L 7 SO 2994/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 5541/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2994/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die postalische Zusendung eines Sozialhilfeantrags.

Der am 1942 geborene Kläger betrieb in der Vergangenheit diverse (verwaltungs-) gerichtliche Rechtsstreitigkeiten wegen der Gewährung von Sozialhilfe.

Am 21. November 2005 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, mit welcher er die Verurteilung der Beklagten zur postalischen Zusendung eines Antragsformulars begehrt.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat dazu vorgetragen, der Kläger habe nicht um Zusendung eines Sozialhilfeantrags gebeten. Hierauf bestehe auch kein Anspruch. Der Kläger sei bereits früher darauf aufmerksam gemacht worden, dass Sozialhilfeanträge an der Pforte des Sozial- und Jugendamtes ausgegeben werden. Ihm sei zuzumuten, dort einen Sozialhilfeantrag abzuholen.

Mit Gerichtsbescheid vom 6. Juni 2006 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Klage sei abgesehen von ihrer zweifelhaften Zulässigkeit - möglicherweise sei die Klagerhebung als erster nachweisbarer Antrag auf Zusendung eines Sozialhilfeantrags und die Klageerwiderung vom 17. Januar 2006 als ablehnende Entscheidung, gegen die zunächst der Widerspruch statthaft wäre, anzusehen - jedenfalls nicht begründet. Eine Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren sei nicht ersichtlich. Ein Anspruch auf Zusendung eines Antragsformulars auf dem Postwege ließe sich allenfalls dann aus den allgemeinen Grundsätzen des Leistungsrechts (insbesondere § 17 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I)) herleiten, wenn dem Antragsteller die persönliche Abholung des Formulars aus besonderen Gründen, zum Beispiel gesundheitlicher Art, objektiv nicht zuzumuten ist. Hierfür seien jedoch vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Gegen den ihm durch Übergabe-Einschreiben zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Juni 2006 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt, mit welcher er vorbringt, das SG hätte nicht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden dürfen und habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Formular für einen Antrag auf Sozialleistungen auf dem Postwege zuzusenden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Vorbringen des Klägers im Schreiben vom 18. November 2006 gibt keine Veranlassung zur Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung auf einen anderen Zeitpunkt (vgl. § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 227 Zivilprozessordnung (ZPO)). Nach allgemeinen Grundsätzen ist bei Prozesserklärungen wie einem Verlegungsantrag - anders als bei materiell-rechtlichen Erklärungen (vgl. zu Letzteren z. B. Bundessozialgericht (BSG), BSGE 75, 92 , 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr. 10 m.w.N.) - die Auslegung der Erklärung in vollem Umfang zu überprüfen, also das wirklich Gewollte, das in der Äußerung erkennbar ist, zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2002 - B 11 AL 23/02 R - und Urteil vom 29. Mai 1980 - 9 RV 8/80 -; BSGE 21, 13 , 14 = SozR Nr. 5 zu § 156 SGG). Dabei ist nach dem in § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im öffentlichen Recht und im Prozessrecht gilt, bei der Auslegung von Erklärungen nicht am Wortlaut zu haften, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2002 - B 11 AL 23/02 R -). Hiervon ausgehend kann dem Inhalt des genannten Schreibens (". Womit Sie Ihren mündlichen Termin. doch einfach verschieben können ") weder hinreichend deutlich der Wille des Klägers entnommen werden, dass dieser die Verlegung der anberaumten mündlichen Verhandlung begehrt noch dessen Wille, hieran überhaupt teilnehmen zu wollen.

Der Senat kann trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung über die Sache verhandeln und entscheiden, da in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 153 Abs. 1, § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Hierbei kann dahinstehen, ob die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegte Berufung wegen Nichterreichung des Beschwerdewerts von 500,- Euro unstatthaft ist (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Denn die Berufung ist jedenfalls unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Wegen der Begründung verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG) und auf seine im Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen Beschlüsse vom 4. August 2006 (L 7 SO 2651/06 PKH-B und L 7 SO 3099/06 PKH-A). Zu einer weiter gehenden Begründung besteht auch deswegen keine Veranlassung, weil die Berufung sich nicht inhaltlich mit der angegriffenen Entscheidung des SG auseinandersetzt. Dieser kann allenfalls die Rüge entnommen werden, das SG hätte aufgrund einer mündlichen Verhandlung entscheiden müssen; indessen ermöglicht § 105 SGG unter den dort geregelten - und hier gegebenen - Voraussetzungen gerade eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Unter diesen Umständen gehen auch die Rügen, das SG habe seine Amtsermittlungspflicht aus § 103 SGG verletzt sowie einen Verfahrensfehler begangen, fehl.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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