L 5 KR 5908/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 2720/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5908/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 17.10.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin begehrt (weitere) Soziotherapie nach § 37a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

Die 1948 geborene Beschwerdeführerin, Mitglied der Beschwerdegegnerin, leidet seit etwa 1995 an paranoider Schizophrenie. Deswegen wurde sie wiederholt stationär behandelt.

Nach Erstellung eines soziotherapeutischen Betreuungsplans durch die Arkade e.V. vom 22.7.2003 verordnete die Nervenärztin Dr. A. der Beschwerdeführerin unter dem 8.7.2003 eine Soziotherapie. Bei der Beschwerdeführerin seien die kognitiven Fähigkeiten und das problemlösende Denken eingeschränkt; außerdem lägen mangelnde Compliance sowie fehlender Realitätsbezug vor. Die Beschwerdeführerin sei alleinstehend und lebe im eigenen Haus. Vor allem im Bereich der kognitiven Fähigkeiten sei mit einer Besserung zu rechnen; durch die Soziotherapie könne eine stationäre Behandlung vermieden werden. Die voraussichtliche Anzahl der Therapieeinheiten betrage 120, die voraussichtliche Dauer der Therapie drei Jahre. Vorerst würden 30 Therapieeinheiten beantragt.

Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK, Dr. K.) unter dem 12.8.2003 zunächst 30 Behandlungsstunden (eine Sitzung wöchentlich) befürwortet hatte, bewilligte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 19.8.2003 (vorerst) 30 Soziotherapiestunden bis 29.2.2004.

Mit Bescheid vom 30.12.2003 hob die Beschwerdegegnerin den Bescheid vom 19.8.2003 mit Wirkung vom 1.1.2004 im Hinblick auf die durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz eingetretenen Zuzahlungen auch für Soziotherapie auf. Gleichzeitig erklärte sie sich bereit, die vertraglich vereinbarten Kosten im ärztlich verordneten Umfang weiterhin bis zum 29.2.2004 zu übernehmen.

Nach Konsultation des MDK (Gutachten vom 8.3.2004) bewilligte die Beschwerdegegnerin weitere Soziotherapie im ärztlich verordneten Umfang bis vorerst 31.12.2004 mit der Maßgabe, dass regelmäßig ein bis dreimal monatlich ein Einzelgespräch durchgeführt werde.

Unter dem 14.2.2005 verordnete der Neurologe und Psychiater Dr. St. weitere 30 Therapieeinheiten, worauf die Beschwerdegegnerin (nach Einschaltung des MDK, Gutachten vom 3.3.2005) mit Bescheid vom 9.3.2005 entsprechende Leistungen bewilligte.

Unter dem 19.4.2006 verordnete Dr. St. erneut 30 Therapieeinheiten, worauf die Beschwerdegegnerin (nach Einschaltung des MDK, Gutachten vom 3.5.2006) den Bewilligungsbescheid vom 9.5.2006 erließ. Sie übernahm die Kosten im ärztlich verordneten Umfang (nur noch) bis zum 7.7.2006. Zur Begründung führte sie aus, je Krankheitsfall könnten innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Jahren maximal 120 Stunden erbracht werden (§ 37a Abs. 1 Satz 3 SGB V); die Therapie der Beschwerdeführerin habe am 8.7.2003 begonnen.

Mit Schreiben vom 30.6.2006 teilte die die Beschwerdeführerin behandelnde Soziotherapeutin K. mit, die Beschwerdeführerin sei in den häufig auftretenden manischen Phasen oft zerfahren, unruhig, auffällig laut und distanzlos, ständig unterwegs und gebe viel Geld aus. Außerdem weigere sie sich in akuten Krankheitsphasen, ihre Medikamente einzunehmen. Sie benötige Unterstützung bei Behördengängen und dem Ausfüllen von Anträgen. Bei der Tages- und Freizeitgestaltung sei immer wieder wichtig, gemeinsam mit ihr genügend Ruhephasen zwischen den Aktivitäten einzuplanen. Beim Einkaufen müsse die Beschwerdeführerin kontinuierlich unterstützt werden. Daher sei weitere Soziotherapie notwendig. Dr. St. führte in der Bescheinigung vom 23.6.2006 ergänzend aus, die Situation der Beschwerdeführerin habe sich während der letzten drei Jahre günstig entwickelt. Es sei gelungen, sie auf ein wesentlich nebenwirkungsärmeres atypisches orales Neuroleptikum umzustellen, das sie durch die beständige Motivation im Rahmen der soziotherapeutischen Betreuung regelmäßig einnehme. Der Abbruch der Soziotherapie sei äußerst problematisch. Für die Überleitung in andere Hilfesysteme sei die Beschwerdeführerin eigentlich noch nicht stabil genug. Die Verlängerung der Therapie um mindestens ein weiteres Jahr sei sehr wünschenswert. Unter dem 2.8.2006 verordnete Dr. St. der Beschwerdeführerin weitere 30 Therapiestunden.

Die Beschwerdegegnerin erhob das Gutachten des MDK vom 9.8.2006. Darin ist ausgeführt, aus sozialmedizinischer Sicht erscheine die Fortsetzung der Soziotherapie für zunächst weitere 30 Therapieeinheiten zur weiteren Stabilisierung bzw. zur Vermeidung von Krankenhausbehandlungen angezeigt.

Mit Bescheid vom 30.8.2006 lehnte die Beschwerdegegnerin den Weitergewährungsantrag (endgültig) ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Beschwerdeführerin vor, die gesetzlich vorgesehene Drei-Jahres-Frist sei eine Rahmenfrist. Sie beginne mit dem Tag der erstmaligen Inanspruchnahme von Leistung der Soziotherapie. Nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist müsse das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen erneut geprüft werden. Sodann könne eine zweite Rahmenfrist beginnen, innerhalb derer wiederum Anspruch auf 120 Therapiestunden bestehe, sofern dies medizinisch indiziert sei.

Am 29.9.2006 suchte die Beschwerdeführerin beim Sozialgericht Konstanz um vorläufigen Rechtsschutz nach. Zur Begründung wiederholte und bekräftigte sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren; sie beziehe Erwerbsunfähigkeitsrente und könne die Kosten der Soziotherapie nicht bezahlen. Wegen ihres labilen Zustandes müsse nach Beendigung der wöchentlichen Soziotherapie kurz- oder mittelfristig mit einer Krankenhauseinweisung gerechnet werden. Das sei ihr nicht zumutbar.

Die Beschwerdegegnerin trug vor, bei der in § 37a Abs. 1 Satz 2 SGB V vorgesehenen Drei-Jahres-Frist handele es sich nicht um eine Rahmenfrist, die immer wieder neu beginnen könne. Eine entsprechende gesetzliche Regelung, etwa wie in § 48 Abs. 2 SGB V zum Krankengeld, gebe es nicht. Nach der Gesetzesbegründung habe die Leistung auch auf maximal 120 Stunden innerhalb von drei Jahren beschränkt werden sollen (BT-Drs. 14/1245, S. 66). Aus den Soziotherapie-Richtlinien folge nichts anderes. Dort werde der Krankheitsfall als Phase der Behandlungsbedürftigkeit bei einer aufgeführten Indikation von bis zu drei Jahren definiert (Abschnitt IV Nr. 17 Satz 3). Das zeige, dass ein Krankheitsfall in diesem Sinne nicht vorliege, wenn die Behandlungsbedürftigkeit mehr als drei Jahre andauere. Ziel der Soziotherapie sei vor allem, den Versicherten zur selbstständigen Inanspruchnahme von Leistungen zu befähigen. Dieser Zweck rechtfertige die zeitliche Begrenzung des Anspruchs. Sei der Versicherte nämlich länger als drei Jahre behandlungsbedürftig, müsse angenommen werden, dass eine langfristige Verminderung der Fähigkeitsstörungen nicht zu erwarten sei.

Mit Beschluss vom 17.10.2006 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Zur Begründung führte es aus, die Beschwerdeführerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Unstreitig sei, dass sie die in § 37a Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten und in Abschnitt II der Soziotherapie-Richtlinien näher umschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung von Soziotherapie nach wie vor erfülle. Sie leide nämlich an Schizophrenie, also an einer schweren psychischen Erkrankung, die mit Fähigkeitsstörungen der in Abschnitt II Nr. 10 Soziotherapie-Richtlinien aufgeführten Art verbunden sei. Gleichwohl könne keine Soziotherapie mehr gewährt werden, da diese Leistung zeitlich begrenzt sei und die Beschwerdeführerin den Leistungsanspruch (höchstens 120 Stunden innerhalb von drei Jahren je Krankheitsfall) seit dem 7.7.2006 ausgeschöpft habe. Aus Abschnitt II Nr. 17 Satz 2 und 3 Soziotherapie-Richtlinien folge nichts anderes. Die vom Gesetzgeber gewollte Begrenzung des Anspruchs würde ins Gegenteil verkehrt, wenn bei fortdauernder Behandlungsbedürftigkeit nach Ablauf von drei Jahren ein neuer Krankheitsfall anzunehmen wäre, der einen neuen Leistungsanspruch begründete. Anders als beim Anspruch auf Krankengeld, der nach Ablauf einer Rahmenfrist unter den in § 48 Satz 2 SGB V genannten Voraussetzungen wieder aufleben könne, sei der Anspruch auf Soziotherapie hinsichtlich des Leistungsumfangs und der Leistungsdauer limitiert.

Auf den ihr am 27.10.2006 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 22.11.2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abhalf (Beschluss vom 24.11.2006). Sie trägt ergänzend vor, wegen ihres Gesundheitszustandes seien die Besuche bei der Sozialtherapeutin absolut notwendig. Bei den häufig chronisch verlaufenden psychiatrischen Erkrankungen sei die Anschubleistung im Laufe der Erkrankung immer wieder erforderlich. Nach Ablauf der in Abschnitt II Nr. 17 Satz 3 Soziotherapie-Richtlinien festgelegten Drei-Jahres-Frist beginne ein neuer Krankheitsfall im Rechtssinne. Ob hierfür weitere Leistungen zu gewähren seien, hänge sodann allein von medizinischen Voraussetzungen ab. Diese Auslegung der maßgeblichen Vorschriften sei sinnvoll und trage dem Wirtschaftlichkeitsgebot sowie der Eigenart psychiatrischer Erkrankungen Rechnung. Zumindest in Härtefällen, wie bei ihr, müsse die Eröffnung einer erneuten Drei-Jahres-Frist möglich sein. Bei Beendigung der Soziotherapie drohe die Einweisung in ein Krankenhaus. Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 17.10.2006 aufzuheben und der Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihr vorläufig weiterhin Leistungen der Soziotherapie zu gewähren.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin wies den Widerspruch der Beschwerdeführerin mittlerweile durch Widerspruchsbescheid vom 12.12.2006 zurück; Klage ist noch nicht erhoben worden. Zur Begründung führte sie aus, seit dem 1.1.2000 gehöre auch die Soziotherapie zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn ein Versicherter wegen schwerer psychischer Erkrankung nicht in der Lage sei, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbstständig in Anspruch zu nehmen. Die Soziotherapie zähle nicht zur Krankenbehandlung. Sie solle vielmehr den Zugang zu den verschiedenen Behandlungsmaßnahmen erleichtern und könne deshalb bereits dem Grunde nach keine isolierte Einzelmaßnahme sein. Die Soziotherapie erweitere nicht das Spektrum der Psychotherapie und ersetze diese auch nicht. Nach dem Soziotherapiebericht des Leistungserbringers Arkade e.V. habe dieser für die Beschwerdeführerin überwiegend Leistungen außerhalb des gesetzlich definierten und in den Soziotherapie-Richtlinien konkretisierten Betreuungsumfangs erbracht und etwa die Tages- und Freizeitgestaltung geplant und Unterstützung beim Einkaufen geleistet. Bereits die Regelmäßigkeit der Termine spreche gegen die Koordinierung mit den ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen. Die Soziotherapie sei daher bislang rechtswidrig als isolierte Einzelleistung und als Unterstützung in der Lebensführung bzw. als allgemeine Betreuungsleistung erbracht worden. Davon abgesehen sei der Leistungszeitraum gesetzlich auf drei Jahre begrenzt. Dabei handele es sich nicht um eine Rahmenfrist, nach deren Ablauf ein neuer Anspruch entstehen könne. Die Beschwerdeführerin habe den ihr zustehenden Anspruch bereits ausgeschöpft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätzen sowie die Akten der Beschwerdegegnerin, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen. II.

Die statthafte und zulässige Beschwerde der Beschwerdeführerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Gem. § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist neben einem Anordnungsanspruch, also dem materiellen Anspruch, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht, ein Anordnungsgrund. Darunter ist die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung zu verstehen. Dem Antragsteller muss es unzumutbar sein, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt. Außerdem darf mit der einstweiligen Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden, es sei denn, dies ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) schlechterdings notwendig.

Hier fehlt es am Anordnungsanspruch der Beschwerdeführerin. Weitere Leistungen der Soziotherapie kann sie nicht beanspruchen, so dass für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung kein Raum ist.

Gem. § 37a Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Soziotherapie, wenn sie wegen schwerer psychischer Erkrankung nicht in der Lage sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen in Anspruch zu nehmen, sofern durch die Soziotherapie Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist. Die Soziotherapie umfasst im Rahmen der durch die Soziotherapie-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses näher festgelegten Maßgaben (§ 37a Abs. 2 SGB V) die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme (37a Abs. 1 Satz 2 SGB V). Der Anspruch besteht für höchstens 120 Stunden innerhalb von 3 Jahren je Krankheitsfall (§ 37a Abs. 1 Satz 3 SGB V).

In den auf der Grundlage der §§ 37a Abs. 2, 92 SGB V erlassenen Soziotherapie-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 23.8.2001 (BAnz 2001, Nr. 217 S. 23735) sind u.a. Grundlagen und Ziele (Abschnitt I), Indikation und Therapiefähigkeit (Abschnitt II), Leistungsinhalt (Abschnitt III) und Verordnung und Leistungsumfang näher geregelt. Danach soll Soziotherapie psychisch Kranken, die häufig nicht in der Lage sind, (Behandlungs-)Leistungen selbstständig in Anspruch zu nehmen, durch Motivierung und strukturierte Trainingsmaßnahmen beim Abbau psychosozialer Defizite helfen. Die Kranken sollen in die Lage versetzt werden, die erforderlichen Leistungen zu akzeptieren und selbstständig in Anspruch zunehmen (Abschnitt 1 Nr. 1 Soziotherapie-Richtlinien). Die Durchführung der Soziotherapie setzt einen mit dem verordnenden Arzt und dem Patienten abgestimmten und vom soziotherapeutischen Leistungserbringer zu erstellenden soziotherapeutischen Behandlungsplan voraus, mit dessen Hilfe die verschiedenen Elemente und Ziele des ärztlichen Behandlungsplans erreicht werden sollen (Abschnitt I, Nr. 3 Soziotherapie-Richtlinien). Die Soziotherapie umfasst die Koordination der im Rahmen des Behandlungsplanes festgelegten Maßnahmen. Indiziert ist sie (u. a.) bei Erkrankungen aus dem Bereich des schizophrenen Formenkreises, die zu Funktionsstörungen, wie der Beeinträchtigung des Antriebs, der Ausdauer, der Belastbarkeit oder der Strukturierungsfähigkeit bzw. zu mangelnder Compliance im Sinne eines krankheitsbedingt unzureichenden Zugangs zur eigenen Krankheitssymptomatik und zum Erkennen von Konfliktsituationen und Krisen führen (näher Abschnitt II Nr. 8 ff. Soziotherapie-Richtlinien). Inhalt der Leistungen ist (u. a.) die Erstellung des soziotherapeutischen Behandlungsplans, die Koordination von Behandlungsmaßnahmen und Leistungen, die Arbeit im sozialen Umfeld sowie die soziotherapeutische Dokumentation (Abschnitt III Soziotherapie-Richtlinien). Hinsichtlich des Leistungsumfangs bestimmt Abschnitt IV Nr. 17 Soziotherapie-Richtlinien, dass die Dauer und die Frequenz der soziotherapeutischen Betreuung von den individuellen medizinischen Erfordernissen abhängen muss. Es können höchstens bis zu 120 Stunden je Krankheitsfall innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Jahren erbracht werden, wobei unter einem Krankheitsfall i. S. der Soziotherapie-Richtlinien eine Phase der Behandlungsbedürftigkeit gemäß der in Abschnitt II der Richtlinien aufgeführten Indikationen von bis zu drei Jahren anzusehen ist (Abschnitt IV Nr. 17 Satz 2 und 3 Soziotherapie-Richtlinien).

Im Hinblick darauf streiten die Beteiligten nicht darüber, dass die Beschwerdeführerin die Indikation für Leistungen der Soziotherapie gem. Abschnitt II Nr. 8 bis 12 Soziotherapie-Richtlinien erfüllt, da sie an einer Erkrankung des schizophrenen Formenkreises leidet und dadurch offenbar auch die in Abschnitt II Nr. 10 Soziotherapie-Richtlinien näher beschriebenen Fähigkeitsstörungen, etwa mangelnde Compliance, in hinreichendem Schweregrad verursacht sind. Dahin stehen mag, ob die bislang erbrachte und von der Beschwerdeführerin in dieser Form auch weiter beanspruchte Soziotherapie den dargestellten Maßgaben des Abschnitts I Nr. 3 und des Abschnitts III Soziotherapie-Richtlinien entsprach; die Beschwerdegegnerin hat daran berechtigte Zweifel geäußert und diese im mittlerweile ergangenen Widerspruchsbescheid näher dargelegt. Einkaufshilfe und Hilfe bei der Planung der Tages- und Freizeitgestaltung als solche ohne eingehendere Koordination mit der erforderlichen ärztlichen Behandlung ist jedenfalls nicht Sinn der Soziotherapie. Diese stellt vielmehr eine Betreuungsleistung zur Vermeidung der Krankenhausbehandlung von schwer psychisch Kranken dar, die nicht in der Lage sind, ambulante (ärztliche) Behandlung selbständig in Anspruch zu nehmen. Die Soziotherapie ist daher unmittelbar auf medizinische Zwecke und (ungeachtet der missverständlichen Bezeichnung) nicht auf die gesellschaftliche Eingliederung des Versicherten gerichtet. Sie soll wiederkehrende stationäre Krankenhausaufenthalte im Sinne des so genannten "Drehtür-Effekts" vermeiden und den psychisch Kranken zur selbständigen Inanspruchnahme der im Einzelfall erforderlichen medizinischen Leistungen befähigen (vgl. etwa KassKomm-Höfler, SGB V § 37a Rdnr. 2). Die Leistungen sind deshalb mit dem verordnenden Arzt abzustimmen und auf die Elemente und Ziele des ärztlichen Behandlungsplans auszurichten (vgl. etwa Abschnitt I Nr.3 bzw. Abschnitt III Soziotherapie-Richtlinien sowie § 37a Abs. 1 Satz 2 SGB V).

Weitere Leistungen der Soziotherapie sind der Beschwerdeführerin jedenfalls deshalb nicht mehr zu gewähren, weil sie den gesetzlichen Anspruch bereits in vollem Umfang ausgeschöpft hat. Gem. § 37a Abs. 1 Satz 3 SGB V besteht der Leistungsanspruch nämlich für höchstens 120 Stunden innerhalb von 3 Jahren je Krankheitsfall. Hierzu bestimmt Abschnitt IV Nr. 17 Satz 3 Soziotherapie-Richtlinien, dass unter Krankheitsfall eine Phase der Behandlungsbedürftigkeit bei einer der in Abschnitt II Soziotherapie-Richtlinien aufgeführten Indikationen zu verstehen ist. Mit diesen Regelungen sollte der Umfang soziotherapeutischer Leistungen klar begrenzt werden. Insoweit unterscheidet sich die Vorschrift des § 37a Abs. 1 Satz 3 SGB V schon im Wortlaut von der Regelung des § 48 Abs. 1 und 2 SGB V zur Dauer des Bezugs von Krankengeld. Gem. § 48 Abs. 1 SGB V erhalten Versicherte Krankengeld nämlich ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von "je drei Jahren", gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. § 48 Abs. 2 SGB V legt die Voraussetzungen fest, unter denen für Versicherte, die im letzten Drei-Jahres-Zeitraum wegen derselben Krankheit für 78 Wochen Krankengeld bezogen haben, nach Beginn eines "neuen Drei-Jahres-Zeitraums" ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit entstehen kann. § 37a Abs. 1 Satz 3 SGB V statuiert für den Leistungsumfang der Soziotherapie demgegenüber eine absolute Höchstgrenze von 120 Betreuungsstunden, die nicht (immer wieder) innerhalb von "je 3 Jahren", sondern je Krankheitsfall zu erbringen sind. Auch von einem "neuen Drei-Jahres-Zeitraum" ist anders als in § 48 Abs. 2 SGB V nicht die Rede. Der Gesetzgeber wollte damit die Soziotherapie auf maximal 120 Stunden innerhalb von drei Jahren beschränken (vgl. dazu BT-Drs. 14/1245, S. 66). Mit "Krankheitsfall" i. S. d. § 37a Abs. 1 Satz 3 SGB V ist daher nicht der Versicherungsfall, sondern die Krankheit im ursächlichen Sinne, also das Krankheitsgeschehen, das eine einheitliche medizinische Ursache hat, gemeint. Nur so kann der Anspruch entsprechend dem Zweck des § 37a Abs. 1 Satz 3 SGB V bei lang andauernder Krankheit ungeachtet möglicher Schwankungen im Krankheitsverlauf effektiv begrenzt werden. Stellte man demgegenüber auf den Versicherungsfall ab, würde dieser beispielsweise bei nicht ausgeheiltem Grundleiden nach jedem vorübergehenden Entfallen von Behandlungsbedürftigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit neu eintreten und wiederum einen Anspruch auf Soziotherapie für 120 Stunden begründen (so zu Recht KassKomm-Höfler, SGB V § 37a Rdnr. 13). Der Gesetzgeber hat das nicht gewollt und in § 37a SGB V auch nicht vorgesehen.

Hier liegt bei der Beschwerdeführerin unstreitig ein Krankheitsgeschehen, eine Erkrankung des schizophrenen Formenkreises mit einheitlicher medizinischer Ursache vor, das lange, nunmehr schon über 10 Jahre – sicherlich mit Schwankungen im Krankheitsverlauf - andauert. Für diesen Krankheitsfall i. S. d. § 37a Abs. 1 Satz 3 SGB V steht ihr nach der gesetzlichen Regelung Soziotherapie im Höchstumfang von 120 Stunden innerhalb von drei Jahren zu. Die Beschwerdegegnerin hat ihr die Leistung bis zur Erschöpfung des Leistungsanspruchs gewährt. Für weitere Soziotherapie fehlt es daher an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Ob weitere Leistungen in der bislang erbrachten Form, deren Zulässigkeit ungeachtet der im Widerspruchsbescheid zu Recht geäußerten Zweifel unterstellt, im Endergebnis wirtschaftlicher wäre oder nicht und ob, was nur ohne weitere Begründung behauptet und nicht näher belegt bzw. glaubhaft gemacht ist, andernfalls kurz- oder mittelfristig eine Krankenhausbehandlung notwendig werden würde, braucht nicht weiter geklärt zu werden. Auch wenn all das zuträfe, bleibt es dabei, dass gem. § 37a Abs. 1 Satz 3 SGB V weitere Leistungen nicht gewährt werden dürfen. Eine von der Beschwerdegegnerin reklamierte Ausnahme für Härtefälle, sieht das Gesetz ebenfalls nicht vor.

Da damit ein Anordnungsanspruch nicht besteht, hat das Sozialgericht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt, weshalb die Beschwerde der Beschwerdeführerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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