L 4 KR 3780/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 445/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3780/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Ermittlung der Belastungsgrenze sind als Angehöriger auch die im Haushalt des Versicherten lebenden Kinder zu berücksichtigen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. August 2005 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, unter Abänderung des Bescheids vom 06. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2005 der Klägerin für im Jahr 2004 geleistete Zuzahlungen weitere EUR 109,44 zu erstatten. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin erstrebt Erstattung von Zuzahlungen zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2004.

Die am 1960 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie ist mit einem Beamten des gehobenen Dienstes verheiratet und die Mutter der gemeinsamen Kinder D. (geboren 1983), die nicht mehr im Haushalt lebt, sowie der noch im Haushalt lebenden R. (geboren 1986), S. (geboren 1988) und H. (geboren 1989). Ihr beihilfeberechtigter Ehemann und die vier gemeinsamen Kinder sind privat gegen Krankheit versichert. Die Klägerin ist an seit 1995 gesicherter Multipler Sklerose erkrankt und bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die sich seit 01. Juli 2003 auf EUR 607,50 brutto monatlich belief. Es ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 sowie eine außergewöhnliche Gehbehinderung festgestellt.

Am 03. August 2004 beantragte die Klägerin Befreiung von Zuzahlungen zur Krankenversicherung für das Jahr 2004. Sie legte das Einkommen des Ehemannes in Höhe von EUR 4.067,13 im Mai 2004 offen und machte geltend, die drei Kinder müssten mit einem Freibetrag von je EUR 3.648,00 berücksichtigt werden. Hieraus ergebe sich, dass der Eigenanteil von 1 v.H. der maßgeblichen Einnahmen (EUR 408,00) durch die 2004 angefallenen eigenen Aufwendungen (EUR 500,24) bereits um EUR 92,24 überschritten sei.

Die Beklagte erläuterte im Schreiben (Bescheid) vom 06. August 2004, beim anrechenbaren Einkommen von EUR 51.520,56 betrage die jährlich begrenzte Zuzahlung EUR 515,21. Werde diese Grenze während des laufenden Jahres um EUR 50,00 überschritten, könne eine Befreiung schon während des laufenden Jahres geprüft werden. Der Freibetrag für den Ehepartner belaufe sich auf EUR 4.347,00, während die Kinder nicht berücksichtigt werden könnten, weil diese nicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert seien. Bisher seien Zuzahlungen erst in Höhe von EUR 460,72 angefallen.

Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, es könne nicht richtig sein, dass zwar das Einkommen des Ehemannes in voller Höhe herangezogen werde, die Kinder aber nicht berücksichtigt würden. Der Begriff der Kinder gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) lehne sich ausdrücklich an das Einkommensteuergesetz (EStG) an; eine Familienversicherung dürfe nicht gefordert werden. Im Übrigen seien die Kinder Angehörige im Sinne von § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB V; in Satz 3 2. Halbsatz der Vorschrift sei vorgesehen, dass für Kinder eine Kürzung nach Satz 2 nicht zusätzlich möglich sei, um eine doppelte Entlastung zu verhindern. Die Kinder seien die mit ihr im Haushalt lebenden Angehörigen, die von ihr und dem Ehemann unterhalten würden. Bei fehlendem eigenen Einkommen müsse dann für die Kinder wenigstens der Freibetrag für Angehörige in Höhe von 10 v.H. von EUR 28.980,00, also drei mal EUR 2.898,00 berücksichtigt werden. Insgesamt hätten die Zuzahlungen im Jahr 2004 EUR 786,06 betragen (Schreiben vom 12. Januar 2005). Es erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2005. Zum 01. Januar 2004 seien leistungsrechtliche Gesetzesänderungen eingetreten. Die Spitzenverbände der Krankenkassen hätten in einem Gemeinsamen Rundschreiben vom 26. November 2003 niedergelegt, dass die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für jedes familienversicherte Kind um den Freibetrag nach EStG zu mindern seien. In der Niederschrift über die Besprechung der Spitzenverbände zum Leistungsrecht am 28./29. Juli 2004 sei diese Rechtsauffassung bestätigt worden. Sie sei bereits seit Inkrafttreten des SGB V 1989 unbeanstandet so angewandt worden.

Mit der am 16. Februar 2005 zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhobenen Klage verblieb die Klägerin dabei, die Beschränkung des Freibetrags auf familienversicherte Kinder könne nicht einleuchten. Zwischen der hier anzuwendenden Regelung und der Familienversicherung der Kinder sei kein Zusammenhang erkennbar. Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte den "vorläufigen Bescheid" vom 06. April 2005 vor, der für 2004 ein anrechenbares Einkommen in Höhe von EUR 56.729,30, hieraus errechnet eine Zuzahlung von EUR 523,82 und demgemäß bei tatsächlichen Zuzahlungen von EUR 740,84 einen Erstattungsbetrag von EUR 217,02 nannte. Sie habe sich mit der Klägerin verständigt, dass die Anrechnung von Ausgabenbelegen auf die Belastungsgrenze nicht Gegenstand des Rechtsstreits sei. Im Übrigen sei dabei zu verbleiben, dass die Beschränkung auf familienversicherte Kinder in langjähriger Praxis nicht - auch nicht von den zuständigen Ministerien - beanstandet worden sei. Durch Urteil vom 11. August 2005 gab das SG unter Aufhebung des Bescheides vom 06. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2005 und unter Abänderung des Bescheids vom 06. April 2005 der auf Erstattung von insgesamt EUR 362,94 gerichteten Klage statt. Zur Begründung legte es im Wesentlichen dar, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 19. Februar 2002 - B 1 KR 20/00 R - SozR 3-2500 § 62 Nr. 1), die auch für die ab 01. Januar 2004 geltende Fassung übernommen werden könne, sei der Begriff der Angehörigen nicht auf gesetzlich Versicherte beschränkt. Dem werde in der Kommentarliteratur zugestimmt. Soweit die Spitzenverbände bereits seit 1989 eine andere Auffassung vertreten hätten, sei dies mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren. Die Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 11/2237 S. 187) stelle auf den Gedanken der wirtschaftlichen Gemeinschaft von Personen ab. Demgemäß könnten auch die Altersgrenzen für die Familienversicherung nicht anzuwenden sein. Volljährige Kinder seien zu berücksichtigen, solange sie nach EStG und Kindergeldrecht begünstigt würden. Nach alledem ergebe sich bei einem Einkommen von EUR 56.729,30 (Klägerin und Ehemann) nach Abzug des Freibetrags für den Ehemann von EUR 4.347,00 ein maßgebliches Einkommen von EUR 52.382,30, von welchem viermal (auch für das auswärts in Ausbildung befindliche Kind D.) EUR 3.648,00, insgesamt EUR 14.592,00 abzuziehen seien. Beim verbleibenden Einkommen von EUR 37.790,30 ergebe sich (1 v.H.) eine Belastungsgrenze von EUR 377,90. Dies von den tatsächlich geleisteten Zuzahlungen von EUR 740,84 abgezogen führe zum Erstattungsbetrag von EUR 362,94. Hiervon seien im vorläufigen Bescheid vom 06. April 2005 bereits EUR 217,02 erstattet worden.

Gegen das am 18. August 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12. September 2005 beim Landessozialgericht (die vom Sozialgericht zugelassene) Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, im Gesetz sei der Begriff des Angehörigen nicht näher bestimmt. Selbst dann, wenn durch die üblichen Auslegungsmethoden ein eindeutiger Wortsinn festgestellt werden könne, müsse von diesem abgewichen werden, wenn der Gesetzeszweck (teleologisch) eine abweichende Auslegung gebiete. Mit der Rechtsmeinung der Klägerin und des Sozialgerichts würden Eltern und Kinder in häuslicher Gemeinschaft unabhängig von Alter und Versicherungsstatus immer als Familienverbund angesehen werden. Dies würde etwa bei Anträgen pflegebedürftiger Eltern dazu führen, dass das Einkommen der Kinder und deren Ehepartner berücksichtigt werden müsse. Dies führe offensichtlich zu Nachteilen. Ebenso würden Familien mit selbst versicherten behinderten Kindern erheblich mehr belastet werden. Dies wäre im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz verfassungsrechtlich fragwürdig. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage vom 31. Mai 1989 habe sich die Bundesregierung veranlasst gesehen, der Begriff Angehörige sei auf familienversicherte Kinder im Sinne von § 10 SGB V beschränkt. Das gelte auch im Falle der jetzt einbezogenen Kinder bei eingetragener Lebenspartnerschaft. Allein die Berücksichtigung von Kindern nach Kindergeld- und Einkommensteuerrecht liefere ebenfalls keine tragfähige Begründung für eine Einbeziehung weiterer Kinder. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung sei nicht erkennbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. August 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält entgegen, es sei gleichheitswidrig, Kinder, die sich privat versichern müssten, von der Begünstigung auszunehmen. Auch diese Kinder müssten aus dem Einkommen der Eltern unterhalten werden. Bekanntlich werde die Besoldung kinderreicher Beamtenfamilien ab drei Kindern in der jetzigen Höhe für verfassungswidrig gehalten. Es sei unverständlich, dass diese Kinder, die für teures Geld privat versichert werden müssten, nicht berücksichtigt werden könnten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die bei Nichterreichen eines Beschwerdewerts von EUR 500,00 (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) kraft Zulassung durch das SG (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache teilweise begründet. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass in Fällen wie vorliegend Kinder des Versicherten im Sinne von § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V nicht deshalb von der Berücksichtigung bei Ermittlung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen ausgenommen werden dürfen, weil sie wegen fehlender Mitgliedschaft des Ehegatten hier aufgrund Beamtenstatus - gemäß § 10 Abs. 3 SGB V nicht versichert sind. Allerdings hat das SG zu Unrecht für die nicht mehr im Haushalt lebende gemeinsame Tochter D. einen Freibetrag in Höhe von EUR 3.648,00 in Abzug gebracht. Demgemäß beträgt die Belastungsgrenze EUR 414,83, sodass sich gesamter Erstattungsbetrag in Höhe von EUR 326,46 statt 362,94, unter Berücksichtigung der bereits mit Bescheid vom 06. April 2005 erfolgten Erstattung ein noch zu zahlender Erstattungsbetrag von EUR 109,44 statt EUR 145,92 ergibt.

Nach § 62 Abs. 1 SGB V in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) haben Versicherte während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten (Satz 1). Die Belastungsgrenze beträgt 2 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt sie 1 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (Satz 2). Bei der Klägerin beträgt die Belastungsgrenze 1 v.H ... Denn wegen der Multiplen Sklerose befindet sich die Klägerin seit August 1995 in kontinuierlicher medizinischer Behandlung, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die aufgrund der Krankheit verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist (§ 2 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 SGB V in der Fassung vom 22. Januar 2004; Bundesanzeiger 2004, Nr. 18, S. 1343). Dies ergibt sich aus der ärztlichen Bescheinigung vom 11. August 2004, die die Klägerin der Beklagten vorlegte.

Die Ermittlung der Belastungsgrenze regelt § 62 Abs. 2 SGB V. Danach werden die Zuzahlungen und die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der mit dem Versicherten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des Lebenspartners jeweils zusammengerechnet (Satz 1). Hierbei sind die jährlichen Bruttoeinnahmen für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 vom Hundert und für jeden weiteren in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des Lebenspartners um 10 vom Hundert der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) zu vermindern (Satz 2). Für jedes Kind des Versicherten und des Lebenspartners sind die jährlichen Bruttoeinnahmen um den sich nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG ergebenden Betrag zu vermindern; die nach Satz 2 bei der Ermittlung der Belastungsgrenze vorgesehene Berücksichtigung entfällt (Satz 3). § 62 SGB V und auch das SGB V insgesamt definieren den Begriff des Angehörigen nicht. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind Angehörige jedenfalls der Ehegatte und die Kinder. Da es im vorliegenden Fall nur um die Berücksichtigung eines Ehegatten und von Kindern geht, braucht der Senat nicht zu entscheiden, wie weit der Begriff des Angehörigen im Sinne des § 62 Abs. 2 SGB V auszulegen ist. § 62 SGB V enthält in seinem Wortlaut keine Einschränkung, dass nur Angehörige zu berücksichtigen sind, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Wie das BSG bereits entschieden hat, geben Wortsinn und Zusammenhang für ein Verständnis des Begriffs "Angehöriger" im Sinne von "versicherter Angehöriger" nichts her (Urteil vom 19. Februar 2002 - B 1 KR 20/00 R - SozR 3 2500 § 62 Nr. 1). Obgleich diese - von der Beklagten als falsch angesehene - Entscheidung zu der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung des § 62 SGB V ergangen ist, kann sie auch für die seit 01. Januar 2004 geltende Fassung berücksichtigt werden. Denn in beiden Fassungen ist die Formulierung "in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten" unverändert. Deshalb vermag auch das Vorbringen der Beklagten, der Gesetzgeber habe trotz mehrfacher Novellierungen des § 62 SGB V auf eine weitere Konkretisierung des Begriffs Angehöriger verzichtet, weshalb von der Klarstellung in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage (Plenarprotokoll vom 31. Mai 1989 S. 10787) und der Auslegung der Spitzenverbände auszugehen sei, nicht durchzugreifen. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Änderung durch das GMG mit Wirkung ab 01. Januar 2004, die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblich ist, war das Urteil des BSG vom 19. Februar 2002 bekannt.

Auch der Normzweck der Regelung erfordert nicht die von der Beklagten vertretene Auslegung. § 62 SGB V soll die Versicherten vor einer Überforderung durch die von ihnen zu leistenden Zuzahlungen schützen. Wie bereits bei der bis 31. Dezember 2003 geltenden Regelung soll sich die Überforderungsklausel am Familieneinkommen orientieren. Für Kinder wird ein gesonderter Freibetrag eingeführt (Bundestags-Drucksache 15/1525, S. 95). Aus der Begründung ergibt sich nicht, dass für das Familieneinkommen nur die versicherten Angehörigen und insbesondere beim zusätzlichen Freibetrag für die Kinder nur versicherte Kinder zu berücksichtigen wären. Die Frage der Leistungsfähigkeit der Familie hängt auch nicht davon ab, wer welchen Versicherungsstatus hat, sondern von der Anzahl der in der Familie vorhandenen Kinder. Der Verweis auf die Bestimmungen des EStG lässt vielmehr den Schluss zu, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht und es sich - wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt hat - um eine Begünstigung mit Blick auf die nach Kindergeld- und Einkommensteuerrecht berücksichtigungsfähigen Kinder handelt.

Folgte man der Auffassung der Beklagten, Angehörige im Sinne des § 62 Abs. 2 SGB V seien nur familienversicherte Kinder, ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte dann Ehegatten, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, als Angehörige ansieht. Konsequenterweise müsste die Auslegung dann dahin gehen, dass Angehörige im Sinne des § 62 Abs. 2 SGB V tatsächlich nur die versicherten Angehörigen sind.

Ausgehend hiervon errechnet sich die Belastungsgrenze und der zu erstattende Betrag wie folgt:

Das Bruttoeinkommen der Klägerin und ihres Ehemanns betrug im Jahre 2004 EUR 56.729,30. Die drei noch im gemeinsamen Haushalt Kinder hatten im Jahre 2004 kein eigenes Einkommen. Hiervon sind zunächst für den Ehemann der Klägerin als ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen 15 vH der jährlichen Bezugsgröße abzuziehen, im Jahre 2004 mithin EUR 4.347,00. Für die weiteren Angehörigen sind 10 vH der jährlichen Bezugsgröße abzuziehen, im Jahre 2004 EUR 2.898,00. Allerdings enthält § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V hinsichtlich der Kinder eine Spezialregelung mit einem gesonderten Freibetrag für Kinder. Dieser Freibetrag tritt an die Stelle des nach Satz 2 abzuziehenden Betrages von 10 v.H. der Bezugsgröße für weitere Angehörige. Da Satz 2 nur für im Haushalt lebende Angehörige (Kinder) einen Abzug vom Einkommen vorsieht, kann der höhere Freibetrag für Kinder nach Satz 3 ebenfalls nur für die im Haushalt lebenden Kinder in Ansatz gebracht werden. Demgemäß kann im vorliegenden Fall nur für drei Kinder eine Verminderung des Einkommens erfolgen. Der Freibetrag je Kind beträgt bei den nach § 26b EStG zusammen veranlagten Ehegatten gemäß § 32 Abs. 6 Satz 2 EUR 3.648,00, für drei Kinder mithin EUR 10.944,00.

Es ergibt sich dann ein zu berücksichtigendes Einkommen von EUR 41.438,30. Die Belastungsgrenze beträgt mithin EUR 414,38 (1% von EUR 41.438,30).

Die Klägerin hat unstreitig Zuzahlungen in Höhe von EUR 740,84 geleistet. Sie hat demgemäß Anspruch auf Erstattung zu viel geleisteter Zuzahlungen in Höhe von EUR 326,46. Abzüglich des bereits mit dem Bescheid vom 06. April 2005 erstatteten Betrags in Höhe von EUR 217,02 ergibt sich dann ein noch zu erstattender Betrag von EUR 109,44.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte mit ihrer Rechtsauffassung zur Berücksichtigung der Kinder bei der Errechnung der Belastungsgrenze nicht durchgedrungen ist, erscheint es angemessen, dass sie die gesamten außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren trägt.

Gemäß dem Antrag der Beklagten hat der Senat nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen. Ein vergleichbarer Streit ist bisher nicht bekannt geworden.
Rechtskraft
Aus
Saved