L 13 R 1151/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 674/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1151/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1952 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt hat, war von August 1967 bis März 1982 als Arbeiterin in einem Betrieb für landwirtschaftliche Produkte tätig. Seither ist sie arbeitsunfähig oder arbeitslos.

Am 5. August 2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Zur Begründung gab sie an, seit 1992 wegen einer Venenentzündung, Krampfadern und eines Wirbelsäulensyndroms keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen zu können. Nach Vorlage ärztlicher Befundberichte veranlasste die Beklagte die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin in der Ärztlichen Untersuchungsstelle H ... Die Anästhesistin und Sozialmedizinerin Dr. E. diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 27. August 2004 einen chronischen Kreuzschmerz bei mehrsegmentalen degenerativen LWS-Veränderungen ohne Nervenwurzelreizerscheinungen bei leichter Funktionsminderung sowie ein peripheres Engpass-Syndrom des Ellennerven links mit Gefühlsstörung am Ring- und Kleinfinger. Ferner liege bei der Klägerin ein diätetisch einstellbarer Diabetes mellitus Typ II bei Adipositas vor. Im Ergebnis gelangte sie zu der Einschätzung, die Klägerin könne ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit lediglich unter 3 Stunden täglich ausüben, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihr unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen jedoch noch sechs Stunden und mehr täglich möglich.

Mit Bescheid vom 30. August 2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Beklagte ließ die Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet untersuchen und begutachten. Der Orthopäde Dr. L. kam in seinem Gutachten vom 30. September 2004 zu dem Ergebnis, die Klägerin leide an chronischen Wirbelsäulenbeschwerden bei Verschleiß- und Aufbraucherscheinungen bei möglicher intermittierender Nervenwurzelreizsymptomatik ohne aktuelle motorische Ausfälle. Ferner bestehe bei der Klägerin der Verdacht auf ein peripheres Nervenengpass-Syndrom N. ulnaris ohne motorische Ausfälle. Ebenfalls leide die Klägerin an erheblichem Übergewicht. Die Klägerin könne ihren zuletzt ausgeübten Beruf lediglich unter drei Stunden täglich, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen jedoch noch sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Ferner empfahl er eine neurologisch-psychiatrische Zusatzbegutachtung, die von Dr. B. durchgeführt wurde. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie Dr. B. legte in ihrem Gutachten vom 27. Oktober 2004 dar, die Klägerin leide an einem degenerativen Wirbelsäulenleiden ohne Anhalt für ein radikuläres Defizit sowie an einer Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik. Sie gelangte zu der Überzeugung, dass die Klägerin sowohl ihren zuletzt ausgeübten Beruf als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich ausüben könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Mit der am 3. März 2005 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte habe die bei ihr vorhandenen Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht in ausreichendem Umfang gewürdigt. Das SG hat Beweis erhoben durch Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte Dr. V. und Dr. M. als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Neurochirurgie Dr. V. teilte mit, dass die Klägerin unter starken Veränderungen der Lendenwirbelsäule leide. Auffällig sei eine psychosomatische Mitbeteiligung. Unter Berücksichtigung der Ursache der Beschwerden könne die Klägerin mindestens leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch für ca. sechs Stunden täglich verrichten. Der hausärztliche Internist Dr. M. gab an, dass er die Klägerin nicht persönlich untersucht, sondern lediglich Überweisungen ausgestellt habe. Mit dem der Klägerin am 31. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2006 hat das Sozialgericht Heilbronn die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat am 28. Februar 2006 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass ihr eine sechsstündige Tätigkeit pro Tag gesundheitlich nicht zumutbar sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Januar 2006 und den Bescheid vom 30. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2005 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. September 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die Berufung für unbegründet und bezieht sich auf die Gründe ihrer Entscheidungen sowie die des angegriffenen Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Heilbronn.

Der frühere Berichterstatter hat den Sachverhalt am 28. September 2006 mit den Beteiligten erörtert. Diese haben sich mit Schriftsätzen vom 20. Oktober 2006 und vom 8. November 2006 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Akten des Sozialgerichts Heilbronn, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die wegen des fehlenden Berufsschutzes zu Recht allein begehrte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da sie weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der hier anzuwendenden, seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert im Sinne dieser Regelung sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung liegen bei der Klägerin schon deshalb nicht vor, weil sie auf der Grundlage der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten nicht erwerbsgemindert ist. Nach Überzeugung des Senats kann die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung verrichten. Dies wurde in den im Auftrag der Beklagten im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren eingeholten Gutachten überzeugend und übereinstimmend festgestellt.

Die Anästhesistin und Sozialmedizinerin Dr. E. hat die Klägerin eingehend untersucht und mitgeteilt, dass diese entsprechend der von ihr beschriebenen und im Vordergrund stehenden Beschwerden unter degenerativen LWS-Veränderungen ohne Nervenwurzelreizerscheinungen bei leichter Funktionsminderung sowie an einem peripheren Engpass-Syndrom des Ellennerven links mit Gefühlsstörung am Ring- und Kleinfinger leide. Hiervon ausgehend kommt die Gutachterin nachvollziehbar und überzeugend zu der Einschätzung, die Klägerin könne ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit lediglich unter drei Stunden täglich ausüben, leichte bis mittelschwere Arbeit ohne einseitige Haltung könne sie aber noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Dieses Gutachten wird durch das orthopädische Gutachten von Dr. L. bestätigt, der ebenfalls ein vollschichtiges Leistungsvermögen zumindest für leichte körperliche Tätigkeiten unter den von Dr. E. genannten qualitativen Einschränkungen annimmt. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie Dr. B. geht ebenfalls von einem degenerativen Wirbelsäulenleiden ohne Anhalt für ein radikuläres Defizit sowie einer Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik aus und gelangt ebenfalls zu der Überzeugung, die Klägerin könne leichte bis mittelschwere, vollschichtige körperliche Arbeit in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges Bücken ausüben. Das Tragen und Bewegen von Lasten sollte mit entsprechenden Hilfsmitteln ausgeführt werden. Zu beachten sei ferner, dass das Umstellungs- und Anpassungsvermögen der Klägerin reduziert sei und keine Überforderung durch Steuerung/Überwachung komplexer Arbeitsvorgänge erfolgen solle. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens wird schließlich nochmals durch die vom Sozialgericht Heilbronn eingeholte ärztliche Stellungnahme bestätigt. Auch der die Klägerin behandelnde Facharzt für Neurochirurgie Dr. V. kommt von durch starke Veränderungen der Lendenwirbelsäule unter psychosomatischer Mitbeteiligung verursachten Beschwerden ausgehend zu dem Ergebnis, dass sie mindestens noch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für ca. sechs Stunden täglich verrichten.

Auf der Grundlage der genannten Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin jedenfalls leichte körperliche Arbeiten unter Beachtung üblicher Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Damit ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin, die keinen Berufsschutz genießt, nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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