoss diene nicht der Erleichterung der Pflege, sondern der Behandlung.

Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 21. April 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. Mai 2005 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, Treppenlifte gehörten zu den technischen Hilfen, die der Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes dienten. Die Rechtsprechung zähle hierzu etwa auch Maßnahmen, die das Verlassen der Wohnung ermöglichten. Durch Nutzung des Raumes im Untergeschoss könne auch ein "Rückzugsort" geschaffen werden. Die krankengymnastischen und ergotherapeutischen Leistungen könnten in der Wohnung im Erdgeschoss bei weitem nicht mit gleicher Qualität erbracht werden. Nach alledem diene der Einbau des Treppenlifts der Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse. Einzelheiten könnten der Ehemann und die Ergotherapeutin D. bezeugen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. April 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Mai 2004 zu verpflichten, den Antrag vom Januar 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie entgegnet, die grundpflegerische Versorgung könne wie bisher vollständig im Erdgeschoss vorgenommen werden. Die von der Klägerin vorgebrachten Gesichtspunkte fielen nicht in den Aufgabenbereich der Solidargemeinschaft der Pflegeversicherung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat zutreffend entschieden, dass bereits die Rechtsvoraussetzungen für eine Ermessensausübung der Beklagten betreffend einen Zuschuss zum bereits erfolgten Einbau eines Treppenlifts nicht erfüllt sind.

Gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) können die Pflegekassen subsidiär - ein anderer in Betracht kommender Leistungsträger ist nicht ersichtlich - finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Die Höhe der Zuschüsse ist unter Berücksichtigung der Kosten der Maßnahme sowie eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit von dem Einkommen des Pflegebedürftigen zu bemessen (Satz 2). Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von EUR 2.557,00 je Maßnahme nicht übersteigen (Satz 3).

Durch den Treppenlift kann hier nicht das Ziel erreicht werden, dass die häusliche Pflege (erst) ermöglicht oder erheblich erleichtert wird. Die begehrte Maßnahme muss objektiv erforderlich sein, um die Pflege im häuslichen Umfeld überhaupt erst durchführen zu können oder zu einer erheblichen Erleichterung bei der Pflege zu führen (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-3300 § 40 Nr. 4). Zur Pflegebedürftigkeit gehört (vgl. § 14 Abs. 1 SGB XI), dass wegen der Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Maße Hilfebedürftigkeit besteht. Zu diesen "Verrichtungen" zählt aber, worauf Beklagte und SG im Ergebnis zu Recht hinweisen, nicht eine optimale Gestaltung der ergotherapeutischen und krankengymnastischen Betreuung, selbst wenn solches, wie hier, bei Ermöglichung des Zugangs in einen Kellerraum erreicht werden kann. Auch wenn der Tatbestand der Erleichterung der Pflege nicht auf die für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit maßgebenden Verrichtungen zu beschränken ist (vgl. BSG SozR 3-3300 § 40 Nrn. 1, 4 und 5; SozR 4-3300 § 40 Nr. 1), wird gefordert, dass die begehrte Maßnahme der Befriedigung "elementarer Bedürfnisse" dient (vgl. BSG SozR 4-3300 § 40 Nr. 1). Nachdem - wie im Verfahren mehrmals eingeführt - im Bett der Klägerin ein elektrischer Einlegerahmen angebracht ist, der die Übungen seit längerer Zeit ermöglicht und erleichtert, kann von einer elementaren Verbesserung der Gesamtsituation nicht gesprochen werden. Es ist mithin nicht nachgewiesen, dass Ergotherapie und Krankengymnastik nicht mit gleichem Erfolg auch im geräumigen Erdgeschoss durchgeführt werden können. Auf eine Beweisaufnahme, insbesondere Zeugenvernehmung, kommt es nicht an. Der in der zuletzt zitierten höchstrichterlichen Entscheidung günstig verbeschiedene Einbau eines Personenaufzugs ist, wie die Beklagte zu Recht einwendet, hierher nicht übertragbar. Dort ging es darum (ebenso BSG SozR 4-3300 § 15 Nr. 1), überhaupt erst die Wohnung verlassen zu können und auch in die Lage versetzt zu werden, den im Obergeschoss wohnenden Sohn nicht regelmäßig zu Hilfeleistungen herbeirufen zu müssen.

Ebenso wenig kann davon gesprochen werden, die begehrte Maßnahme lasse eine möglichst selbstständige Lebensführung wiederherstellen. Auch diesbezüglich ist es erforderlich, dass die Maßnahme der Befriedigung elementarer Bedürfnisse dient. Insoweit hat sich die Klägerin zusätzlich auf den Gesichtspunkt gestützt, die Erreichbarkeit des Kellerraums eröffne ihr außer der Erleichterung therapeutischer Übungen einen "Rückzugsort". Ihr steht die Familienwohnung im Erdgeschoß uneingeschränkt für alle notwendigen Pflegeleistungen und Übungen zur Verfügung. Sie kann die Wohnung auch ohne zusätzliche Hilfsmittel verlassen. Allein das Bedürfnis, einen Kellerraum aufsuchen zu können, vermag nicht als elementares Bedürfnis selbstständiger Lebensführung erkannt zu werden; dies würde letztlich auch bedeuten, dass Inhaber eines mehrstöckigen Hauses gegenüber Bewohnern einer Etagenwohnung seitens der Solidargemeinschaft begünstigt würden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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