L 4 KR 3162/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2257/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3162/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. Juni 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger für die Zeit vom 01. September bis 13. Oktober 2003 das Fertigarzneimittel "Taxotere" (T.) zur Durchführung einer Chemotherapie als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

Der am 1925 geborene Kläger ist bei der Beklagten im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) krankenversichert. Bei ihm besteht ein erstmals 1999 festgestelltes metastasierendes Prostatakarzinom. Wegen der am 09. Juli 2003 von dem Facharzt für Urologie L. gestellten Diagnose einer bösartigen Neubildung der Prostata führte dieser aufgrund kassenärztlicher Verordnung neben der Behandlung mit anderen Medikamenten die Behandlung mit "Estradurin" (E.) durch. Auf Kassenrezepten verordnet (Rezepte vom 25. August, 04. Sep¬tember, 11. September, 25. September, 02. Oktober und 09. Oktober 2003) und über eine Apotheke eingelöst (18 mal 297,24 EUR = 5.350,32 EUR) führte der Urologe dann vom 01. September bis 13. Oktober 2003 eine Chemotherapie mit T. durch; daneben wurden weitere Medikamente verordnet. Zum Zeitpunkt der Behandlung war T. durch die Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) für die Behandlung von Brustkrebs und Bronchialkarzinom, zum Teil in Kombination mit anderen Medikamenten, zugelassen. Erst im Jahr 2004, nachdem Studien der Phase III eingereicht worden waren, erfolgte die Zulassung auch für die Behandlung von Prostatakrebs, und zwar in Kombination mit Prednison oder Prednisolon bei hormonrefraktärem metastasierenden Prostatakarzinom. Aufgrund der Durchführung der Chemotherapie mit T. ergab sich jedoch ein Anstieg des PSA-Wertes beim Kläger von 84,1 ng/ml auf 149 ng/ml. Es traten vermehrte Schmerzen im Bereich der linken Schulter auf. Da der behandelnde Urologe danach davon ausging, dass die Chemotherapie zur Reduktion der Karzinomerkrankung erfolglos geblieben war, wurde die Therapie mit T. abgebrochen. Ab 24. Oktober 2003 wurde danach die vorherige Therapie mit E. wieder aufgenommen. Es wurde auch aufgrund der progredienten ossären Metastase im Bereich der linken Schulter eine Radiatio in der Universitätsstrahlenklinik Ulm durchgeführt und eine Therapie mit dem Bisphosphonat Zometa eingeleitet. Dieses Therapieschema führte dann zur Besserung des Allgemeinzustands, zur Verringerung der Schmerzen im Bereich der linken Schulter sowie zum Rückgang des PSA-Wertes auf 89,2 ng/ml am 01. März 2004 (vgl. Arztbrief des Urologen L. vom 13. April 2004 und dessen Auskunft vom 23.Mai 2006).

Im Hinblick auf die später vom 01. September bis 13. Oktober 2003 durchgeführte Behandlung mit T. war bei der Beklagten im Mai 2003 durch Vorlage eines Kostenvoranschlags des Arztes für Urologie Dr. E. in B. R. die Bewilligung einer Chemotherapie mit T. (ein Zyklus mit sechs Infusionen) mit Kosten in Höhe von 5.854,95 EUR beantragt worden. Gegen die handschriftlich verfügte Ablehnung der Beklagten vom 16. Mai 2003 legte der Kläger Widerspruch ein. Der Kläger bat auch um die Erteilung eines schriftlichen Bescheids. Die Beklagte erhob daraufhin die am 04. Juni 2003 eingegangene Auskunft des Dr. E ... Ferner erstattete im Auftrag der Beklagten Dr. B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in H. am 13. Juni 2003 ein Sozialmedizinisches Gutachten, in dem er darauf hinwies, der Nutzen der geplanten Therapie mit T. sei bisher nicht in entsprechenden Studien der Phase III belegt. Mit schriftlichem Bescheid vom 23. Juni 2003 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass eine Kostenübernahme für die Behandlung mit T. nicht möglich sei.

Im Hinblick auf diese Ablehnung hatte der Kläger am 08. Juli 2003 beim Sozialgericht (SG) Ulm beantragt, die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm bis zum bestandskräftigen Abschluss des Vorverfahrens eine Behandlung seines Prostatakarzinoms mit dem Medikament T. (ein Zyklus mit sechs Infusionen) als Sachleistung zu verschaffen, hilfsweise die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig 5.854,95 EUR zu zahlen. Er hatte eine eidesstattliche Versicherung des Dr. E. vom 02. Juli 2003 vorgelegt und geltend gemacht, an einem metastasierenden Prostatakarzinom zu leiden. Ohne die Therapie mit T. habe er nur noch eine Lebenserwartung von wenigen Monaten. Eine andere als die angestrebte Therapie hätte wesentlich geringere Erfolgsaussichten. Bei T. handle es sich um ein Medikament, das arzneimittelrechtlich derzeit für die Behandlung von Mammakarzinomen sowie von Lungenkrebs zugelassen sei. Eine Erweiterung der Zulassung auch für die Behandlung von Prostatakarzinomen sei durch die betroffenen Pharmaunternehmen bereits beantragt worden. Das Ergebnis dieses Verfahrens werde für Ende 2004 erwartet. So lange könne er jedoch nicht warten. Die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III seien veröffentlicht und über die Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels im neuen Anwendungsgebiet lägen zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen vor, aufgrund derer in einschlägigen Fachkreisen Konsens über den Nutzen des Medikaments bestehe. Es wurden weitere Unterlagen der Aventis Pharma Deutschland GmbH (Aventis GmbH) vorgelegt und auf den Beschluss der Ersten Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. November 2002 - I BvR 1586/02 -, verwiesen. Die Beklagte war dem Antrag entgegengetreten, da die Voraussetzungen, die das Bundessozialgericht (BSG) für den Off-Label-Use aufgestellt habe, nicht erfüllt seien. Mit rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 16. Juli 2003 (S 10 KR 1603/03 ER) hatte das SG die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens eine Behandlung des Prostatakarzinoms mit dem Medikament T. (ein Zyklus mit sechs Infusionen) als Sachleistung zu verschaffen. Im Hinblick auf diesen Beschluss wurde dann, wie oben dargestellt, die Behandlung mit T. in der Zeit vom 01. September bis 13. Oktober 2003 im Wege der Sachleistung von der Beklagten gewährt.

Gegen den Bescheid vom 23. Juni 2003 hatte der Kläger am 11. Juli 2003 Widerspruch eingelegt, mit dem er sein Vorbringen aus dem Verfahren wegen des einstweiligen Rechtsschutzes wiederholt hatte. Der Widerspruch blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschusses vom 06. August 2003 wurde dargelegt, der Gutachter des MdK habe eine Kostenübernahme aufgrund der fehlenden Indikation für eine Behandlung mit T. nicht empfohlen. Es lägen keine Forschungsergebnisse vor, die erwarten ließen, dass das Arzneimittel für die vorliegende Indikation zugelassen werden könne.

Deswegen erhob der Kläger am 08. September 2003 Klage beim SG. Er machte, wie auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, geltend T. sei im Rahmen des sog. Off-Label-Use angewendet worden. Nach der Rechtsprechung des BSG könne die Kostenübernahme nicht allein an die arzneimittelrechtliche Zulassung eines Medikaments geknüpft werden, wenn eine ernste und lebensbedrohliche Krankheit wie Krebs mangels therapeutischer Alternativen nicht wirksam behandelt werden könne und die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der erstrebten bzw. hier durchgeführten Behandlung hinreichend belegt seien. Dies sei hier für die Behandlung mit T. zu bejahen, was sich auch aus der eingereichten eidesstattlichen Versicherung des Dr. E. ergebe. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Aventis GmbH am 04. Februar 2004 bei der EMEA einen Antrag auf Zulassungserweiterung für T. für die Indikation "hormonrefraktäres Prostata-Karzinom" gestellt habe. Außerdem seien beim Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO), der im Juni 2004 in New Orleans durchgeführt worden sei, zwei große kontrollierte klinische Phase-III-Studien über den Einsatz von T. zur Behandlung des Prostatakarzinoms veröffentlicht worden, die eine klinisch relevante Wirksamkeit bzw. einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen würden. Im Hinblick darauf seien alle Voraussetzungen für den zulässigen Off-Label-Use erfüllt. Dazu wurden Unterlagen eingereicht, ebenfalls der erwähnte Arztbrief des Urologen L. vom 13. April 2004.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage von weiteren Sozialmedizinischen Gutachten des Dr. B. vom 18. Oktober und 03. November 2004 entgegen. Im Zeitpunkt der durchgeführten Behandlung seien die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use mit T. nicht erfüllt gewesen. Es habe eine Studie der Phase III noch nicht vorgelegen. Der Zulassungsantrag der Aventis GmbH sei erst im Februar 2004 gestellt worden. Nach der von Dr. B. vorgelegten Pressemitteilung der Aventis GmbH vom 05. November 2004 sei nunmehr erst die Zulassung in der Europäischen Union (EU) zur Behandlung von Prostatakrebs mit T. erteilt worden. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger zwar bis 13. Oktober 2003 mit T. behandelt worden sei. Jedoch sei ein Therapieversagen festgestellt worden. Deswegen sei dann wieder E. verordnet worden, das generell zur Behandlung des Prostatakarzinoms zugelassen gewesen sei. Die Anwendung von E. habe offensichtlich Erfolg gehabt.

Mit Urteil vom 17. Juni 2005 hob das SG die Bescheide vom 16. Mai und 23. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2003 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger die Behandlung des Prostatakarzinoms mit dem Medikament T. (ein Zyklus mit sechs Infusionen) als Sachleistung zu verschaffen. Es verwies auf den Beschluss vom 16. Juli 2003 und führte ergänzend aus, dass auch zu beachten sei, dass seit Herbst 2004 die Phase III-Studie vollständig publiziert sei. Das Arzneimittel T. habe daher auch die Zulassung in der EU für die Behandlung von Prostatakrebserkrankungen erhalten. Insoweit sei, da es sich hier um eine Leistungs- bzw. Verpflichtungsklage handle, die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend. Die Verpflichtung der Beklagten, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die streitgegenständliche Behandlung zur Verfügung zu stellen, stehe dem nicht entgegen, denn dadurch sei nur eine vorläufige bis zum bestandskräftigen Abschluss des Vorverfahrens gültige Regelung getroffen worden. Da die streitige Behandlung bereits im Herbst 2003 durchgeführt worden sei, könne der Kläger sie jedoch nicht noch einmal aufgrund dieses Urteils beanspruchen.

Gegen das der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 25. Juli 2005 zugestellte Urteil hat diese am 01. August 2005 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Die Beklagte trägt vor, T. sei 2004 nur in Kombination mit Prednison oder Prednisolon zur Behandlung von Patienten mit hormonrefraktärem metastasierenden Prostatakarzinom zugelassen worden. Beim Kläger sei jedoch T. nicht in dieser Kombination verabreicht worden. Es sei somit keine der jetzt existierenden Zulassung entsprechende Anwendung des Arzneimittels T. durchgeführt worden. Auch ergebe sich aus dem Bericht des Urologen L. vom 13. April 2004, dass positive Wirkungen der Therapie mit T. nicht festgestellt worden seien. Sie sei weiter der Auffassung, dass es hier nicht auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankomme. Hier sei ein in der Vergangenheit, d.h. im September/Oktober 2003 liegender Sachverhalt zu beurteilen. Sie habe im Hinblick auf die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz die Leistung erbracht. Es müsse daher auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Leistungsgewährung ankommen. Ansonsten könnten sich Versicherte während eines Prüfungsverfahrens im Wege einer einstweiligen Anordnung bereits Leistungen verschaffen, die zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch keine Kassenleistung seien, und hätten bei einem positiven Ausgang des Prüfungsverfahrens automatisch auch im Hauptsacheverfahren Erfolg. Dann käme der Arzneimittelzulassung de facto eine Rückwirkung zu, die nicht gewollt sei. Wer eine einstweilige Anordnung beantrage, wolle die Leistung eben nicht erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens, sondern sofort, und müsse es sich dann gefallen lassen, seine Ansprüche an der Sach- und Rechtslage zu messen, die im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungsinanspruchnahme gegolten habe. Im Zeitpunkt der Durchführung der Behandlung hätten Behandlungsalternativen bestanden, nämlich in Form der Weiterbehandlung mit dem beim Kläger tatsächlich eingesetzten E. Des Weiteren hätten hinsichtlich T. noch keine ausreichenden Studienergebnisse vorgelegen, um einen Behandlungserfolg erwarten zu lassen. Trotz der Erbringung der Leistung im einstweiligen Rechtsschutz habe sie und ebenso umgekehrt der Kläger ein Rechtsschutzinteresse für die Fortsetzung des Hauptsacheverfahrens. Im Falle des Obsiegens im Hauptsacheverfahren seien ihr die Kosten zu erstatten, die sie nach Erlass der einstweiligen Anordnung für das dem Kläger verschaffte Medikament T. aufgewandt habe. Insoweit wäre bei einem Erfolg im Hauptsacheverfahren zunächst der Erlass eines Rückforderungsbescheids zu prüfen. Im Übrigen würde die Möglichkeit bleiben, einen Schadensersatzanspruch entsprechend § 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) geltend zu machen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. Juni 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet war, ihm die Behandlung mit Taxotere vom 01. September bis 13. Oktober 2003 als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Sachgerecht sei hier der Leistungsantrag gewesen, da es auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung angekommen sei. Bei Klageerhebung und Behandlungsbeginn sei nach den Grundsätzen des BSG zum Off-Label-Use vorzugehen gewesen. Danach habe aufgrund der damals bestehenden Datenlage die begründete Aussicht bestanden, dass mit T. ein Behandlungserfolg habe erzielt werden können. Die bereits abgeschlossene Phase III-Studie habe diese Aussicht gestützt. Die Beklagte könne sich jetzt nicht darauf berufen, dass der behandelnde Urologe über positive Wirkungen der Therapie mit T. nicht berichtet habe. Es komme hier nicht darauf an, ob aufgrund einer nachträglichen Beurteilung das eingesetzte Medikament im Einzelfall tatsächlich gewirkt habe. Andernfalls müsste ein Medikament erst ausprobiert werden, um im Erfolgsfall nachträglich die Zulässigkeit seiner Anwendung feststellen zu können. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass die Behandlung mit E. zum Zeitpunkt des Beginns der Behandlung mit T. keinen Erfolg gezeigt habe. Deswegen sei auf T. umgestellt worden. Dass anschließend wiederum mit E. weiterbehandelt worden sei und die Behandlung diesmal angeschlagen habe, könne die Zulässigkeit der Behandlung mit T. nachträglich nicht in Frage stellen. Es müsse berücksichtigt werden, dass er nach der Einschätzung des behandelnden Arztes vor der Therapie mit T. austherapiert gewesen sei. Eine andere Therapiemöglichkeit, die gleichen Erfolg versprochen hätte, habe nicht existiert. Welche Therapien langfristig gesehen den Ausschlag gegeben hätten, könne nicht mehr festgestellt werden. Jedenfalls sei bei ihm das Ziel erreicht worden, dass er immer noch lebe. Es wäre auch unstimmig, hier bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der Behandlung abzustellen, dann aber auch zu berücksichtigen, dass nach der Behandlung diese nicht erfolgreich gewesen sein könnte. Im Übrigen verweise er auf die aktuelle Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen in den Sachen L 5 KR 171/04 und L 5 KR 144/03 zur erweiterten Zulässigkeit des Off-Label-Use. Diese Urteile hat der Kläger vorgelegt.

Der Berichterstatter des Senats hat eine schriftliche Auskunft als sachverständiger Zeuge des Dr. E. vom 09. Mai 2006 und des Urologen L. vom 23. Mai 2006 eingeholt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge einschließlich der Akte des SG Ulm S 10 KR 1603/03 ER verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Die Unzulässigkeit der Berufung ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass der Beklagten ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung der Berufung deswegen fehlt, weil sie die streitige Leistung vom 01. September bis 13. Oktober 2003 bereits als Sachleistung im Hinblick auf den rechtskräftig gewordenen Beschluss des SG vom 16. Juli 2003 (S 10 KR 1603/03 ER) erbracht hat, weshalb sie die von dem Urologen L. in der Anlage zur Auskunft vom 23. Mai 2006 (Schreiben vom 13. August 2006) aufgelisteten Kosten für T. getragen hat. Da der genannte Beschluss vom 16. Juli 2003 lediglich über die Sachleistungspflicht im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum bestandskräftigen Abschluss des Vorverfahrens entschieden hat, hat die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran, die Berufung hinsichtlich des Urteils des SG vom 17. Juni 2006 durchzuführen, zumal sie sich der Möglichkeit des Erlasses eines Rückforderungsbescheids bzw. der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs entsprechend § 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegenüber dem Kläger berühmt. Darüber, ob ein solcher Rückabwicklungsanspruch tatsächlich besteht, war hier nicht zu entscheiden.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hätte der Klage nicht stattgeben dürfen.

Zwar erachtet der Senat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, die das SG auch nach Durchführung der medikamentösen Behandlung im September/Oktober 2003 angenommen hat, als unzulässig. Sachdienlich war jedoch im Hinblick auf die nur einstweilige Entscheidung des SG vom 16. Juli 2003 ein mit einem Anfechtungsbegehren verbundenes Feststellungsbegehren, dass festgestellt werden soll, dass die Beklagte zur Zurverfügungstellung von T. im September/Oktober 2003 als Sachleistung verpflichtet war. Jedoch auch dieses zulässige Feststellungsbegehren ist nicht begründet.

Bei der Prüfung, ob die Beklagte nach §§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 31 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) auch unter Berücksichtigung der Einschränkungen der Arzneimittelversorgung aus §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V, wonach insoweit der Sachleistungsanspruch nur solche Arzneimittel umfasst, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, verpflichtet war, dem Kläger im September/Oktober 2003 T. als Sachleistung zur Verfügung zu stellen, kommt es entgegen der Ansicht des SG nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz an, wie bei einer Verpflichtungsklage auf künftige Versorgung. die Leistungspflicht der Krankenkasse beurteilt sich nämlich stets nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit der Verschaffung bzw. Beschaffung des Arzneimittels und der Behandlung damit. Wird eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V für ein bereits selbst beschafftes Arzneimittel begehrt, kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschaffung bzw. der Behandlung damit an, ob also die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Sachleistungsanspruch bestanden haben. Dieses gilt auch dann, wenn, wie hier, der Kläger sich das Medikament T. nicht selbst im September/Oktober 2003 beschafft hat, sondern die Sachleistung durch die Beklagte im Hinblick auf das Verfahren wegen des einstweiligen Rechtsschutzes zu diesem Zeitpunkt erbracht wurde. Der Kläger kann in diesen Fällen nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wenn die Versorgung mit dem Arzneimittel künftig noch vorzunehmen wäre.

Zu Qualität und Wirkungsweise eines Arzneimittels muss es zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, fehlt es daher an der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit speziell einer Arzneimitteltherapie, wenn das verwendete Mittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese Zulassung nicht erteilt worden ist, insbesondere auch weder das zentrale noch das dezentrale europarechtliche Anerkennungsverfahren mit dem Ausspruch einer Zulassung durchlaufen hat (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R - = SozR 4-2500 § 31 Nr. 1). Im September/Oktober 2003 bestand entgegen der Ansicht des SG kein Anspruch auf Zurverfügungstellung von T. zur Behandlung des beim Kläger bestehenden metastasierenden Prostatakarzinoms. Zu diesem Zeitpunkt war T. als Fertigarzneimittel weder in Deutschland noch aufgrund eines zentralen oder dezentralen europarechtlichen Anerkennungsverfahrens für die Behandlung eines metastasierenden Prostatakarzinoms zugelassen. Auch nach dem Vorbringen des Klägers selbst sind Studien der Phase III zur Anwendung von T. beim Vorliegen eines metastasierenden Prostatakarzinoms erst im Juni 2004 veröffentlicht worden. Nach der vom Kläger vorgelegten Pressemitteilung der Aventis GmbH war der Antrag auf Zulassung für die hier in Rede stehende Indikation für T. bei der EMEA auch erst am 04. Februar 2004 gestellt worden. Die klinische Prüfung bis zur Zulassungserteilung gliedert sich insoweit regelmäßig in drei Phasen. Zunächst wird an einer kleinen Zahl gesunder Probanden die Verträglichkeit der Substanz bei Menschen untersucht mit ersten Informationen über Pharmakokinetik und Stoffwechsel. Rechtfertigen die Befunde dieser Phase I die weitere Untersuchung der Prüfsubstanz, wird in einer Phase II an einer begrenzten Zahl von etwa 100 bis 200 Patienten versucht, die pharmakodynamische Wirkung des Arzneimittels therapeutisch bzw. diagnostisch zu objektivieren. Diese Studie dient dazu, H
Rechtskraft
Aus
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