Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 4956/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2527/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19.04.2006 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an das Sozialgericht Freiburg zurückverwiesen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen einer verspäteten Arbeitslosmeldung im Streit.
Der Kläger war vom 11.08.2003 bis zum 31.08.2004 in einem von vornherein befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt, welches durch Fristablauf endete. Erst am 19.08.2004 meldete der Kläger sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Mit Schreiben vom 13.09.2004 wies die Beklagte den Kläger daraufhin, dass dieser sich nach § 37 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung spätestens am 12.08.2004 hätte arbeitsuchend melden müssen. Sein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 01.09.2004 sei daher um 350,00 Euro (7 Tage zu 50,00 Euro) gemindert. Anschließend bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 16.09.2004 Arbeitslosengeld ab dem 01.09.2004.
Den Widerspruch des Klägers gegen die Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2004 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat deswegen am 28.10.2004 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Das SG hat der Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 19.04.2006 stattgegeben. Es hat den Bescheid vom 16.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2004 insoweit aufgehoben, als die Beklagte darin den Anspruch des Klägers ab dem 01.09.2004 um 350,00 Euro gemindert hat. Eine Anspruchsminderung sei nicht eingetreten, da der Kläger unverschuldet keine Kenntnis von seiner Pflicht zur rechtzeitigen Arbeitslosmeldung gehabt habe. Für die weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf den angegriffenen Gerichtsbescheid Bezug genommen. Das SG hat die Berufung in dem Gerichtsbescheid wegen der von ihm angenommenen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassen. Der Gerichtsbescheid des SG wurde der Beklagten am 02.05.2006 zugestellt.
Deswegen hat die Beklagte am 16.05.2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt, mit der sie der Ansicht des SG widerspricht, der habe in nicht vorwerfbarer Weise die Frist zur unverzüglichen Arbeitslosmeldung versäumt.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19.04.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des Sozialgerichts sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Die Beteiligten sind im Berufungsverfahren darauf hingewiesen worden, dass eine Zurückverweisung der Sache an das SG in Betracht kommt, weil das SG trotz Bejahung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ohne die ehrenamtlichen Richter entschieden hat.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. SGG zulässige Berufung der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Gerichtsbescheid und der Zurückverweisung der Sache an das SG begründet. Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Das SG hat gegen die Garantie des gesetzlichen Richters verstoßen. Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens, der in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist. Auch die ehrenamtlichen Richter sind nach § 12 Abs. 1 SGG gesetzliche Richter im Sinne der Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG). Das Bundessozialgericht (BSG) hat hierzu entschieden, dass die Annahme der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegensteht, weil in diesem Fall entgegen den gesetzlichen Vorschriften eine Beteiligung der ehrenamtlichen Richter nicht erfolge (Urteil vom 16.03.2006 - B 4 RA 59/04 R -). Diese zu § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ergangene Entscheidung ist nicht auf die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beschränkt, sondern betrifft auch die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Denn die grundsätzliche Bedeutung in den §§ 144 und 160 SGG ist in gleicher Weise auszulegen (vergl. Mayer-Ladewig/Keller/Leiter, SGG, 8. Auflage 2005, § 144 Rdnr. 28).
Zwar sind sowohl das Landessozialgericht als auch das Bundessozialgericht an eine Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG bzw. an eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache gebunden, vgl. §§ 144 Abs. 3 und 160 Abs. 3 SGG.
Auch ist die Entscheidung eines Sozialgerichts, nach § 105 SGG durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung und ohne die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, nur auf Ermessensfehler hin überprüfbar; sofern der Entscheidung keine sachfremden Erwägungen oder grobe Fehleinschätzungen zugrunde liegen, ist die Entscheidung regelmäßig nicht zu beanstanden (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 06.09.1993 - L 11 V 828/93 - Breith. 1994, 254).
Das SG muss sich jedoch, wenn es auf der einen Seite die grundsätzliche Bedeutung der Sache im Rahmen der Rechtsmittelzulassung bejaht, hieran insofern festhalten lassen, als es nicht in derselben Sache das Vorliegen von besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art im Sinne von § 105 SGG verneinen darf (vgl. BSG a.a.O). Denn nach der dem § 12 SGG zugrunde liegenden Vorstellung sind die ehrenamtlichen Richter grundsätzlich zu beteiligen, es sei denn eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung ist - etwa nach § 105 SGG - nicht erforderlich. Dann müssen aber auch die Voraussetzungen für die Entbehrlichkeit einer mündlichen Verhandlung durch das SG in derselben Sache bejaht werden. Eine Sache, die grundsätzliche Bedeutung hat, ist aber im Sinne des § 105 SGG keine Sache ohne besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art. Da die Entscheidung des SG insofern in sich widersprüchlich ist und zu einem Ausschluss der ehrenamtlichen Richter geführt hat, ist hiervon die Garantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG betroffen.
Das SG ist daher, wenn es selbst die grundsätzliche Bedeutung der Sache bejaht, daran insoweit gebunden, als dass hierdurch eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ausgeschlossen ist. Die Entscheidung des SG war daher aufzuheben und das Verfahren nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG an das SG zurückzuverweisen. Das SG hat hierbei zu beachten, dass nach der von ihm bereits bejahten grundsätzlichen Bedeutung der Sache eine erneute Entscheidung durch Gerichtsbescheid wiederum auf rechtliche Bedenken stoßen könnte.
Über die Kosten des Berufungsverfahrens hat das SG zu entscheiden.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Die Sache wird an das Sozialgericht Freiburg zurückverwiesen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen einer verspäteten Arbeitslosmeldung im Streit.
Der Kläger war vom 11.08.2003 bis zum 31.08.2004 in einem von vornherein befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt, welches durch Fristablauf endete. Erst am 19.08.2004 meldete der Kläger sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Mit Schreiben vom 13.09.2004 wies die Beklagte den Kläger daraufhin, dass dieser sich nach § 37 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung spätestens am 12.08.2004 hätte arbeitsuchend melden müssen. Sein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 01.09.2004 sei daher um 350,00 Euro (7 Tage zu 50,00 Euro) gemindert. Anschließend bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 16.09.2004 Arbeitslosengeld ab dem 01.09.2004.
Den Widerspruch des Klägers gegen die Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2004 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat deswegen am 28.10.2004 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Das SG hat der Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 19.04.2006 stattgegeben. Es hat den Bescheid vom 16.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2004 insoweit aufgehoben, als die Beklagte darin den Anspruch des Klägers ab dem 01.09.2004 um 350,00 Euro gemindert hat. Eine Anspruchsminderung sei nicht eingetreten, da der Kläger unverschuldet keine Kenntnis von seiner Pflicht zur rechtzeitigen Arbeitslosmeldung gehabt habe. Für die weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf den angegriffenen Gerichtsbescheid Bezug genommen. Das SG hat die Berufung in dem Gerichtsbescheid wegen der von ihm angenommenen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassen. Der Gerichtsbescheid des SG wurde der Beklagten am 02.05.2006 zugestellt.
Deswegen hat die Beklagte am 16.05.2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt, mit der sie der Ansicht des SG widerspricht, der habe in nicht vorwerfbarer Weise die Frist zur unverzüglichen Arbeitslosmeldung versäumt.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19.04.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des Sozialgerichts sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Die Beteiligten sind im Berufungsverfahren darauf hingewiesen worden, dass eine Zurückverweisung der Sache an das SG in Betracht kommt, weil das SG trotz Bejahung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ohne die ehrenamtlichen Richter entschieden hat.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. SGG zulässige Berufung der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Gerichtsbescheid und der Zurückverweisung der Sache an das SG begründet. Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Das SG hat gegen die Garantie des gesetzlichen Richters verstoßen. Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens, der in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist. Auch die ehrenamtlichen Richter sind nach § 12 Abs. 1 SGG gesetzliche Richter im Sinne der Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG). Das Bundessozialgericht (BSG) hat hierzu entschieden, dass die Annahme der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegensteht, weil in diesem Fall entgegen den gesetzlichen Vorschriften eine Beteiligung der ehrenamtlichen Richter nicht erfolge (Urteil vom 16.03.2006 - B 4 RA 59/04 R -). Diese zu § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ergangene Entscheidung ist nicht auf die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beschränkt, sondern betrifft auch die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Denn die grundsätzliche Bedeutung in den §§ 144 und 160 SGG ist in gleicher Weise auszulegen (vergl. Mayer-Ladewig/Keller/Leiter, SGG, 8. Auflage 2005, § 144 Rdnr. 28).
Zwar sind sowohl das Landessozialgericht als auch das Bundessozialgericht an eine Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG bzw. an eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache gebunden, vgl. §§ 144 Abs. 3 und 160 Abs. 3 SGG.
Auch ist die Entscheidung eines Sozialgerichts, nach § 105 SGG durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung und ohne die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, nur auf Ermessensfehler hin überprüfbar; sofern der Entscheidung keine sachfremden Erwägungen oder grobe Fehleinschätzungen zugrunde liegen, ist die Entscheidung regelmäßig nicht zu beanstanden (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 06.09.1993 - L 11 V 828/93 - Breith. 1994, 254).
Das SG muss sich jedoch, wenn es auf der einen Seite die grundsätzliche Bedeutung der Sache im Rahmen der Rechtsmittelzulassung bejaht, hieran insofern festhalten lassen, als es nicht in derselben Sache das Vorliegen von besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art im Sinne von § 105 SGG verneinen darf (vgl. BSG a.a.O). Denn nach der dem § 12 SGG zugrunde liegenden Vorstellung sind die ehrenamtlichen Richter grundsätzlich zu beteiligen, es sei denn eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung ist - etwa nach § 105 SGG - nicht erforderlich. Dann müssen aber auch die Voraussetzungen für die Entbehrlichkeit einer mündlichen Verhandlung durch das SG in derselben Sache bejaht werden. Eine Sache, die grundsätzliche Bedeutung hat, ist aber im Sinne des § 105 SGG keine Sache ohne besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art. Da die Entscheidung des SG insofern in sich widersprüchlich ist und zu einem Ausschluss der ehrenamtlichen Richter geführt hat, ist hiervon die Garantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG betroffen.
Das SG ist daher, wenn es selbst die grundsätzliche Bedeutung der Sache bejaht, daran insoweit gebunden, als dass hierdurch eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ausgeschlossen ist. Die Entscheidung des SG war daher aufzuheben und das Verfahren nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG an das SG zurückzuverweisen. Das SG hat hierbei zu beachten, dass nach der von ihm bereits bejahten grundsätzlichen Bedeutung der Sache eine erneute Entscheidung durch Gerichtsbescheid wiederum auf rechtliche Bedenken stoßen könnte.
Über die Kosten des Berufungsverfahrens hat das SG zu entscheiden.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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