L 5 R 3197/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 619/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3197/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Juni 2005 betreffend den Bescheid vom 16. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Rentenzahlungen auf Grund des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen.

In Ausführung eines vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) am 16. September 2003 geschlossenen Vergleichs in dem Verfahren S 4 RA 1791/02 (Bl. 614 Verwaltungsakte - VA -) hat die Beklagte mit Bescheid vom 8. Oktober 2003 (Bl. 621 VA) bezüglich aller anhängigen Überzahlungen betreffend die Zeit 1. Oktober 1999 bis 31. März 2002 eine Überprüfung durchgeführt und die jeweiligen Erstattungsbeträge festgesetzt. Gleichzeitig machte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Oktober 2003 die Erstattung einer Überzahlung in Höhe von 12.081,94 EUR geltend.

Hiergegen erhob der DGB Rechtsschutz im Namen des Klägers am 15. Oktober 2003 mit Schreiben vom 13. Oktober 2003 Widerspruch. Mit Schreiben vom 17. November 2003 (Bl. 628 VA) wurde in dem Zusammenhang auch ein Exemplar der Vollmacht vorgelegt. In den Akten findet sich in der Unterlagenmappe zu Beginn des Bandes III in diesem Zusammenhang eine Vollmacht wegen - wohl - Überzahlung mit dem Datum "06.11.1993", versehen mit dem Vermerk "Mandat niedergelegt Bl. 705", dieser wiederum durchgestrichen mit dem Vermerk "Bl. 719". Dem lag der Umstand zugrunde, dass der DGB Rechtsschutz mit Schreiben vom 20. Juli 2004 (Bl. 705 VA) mitgeteilt hatte, dass das Mandat niedergelegt sei, und mit weiterem Schreiben vom 12. August 2004 mitgeteilt hatte, dass das Mandat wieder aufgenommen werde (Bl. 719 VA).

Während des (noch) anhängigen Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 8. Oktober 2003 erließ die Beklagte den Rentenbescheid vom 16. September 2004 (Bl. 772 b ff. VA) mit dem sie rückwirkend ab 1. August 2002 dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, befristet bis zum 31. Juli 2005 bewilligte und für die Zeit vom 1. August 2002 bis 31. Oktober 2004 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 11.317,01 EUR festsetzte. Gleichzeitig behielt die Beklagte die Nachzahlung vorläufig ein. Der Bescheid vom 16. September 2004 enthält die Rechtsbehelfsbelehrung, er werde nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.

Mit Schreiben vom 27. September 2004 (Bl. 786 VA) machte die Bundesagentur für Arbeit einen Erstattungsanspruch für den Zeitraum 2. Juni 2003 bis 26. Mai 2004 bezüglich von ihr erbrachter Leistungen wegen Arbeitslosigkeit sowie Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 11.234,85 EUR geltend.

Mit Fax vom 20. Oktober 2004 erhob der DGB Rechtsschutz des Weiteren Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. (gemeint wohl 16.) September 2004 (Bl. 830 VA). Dem Originalanschreiben des DGB Rechtsschutzes vom 20. Oktober 2004 (Bl. 832 VA) war eine Vollmacht beigefügt mit dem Datum "06.11.93"; bezüglich des Streitgegenstandes findet sich hier kein Eintrag.

Die Widersprüche wurden im Übrigen nicht begründet und mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2005 sodann zurückgewiesen.

Hiergegen hat der DGB Rechtsschutz am 3. März 2005, gerichtet gegen die Bescheide vom 8. Oktober 2003 und 16. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2005 Klage zur Fristwahrung vor dem SG erhoben. Mit Schreiben vom 21. März 2005 wurde der DGB Rechtsschutz aufgefordert, innerhalb von vier Wochen u. a. die Originalvollmacht zu übersenden und die Klage zu begründen. Er wurde darin auch darauf hingewiesen, dass, sofern die Originalvollmacht nicht fristgemäß vorliege, die Klage durch Gerichtsbescheid als unzulässig abgewiesen werden könne. Eine Vollmacht wurde von Seiten des DGB Rechtsschutz nicht vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2005 wies das SG daraufhin die Klage ab. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Klage unzulässig gewesen sei, da trotz eigener Ankündigung und ausdrücklicher Aufforderung durch das Gericht unter Hinweis auf die Konsequenzen für den Fall der Nichtbeachtung kommentarlos keine Vollmacht vorgelegt worden sei und die Klage daher unzulässig sei, da sie von einem vollmachtslosen Vertreter erhoben worden sei. Das SG ging auch davon aus, dass auch nicht etwa deshalb von der Anforderung einer Vollmacht habe abgesehen werden können, weil der DGB Rechtsschutz womöglich etwa früher einmal (allenfalls vor dem ersten angefochtenen Bescheid) im Verwaltungsverfahren bereits eine Vollmacht zu den Verwaltungsakten des Beklagten gegeben, bzw. seine Bevollmächtigung in den früheren Gerichtsverfahren S 4 RA 1791/02, 1792/02 und 2489/02 jeweils gesondert belegt habe.

Der Kläger hat gegen den dem DGB Rechtsschutz am 24. Juni 2005 mit Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid am 22. Juli 2005 Berufung eingelegt.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 28. Juni 2006 legt der Kläger an dieser Stelle den Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2005 mit Eingangsstempel des DGB Rechtsschutzbüro H. vom 11. Februar 2005 vor, der ihm mit einem Schreiben des Büro H. vom 14. Februar 2005 mit der Bemerkung übersandt worden war: "Ende der Klagefrist 09.03.2005. Aufgrund dessen, dass Sie Ihrer Mitwirkungspflicht uns gegenüber nicht nachgekommen sind, werden wird diese Frist nicht überwachen und von hier aus auch nichts unternehmen." Der Kläger gibt in dem Zusammenhang an, er sei davon ausgegangen, dass er durch den DGB Rechtsschutz vertreten gewesen sei. Er sei sich auch nicht bewusst, seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen zu sein. Der Kläger gibt ferner an, dass er keine Kenntnis davon habe, schon im Jahre 1993 etwa durch den DGB in einem Klageverfahren vertreten gewesen zu sein. Er habe vielmehr gleich 1995 seine Rente bekommen, ohne vorher einen Prozess führen zu müssen. Auch sei zum damaligen Zeitpunkt der DGB Rechtsschutz nicht eingeschaltet gewesen.

Der Kläger gibt weiter bezüglich des Bescheides vom 16. September 2004 an, er wisse jetzt nicht wogegen er sich bezüglich dieses Bescheides wende, er vermute, unter Umständen deshalb, weil die Rente jetzt nur befristet gewesen sei und er vorher eine unbefristete Teilerwerbsminderungsrente erhalten habe. Weiter führt der Kläger aus, im Übrigen sei der Hauptgrund des Verfahrens ohnehin der, dass er zwar bereit sei, im Zusammenhang mit dem damaligen Probearbeitsverhältnis die sechs Monate Rente zurückzuzahlen, im Übrigen aber er der Meinung sei, dass er die Rente im Zeitraum davor nicht zurückzahlen müsse, da er nach der damaligen Rechtslage entsprechend habe hinzuverdienen dürfen.

Der Kläger hat des Weiteren nach Rücksprache mit seinem jetzigen Bevollmächtigten die Berufung hinsichtlich des Bescheides vom 8. Oktober 2003 nach Hinweis des Berichterstatters, dass insoweit keine wirksame Vollmacht mehr vorgelegen haben dürfte (da bei einer erneuten Erteilung des Mandats eine neue Vollmacht hätte auch erteilt werden müssen), zurückgenommen.

Im Zusammenhang mit der im Übrigen aufrecht erhaltenen Berufung bezüglich des Bescheides vom 16. September 2004 beantragt der Kläger,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Juni 2005 abzuändern und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (4 Bände) sowie die Gerichtsakten des SG (S 2 R 619/05 sowie die früheren Vorakten S 4 RA 1791/02 und S 4 RA 1792/02) wie auch die Senatsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden.

Gegenstand des Verfahrens ist im Hinblick auf die Rücknahme der Berufung hinsichtlich des Bescheides vom 8. Oktober 2003 nur noch der Bescheid vom 16. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2005.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG besteht nicht. Im Streit steht die Gewährung einer befristeten Erwerbsminderungsrente für einen Zeitraum von drei Jahren in Verbindung mit einem Nachzahlungsbetrag in einer Höhe von über 11.000 EUR.

III.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zwar zu Unrecht als unzulässig abgewiesen (dazu im Folgenden unter 1.), jedoch ist die Entscheidung der Beklagten in der Sache, nämlich hinsichtlich der befristeten Gewährung der Erwerbsminderungsrente, wie auch des Einbehaltens des Nachzahlungsbetrages nicht zu beanstanden (dazu unter 2.).

1. Entgegen der Auffassung des SG ist die Klage gegen den Bescheid vom 16. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2005 zulässig. Das SG hätte bei nur einfachem Studium der Verwaltungsakte ohne Weiteres dem Widerspruchsschreiben vom 20. Oktober 2004 gegen den Bescheid vom 16. September 2004 (Bl. 832 VA) eine beigefügte Vollmacht (wenn auch mit dem Datum "6.11.93") entnehmen können. Dieser Vollmacht hätte das SG des Weiteren entnehmen können, dass sie offenkundig auch zur Führung eines sozialgerichtlichen Verfahrens ermächtigt und insofern zweifelsfrei deutlich macht, dass sie auch im anschließenden Rechtsstreit (hier vor dem SG) gelten soll (siehe Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Auflage, § 73 Rdnr. 13 a). Sofern das SG hinsichtlich der Gültigkeit dieser Vollmacht aufgrund des missverständlichen Datums "6.11.93" Zweifel gehabt hätte, wäre es Sache des SG gewesen, dies gegebenenfalls durch eine Nachfrage zu klären.

Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn das SG hätte hier richtigerweise die Klage in der Sache prüfen müssen. Der Senat sieht allerdings im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens von einer Zurückverweisung ab, da hier eine Entscheidung in der Sache möglich ist.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16. September 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI (in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I, 1827) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).

Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Des Weiteren bestimmt § 314 b SGB VI, dass sofern am 31. Dezember 2000 Anspruch auf eine befristete Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bestand und der jeweilige Anspruch nach Ablauf der Frist von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig ist, die Befristung zu wiederholen ist, es sei denn die Versicherten vollenden innerhalb von zwei Jahren nach Beginn der sich anschließenden Frist das 60. Lebensjahr.

Der Kläger erhielt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, da die volle Erwerbsminderung nicht ausschließlich auf seinem Gesundheitszustand, sondern auch auf den Verhältnissen des Arbeitsmarktes beruhte.

Der Kläger hatte u. a. zuletzt mit Bescheid vom 28. Januar 2002 auf seinen Antrag vom 31. Januar 1995 anstelle seiner bisherigen Rente, ab 1. November 2001 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhalten, da nach den Feststellungen der Beklagten der Kläger noch mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne und einen entsprechenden Arbeitsplatz inne habe. Da der Kläger offenkundig zwischenzeitlich nicht mehr im Besitz dieses Arbeitsplatzes ist und er nach seinem Leistungsvermögen an und für sich noch für Teilzeitarbeit mit mindestens drei Stunden täglich in Betracht käme, jedoch derzeit bezüglich entsprechender Teilzeittätigkeiten von einem verschlossenen Arbeitsmarkt auszugehen ist, war ihm gemäß § 314 b Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet zu gewähren. Nicht zu beanstanden ist auch, soweit die Beklagte im Bescheid vom 16. September 2004 die dort errechnete Nachzahlung in Höhe von 11.317,01 EUR zunächst im Hinblick auf die bekannt gewordenen Ansprüche anderer Stellen (z. B. Krankenkasse, Agentur für Arbeit, Träger der Sozialhilfe), die dem Kläger im Nachzahlungszeitraum bereits Zahlungen geleistet haben, einbehalten hat. So hat hier unter anderem die Agentur für Arbeit bereits mit Schreiben vom 27. September 2004 einen Erstattungsanspruch bezüglich von ihr erbrachter Leistungen bis zum 26. Mai 2004 in Höhe von 11.234,85 EUR geltend gemacht.

Aus all diesen Gründen ist die Berufung daher zurückzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved