L 2 R 933/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 R 5531/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 933/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 19. Juli 1949 geborene Kläger, bei dem seit November 1999 der Grad der Behinderung 50 beträgt, ist griechischer Staatsangehöriger. In Griechenland wurde er als Zahntechniker angelernt und war auch in diesem Beruf tätig. Im August 1973 siedelte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland über. Er war von August 1973 bis Februar 1974 in einer Metallfabrik als Maschinenbediener, danach bis Mai 1976 als Arbeiter in einer Lackfabrik und anschließend bis April 1983 in einer Gießerei als Maschinenarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Danach war er bis Februar 1991 als Gastwirt selbstständig tätig; in der Zeit von Januar 1985 bis Februar 1991 zahlte er freiwillige Beiträge. Ab März 1991 war der Kläger als Kellner versicherungspflichtig beschäftigt, zuerst beim Hausbesitzer, dann bei seiner Frau und zwar bis zur Aufgabe der Gaststätte im Mai 1998. Anschließend war der Kläger arbeitsunfähig und erhielt Sozialleistungen bzw. Leistungen der Bundesagentur für Arbeit.

Am 3. Mai 2001 stellte der Kläger bei der Beklagten mit Formblatt R 100 Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Aktenkundig war ein Gutachten des Chirurgen Dr. G. - erstattet im Rahmen eines Reha-Antrags - vom 8. November 2000. Der Gutachter gelangte zu der Auffassung, dem Kläger seien leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (kein langes Stehen, häufiges Bücken, dauernde Überkopfarbeit) vollschichtig zumutbar; als Kellner sei er nur noch in unter 2-stündigem Umfang einsetzbar. Ferner lag noch das Ärztliche Gutachten der Orthopädin Dr. G. vom 2. Mai 2001 vor, die die Auffassung äußerte, auf Grund der (heutigen) klinischen Untersuchung halte sie den Kläger für nicht mehr in der Lage, auch nur leichte Tätigkeiten unter halbschichtig auszuüben. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17. Mai 2001 den Rentenantrag ab. Im Widerspruchsverfahren übersandte der Kläger ein Gutachten des MDK Baden-Württemberg, nach dem der Kläger weiter arbeitsunfähig sei; es liege eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vor. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. W. vom 18. Juli 2001 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2001 den Widerspruch zurück.

Am 30. Oktober 2001 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das SG hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte M., Dr. H., Dr. G. sowie eine Aussage des Dr. S. - der in einem Verfahren des Klägers gegen die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel- und Gaststätten ein Gutachten erstattet hat - sowie orthopädische Gutachten der Dres. A. und Prof. W. - letzteres nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - sowie ein neurochirurgisches Gutachten des Prof. Dr. H. - ebenfalls nach § 109 SGG - eingeholt. Facharzt für Allgemeinmedizin M. hat unter dem 5. Juni 2002 ausgeführt, dass der Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bis 2 Stunden verrichten könne. Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. hat unter dem 10. Juni 2002 angegeben, das maßgebliche Leiden für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit liege auf orthopädischem Gebiet. Das Restless-leg-Syndrom (RLS) werde behandelt und wirke sich auf die Tätigkeit als Kellner nicht aus. Die Orthopädin Dr. G. (Aussage vom 21. August 2002) hat ausgeführt, wegen gehäuft auftretender Schmerzzustände und damit verbundener vegetativer und funktioneller Störungen käme es zu gehäuften Krankheitszeiten, weshalb einer regelmäßigen - auch leichten und nur unter halbschichtigen - Tätigkeit nicht nachgegangen werden könne. Während Dres. A. und Prof. W. eine vollschichtige Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen attestiert haben, hat Prof. Dr. H. ausgeführt, eine leichte Tätigkeit könne mindestens 4 bis 6 Stunden verrichtet werden, wobei Arbeitspausen erforderlich seien, die nicht einschätzbar seien; der Kläger sei nicht mehr in der Lage täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 m innerhalb von jeweils 20 Minuten zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Der im Anschluss hieran befragte Internist Dr. Schumacher hat ausgesagt, wegen nachvollziehbarer Schmerzen könne der Kläger nur etwa 4 bis 5 Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Im Übrigen hat der Kläger noch verschiedene Arztberichte und die Beklagte beratungsärztliche Stellungnahmen vorgelegt. Mit Urteil vom 25. Oktober 2005, dem Kläger am 30. Januar 2006 zugestellt, hat das SG die Klage abgewiesen und sich hierbei auf die Gutachten der Dres. A. und Prof. W. gestützt.

Am 23. Februar 2006 hat der Kläger hiergegen Berufung eingelegt und an seinem Begehren festgehalten. Zu dem vom Senat eingeholten Gutachten des Prof. Dr. B. hat er vorgetragen, dem Gutachten könne nicht gefolgt werden, und Berichte des medizinischen Versorgungszentrums S. Klinik vom 24. und 26. Oktober und 15. November 2006 sowie handschriftliche Kurzbefunde der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. A., K. und Kollegen vom 18. und 20. Oktober 2006 vorgelegt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Mai 2001 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Prof. Dr. B. vom 7. Juli 2006; danach kann der Kläger leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten; zu vermeiden sind häufiges Sich-Bücken, -Drehen und -Wenden, Zwangshaltungen, Arbeiten über Kopf und in Kälte und Nässe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Akten des SG S 17 AS 3273/05, S 1 U 4818/03, S 18 RJ 447/02 und S 19 R 5531/01, auf die beigezogene Verwaltungsakte der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel- und Gaststätten sowie auf die Prozessakte des LSG Baden-Württemberg verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die statthafte (§ 143, § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) sowie frist- und formgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Streitgegenstand des Verfahrens ist der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Zwar hat der Kläger noch die nach dem Recht vor 1. Januar 2001 bestehende Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit beantragt; der verwendete Vordruck enthielt jedoch gar keine Möglichkeit, die im Mai 2001 nur noch in Betracht kommende Erwerbsminderungsrente zu beantragen, so dass das Begehren entsprechend auszulegen ist (s. hierzu BSG, Urteil vom 23. Mai 2006, B 13 RJ 38/05 R), was die Beklagte bereits im angefochtenen Bescheid zutreffend erkannt hat.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Rentenanspruch hat das SG im Wesentlichen in dem angefochtenen Urteil zutreffend zitiert; insoweit wird ergänzend auf die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VI hingewiesen, die ausweislich des angefochtenen Bescheids jedoch erfüllt sind. Das SG hat ferner den medizinischen Sachverhalt durch schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte sowie durch Einholung zweier orthopädischer Gutachten erschöpfend geklärt und das Beweisergebnis - auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Mehrstufen-Schema - rechtsfehlerfrei gewürdigt. Der Senat sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend bleibt anzufügen, dass auch die vom Senat durchgeführten Ermittlungen keine für den Kläger positive Entscheidung begründen können. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liegen keine Gesundheitsstörungen vor, die eine quantitative Leistungseinschränkung zu Folge haben. Der Kläger leidet unter einem Wirbelsäulensyndrom (nach operativer Korrektur; auch dem orthopädischem Fachgebiet zuzuordnen) ohne aktuelle Nervenwurzelreizsymptome und ohne auf die Wirbelsäule beziehbare segmentale sensible bzw. motorische neurologische Defizite, unter einem anamnestisch ableitbaren RLS sowie unter einer Dysthymie. Eine klinisch relevante psychiatrische Erkrankung jedweder Genese konnte Prof. Dr. B. in seinem schlüssig und nachvollziehbaren Gutachten vom 7. Juli 2006 ausschließen. Entgegen Prof. Dr. H. hat auch Prof. Dr. B. keine Einschränkung der Gehfähigkeit feststellen können. Beim Barfußgang bzw. beim Gang im freien Gelände hat der Kläger zwar ein Schonhinken links demonstriert, nicht jedoch im Rahmen des Unterberger-Tretversuchs, so dass von einer bewusstseinsnahen Zweckreaktion auszugehen ist, da beim Kläger weder Paresen noch gravierende Funktionseinschränkungen der Gelenkbeweglichkeit im Bereich der unteren Extremitäten - auch nicht nach einer Belastungsuntersuchung zum Teil im freien Gelände über insgesamt ca. 400 m Wegstrecke und unter Einschluss von mehreren Treppen - bestanden haben, die das demonstrierte Schonhinken bedingen könnten. Auch unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Berichte, insbesondere denen des medizinischen Versorgungszentrums S., ergibt sich keine andere Beurteilung; aus der dort aufgezeigten Behandlungsindikation der Kniegelenke mittels mittlerweile durchgeführter operativer Arthroskopie sowie der H- und LWS mittels Krankengymnastik bzw. Infiltrationstherapie mit PDI, sind rentenrelevante Einschränkungen nicht ableitbar. Aus den - kaum lesbaren - handschriftlichen Kurzbefunden der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. A., K. und Kollegen resultieren ebenfalls keine zusätzlichen Erkenntnisse.

Im Hinblick auf die Ausführungen des SG zu § 240 SGB VI bleibt lediglich hinzuzufügen, dass auch die in Griechenland ausgeübte Beschäftigung als angelernter Zahntechniker keinen Berufsschutz zu begründen vermag, weil sich der Kläger von dieser Tätigkeit gelöst hat, ohne dass hierfür gesundheitliche Gründe maßgebend gewesen wären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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