L 4 P 3931/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 P 2893/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 3931/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Juli 2004 wird zurückgewiesen, die Klage wegen des Bescheids der Beklagten vom 08. August 2006 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind insgesamt nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Leistungen der sozialen Pflegeversicherung (PV) zustehen.

Die am 1987 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Bei ihr liegt eine geistige Retardierung vor. Sie besuchte ursprünglich einen Regelkindergarten und dann die Bodelschwingh-Schule in M ...

Am 01. Februar 2002 beantragte sie bei der Beklagten Leistungen der sozialen PV im Form von Pflegegeld. Die Pflegefachkraft B., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), untersuchte die Klägerin am 27. Februar 2002 im häuslichen Umfeld und führte in ihrem Gutachten vom 01. März 2002 zusammenfassend aus, bei der Klägerin liege neben der geistigen Retardierung eine Adipositas vor. Sie sei in gutem Allgemein- und Pflegezustand. Die Klägerin könne selbstständig vom Bett oder vom Stuhl aufstehen. Innerhalb und außerhalb der Wohnung bewege sie sich selbstständig. Auch der Transfer in die Dusche oder in die Badewanne sei möglich. Nacken- und Schürzengriff seien durchführbar. Der Händedruck sei kräftig. Die Feinmotorik der Hände sei erhalten. Im Stütz- und Bewegungsapparat seien keine Einschränkungen vorhanden. Zeitweise bestehe eine Dranginkontinenz, besonders nachts. Die Klägerin könne sprechen, wenn auch manchmal undeutlich. Das Sprachverständnis sei erheblich eingeschränkt. Sie könne weder lesen noch schreiben und höchstens bis zehn zählen. Motorische praktische Fähigkeiten seien nur gering ausgebildet. Ein Hilfebedarf bestehe im Bereich der Körperpflege bei der Teilwäsche des Unterkörpers, der Teilwäsche der Hände und des Gesichts, beim Baden und der Zahnpflege. Insgesamt erreiche der Pflegebedarf im Bereich der Körperpflege 25 Minuten täglich. Im Bereich der Ernährung sei Hilfe bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung notwendig. Hilfe bei der Aufnahme der Nahrung sei in Form der Anleitung erforderlich. Ein Hilfebedarf bestehe insoweit mit acht Minuten täglich. Im Bereich der Mobilität müsse der Klägerin beim An- und Entkleiden geholfen werden. Hier falle ein Pflegebedarf von fünf Minuten an. Ein Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (von 34 Minuten täglich) bestehe regelmäßig. Nicht zu berücksichtigen seien Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege, die in der Medikamentengabe und Einreibung bestünden sowie Zeiten für psychosoziale Betreuung und allgemeine Beaufsichtigung.

Mit Bescheid vom 05. März 2002 lehnte die Beklagte die beantragten Leistungen ab. Mit ihrem Widerspruch vom 21. März 2002 machte die Klägerin geltend, es seien nicht alle erforderlichen Hilfemaßnahmen erfasst worden. Die zeitliche Bewertung der einzelnen Maßnahmen falle zu gering aus.

Die Beklagte veranlasste eine erneute Begutachtung durch den MDK. Dr. L. führte in seinem Gutachten vom 20. Juni 2002, das auf einer Untersuchung der Klägerin im häuslichen Umfeld am 19. Juni 2002 basierte, aus, es liege eine deutliche Intelligenzminderung vor. Die Klägerin sei zeitlich nicht, örtlich aber gut orientiert. Sie verstehe Aufforderungen und könne eingeübte Handlungen durchführen. Sie sei teilweise eigenwillig und zeige teilweise kaum Einsicht in hygienische Notwendigkeiten. Zum Teil stehe sie Hilfeleistungen ablehnend gegenüber. Im Bereich der Körperpflege sei ein Hilfebedarf von 25 Minuten notwendig. Dieser bestehe vor allem bei Hilfen im Bereich der Teilwäsche, der Ganzkörperwäsche, der Zahnpflege, dem Wasserlassen und dem Stuhlgang, wobei sich die Klägerin überwiegend selbst waschen könne. Eine Erfolgskontrolle sei jedoch notwendig. Im Bereich der Ernährung müsse Nahrung mundgerecht zubereitet werden. Sie esse selbst, jedoch sei teilweise eine Kontrolle der Nahrungsmenge erforderlich. Der Hilfebedarf liege bei sechs Minuten täglich. Im Bereich der Mobilität sei Hilfe beim An- und Entkleiden mit täglich sechs Minuten nötig. Im Bereich der Grundpflege liege der erforderliche zeitliche Aufwand für die Pflegeperson bei 37 Minuten pro Tag.

Dem hielt die Klägerin entgegen, sie könne von ihrer Mutter nicht allein gelassen werden. Die Harninkontinenz habe sehr wohl Auswirkungen auf das Waschen und Ankleiden. Hilfe sei nicht nur bei der Ganzkörperwäsche erforderlich. Sie lehne Wasser ab. Ohne Übernahme der Ganzkörperwäsche, aber auch ohne Übernahme der Teilwäsche des Ober- und Unterkörpers, der Hände und des Gesichts durch die Mutter würde sie sich nicht waschen, duschen oder baden. Der Ansatz von drei Minuten für das mundgerechte Zubereiten der Mahlzeit sei nicht nachvollziehbar. Auch ein Ankleiden sei in vier Minuten nicht durchführbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09. Oktober 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie bezog sich auf die Feststellungen der beiden Gutachter des MDK.

Die Klägerin hat am 31. Oktober 2002 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben. Zur Begründung hat sie auf ihren Vortrag im Vorverfahren verwiesen und ergänzend ausgeführt, sie lehne es ab, sich zu waschen. Hierin sei ein erschwerender Umstand bei der Pflege zu berücksichtigen. Für eine Ganzkörperwäsche seien deshalb mindestens 20 Minuten anzusetzen. Auch bei der Teilwäsche beider Hände und des Gesichts sei ein zeitlicher Aufwand von mindestens zehn Minuten erforderlich. Das Richten der Bekleidung sei mit lediglich zwei Minuten bewertet. Dies sei bei Weitem zu wenig. Die Behauptung, sie verrichte diese Tätigkeiten in der Schule angeblich alleine, sei unrichtig.

Dem hat die Beklagte entgegengehalten, der tatsächliche Pflegeaufwand sei zutreffend ermittelt worden. Die einzelnen zeitlichen Bewertungen seien schlüssig und plausibel.

Das SG hat die examinierte Altenpflegerin und Pflegeberaterin Kö. zur gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Sie hat in ihrem Gutachten vom 05. Mai 2004 ausgeführt, im Bereich der Grundpflege sei ein Zeitaufwand von insgesamt täglich durchschnittlich 42 Minuten erforderlich. Dieser setze sich aus einem zeitlichen Aufwand für Pflege im Bereich der Körperpflege mit 27 Minuten, im Bereich der Ernährung mit sechs Minuten und im Bereich der Mobilität mit neun Minuten täglich zusammen. Hauswirtschaftliche Versorgung sei ebenfalls erforderlich. Die Klägerin hat eingewandt, die Annahmen der Sachverständigen insbesondere für die Bewertung der Hilfe bei den Mahlzeiten seien völlig unrealistisch. Die Nahrungsaufnahme dauere mindestens 30 Minuten täglich. Sie sei zwar regelmäßig in der Schule. Die Schule dauere jedoch nur an drei Tagen von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr, an zwei Tagen in der Woche dauere die Schule nur bis 12.00 Uhr und am Wochenende sei sie voll zu Hause. Deshalb seien für den Bereich der Mobilität wesentlich mehr als neun Minuten anzusetzen.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 27. Juli 2004, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. August 2004 zugestellt wurde, abgewiesen. Nach den Gutachten stehe fest, dass der erforderliche Grundpflegebedarf von täglich mehr als 45 Minuten nicht erreicht werde.

Mit der am 10. September 2004 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter. Die von den bisherigen Gutachtern erfassten Hilfeleistungen seien nicht vollständig. Die Zeitansätze seien viel zu gering. Sie leide an erheblichem Übergewicht und zeige eine Abwehrhaltung. Dies seien die Pflege erschwerende Umstände, die zu einer Verlängerung der erforderlichen Pflegezeiten führen würden. Sie sei teilweise inkontinent. Sie nässe vor allem nachts ein. Dies geschehe beinahe jede Nacht. Teilweise habe sie auch Durchfall. Das Tragen von Windeln lehne sie ab. Insbesondere in Zeiten der Menstruation sei sie mit der Hygiene völlig überfordert. Darüber hinaus sei seit Dezember 2005 eine Nierenerkrankung festgestellt worden. Zur Sicherung der Medikamtengabe sei sie deshalb mit einer Magensonde versehen. Sie müsse drei- bis viermal wöchentlich zur Dialyse von O., ihrem Wohnort, nach S. H. zur Dialysebehandlung fahren.

Parallel zum anhängigen Berufungsverfahren beantragte die Klägerin am 16. Mai 2006 bei der Beklagten erneut Leistungen der sozialen PV. Der Antrag wurde durch die Beklagte mit Bescheid vom 08. August 2006 abgelehnt, wobei sich die Beklagte zur Begründung auf ein weiteres Gutachten des MDK, das die Pflegefachkraft B. am 04. August 2006 aufgrund eines Hausbesuchs am 20. Juli 2006 erstattete, stützte. Die Pflegefachkraft B. kommt in diesem Gutachten zu dem Ergebnis, dass ein Zeitaufwand im Bereich der Körperpflege von 19 Minuten, im Bereich der Ernährung von drei Minuten und im Bereich der Mobilität von zwei Minuten täglich bestehe. Der Pflegebedarf habe sich gegenüber den letzten Untersuchungen sogar geringfügig verringert. Die Klägerin wendet gegen dieses Gutachten ein, erneut sei die Ermittlung des Pflegebedarfs völlig unzureichend gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Juli 2004, den Bescheid der Beklagten vom 05. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Oktober 2002 und den Bescheid vom 08. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ein monatliches Pflegegeld nach Pflegestufe I in Höhe von 205,- EUR ab 01. Februar 2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie die Klage wegen des Bescheids vom 08. August 2006 abzuweisen.

Sie hält unter Vorlage gutachterlicher Stellungnahmen des Dr. S. vom 19. Oktober 2004 und der Pflegefachkraft B. vom 27. September 2006 die angefochtene Entscheidung für richtig. Ein Pflegebedarf, der die Einstufung der Klägerin in die Pflegestufe I rechtfertigen könne, liege nicht vor. Die Klägerin sei weitgehend selbstständig. Sie sei in der Lage, eingeübte Handlungsweisen selbstständig mit geringem zeitlichen Aufwand an Anleitung auszuführen. Die Schwelle von 46 Minuten täglich im Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege werde nicht erreicht.

Der frühere Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung vom 12. Januar 2005 erörtert. Die Klägerin hat ein Attest des Dr. K., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 10. Januar 2005 vorgelegt. Beigezogen wurden Arztbriefe und Entlassungsberichte des Sonnenhofs, Heim und Schule für Menschen mit geistiger Behinderung, in S. H. vom 16. Januar 2005 sowie der Kinderfachklinik "S." der LVA Schleswig-Holstein vom 30. November 2001, in dem Prof. Dr. Ki. über einen stationären Aufenthalt im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme vom 29. August bis 26. September 2001 berichtet.

Der frühere Berichterstatter hat Auskünfte der Lehrerinnen F. und B. der Bodelschwingh-Schule M. eingeholt. Auf die Stellungnahmen der Frau F. vom 23. März und 28. März 2005 wird verwiesen. Auf Anforderungen des Berichterstatters wurden von der Beklagten Entlassungsberichte des Diakonie-Krankenhauses S. H. (stationärer Aufenthalt vom 15. bis 22. Februar 2006), sowie des Universitätsklinikums E. über stationäre Aufenthalte der Klägerin vom 22. Februar bis 11. März 2006 und vom 21. April bis 15. Mai 2006 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Senatsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 05. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Oktober 2002 und der Bescheid vom 08. August 2006, der gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens wurde.

II.

Die gemäß § 151 SGG zulässige, form- und fristgerechte Berufung gegen das Urteil des SG vom 27. Juli 2004 ist unbegründet. Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 08. August 2006 gerichtete Klage ist ebenfalls unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 205,- EUR nach der Pflegestufe I nicht zu.

Der Anspruch auf Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) setzt u.a. voraus, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Pflegesachleistung nach § 36 Abs. 1 SGB XI besteht. Erforderlich ist, dass der Pflegebedürftige in eine Pflegestufe einzuordnen ist. Die niedrigste Pflegestufe I setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI voraus, dass Pflegebedürftige bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung erforderlich sind. Nach § 15 Abs. 3 SGB XI muss in der Pflegestufe I der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt demnach ein Hilfebedarf beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung (Körperpflege), beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung (Ernährung) sowie beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Mobilität).

Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Sie ist nicht erheblich pflegebedürftig. Im Bereich der Grundpflege wird ein täglicher Pflegebedarf mit einem Zeitaufwand von mindestens 46 Minuten nicht erreicht. Die bei der Klägerin vorliegende Behinderung in Form einer geistigen Retardierung führt zwar zu Funktionseinschränkungen der Klägerin, die grundsätzlich eine Hilfe und Unterstützung bei den Verrichtungen des täglichen Lebens notwendig machen, jedoch ist der objektiv notwendige Hilfebedarf nicht so ausgeprägt, dass im Bereich der Grundpflege der erforderliche zeitliche Mindestaufwand erreicht wird.

Die Überzeugung des Senats stützt sich auf die schlüssigen Ergebnisse der verschiedenen Begutachtungen der Klägerin durch Pflegefachkräfte und Ärzte des MDK, deren Stellungnahmen der Senat urkundenbeweislich verwertet, und die vom SG beauftragte gerichtliche Sachverständige Kö ... Die Pflegefachkraft B., der Gutachter Dr. L. und die gerichtliche Sachverständige Kö. haben in ihren Gutachten vom 01. März 2002, 20. Juni 2002, 05. Mai 2004 und 04. August 2006 einen Hilfebedarf ermittelt, der unterhalb der Schwelle der erheblichen Pflegebedürftigkeit liegt. Alle Gutachter haben den Pflegebedarf nahezu übereinstimmend, mit nur geringen Abweichungen im Einzelnen, ermittelt. Danach liegt bei der Klägerin eine Behinderung in Form einer geistige Retardierung vor, die sich vor allem in einer Störung des Sprachvermögens, des Konzentrationsvermögens und der Fähigkeit, neue Informationen zu registrieren und zu verarbeiten zeigt. Diese Leistungseinschränkungen bedingen Hilfeleistungen, die ganz überwiegend in der Form der Anleitung und der Unterstützung erbracht werden müssen. Körperliche Funktionseinschränkungen liegen demgegenüber nicht - oder nur in ganz geringem Umfang - vor. Ausgehend von der Behinderung und den durch die Behinderung ausgelösten Funktionseinschränkungen ist deshalb ein Hilfebedarf vor allem bei der Körperpflege erforderlich. Dieser umfasst Hilfe bei der morgendlichen Ganzkörperwaschung sowie bei im Laufe des Tages anfallenden Teilwäschen des Ober- und Unterkörpers, des Gesichts und der Hände. Hilfebedarf ist deshalb auch erforderlich bei der Mundpflege und der Reinigung der Zähne sowie beim Kämmen. Da die Klägerin in der Lage ist, diese Verrichtungen nach Anleitung und gegebenenfalls nach Erfolgskontrolle selbstständig durchzuführen, ist ein Hilfebedarf, wie ihn die gerichtliche Sachverständige Kö. mit insgesamt 27 Minuten täglich ermittelte, nachvollziehbar und plausibel. Diese zeitliche Einschätzung entspricht dem durch die Behinderung der Klägerin zu erwartenden Hilfebedarf. Er stimmt im Übrigen mit den Zeitkorridoren der auf der Ermächtigung des § 17 SGB XI beruhenden Begutachtungs-Richtlinien überein, die als Konkretisierung des Gesetzes zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen zu beachten sind (BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 - B 3 P 7/97 R -, SozR 3-3300 § 15 Nr. 1). Im Bereich der Ernährung ist nach den Feststellungen der Gutachter die mundgerechte Zubereitung und Portionierung der Nahrung notwendig. Hierfür sind maximal drei Minuten täglich anzusetzen. Dieser Zeitansatz ist nicht - wie die Klägerin meint - völlig unrealistisch, erfasst doch das mundgerechte Zubereiten nur das im Vorfeld der Nahrungsaufnahme stehende Zurichten der Mahlzeit, das im Wesentlichen im Zerschneiden größerer Nahrungsstücke besteht. Ein höherer Zeitansatz ist entgegen der Auffassung der Klägerin insoweit kaum zu begründen. Im Bereich der Mobilität besteht nach den Feststellungen der Gutachter ein Hilfebedarf beim An- und Auskleiden sowie beim Herrichten der Bekleidung. Die Sachverständige Kö. hat hierfür täglich vier Minuten angesetzt, was in sich schlüssig und plausibel ist. Die Klägerin ist nach Anleitung nämlich durchaus in der Lage, sich selbst an- bzw. auszukleiden. Die Hilfeform besteht lediglich im Herrichten und Bereitlegen der Kleidung und gegebenenfalls einer Erfolgskontrolle. Auch diese Einschätzung entspricht einerseits den Zeitkorridoren der Begutachtungs-Richtlinien und dem durch die Behinderung der Klägerin ausgelösten Funktionsdefizit. Hinzuweisen ist insbesondere darauf, dass die Klägerin aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen nicht gehindert ist, sich an- und auszukleiden.

Der Senat brauchte sich nicht mit den zeitlich zum Teil unterschiedlichen Ansätzen der verschiedenen Gutachter auseinanderzusetzen, denn selbst das für die Klägerin günstigste Gutachten, nämlich das Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Kö. kommt im Ergebnis zu einem zeitlichen Pflegeaufwand im Bereich der Grundpflege von lediglich 42 Minuten. Ob die Sachverständige Kö. einzelne Positionen zu hoch bewertet hat, kann deshalb dahingestellt bleiben. Der ermittelte Zeitaufwand für Pflegemaßnahmen korrespondiert im Übrigen mit den aufgrund der Behinderung der Klägerin zu erwartenden Funktions- und Leistungseinschränkungen und den Ausführungen im Entlassungsbericht des Sonnenhofs und der Kinderfachklinik "S.". Aus dem Attest des Dr. K. ergibt sich nichts anderes. Er gibt zwar an, die Klägerin benötige bei fast allen Verrichtungen des täglichen Lebens intensive Anleitung und Beaufsichtigung. Eine nachvollziehbare Begründung für diese Einschätzung liefert er jedoch nicht. Seine pauschale Einschätzung widerspricht allen anderen medizinisch-pflegerischen Feststellungen und den Mitteilungen der Lehrerinnen. Sie ist nicht plausibel und deshalb ohne erheblichen Beweiswert.

Jedenfalls steht fest, dass ein höherer Pflegebedarf nicht vorliegt. Die Klägerin macht zwar geltend, es lägen die Pflege erschwerende Umstände vor, die einen Pflegeaufwand in wesentlich höherem zeitlichen Umfang erforderlich machen würden. Jedoch ist diese Argumentation nicht stichhaltig. Dass die Klägerin übergewichtig ist, wirkt sich auf den Pflegebedarf nicht aus. Die Pflege besteht nicht in der vollständigen Übernahme bestimmter Verrichtungen, sondern in erster Linie in der Anleitung, Beaufsichtigung und Erfolgskontrolle. In diesem Bereich wirkt sich ein Übergewicht im Gegensatz etwa zu einem bettlägerigen Pflegebedürftigen nicht aus. Dass die Klägerin wasserscheu ist und die körperliche Hygiene in großem Umfang ablehnt, mag durchaus zutreffen. Dieser Umstand führt allerdings erst dazu, dass überhaupt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege erforderlich ist. Auch insoweit ist es ausgeschlossen, dieses Abwehrverhalten, das eine Pflegebedürftigkeit erst begründet, noch weiter erschwerend zu berücksichtigen.

Dieser Einschätzung wird letztlich auch durch die Auskünfte der Lehrerinnen F. und B. von der Bodelschwingh-Schule bestätigt. Danach benötigte die Klägerin während ihrer bis Mai 2005 dauernden Besuche der Schule Hilfe, vor allem im Hinblick auf Anleitung und Überwachung im Bereich der Hygiene. Das An- und Auskleiden erfordert Aufsicht und Anleitung. Unabhängig davon war nach Angaben der Lehrerin B. die Klägerin allein in der Lage, zur Toilette zu gehen. Dass an Tagen der Menstruation die Klägerin speziell zur Hygiene im Intimbereich angeleitet werden muss, ist insoweit unerheblich. Es handelt sich dabei nicht um einen regelmäßig im Sinne der sozialen Pflegeversicherung auftretenden Hilfebedarf.

Auf den zeitlichen Pflegeaufwand wirkt sich schließlich auch nicht aus, dass die Klägerin mit einer Magensonde zur Sicherung der Medikation versorgt ist und jedenfalls seit Dezember 2005 wegen einer Nierenerkrankung dialysepflichtig ist. Die Gabe von Medikamenten und Dialysebehandlung stellen sich als Maßnahmen der Behandlungspflege an, die nicht dem Katalog der Grundpflegemaßnahmen zuzuordnen sind. Ein Hilfebedarf dabei, der sicherlich besteht, muss deshalb für die soziale Pflegeversicherung nicht berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 12. November 2003, B 3 P 5/02 R - SozR 4-3300 § 14 Nr. 3). Auch dass die Klägerin drei- bis viermal wöchentlich eine Dialysepraxis in S. H. aufsucht, begründet keinen höheren Pflegebedarf. Die Begleitung eines Pflegebedürftigen zu Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation kann zwar als Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen, also im Bereich der Mobilität, berücksichtigt werden, wenn die Maßnahme zur Behandlung einer Krankheit ärztlich verordnet worden ist und das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu diesem Zweck für die Aufrechterhaltung der Lebensführung unerlässlich ist (BSG, Urteil vom 28. Mai 2003, B 3 P 6/02 R). Erforderlich ist jedoch, dass eine Begleitung des Pflegebedürftigen zu der ärztlichen Behandlung notwendig ist. Hiervon kann nicht ausgegangen werden. Die Klägerin selbst macht eine solche Begleitung nicht geltend. Die Pflegefachkraft B. hat in ihrem letzten Gutachten vom 04. August 2006 mögliche Begleitzeiten deshalb zutreffend nicht berücksichtigt, weil die Klägerin die erforderliche Fahrt von ihrem Wohnort in O. nach S. H. allein mit dem Taxi ausführt. Eine Hilfeleistung fällt deshalb bei den Arztbesuchen zur Dialyse nicht an. Eine Erhöhung des Pflegeaufwands ab Dezember 2005 kommt deshalb auch unter Berücksichtigung der neu hinzu getretenen Nierenerkrankung nicht in Betracht.

Die Berufung gegen das Urteil des SG war deshalb zurückzuweisen. Die Klage wegen des Bescheids vom 08. August 2006 war abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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