L 11 KR 2491/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 499/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2491/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für eine stationäre Behandlung in einer Nichtvertragsklinik streitig.

Der 1939 geborene Kläger, der unter Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule litt und sich schon mehrere Jahre in Behandlung bei Dr. C. befindet, ist bei der Beklagten krankenversichert.

Mit Schreiben vom 08.08.2002 beantragte er die Übernahme der Kosten für eine Operation im Halswirbelsäulenbereich nach der Operationsmethode Bryan Cervical Disc Prothesis in der von Dr. C. betriebenen Klinik in S ... Er fügte einen Befundbericht des Dr. C. und eine Internetrecherche über die gewünschte Operationsmethode bei.

Die Beklagte wandte sich daraufhin zunächst an einen Arzt der Beratungshotline IKKmed, der mitteilte, dass jede große neurochirurgische Abteilung die Erkrankung des Klägers behandeln könne. Es handle sich hierbei um Standardverfahren.

Mit Bescheid vom 13.08.2002 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Jede große neurochirurgische Abteilung eines Krankenhauses sei bei den Befunden des Klägers in der Lage eine den Standards gemäße Operation durchzuführen. In Frage kämen u.a. die Uniklinik in T., die Orthopädische Klinik in M., das Klinikum in K.-L. und das Katharinenhospital in S ...

Im Rahmen des hiergegen erhobenen Widerspruchs wies der Kläger im wesentlichen darauf hin, dass er eine Wirbelsäulenversteifungsoperation nicht wünsche. Er halte die Prothesenversorgung, die Dr. C. durchführe, für besser.

Zwischen dem 30.09. und 06.10.2002 wurde der Kläger in der Privatklinik Dres. C. GmbH in S. stationär behandelt. Die Sequestrektomie und Discektomie HWK 6/7, Einsetzen einer Bryan Cervical Disc HWK 6/7 nach stereotaktischer Lagerbereitung wurde am 01.10.2002 durchgeführt. Hierfür wurden dem Kläger für die Anästhesieleistungen 2.397,96 EUR, für den Klinikaufenthalt 4.985,- EUR und für die Behandlung durch Dr. C. 6.109,52 EUR in Rechnung gestellt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Privatklinik Dr. C. in S. sei zur Krankenhausbehandlung nicht zugelassen. Für die ärztliche Behandlung bestehe keine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Mehrere Vertragskrankenhäuser seien in der Lage, eine nach vorliegendem Befund und Diagnose entsprechende Behandlung und Operation nach den Regeln der klinisch wissenschaftlichen Medizin durchzuführen, deren Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit als belegt gelten würden.

Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Er berief sich im wesentlichen darauf, dass die bei ihm durchgeführte Operation mit Hilfe einer Prothese, bei der die freie Beweglichkeit der Halswirbelsäule verbleibe, einer Versteifungsoperation wie sie in den Vertragskliniken durchgeführt werde und die geringere bleibende erfolgreiche Ergebnisse und eine längere Rekonvaleszenzphase bedingen würde, vorzuziehen sei. Diese Methode sei bereits in zahlreichen anderen Fällen erfolgreich durchgeführt worden. Sie müsse erstattet werden, weil diese Leistung in zugelassenen Kliniken nicht zur Verfügung stehe. Abgesehen davon sei ihm nicht mitgeteilt worden, dass die von ihm geplante und als weniger einschneidender Eingriff bevorzugte Operation in Vertragskrankenhäusern angeboten werde. Er habe davon ausgehen müssen, dass die Beklagte nicht in der Lage sei, die erforderliche Operation als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Im übrigen habe die Beklagte die Kosten früherer Behandlungen bei Dr. C. und auch die anschließenden Nachbehandlungen bei diesem Arzt bezahlt. Der Kläger fügte den Operationsbericht, ein Schreiben der Fa. M. GmbH, die den beim Kläger verwendeten Bandscheibenersatz herstellt, und ein Schreiben des Dr. C., der darauf hinweist, dass Bandschreibenprothesen bereits seit 14 Jahren implantiert würden und sich die Operationsmethode nicht mehr in einem Erprobungsstadium befinde, bei.

Die Beklagte äußerte sich hierzu unter Vorlage eines Gutachtens des Dr. S. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B.-W. (MDK) zunächst dahingehend, dass die Implantation von Bandscheibenprothesen im HWS-Bereich zur Zeit als Forschung zu betrachten sei. Eine operative Behandlungsmöglichkeit zur Reduzierung der Beschwerdesymptomatik sei wohnortnah in neurochirurgischen oder orthopädischen Universitätskliniken möglich.

Das SG holte eine Auskunft der Arbeitsgemeinschaft Koordinierungsausschuss, Ausschuss Krankenhaus in S., und der Deutschen Krankenhausgesellschaft in D. ein. Danach ist das Bryan Cervical DiscSystem vom Ausschuss Krankenhaus bislang nicht bewertet worden. Auch sei noch kein Antrag auf eine Beratung gestellt worden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft führte aus, dass sie als Bundesverband der Krankenhausträger keine Kenntnis über das Leistungsspektrum einzelner Krankenhäuser bzw. Behandlungsmethoden habe. Mit Fragen der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der angesprochenen Methode habe sie sich noch nicht befasst.

Anschließend hörte das SG Prof Dr. N., Orthopädische Universitätsklinik A ... Nach der von ihm erteilten Auskunft wurden in der Orthopädischen Universitätsklinik A. bisher nur Bandscheibenprothesen an der Lendenwirbelsäule eingesetzt. Informationen darüber, welche Kliniken in der Bundesrepublik die Prothese im Bereich der Halswirbelsäule einsetzen würden, lägen ihm nicht vor. Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule könnten auch durch versteifende Operationen mit gutem Erfolg behandelt werden.

Auf Anfrage übermittelte im Anschluss daran die Fa. Medtronic in D. eine Liste der von ihr belieferten Kliniken und ein TÜV-Zertifikat über die Prothese und führte aus, die Markteinführung der Bandscheibenprothese im Halswirbelsäulenbereich sei im Juni 2001 erfolgt. Seit diesem Zeitraum seien allein in Deutschland bis jetzt ca. 1.400 cervikale Bandscheibenprothesen mit guten klinischen Ergebnissen implantiert worden.

Die Beklagte äußerte sich hierzu dahingehend, dass im Klinikum M. und im Reha-Krankenhaus U. diese Operation als Vertragsleistung erbracht werde.

Mit Urteil vom 12.05.2004, den Kläger-Bevollmächtigten zugestellt am 15.06.2004, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, bei der von Dr. C. betriebenen Privatklinik handele es sich um kein zugelassenes Krankenhaus. Dr. C. habe nur eine Zulassung für die vertragsärztliche ambulante Versorgung. Damit könne ein Kostenerstattungsanspruch nur dann gegeben sein, wenn die Beklagte eine unaufschiebbare Leistung nicht hätte rechtzeitig erbringen können oder sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Beides sei hier nicht der Fall. Die vom Kläger konkret gewünschte operative Versorgung mit einer Bandscheibenprothese sei im übrigen auch in einem Vertragskrankenhaus wie z.B. in der Klinik in M. und im Reha-Krankenhaus in U., die in der von der Fa. Medtronic zugesandten Kundenliste genannt seien, möglich gewesen. Hierfür spreche auch der Internetauftritt der Orthopädischen Klinik M., wonach Bandscheibenprothesen im Bereich der Halswirbelsäule bereits seit Ende 2001 implantiert würden. Die Beklagte habe dem Kläger auch einen zumutbaren und gangbaren Weg, der geeignet gewesen sei, die Inanspruchnahme einer privat abzurechnenden Krankenhausbehandlung zu vermeiden, aufgezeigt.

Hiergegen richtet sich die am 16.06.2004 eingelegte Berufung des Klägers. Er ist weiter der Ansicht, dass die bei ihm konkret erforderliche Versorgung mit der Bandscheibenprothese im Halswirbelsäulenbereich in einem Vertragskrankenhaus im September 2002 noch nicht möglich gewesen sei. Er habe zu Recht davon ausgehen können, dass im Wege der Sachleistung ihm die notwendige Operation nicht in einem Vertragskrankenhaus zur Verfügung hätte gestellt werden können. Von der Beklagten sei er aus seiner Sicht nur darauf verwiesen worden, die bereits vorher bei orthopädischen Untersuchungen angeratene Versteifungsoperation durchführen zu lassen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Mai 2004 sowie den Bescheid vom 13. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der stationären Behandlung bei Dr. C. in der Zeit vom 30.09. bis 06.10.2002 zu erstatten, hilfsweise die in die Sitzung gestellten Zeugen H. und Ma. zu vernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, eine Kostenerstattung komme nicht in Betracht, da eine Behandlung dieser Krankheit durchaus von Vertragspartnern der gesetzlichen Krankenkassen hätte durchgeführt werden können.

Der Senat hat die Ärzte des Reha-Krankenhauses U., des Diakoniekrankenhauses in S. H., der Orthopädischen Klinik in M. und des Rehabilitationskrankenhauses U. gehört. Danach fand die erste Bandscheibenprothesenoperation im Bereich der Halswirbelsäule im Reha-Krankenhaus U. im Jahr 2003, im Diakoniekrankenhaus S. H. im Frühjahr 2003, in der Klinik M. im Dezember 2001 und im Bezirkskrankenhaus G. am 03.09.2003 statt. Bis Oktober 2002 wurden in der Orthopädischen Klinik in M. schätzungsweise 65 bis 70 Implantationen der Bryan-Prothese vorgenommen. Sie wurden als Regelleistungen über die Krankenkassen abgerechnet.

Die Praxis Dr. C. hat auf Anforderung die zwischen Dr. C. und dem Kläger geschlossene Vereinbarung über die privatärztliche, belegärztliche Behandlung vom 08.07.2004 und den Vertrag über die stationäre Behandlung vom 30.09.2002 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie den der erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.02.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihm anlässlich seines stationären Aufenthalts in der Privatklinik Dr. C. entstandenen Kosten.

Das SG hat unter Darlegung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen der als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht erfüllt sind. Der Kläger hat im Sinne der Regelung mit der Behandlung in der nicht zugelassenen Praxisklinik Dr. C. weder eine unaufschiebbare Leistung in Anspruch genommen, die die Beklagte nicht rechtzeitig hätte erbringen können, noch hat die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die entsprechenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren die Auffassung vertritt, die Uniklinik T., die Orthopädische Klinik M. und das Klinikum K.-L. sowie das Katharinenhospital in S., die von der Beklagten genannt worden seien, hätten zum damaligen Zeitpunkt bei der bei ihm bestehenden Diagnose die dann letztendlich von Dr. C. durchgeführte Operation nicht standardmäßig durchgeführt, ist dieser Vortrag durch die vom Senat eingeholte Auskunft in der Orthopädischen Klinik in M. widerlegt. Dort werden seit Dezember 2001 Bandscheibenprothesen an der Halswirbelsäule implantiert. Dabei wurde anfänglich nur die Prothese Bryan der Firma Medtronic verwendet. Bis Oktober 2002 wurden schätzungsweise 65 bis 70 Implantationen dieser Prothese vorgenommen. Die Operationen wurden als Regelleistungen über die Krankenkassen abgerechnet. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass die vom Kläger gewünschte Bandscheibenprothese nach Bryan im September 2002 in einem Vertragskrankenhaus hätte implantiert werden können. Das Krankenhaus ist von der Beklagten auch bereits im Bescheid vom 13.08.2002 genannt worden.

Im übrigen scheitert der Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung schon daran, dass es an der notwendigen Kausalität zwischen der Ablehnung durch die Beklagte und der Kostenlast des Versicherten mangelt (BSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 18/01 R). Der Kläger war als er sich mit der Beklagten mit Schreiben vom 08.08.2002 ins Benehmen setzte, zur Durchführung der Operation bereits entschlossen. Der entsprechende Behandlungsvertrag datiert vom 08.07.2002. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Beachtung des Hinweises des Klägers, er habe sich bereits vorher telefonisch an die Beklagte gewandt. Auch wenn dem so gewesen sein sollte, hat er auf jeden Fall den Vertrag mit Dr. C. vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten am 13.08.2002 abgeschlossen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Ablehnung und der Kostenerstattung besteht deshalb nicht, weshalb auch die vom Kläger benannten Zeugen nicht zu vernehmen waren.

Ein Anspruch kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels in Betracht. Für einen Versorgungsnotstand, der es rechtfertigen würde, die Beklagte zur Erstattung der Behandlungskosten in einer Nichtvertragsklinik zu verpflichten, besteht insbesondere nach der in der Orthopädischen Klinik in M. eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft kein Anhalt.

Die geltend gemachte Kostenerstattung kann der Kläger auch nicht aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V herleiten. Die von ihm in Anspruch genommene Leistung gehörte von vorneherein nicht zu den Leistungen, die die gesetzlichen Krankenkassen zu gewähren haben und damit am Wirtschaftlichkeitsgebot zu messen sind. Auch der Umstand, dass die Beklagte an sich verpflichtet gewesen wäre, dem Kläger bei Bedarf eine entsprechende Operation in einer Vertragseinrichtung zur Verfügung zu stellen, begründet keinen Anspruch auf Erstattung der nunmehr geltend gemachten Kosten. Der Kläger hat sich aus freien Stücken außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung begeben. Dies hat er auch gewusst. Für derartige Behandlungen hat die Krankenkasse selbst dann nicht einzustehen, wenn hierdurch keine höheren Kosten als im Rahmen des gesetzlichen Leistungssystems entstanden sind.

Soweit der Kläger sich schließlich darauf beruft, die Beklagte habe im Grunde einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass sie die im Vorfeld angefallenen Kosten der ambulanten Behandlung bei Dr. C. übernommen habe, lässt sich hieraus keine andere rechtliche Beurteilung ableiten. Dr. C. besitzt die Zulassung für die ambulante Behandlung. Die von ihm betriebene Klinik Dr. C. ist demgegenüber jedoch nicht zugelassen. Diese Unterscheidung war dem Kläger auch bekannt, weshalb aus der Tatsache, dass die Kosten der ambulanten Behandlung übernommen werden, nicht darauf geschlossen werden kann, dass dies auch im Hinblick auf die Kosten der stationären Behandlung gilt.

Da das SG nach alledem die Klage zu Recht abgewiesen hat, konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Saved