Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SO 3827/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3130/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Kindergeld bei der Bedarfsberechnung für die dem Kläger zustehenden Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII); im vorliegenden (Berufungs-) Verfahren L 7 SO 3130/06 ist die Berücksichtigung im Zeitraum Dezember 2004 - Januar 2005 im Streit, im Verfahren L 7 SO 3131/06 der Bewilligungszeitraum von Februar 2005 bis Juli 2006.
Der am 1934 geborene Kläger und seine Familie reisten im Jahre 1994 aus der Ukraine in das Bundesgebiet ein, wo sie im Besitz unbefristeter Aufenthaltserlaubnisse sind. Der Kläger bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII, seine am 1981 geborene Tochter D. S. studiert in N. und unterhält dort einen eigenen Hausstand.
Durch Bescheid der Beklagten vom 4. März 2005 wurden die Grundsicherungsleistungen an den Kläger für den Zeitraum Dezember 2004 bis Januar 2005 sowie ab Februar 2005 neu festgesetzt. Dabei wurde das Kindergeld für die Tochter D. in Höhe von 154,- Euro monatlich dem Kläger jeweils als Einkommen zugerechnet. Dagegen erhob der Kläger am 1. April 2006 Widerspruch mit der Begründung, das Kindergeld für die in N. studierende Tochter stehe dieser zu und dürfe nicht als sein Einkommen gerechnet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, das Kindergeld sei nach § 82 SGB XII als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen. § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII betreffe lediglich minderjährige Kinder, die Tochter des Klägers sei jedoch volljährig. Nach den Sozialhilferichtlinien zu § 82 SGB XII sei in diesem Falle Kindergeld Einkommen des Kindes, soweit es von den Kindergeldberechtigten nachweislich durch einen besonderen Zuwendungsakt an dieses weitergegeben werde. Durch einen solchen Zuwendungsakt dürfe der Kindergeldberechtigte allerdings nicht seine Leistungsberechtigung und die weiterer unterhaltsberechtigter Angehöriger herbeiführen oder erhöhen. Das Kindergeld sei als Einkommen des Klägers anzusehen, da ansonsten dessen eigene Leistungsberechtigung erhöht würde und der Grundsicherungsträger höhere Leistungen auszahlen müsste.
Durch Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2005 wurden die Grundsicherungsleistungen des Klägers für den Zeitraum ab Februar 2005 neu festgesetzt. Dabei wurde das Kindergeld für die Tochter D. in Höhe von 154,- Euro monatlich wiederum als Einkommen des Klägers angerechnet. Dagegen erhob der Kläger am 25. August 2005 sinngemäß Widerspruch und wandte sich (unter Anderem) erneut gegen die Anrechnung des Kindergeldes. Zur weiteren Begründung legte er Girokontoauszüge vor, aus denen sich ergibt, dass das Kindergeld letztmals im November 2004 auf sein Konto geflossen war.
Durch Bescheid der Beklagten vom 8. August 2005 wurden die Grundsicherungsleistungen des Klägers ab August 2005 bis auf Weiteres - wiederum unter Anrechnung des Kindergeldes - auf monatlich 665,56 Euro festgesetzt. In dem Bescheid ist vermerkt, dass bezüglich der Kindergeldleistungen das Widerspruchsverfahren abzuwarten bleibe. Durch Bescheid vom 8. September 2005 wurde der Bescheid vom 8. August 2005 dahin gehend korrigiert, dass der monatliche Betrag der Grundsicherungsleistungen ab dem 1. August 2005 bis auf Weiteres auf 701,84 Euro festgesetzt wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2005 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Juli 2005 zurück
Aus einer Telefongesprächsnotiz vom 1. Februar 2006 (Bl. 395 d. A.) ergibt sich, dass nach Angaben der Familienkasse des Arbeitsamts Freiburg, von wo das Kindergeld seit Dezember 2004 direkt auf das Konto der Tochter D. bei ihrer Bank in N. überwiesen wird, dort bis zu diesem Zeitpunkt kein Abzweigungsantrag nach § 74 EStG gestellt worden war. Der Kindergeldberechtigte habe lediglich die Änderung der Kontonummer mitgeteilt; die Familienkasse interessiere nicht, wer Kontoinhaber sei.
Am 16. September 2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2005 (S 8 SO 3827/05). Am 2. November 2005 hat der Kläger auch gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2005 Klage erhoben (S 8 SO 4558/05). Zur Begründung hat er jeweils (unter Anderem) die Anrechnung des Kindergeldes bei der Bedarfsberechnung beanstandet, die auch im Übrigen nicht nachvollziehbar sei. Die Tochter des Klägers erhalte das Kindergeld direkt von der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit in Freiburg ausbezahlt. Es entspreche nicht dem Zweck des Gesetzes, dass bei der Bedarfsberechnung Einkünfte angerechnet würden, die den Leistungsberechtigten tatsächlich nicht zur Verfügung stünden. Dies sei mittlerweile bestätigt durch die Bestimmung des § 1 Nr. 8 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-Verordnung) vom 20. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2622).
Nach Durchführung von Erörterungsterminen am 1. Februar 2006 hat das SG die in beiden Verfahren angegriffenen Bescheide durch Gerichtsbescheide vom 19. Mai 2006 abgeändert und die Beklagte verurteilt, das Kindergeld in Höhe von 154,- Euro für die in N. lebende Tochter des Klägers bei der Bedarfsberechnung nicht zu berücksichtigen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das Kindergeld sei sozialhilferechtlich anrechenbares Einkommen nach § 82 SGB XII. Berechtigter des Kindergeldes sei grundsätzlich ein Elternteil des Kindes. Daher sei nach der Rechtsprechung Kindergeld Einkommen des Elternteils, an den es ausgezahlt werde. Nach § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sei beim minderjährigen Kind das Kindergeld diesem zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts benötigt werde. Der vorliegende Fall des volljährigen, nicht im Haushalt lebenden Kindes, an welches das Kindergeld direkt ausbezahlt werde, sei in § 1 Nr. 8 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung vom 20. Oktober 2004, in Kraft seit dem 1. Oktober 2005, geregelt worden. Danach sei Kindergeld für volljährige Kinder, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet werde, nicht als Einkommen des Hilfebedürftigen zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz sei aufgrund der vergleichbaren Fragestellung auf die Bedarfsberechnung nach dem SGB XII anwendbar. Es könne dahinstehen, ob aus dieser Rechtsänderung der Umkehrschluss folge, dass bis zum 30. September 2005 ohne Abzweigung als Einkommen des bezugsberechtigten Elternteils gelte. Denn das Kindergeld werde von der Familienkasse direkt an die in N. lebende Tochter ausbezahlt. Diese Möglichkeit bestehe nach § 74 EStG. Danach könne das Kindergeld unter den genannten Voraussetzungen (der Kindergeldberechtigte könne seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommen, mangelnde Leistungsfähigkeit) direkt an das Kind ausbezahlt werden. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, warum die Familienkasse zu Unrecht das Kindergeld direkt an die Tochter des Klägers ausbezahlt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf den der Beklagten am 23. Mai 2006 zugestellten Gerichtsbescheid verwiesen.
Hiergegen richtet sich die am 21. Juni 2006 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung, mit welcher die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt hat und darauf hinweist, dass ein sog. Abzweigungsantrag gemäß § 74 EStG bei der Familienkasse zunächst nicht vorgelegen habe. Ein solcher sei erst am 14. Juli 2006 von der Tochter des Klägers gestellt worden, worauf unter dem 15. August 2006 ein Abzweigungsbescheid der Familienkasse Freiburg ergangen sei; das Kindergeld werde danach ab August 2006 in Höhe von 154,- Euro monatlich an die Tochter abgezweigt. Aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 28. September 2006 werde das Kindergeld ab dem 1. August 2006 nicht mehr als Einkommen des Klägers berücksichtigt. Habe aber bis Juli 2006 kein Abzweigungsantrag vorgelegen, so sei bis dahin der Kläger und nicht dessen Tochter kindergeldberechtigt gewesen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Mai 2006 (S 8 SO 3827/05) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 155 Abs. 3 und 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie wegen der bindenden Zulassung durch das SG statthaft (§ 144 Abs. 3 SGG). Die Berufung ist aber unbegründet.
Streitbefangener Zeitraum ist vorliegend der von Dezember 2004 bis Januar 2005. Die Auffassung des SG, dass das Kindergeld bei der Berechnung der dem Kläger in diesem Zeitraum zustehenden Grundsicherungsleistungen nicht bei diesem als Einkommen berücksichtigt werden durfte, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Zu wessen Einkommen Kindergeld gerechnet wird, beurteilt sich vorliegend für den Bedarfsmonat Dezember 2004 nach den Vorschriften des bis zum 31. Dezember 2004 in Kraft gewesenen Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) und für Januar 2005 nach § 82 SGB XII. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zu § 77 Abs. 1 BSHG) sind Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt werden, so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. Kindergeld ist daher grundsätzlich sozialhilferechtlich anrechenbares Einkommen ( BVerwG, Urt. v. 25. November 1993 - 5 C 8/90 -, BVerwGE 94, 326 (328)). Denn es handelt sich hierbei um eine mit der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG zweckidentische Leistung im Sinne von § 77 BSHG. Allerdings enthielt das BSHG keine besondere Regelung, wem Kindergeld als Einkommen zugeordnet wird. Nach der hierzu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung war es - vorbehaltlich einer besonderen rechtlichen Zuordnung - als Einkommen dessen anzusehen, an den es ausbezahlt wird (BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2001 - 5 C 7.00 - FEVS 53, 113 m. w. N., vom 17. Dezember 2003 - 5 C 15/02 -, NJW 2004, 2541 f. und vom 28. April 2005 - 5 C 28.04 -). Hiervon ausgehend kann bereits für den Bedarfsmonat Dezember 2004 das Kindergeld, welches direkt an die - mit dem Kläger nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebende - Tochter des Klägers ausgezahlt wurde, nicht bei diesem als Einkommen angesetzt werden. Kindergeld, welches an ein volljähriges Kind, das mit den Eltern nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, von der zuständigen Familienkasse direkt ausgezahlt wird, ist diesen nicht ohne Weiteres als Einkommen zuzurechnen. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Direktauszahlung an das Kind auf dessen Antrag im Wege des sog. Abzweigungsverfahrens nach § 74 Abs. 1 EStG erfolgt, sondern grundsätzlich auch, wenn dies - wie hier bis Juli 2006 - auf Wunsch und Veranlassung des kindergeldberechtigten Elternteils nach Maßgabe des § 48 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) geschieht (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 17. Dezember 2003 - a.a.O.; dazu auch Grupp/Wrage, SGb 2005, 439 f.). Denn unter Zugrundelegung des zu § 76 BSHG entwickelten Zuflussprinzips (vgl. BVerwG, DVBl. 2001, 1065), welches auch für die Einkommensberechnung nach § 82 SGB XII Geltung beansprucht (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII § 82 Randnr. 6; vgl. zu diesem auch im Rahmen der Arbeitslosengeld II (Alg II) -Bewilligung zwingend anzuwendenden Prinzip, Beschluss des Senats vom 22. April 2006 - L 7 AS 3826/06 PKH-A -), kommt es für den Einkommensbegriff - sowohl was den Zeitpunkt als auch die Person des Empfängers anbelangt - allein auf den tatsächlichen Zufluss in Geld oder Geldeswert an. Dass bei einer Direktauszahlung die Bedürftigkeit des Kindergeldberechtigten begründet oder erhöht werden kann, steht dem nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des § 48 SGB I die Möglichkeit eröffnet, dass Kindergeld auch dann direkt ausgezahlt wird, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Für die Einkommenszurechnung (allein) darauf abzustellen, ob und ggf. ab wann das sog. Abzweigungsverfahren nach § 74 Abs. 1 EStG praktiziert wird, müsste im vorliegenden Fall auch deswegen als formalistisch erscheinen, weil angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers schon vor der Antragstellung nach § 74 Abs. 1 EStG die materiellen Voraussetzungen für die Abzweigung des Kindergelds vorlagen. Hinzu kommt, dass auch bei der Abzweigung (von Amts wegen) der Berechtigte - und nicht der Zahlungsadressat - der Inhaber des Kindergeldanspruchs bleibt, die Rechtsinhaberschaft des Kindergeldanspruchs also nicht verändert wird (Weber-Grellet in Schmidt, EStG 25. Aufl. 2006, § 74 Randnr. 2), was ebenfalls dafür spricht, dass es für die Einkommenszurechnung alleine auf den tatsächlichen Zahlungsfluss ankommt.
Daran, dass das von der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit Freiburg direkt an die Tochter D. ausgezahlte Kindergeld dem Kläger nicht als Einkommen zugerechnet werden kann, hat sich auch im Bedarfszeitraum ab Januar 2005 nichts geändert. Das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene SGB XII vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3023) enthält zwar in § 82 Abs. 1 Satz 2 (lediglich) für Minderjährige die Regelung, dass Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen ist, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes benötigt wird (eine vergleichbare Regelung findet sich in § 11 Abs. 1 Satz 3 des am 1. Januar 2005 in Kraft tretenden Sozialgesetzbuchs Zweites Buch - SGB II - vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2955)), während für volljährige Kinder eine entsprechende Regelung fehlt.
Der Senat hat hierzu entschieden, dass Kindergeld für volljährige Kinder - auch wenn es dem kindergeldberechtigten Elternteil zunächst zufließt - dann bei diesem als bloßer "Durchlaufposten" anzusehen und nicht als eigenes Einkommen anzurechnen ist, wenn er es bestimmungsgemäß und unverzüglich an das außerhalb seines Hausstandes lebende Kind weiterleitet, welches es zur Sicherung seines Unterhalts benötigt (Urteil vom 23. November 2006 - L 7 SO 2073/06 - m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen).
Im Anschluss an die vorgenannte Entscheidung des Senats ist auch in der vorliegenden Konstellation, in welcher Kindergeld auf Geheiß und Veranlassung des kindergeldberechtigten Elternteils an ein volljähriges, außerhalb der Bedarfsgemeinschaft lebendes Kind nach Maßgabe des § 48 SGB I direkt ausbezahlt wird, nicht diesem Elternteil, vorliegend also dem Kläger, als Einkommen zuzuordnen. Denn unter Heranziehung des beschriebenen Zuflussprinzips müsste die Berücksichtigung einer Kindergeldzahlung an ein außerhalb der Bedarfsgemeinschaft lebendes Kind als Einkommen (eines Mitglieds) der Bedarfsgemeinschaft - bei gleichzeitiger Nichteinbeziehung des Bedarfs dieses Kindes in den Gesamtbedarf eben dieser Bedarfsgemeinschaft - als unbillig erscheinen.
Auch der sich aus § 1 Nr. 8 Alg II-Verordnung ableitende Rechtsgedanke verbietet eine Einkommenszurechnung beim Kläger. Nach dieser Bestimmung wird Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird, nicht als Einkommen (des Hilfsbedürftigen) berücksichtigt. Diese Regelung ist - einerseits - als Rechtsgedanke generalisierungsfähig in Bezug auf die Einkommensanrechnung bei SGB XII-Empfängern und beansprucht - andererseits - aus Billigkeitsgründen auch insoweit Geltung, als der in § 1 Nr. 8 Alg II-Verordnung beschriebenen "Weiterleitung" von Kindergeld die (nachweisliche) Direktauszahlung an ein Kind gleichzuerachten ist.
Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht unter Heranziehung des Nachranggrundsatzes des § 2 Abs. 1 SGB XII geboten. Hiernach wird demjenigen keine Sozialhilfe gewährt, der sich selbst helfen kann oder die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Dies heißt zum einen, dass es nicht auf die rechtliche Lage ankommt, sondern darauf, ob der Hilfesuchende wirtschaftlich in der Lage ist, seinen nach dem SGB XII berücksichtigungsfähigen Bedarf ohne Leistungen der Sozialhilfe zu befriedigen. Fehlt es an "bereiten Mitteln", muss die Sozialhilfe wegen des Bedarfsdeckungsgrundsatzes eingreifen. Zum anderen besteht nur dann ein Nachrang der Sozialhilfe, wenn der notwendige Bedarf im gegenwärtigen Bedarfszeitraum nicht mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln zu decken ist, es muss also Zeitidentität zwischen Bedarf und Bedürftigkeit bestehen. Für die Selbsthilfe reicht es aus, dass sich der Hilfesuchende tatsächlich helfen kann. Dies schließt ein, dass er sein Einkommen und Vermögen zuerst für sich selbst zur Bestreitung seines notwendigen Bedarfs verwendet, auch wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen; handelt er diesem Selbsthilfegebot zuwider, sind seine freiwillig vorgenommenen Dispositionen nicht zu berücksichtigen (vgl. LPK-BSHG, 6. Aufl., § 2 Rdnrn. 8 f.) Auf einen Mangel an "bereiten Mitteln" kann sich insbesondere derjenige nicht berufen, der einen ihm zustehenden realisierbaren Anspruch, dessen Erfüllung die Notlage zu beheben geeignet ist, nicht durchsetzt (vgl. LPK-BSHG, 6. Aufl., § 2 Randnr. 14).
Hiervon ausgehend fehlt es an der in § 2 Abs. 1 SGB XII vorausgesetzten Verfügbarkeit des Kindergeldes nicht nur in den Fällen der Abzweigung nach § 74 EStG auf Veranlassung des Kindes (VG Karlsruhe, Urt. v. 1. August 2006 - 5 K 2109/04 - juris), sondern auch dann, wenn der Kindergeldberechtigte, der (ansonsten) keine Möglichkeit hat, der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem außerhalb der Bedarfsgemeinschaft lebenden - hierauf angewiesenen - Kind nachzukommen, nach Maßgabe des § 48 SGB I die Direktauszahlung des Kindergeldes an dieses veranlasst. Hierdurch mindert er zwar sein sozialhilferechtlich anrechnungsfähiges Einkommen mit der Folge der möglichen Begründung oder Erhöhung seiner Bedürftigkeit. Eine rechtlich zu beanstandende Einkommensvereitelung bzw. Nichtdurchsetzung eines realisierbaren Anspruchs kann in einem solchen Verhalten jedoch regelmäßig mit Blick auf die Schutzrichtung des Kindergeldes nicht gesehen werden. Denn damit bewirkt er letztlich nur, dass die öffentliche Sozialleistung des Kindergeldes, die den Eltern gewährt wird, um ihre Unterhaltslast gegenüber den Kindern zu erleichtern (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2005 - XII ZR 34/03 - BGHZ 164, 375-387 = NJW 2006, 57-60), "ankommt" und bewilligungsgemäß verwendet werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Anrechenbarkeit des Kindergeldes für volljährige, nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kinder auf dessen Einkommen nach § 82 SGB XII betrifft eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art, die bislang - auch in der Konstellation der "Direktauszahlung" des Kindergeldes an das Kind - höchstrichterlich nicht geklärt ist, aber im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts einer solchen Klärung bedarf (§ 160 Abs. 2 Nr. l SGG).
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Kindergeld bei der Bedarfsberechnung für die dem Kläger zustehenden Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII); im vorliegenden (Berufungs-) Verfahren L 7 SO 3130/06 ist die Berücksichtigung im Zeitraum Dezember 2004 - Januar 2005 im Streit, im Verfahren L 7 SO 3131/06 der Bewilligungszeitraum von Februar 2005 bis Juli 2006.
Der am 1934 geborene Kläger und seine Familie reisten im Jahre 1994 aus der Ukraine in das Bundesgebiet ein, wo sie im Besitz unbefristeter Aufenthaltserlaubnisse sind. Der Kläger bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII, seine am 1981 geborene Tochter D. S. studiert in N. und unterhält dort einen eigenen Hausstand.
Durch Bescheid der Beklagten vom 4. März 2005 wurden die Grundsicherungsleistungen an den Kläger für den Zeitraum Dezember 2004 bis Januar 2005 sowie ab Februar 2005 neu festgesetzt. Dabei wurde das Kindergeld für die Tochter D. in Höhe von 154,- Euro monatlich dem Kläger jeweils als Einkommen zugerechnet. Dagegen erhob der Kläger am 1. April 2006 Widerspruch mit der Begründung, das Kindergeld für die in N. studierende Tochter stehe dieser zu und dürfe nicht als sein Einkommen gerechnet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, das Kindergeld sei nach § 82 SGB XII als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen. § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII betreffe lediglich minderjährige Kinder, die Tochter des Klägers sei jedoch volljährig. Nach den Sozialhilferichtlinien zu § 82 SGB XII sei in diesem Falle Kindergeld Einkommen des Kindes, soweit es von den Kindergeldberechtigten nachweislich durch einen besonderen Zuwendungsakt an dieses weitergegeben werde. Durch einen solchen Zuwendungsakt dürfe der Kindergeldberechtigte allerdings nicht seine Leistungsberechtigung und die weiterer unterhaltsberechtigter Angehöriger herbeiführen oder erhöhen. Das Kindergeld sei als Einkommen des Klägers anzusehen, da ansonsten dessen eigene Leistungsberechtigung erhöht würde und der Grundsicherungsträger höhere Leistungen auszahlen müsste.
Durch Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2005 wurden die Grundsicherungsleistungen des Klägers für den Zeitraum ab Februar 2005 neu festgesetzt. Dabei wurde das Kindergeld für die Tochter D. in Höhe von 154,- Euro monatlich wiederum als Einkommen des Klägers angerechnet. Dagegen erhob der Kläger am 25. August 2005 sinngemäß Widerspruch und wandte sich (unter Anderem) erneut gegen die Anrechnung des Kindergeldes. Zur weiteren Begründung legte er Girokontoauszüge vor, aus denen sich ergibt, dass das Kindergeld letztmals im November 2004 auf sein Konto geflossen war.
Durch Bescheid der Beklagten vom 8. August 2005 wurden die Grundsicherungsleistungen des Klägers ab August 2005 bis auf Weiteres - wiederum unter Anrechnung des Kindergeldes - auf monatlich 665,56 Euro festgesetzt. In dem Bescheid ist vermerkt, dass bezüglich der Kindergeldleistungen das Widerspruchsverfahren abzuwarten bleibe. Durch Bescheid vom 8. September 2005 wurde der Bescheid vom 8. August 2005 dahin gehend korrigiert, dass der monatliche Betrag der Grundsicherungsleistungen ab dem 1. August 2005 bis auf Weiteres auf 701,84 Euro festgesetzt wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2005 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Juli 2005 zurück
Aus einer Telefongesprächsnotiz vom 1. Februar 2006 (Bl. 395 d. A.) ergibt sich, dass nach Angaben der Familienkasse des Arbeitsamts Freiburg, von wo das Kindergeld seit Dezember 2004 direkt auf das Konto der Tochter D. bei ihrer Bank in N. überwiesen wird, dort bis zu diesem Zeitpunkt kein Abzweigungsantrag nach § 74 EStG gestellt worden war. Der Kindergeldberechtigte habe lediglich die Änderung der Kontonummer mitgeteilt; die Familienkasse interessiere nicht, wer Kontoinhaber sei.
Am 16. September 2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2005 (S 8 SO 3827/05). Am 2. November 2005 hat der Kläger auch gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2005 Klage erhoben (S 8 SO 4558/05). Zur Begründung hat er jeweils (unter Anderem) die Anrechnung des Kindergeldes bei der Bedarfsberechnung beanstandet, die auch im Übrigen nicht nachvollziehbar sei. Die Tochter des Klägers erhalte das Kindergeld direkt von der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit in Freiburg ausbezahlt. Es entspreche nicht dem Zweck des Gesetzes, dass bei der Bedarfsberechnung Einkünfte angerechnet würden, die den Leistungsberechtigten tatsächlich nicht zur Verfügung stünden. Dies sei mittlerweile bestätigt durch die Bestimmung des § 1 Nr. 8 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-Verordnung) vom 20. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2622).
Nach Durchführung von Erörterungsterminen am 1. Februar 2006 hat das SG die in beiden Verfahren angegriffenen Bescheide durch Gerichtsbescheide vom 19. Mai 2006 abgeändert und die Beklagte verurteilt, das Kindergeld in Höhe von 154,- Euro für die in N. lebende Tochter des Klägers bei der Bedarfsberechnung nicht zu berücksichtigen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das Kindergeld sei sozialhilferechtlich anrechenbares Einkommen nach § 82 SGB XII. Berechtigter des Kindergeldes sei grundsätzlich ein Elternteil des Kindes. Daher sei nach der Rechtsprechung Kindergeld Einkommen des Elternteils, an den es ausgezahlt werde. Nach § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sei beim minderjährigen Kind das Kindergeld diesem zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts benötigt werde. Der vorliegende Fall des volljährigen, nicht im Haushalt lebenden Kindes, an welches das Kindergeld direkt ausbezahlt werde, sei in § 1 Nr. 8 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung vom 20. Oktober 2004, in Kraft seit dem 1. Oktober 2005, geregelt worden. Danach sei Kindergeld für volljährige Kinder, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet werde, nicht als Einkommen des Hilfebedürftigen zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz sei aufgrund der vergleichbaren Fragestellung auf die Bedarfsberechnung nach dem SGB XII anwendbar. Es könne dahinstehen, ob aus dieser Rechtsänderung der Umkehrschluss folge, dass bis zum 30. September 2005 ohne Abzweigung als Einkommen des bezugsberechtigten Elternteils gelte. Denn das Kindergeld werde von der Familienkasse direkt an die in N. lebende Tochter ausbezahlt. Diese Möglichkeit bestehe nach § 74 EStG. Danach könne das Kindergeld unter den genannten Voraussetzungen (der Kindergeldberechtigte könne seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommen, mangelnde Leistungsfähigkeit) direkt an das Kind ausbezahlt werden. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, warum die Familienkasse zu Unrecht das Kindergeld direkt an die Tochter des Klägers ausbezahlt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf den der Beklagten am 23. Mai 2006 zugestellten Gerichtsbescheid verwiesen.
Hiergegen richtet sich die am 21. Juni 2006 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung, mit welcher die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt hat und darauf hinweist, dass ein sog. Abzweigungsantrag gemäß § 74 EStG bei der Familienkasse zunächst nicht vorgelegen habe. Ein solcher sei erst am 14. Juli 2006 von der Tochter des Klägers gestellt worden, worauf unter dem 15. August 2006 ein Abzweigungsbescheid der Familienkasse Freiburg ergangen sei; das Kindergeld werde danach ab August 2006 in Höhe von 154,- Euro monatlich an die Tochter abgezweigt. Aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 28. September 2006 werde das Kindergeld ab dem 1. August 2006 nicht mehr als Einkommen des Klägers berücksichtigt. Habe aber bis Juli 2006 kein Abzweigungsantrag vorgelegen, so sei bis dahin der Kläger und nicht dessen Tochter kindergeldberechtigt gewesen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Mai 2006 (S 8 SO 3827/05) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 155 Abs. 3 und 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie wegen der bindenden Zulassung durch das SG statthaft (§ 144 Abs. 3 SGG). Die Berufung ist aber unbegründet.
Streitbefangener Zeitraum ist vorliegend der von Dezember 2004 bis Januar 2005. Die Auffassung des SG, dass das Kindergeld bei der Berechnung der dem Kläger in diesem Zeitraum zustehenden Grundsicherungsleistungen nicht bei diesem als Einkommen berücksichtigt werden durfte, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Zu wessen Einkommen Kindergeld gerechnet wird, beurteilt sich vorliegend für den Bedarfsmonat Dezember 2004 nach den Vorschriften des bis zum 31. Dezember 2004 in Kraft gewesenen Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) und für Januar 2005 nach § 82 SGB XII. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zu § 77 Abs. 1 BSHG) sind Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt werden, so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. Kindergeld ist daher grundsätzlich sozialhilferechtlich anrechenbares Einkommen ( BVerwG, Urt. v. 25. November 1993 - 5 C 8/90 -, BVerwGE 94, 326 (328)). Denn es handelt sich hierbei um eine mit der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG zweckidentische Leistung im Sinne von § 77 BSHG. Allerdings enthielt das BSHG keine besondere Regelung, wem Kindergeld als Einkommen zugeordnet wird. Nach der hierzu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung war es - vorbehaltlich einer besonderen rechtlichen Zuordnung - als Einkommen dessen anzusehen, an den es ausbezahlt wird (BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2001 - 5 C 7.00 - FEVS 53, 113 m. w. N., vom 17. Dezember 2003 - 5 C 15/02 -, NJW 2004, 2541 f. und vom 28. April 2005 - 5 C 28.04 -). Hiervon ausgehend kann bereits für den Bedarfsmonat Dezember 2004 das Kindergeld, welches direkt an die - mit dem Kläger nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebende - Tochter des Klägers ausgezahlt wurde, nicht bei diesem als Einkommen angesetzt werden. Kindergeld, welches an ein volljähriges Kind, das mit den Eltern nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, von der zuständigen Familienkasse direkt ausgezahlt wird, ist diesen nicht ohne Weiteres als Einkommen zuzurechnen. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Direktauszahlung an das Kind auf dessen Antrag im Wege des sog. Abzweigungsverfahrens nach § 74 Abs. 1 EStG erfolgt, sondern grundsätzlich auch, wenn dies - wie hier bis Juli 2006 - auf Wunsch und Veranlassung des kindergeldberechtigten Elternteils nach Maßgabe des § 48 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) geschieht (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 17. Dezember 2003 - a.a.O.; dazu auch Grupp/Wrage, SGb 2005, 439 f.). Denn unter Zugrundelegung des zu § 76 BSHG entwickelten Zuflussprinzips (vgl. BVerwG, DVBl. 2001, 1065), welches auch für die Einkommensberechnung nach § 82 SGB XII Geltung beansprucht (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII § 82 Randnr. 6; vgl. zu diesem auch im Rahmen der Arbeitslosengeld II (Alg II) -Bewilligung zwingend anzuwendenden Prinzip, Beschluss des Senats vom 22. April 2006 - L 7 AS 3826/06 PKH-A -), kommt es für den Einkommensbegriff - sowohl was den Zeitpunkt als auch die Person des Empfängers anbelangt - allein auf den tatsächlichen Zufluss in Geld oder Geldeswert an. Dass bei einer Direktauszahlung die Bedürftigkeit des Kindergeldberechtigten begründet oder erhöht werden kann, steht dem nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des § 48 SGB I die Möglichkeit eröffnet, dass Kindergeld auch dann direkt ausgezahlt wird, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Für die Einkommenszurechnung (allein) darauf abzustellen, ob und ggf. ab wann das sog. Abzweigungsverfahren nach § 74 Abs. 1 EStG praktiziert wird, müsste im vorliegenden Fall auch deswegen als formalistisch erscheinen, weil angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers schon vor der Antragstellung nach § 74 Abs. 1 EStG die materiellen Voraussetzungen für die Abzweigung des Kindergelds vorlagen. Hinzu kommt, dass auch bei der Abzweigung (von Amts wegen) der Berechtigte - und nicht der Zahlungsadressat - der Inhaber des Kindergeldanspruchs bleibt, die Rechtsinhaberschaft des Kindergeldanspruchs also nicht verändert wird (Weber-Grellet in Schmidt, EStG 25. Aufl. 2006, § 74 Randnr. 2), was ebenfalls dafür spricht, dass es für die Einkommenszurechnung alleine auf den tatsächlichen Zahlungsfluss ankommt.
Daran, dass das von der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit Freiburg direkt an die Tochter D. ausgezahlte Kindergeld dem Kläger nicht als Einkommen zugerechnet werden kann, hat sich auch im Bedarfszeitraum ab Januar 2005 nichts geändert. Das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene SGB XII vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3023) enthält zwar in § 82 Abs. 1 Satz 2 (lediglich) für Minderjährige die Regelung, dass Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen ist, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes benötigt wird (eine vergleichbare Regelung findet sich in § 11 Abs. 1 Satz 3 des am 1. Januar 2005 in Kraft tretenden Sozialgesetzbuchs Zweites Buch - SGB II - vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2955)), während für volljährige Kinder eine entsprechende Regelung fehlt.
Der Senat hat hierzu entschieden, dass Kindergeld für volljährige Kinder - auch wenn es dem kindergeldberechtigten Elternteil zunächst zufließt - dann bei diesem als bloßer "Durchlaufposten" anzusehen und nicht als eigenes Einkommen anzurechnen ist, wenn er es bestimmungsgemäß und unverzüglich an das außerhalb seines Hausstandes lebende Kind weiterleitet, welches es zur Sicherung seines Unterhalts benötigt (Urteil vom 23. November 2006 - L 7 SO 2073/06 - m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen).
Im Anschluss an die vorgenannte Entscheidung des Senats ist auch in der vorliegenden Konstellation, in welcher Kindergeld auf Geheiß und Veranlassung des kindergeldberechtigten Elternteils an ein volljähriges, außerhalb der Bedarfsgemeinschaft lebendes Kind nach Maßgabe des § 48 SGB I direkt ausbezahlt wird, nicht diesem Elternteil, vorliegend also dem Kläger, als Einkommen zuzuordnen. Denn unter Heranziehung des beschriebenen Zuflussprinzips müsste die Berücksichtigung einer Kindergeldzahlung an ein außerhalb der Bedarfsgemeinschaft lebendes Kind als Einkommen (eines Mitglieds) der Bedarfsgemeinschaft - bei gleichzeitiger Nichteinbeziehung des Bedarfs dieses Kindes in den Gesamtbedarf eben dieser Bedarfsgemeinschaft - als unbillig erscheinen.
Auch der sich aus § 1 Nr. 8 Alg II-Verordnung ableitende Rechtsgedanke verbietet eine Einkommenszurechnung beim Kläger. Nach dieser Bestimmung wird Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird, nicht als Einkommen (des Hilfsbedürftigen) berücksichtigt. Diese Regelung ist - einerseits - als Rechtsgedanke generalisierungsfähig in Bezug auf die Einkommensanrechnung bei SGB XII-Empfängern und beansprucht - andererseits - aus Billigkeitsgründen auch insoweit Geltung, als der in § 1 Nr. 8 Alg II-Verordnung beschriebenen "Weiterleitung" von Kindergeld die (nachweisliche) Direktauszahlung an ein Kind gleichzuerachten ist.
Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht unter Heranziehung des Nachranggrundsatzes des § 2 Abs. 1 SGB XII geboten. Hiernach wird demjenigen keine Sozialhilfe gewährt, der sich selbst helfen kann oder die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Dies heißt zum einen, dass es nicht auf die rechtliche Lage ankommt, sondern darauf, ob der Hilfesuchende wirtschaftlich in der Lage ist, seinen nach dem SGB XII berücksichtigungsfähigen Bedarf ohne Leistungen der Sozialhilfe zu befriedigen. Fehlt es an "bereiten Mitteln", muss die Sozialhilfe wegen des Bedarfsdeckungsgrundsatzes eingreifen. Zum anderen besteht nur dann ein Nachrang der Sozialhilfe, wenn der notwendige Bedarf im gegenwärtigen Bedarfszeitraum nicht mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln zu decken ist, es muss also Zeitidentität zwischen Bedarf und Bedürftigkeit bestehen. Für die Selbsthilfe reicht es aus, dass sich der Hilfesuchende tatsächlich helfen kann. Dies schließt ein, dass er sein Einkommen und Vermögen zuerst für sich selbst zur Bestreitung seines notwendigen Bedarfs verwendet, auch wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen; handelt er diesem Selbsthilfegebot zuwider, sind seine freiwillig vorgenommenen Dispositionen nicht zu berücksichtigen (vgl. LPK-BSHG, 6. Aufl., § 2 Rdnrn. 8 f.) Auf einen Mangel an "bereiten Mitteln" kann sich insbesondere derjenige nicht berufen, der einen ihm zustehenden realisierbaren Anspruch, dessen Erfüllung die Notlage zu beheben geeignet ist, nicht durchsetzt (vgl. LPK-BSHG, 6. Aufl., § 2 Randnr. 14).
Hiervon ausgehend fehlt es an der in § 2 Abs. 1 SGB XII vorausgesetzten Verfügbarkeit des Kindergeldes nicht nur in den Fällen der Abzweigung nach § 74 EStG auf Veranlassung des Kindes (VG Karlsruhe, Urt. v. 1. August 2006 - 5 K 2109/04 - juris), sondern auch dann, wenn der Kindergeldberechtigte, der (ansonsten) keine Möglichkeit hat, der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem außerhalb der Bedarfsgemeinschaft lebenden - hierauf angewiesenen - Kind nachzukommen, nach Maßgabe des § 48 SGB I die Direktauszahlung des Kindergeldes an dieses veranlasst. Hierdurch mindert er zwar sein sozialhilferechtlich anrechnungsfähiges Einkommen mit der Folge der möglichen Begründung oder Erhöhung seiner Bedürftigkeit. Eine rechtlich zu beanstandende Einkommensvereitelung bzw. Nichtdurchsetzung eines realisierbaren Anspruchs kann in einem solchen Verhalten jedoch regelmäßig mit Blick auf die Schutzrichtung des Kindergeldes nicht gesehen werden. Denn damit bewirkt er letztlich nur, dass die öffentliche Sozialleistung des Kindergeldes, die den Eltern gewährt wird, um ihre Unterhaltslast gegenüber den Kindern zu erleichtern (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2005 - XII ZR 34/03 - BGHZ 164, 375-387 = NJW 2006, 57-60), "ankommt" und bewilligungsgemäß verwendet werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Anrechenbarkeit des Kindergeldes für volljährige, nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kinder auf dessen Einkommen nach § 82 SGB XII betrifft eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art, die bislang - auch in der Konstellation der "Direktauszahlung" des Kindergeldes an das Kind - höchstrichterlich nicht geklärt ist, aber im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts einer solchen Klärung bedarf (§ 160 Abs. 2 Nr. l SGG).
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