L 7 AL 3249/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 3688/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 3249/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger bezog vom 16. September 2002 bis zum 15. Juni 2004 Unterhaltsgeld sowie ab dem 17. Juni 2004 Arbeitslosenhilfe.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe in der Zeit vom 1. Oktober 2004 bis einschließlich 21. Oktober 2004 wegen mangelnder Erreichbarkeit des Klägers auf. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde am 27. April 2005 abgesandt.

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Unterhaltsgeld sowie Arbeitslosenhilfe ab dem 4. April 2002 aufgrund eines nicht mitgeteilten Lohnsteuerklassenwechsels teilweise auf und verfügte die Erstattung von Arbeitslosenhilfe i.H.v. 1183,05 EUR sowie von Unterhaltsgeld in Höhe von 5341,68 EUR. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 26. April 2005 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde am 27. April 2005 abgesandt.

Gegen einen weiteren Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 12. Juli 2004 erhob der Kläger am 12. August 2004 Widerspruch unter Vorlage eines ärztlichen Attests mit der Begründung, er habe wegen Krankheit in der betreffenden Zeit kein Vorstellungsgespräch wahrnehmen können. Am 10. Mai 2005 erließ die Beklagte diesbezüglich einen Abhilfebescheid folgenden Inhalts: "nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund Ihres Widerspruchs vom 12.08.2004 hebe ich den Bescheid vom 12.07.2004 hiermit auf. Dem Widerspruch wird damit auf dem Verwaltungswege in vollem Umfang entsprochen."

Am 21. Juni 2005 hat der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, gegen den Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und am 27. Januar 2006 wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt mit der Begründung, aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 10. Mai 2005 sei er davon ausgegangen, dass seinem Widerspruch abgeholfen wurde und eine Klageerhebung deshalb nicht mehr erforderlich sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 24. Mai 2006 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Klage sei nicht innerhalb der einmonatigen Klagefrist erhoben worden. Nach § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben. Die angegriffenen Widerspruchsbescheide enthielten beide eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung. Die Klagefrist nach § 87 SGG beginne mit der Bekanntgabe gem. 85 Abs. 3 SGG i.V.m § 37 Abs. 2 S. l Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 37 Abs. 2 S. l SGB X gelte ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Laut den Absendevermerken der Beklagten seien die Widerspruchsbescheide am 27. April 2005 zur Post gegeben worden und würden damit gem. § 37 Abs. 2 S. l SGB X als am 30. April 2005 bekannt gegeben gelten. Die Klagefrist habe somit gem. § 87 Abs. l SGG am 30. Mai 2005 geendet. Die am 21. Juni 2005 erhobene Klage sei daher verfristet. Dem Kläger sei auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Diese setze nach § 67 Abs. l SGG voraus, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert gewesen sei, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Dies sei aber nicht der Fall. Der Kläger habe geltend gemacht, dass er aufgrund des Abhilfebescheids vom 10. Mai 2005 davon ausgegangen sei, dass eine Klageerhebung entbehrlich sei. Dieser Irrtum sei jedoch nach Ansicht des Gerichts verschuldet. Bei einem Rechtsirrtum liege nur ausnahmsweise kein Verschulden vor, wenn der Irrtum auch bei sorgfältiger Prüfung nicht vermeidbar gewesen sei (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG 8. Auflage 2005, § 67 Rdnr. 8a). Der Irrtum des Klägers wäre jedoch schon aufgrund einfachster Überlegungen vermeidbar gewesen. Der Abhilfebescheid vom 10. Mai 2005 beziehe sich nach seinem eindeutigen Wortlaut auf den Widerspruch vom 12. August 2004 gegen den Bescheid vom 12. Juli 2004. Zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung am 12. August 2004 seien die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Bescheide vom 19. Oktober 2004 und vom 26. Oktober 2004 noch gar nicht erlassen gewesen. Insofern hätte der Kläger aufgrund der unterschiedlichen Bescheiddaten und dem Datum der Widerspruchseinlegung unproblematisch erkennen können, dass zwischen dem Abhilfebescheid vom 10. Mai 2005 und den hier streitgegenständlichen Bescheiden kein Zusammenhang bestehe. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme aufgrund des Verschuldens des Klägers nicht in Betracht. Der Gerichtsbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 29. Mai 2006 zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 27. Juni 2006 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung, mit welcher der Kläger sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt hat.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2006 aufzuheben, ihm wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und den Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den ergangenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend.

Der Senat hat am 30. November 2006 durch den Berichterstatter mündlich zur Sache verhandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle des Senats entscheiden (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG).

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,- Euro überschreitet (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist aber unbegründet.

Das SG hat die Klage zutreffend als unzulässig, weil verfristet abgewiesen. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG), weshalb das erkennende Gericht von einer weiter gehenden Darstellung absehen kann. Ergänzend ist (lediglich) darauf hinzuweisen, dass auch das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht geeignet ist, eine schuldlose Versäumung der Klagefrist glaubhaft zu machen (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies gilt zum einen für das Vorbringen, der Leiter des Arbeitsamts habe ihm bei einem Besuch im Mai 2005 gesagt, er solle Widerspruch einlegen, dann werde alles geregelt; ein Anwalt koste nur Geld. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen neu und durch nichts belegt ist, lässt sich diesem auch nicht ansatzweise ein substantiierter, auf die streitgegenständlichen Bescheide vom 19. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2005 und vom 26. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 bezogener Vortrag entnehmen, wonach beim Kläger ein irgendwie gearteter Vertrauenstatbestand in der Weise geschaffen worden wäre, dass er gegen die ergangenen (Widerspruchs-) Bescheide nicht innerhalb der - zu diesem Zeitpunkt laufenden - Monatsfrist das gebotene Rechtsmittel der Klage zu erheben brauchte. Von daher besteht für das Gericht keine Veranlassung für weitere diesbezügliche Ermittlungen. Nicht geeignet zur Glaubhaftmachung einer schuldlosen Fristversäumnis ist auch das vorgelegte Schreiben des Klägers vom 25. Mai 2005 an die Agentur für Arbeit Göppingen. Dessen Inhalt (". Hiermit lege ich erneut Widerspruch ein. Ich werde die Sache an das Sozialgericht Stuttgart. weiter leiten.") lässt schon nicht erkennen, wogegen sich der Kläger konkret wendet. Selbst wenn man jedoch zugrunde legt, dass sich das genannte Schreiben auf die Widerspruchsbescheide vom 26. und 27. April 2005 bezog, so folgt daraus keine Glaubhaftmachung schuldloser Fristversäumnis. Im Gegenteil verdeutlicht dieses Schreiben, dass der Kläger selbst offenbar noch am 25. Mai 2005 - also innerhalb der noch offenen Klagefrist - Veranlassung sah und bekundete, um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen. Dass er dies erst verspätet tat, muss er sich zurechnen lassen und begründet keine schuldlose Fristversäumnis.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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