L 7 R 1188/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 1525/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 1188/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1955 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt und war nach der Schulausbildung als Hilfsarbeiter und Kontrolleur tätig. Nach einer Beschäftigung als Gießer war er zuletzt von 1990 bis Dezember 1999 als Hydraulikprüfer in einer Maschinenfabrik tätig.

Vom 1. April 1975 bis zum 30. Juni 1976 leistete er seinen Grundwehrdienst ab, wobei er sich am 3. Juli 1975 bei einem Hindernislauf (durch einen Sprung aus 3 m Höhe knickte er mit dem linken Fuß um und fiel auf den Rücken und den Kopf) verletzte und dabei eine Innenknöchelfraktur links, Commotio cerebri und eine Brustwirbelsäulenprellung erlitt. Mit Bescheid vom 22. November 1976 anerkannte das Versorgungsamt Freiburg (VA) als Folgen der WDB: "Bewegungseinschränkung im linken Fußgelenk", lehnte aber die Gewährung einer Rente mangels rentenberechtigender Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 v. H. ab. In der Folgezeit betrieb der Kläger mehrere versorgungsrechtliche Verfahren mit dem Ziel der Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen Verschlimmerung der anerkannten WDB-Folgen die Gewährung von Beschädigtenversorgung.

Am 3. Juli 2002 beantragte der Kläger unter Vorlage ärztlicher Befundberichte die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Im Verwaltungsverfahren holte die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (LVA) bei der Ärztin für Sozialmedizin Dr. P. ein Gutachten ein. Diese führte im Gutachten vom 29. Juli 2002 aus, der Kläger leide unter Arthralgien im Bereich des linken Sprunggelenks bei Zustand nach Sprunggelenksfraktur links im Rahmen eines Unfalls, einer beginnenden Coxarthrose beidseits und einer Chondropathia patellae beidseits. Die letzte berufliche Tätigkeit als Hydraulikprüfer sei ihm nur noch für eine Dauer von weniger als drei Stunden täglich zumutbar. Körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten könne er aber noch in einem Umfang von mindestens sechs Stunden verrichten. Zu meiden seien ständiges Treppensteigen, das Besteigen von Leitern, häufiges Bücken, Wirbelsäulenzwangshaltungen, ständiges Knien und Tätigkeiten in der Hocke.

Mit Bescheid vom 7. August 2002 lehnte die LVA daraufhin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2003 zurückgewiesen mit der Begründung, der Kläger könne körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten noch in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Am 30. Mai 2003 hat der Kläger dagegen Klage erhoben und geltend gemacht, entgegen der Auffassung der Beklagten sei ihm die Ausübung einer regelmäßigen Berufstätigkeit überhaupt nicht mehr möglich.

Das SG hat den Orthopäden Dr. B. und den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. T. als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Dr. B. (Schreiben vom 16. Juli 2003) diagnostiziert - unter Anderem aufgrund radiologischer Untersuchungen - eine Bewegungseinschränkung im Bereich beider Hüftgelenke, der Kniegelenke und der oberen Sprunggelenke. Er kommt zu der Einschätzung, aufgrund der multiplen angegebenen Beschwerden, speziell mit der massiven Schwellneigung der unteren Extremität sei der Kläger auch für leichte körperliche Arbeiten nicht arbeitsfähig. Dr. T. schließt in seiner Stellungnahme vom 18. Juli 2003 aufgrund der Vorerkrankungen des Klägers, darunter einer durchgeführten Hemikolektomie rechts bei Carcinom des Colon ascedens im Dezember 1999 ebenfalls die Durchführung von auch leichten körperlichen Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich aus.

Das SG hat außerdem Dr. H. (Facharzt für Orthopädie) und Dr. G. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) zum Sachverständigen bestellt. In dem Gutachten vom 19. Februar 2004, welches unter Anderem auf der Auswertung eigener und fremder Röntgenbilder beruht, führt der Sachverständige Dr. H. aus, beim Kläger lägen folgende orthopädischen Erkrankungen vor: Cervicalsyndrom bei Fehlhaltung bzw. ungünstiger Bewegung, Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung und Muskeldysbalancen, Adipositas, Knorpelschaden beider Knie medial und retropatellar, Außenmeniskusschaden rechts und posttraumatischer Arthrose des oberen Sprunggelenks rechts. Außerdem liege ein chronisches Schmerzsyndrom vor. Hiervon ausgehend kommt der Gutachter zu der Einschätzung, die Leistungsfähigkeit des Klägers sei eingeschränkt. Körperlich leichte Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis etwa 10 kg könnten jedoch durchgeführt werden. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie mit häufigem Bücken oder Knien, Treppensteigen bzw. unter Einfluss von ungünstigen Witterungsbedingungen (Kälte, Nässe, Wärme, Staub o. Ä.) seien nicht mehr möglich. Die Arbeiten sollten auch im regelmäßigen Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen sowie unter Vermeidung von Akkord-, Schicht- und Nachtbedingungen durchgeführt werden. Denkbar seien auch leichte Tätigkeiten geistiger Art sowie mit Publikumsverkehr. Eine besondere nervliche Beanspruchung sei dem Kläger jedoch nicht mehr zuzumuten. Unter Beachtung dieses Leistungsprofils könne eine Erwerbstätigkeit ohne vorzeitigen Verbrauch der Restgesundheit noch täglich mindestens sechs Stunden ausgeübt werden. Auf dem Weg von und zur Arbeitsstelle könne der Kläger noch viermal täglich zu Fuß bis zu 1 km am Stück zurücklegen. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei unter Beachtung dieser Voraussetzung nicht limitiert.

Der Sachverständige Dr. G. diagnostiziert in seinem neuropsychiatrischen Gutachten vom 28. Oktober 2004 eine Neigung zu depressiven Stimmungen bei allerdings nur zum Teil glaubhaften Angaben und Hinweisen auf Simulation und Aggravation; eine manifeste Depression oder eine höherwertige Angststörung sei nicht festzustellen. Im Vordergrund stehe eine somatoforme ubiquitäre Schmerzstörung. Obwohl die Kriterien bei der Diagnosestellung Fibromyalgie in Form von 18 Tenderpoints nach den Richtlinien des ACR erfüllt seien, könne die Diagnose nicht gesichert werden, da Schmerzen im Bereich aller Körperregionen und auch aller Weichteile gleichwertig angegeben würden. Zu der ubiquitären Schmerzstörung passten auch Angaben über funktionelle Beschwerden im Sinne von Schlafstörungen, gastronintestinellen Beschwerden und einer Dysurie. Auf neurologischem Gebiet ergebe sich eine Läsion des Nervus cutaneus femoris mediolateralis links als harmlose sensible Störung. Eine Polyneuropathie im Bereich der unteren Extremitäten habe jedoch nicht nachgewiesen werden können. Ebenso fänden sich weder motorische Ausfälle noch radiculäre Störungen im Bereich der Extremitäten. Bei energischer Aufforderung fänden sich lediglich unsichere Stand- und Gangfunktionen, die aber nicht einer zentralen Gleichgewichtsstörung zuzuordnen seien. Aufgrund dieser Befunde kommt der Gutachter zu der Einschätzung, dem Kläger seien leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten zumutbar; Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen seien möglich. Häufiges Bücken und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie an laufenden Maschinen seien nicht zu empfehlen. Akkord,- Fließ-, Schicht- und Nachtarbeiten sollten vermieden werden. Arbeiten in Kälte, in Nässe, im Freien unter Wärmeeinfluss unter Einwirkungen von Stäuben, Gasen und Dämpfen sowie starker Beanspruchung des Gehörs und des Sehvermögens sei nicht zu empfehlen. Die Höchstdauer sei aus neuropsychiatrischer Sicht mit mindestens sechs Stunden täglich einzuschätzen. Betriebsübliche Pausen seien ausreichend. Der Weg zur Arbeitsstelle zu Fuß und mit einem öffentlichen Verkehrsmittel sei nicht eingeschränkt. Diese Einschätzung sei unabhängig von dem möglichen Ausgang eines (erneuten) toxikologischen Gutachtens. Der jetzt beschriebene Zustand könne auf neuropsychiatrischem Fachgebiet durch zunehmende Mobilisierung und erhebliche Gewichtsreduktion gebessert werden.

Mit Urteil vom 24. Februar 2005 hat das SG die Klage, gerichtet auf Bewilligung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, abgewiesen; wegen der Einzelheiten wird auf das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14. März 2005 zugestellte Urteil verwiesen.

Hiergegen richtet sich die am 23. März 2005 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung, mit welcher der Kläger vorbringt, seine Erkrankungen seien unzureichend gewürdigt und der Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt worden. Der Kläger sei als Schmerzpatient zu bezeichnen, dem eine Arbeit, die drei oder mehr Stunden beinhalte, nicht zuzumuten sei. Nach dem vorgelegten ärztlichen Bericht der Neurologin Dr. Gr. (Schmerzklinik K. ) vom 4. August 2003 liege beim Kläger ein außerordentlich komplexes systemübergreifendes Beschwerdebild vor, welches fast alle Organsysteme betreffe.

Zur weiteren Begründung hat der Kläger ärztliche Stellungnahmen des Dr. B. (Facharzt für Orthopädie) vom 2. November 2004, 16. September 2005 und 4. August 2006, des Dr. Hö. (Arzt für Radiologie) vom 9. Juni 2005, des Dr. T. vom 23. Mai 2006, des Dr. S. vom 28. August 2006, des Dr. Th. vom 27. September 2006 und der Laborärzte Dres. He. und U. vom 10. Oktober 2006 vorgelegt. Im Attest vom 16. September 2005 diagnostiziert Dr. B. unter Anderem eine Borrelien-Infektion, die zur Arbeitsunfähigkeit führe. Dr. Hö. diagnostiziert im Attest vom 9. Juni 2005 aufgrund einer durchgeführten Emissionstomographie (Spect) eine regionale Perfusionsstörung bei allerdings hochnormalem Gesamtblutfluss.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2003 zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Juli 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise Vertagung zur weiteren Sachaufklärung.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Beim Kläger lägen aufgrund seiner Krankheiten zwar qualitative Einschränkungen, jedoch keine quantitative Reduzierung seines Leistungsvermögens vor. In Bezug auf die Befunde von Dr. B. und Dr. Hö. verweist sie ergänzend auf die Stellungnahmen des MD MU Dr. Ho. vom sozialmedizinischen Dienst vom 16. September 2005 und 4. November 2005. Danach folgen aus den festgestellten Erkrankungen keine für das Leistungsvermögen relevanten Leistungseinschränkungen.

Der Senat hat - als Gutachter nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - Prof. Dr. P. (Medizinische Universitätsklinik F. , Abteilung Rheumatologie und Immunologie) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 2. Juni 2006 diagnostizieren Prof. Dr. P. und Dr. Gri. Adipositas permagna, generalisiertes Schmerzsyndrom, psychovegetatives Schmerzsyndrom, unklare Erhöhung der CK und einen Zustand nach Coloncarzinom. Zum Leistungsvermögen wird ausgeführt, es bestünden deutliche Funktions- und Leistungseinschränkungen. Aktuell sei der Kläger nicht leistungsfähig und somit zu einer Berufsausübung nicht fähig. Eine hauptsächlich sitzende Tätigkeit mit geringen Anteilen von Stehen und Gehen (kleiner 20 %) erscheine nach einer intensiven Heilbehandlung der Adipositas, des generalisierten Schmerzsyndroms sowie des psychovegetativen Erschöpfungssyndroms in Zukunft noch möglich. Beim Kläger müsse zunächst eine intensive Heilmaßnahme zur Wiederherstellung der körperlichen, geistigen und psychischen Leistungsfähigkeit erfolgen. Dieses werde eine langwierige Therapie darstellen, da eine Gewichtsreduktion von 40 bis 50 kg sowie eine begleitende psychosomatische Therapie von Nöten sei. Nach einer Therapie werde jedoch die Möglichkeit gesehen, dass der Kläger wieder in einen normalen Lebenswandel eingegliedert werden könne. Arbeiten über Kopf und im Stehen seien aber nicht möglich. Auch sollte häufiges Bücken, das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, das Arbeiten im Akkord und mit Zeitdruck oder in Nachtschichten vermieden werden. Nach einer intensiven Heilbehandlung schienen Arbeiten von sechs Stunden/Tag vorstellbar; so sei etwa vorstellbar, dass der Kläger eine leichte körperliche Tätigkeit, wie zum Beispiel die eines Pförtners oder eines Museumsangestellten durchführen könne. Die orthopädischen Vorerkrankungen seien bei der Auswahl der Arbeitsbelastung aktuell sicherlich nicht limitierend. Die Möglichkeit, Wegstrecken zu Fuß zurückzulegen, werde sich nach deutlicher Gewichtsreduktion bessern. Nach intensiver Heilbehandlung bestehe die Möglichkeit, dass der Kläger vier Mal täglich eine Wegstrecke von 500m unter 20 Minuten zurücklegen und zwei Mal täglich öffentliche Verkehrsmittel benutzen könne. Es bestehe insgesamt eine deutliche Diskrepanz zwischen der ärztlichen Begutachtung und der subjektiven Körperwahrnehmung des Klägers. Diese subjektiv andere Wahrnehmung belege die schwere psychosomatische Komponente der Erkrankung des Klägers.

Zu dem Gutachten hat der Kläger dahin gehend Stellung genommen, nach dem vorgelegten Attest des Dr. T. vom 23. Mai 2006 sei er als dauerhaft arbeitsunfähig krank anzusehen. Nach dem fachärztlichen Attest von Dr. B. vom 4. August 2006 sei der Kläger außerdem kurunfähig. Es werde zudem angeregt, ein radiologisches Zusatzgutachten einzuholen, da die im Besitz des Klägers befindlichen Röntgenbilder bei der letzten Begutachtung nicht einbezogen worden seien.

Zum Inhalt der Atteste vom 23. Mai 2006 und vom 4. August 2006 haben Prof. Dr. P. und Dr. Gri. unter dem 29. September 2006 ergänzend dahin gehend Stellung genommen, das Attest von Dr. T. sei eine Auflistung von Diagnosen, die die Schlussfolgerung der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit nicht erklärten; auch die Therapiefrakterität sei nicht belegt. Der Einschätzung von Dr. B. , wonach eine Kurunfähigkeit bestehe, sei ebenfalls nicht zu folgen. Eine Borreliose bestehe nicht, und die möglicherweise bestehende geringe Arthrose erkläre nicht die subjektiv geäußerten Schmerzen. Daher seien psychosomatische Schmerzzustände eher ein Grund für eine Kur.

Hierauf hat der Kläger ergänzend ärztliche Atteste des Neurologen Dr. S. vom 28. August 2006, des Internisten und Kardiologen Dr. Th. vom 27. September 2006 und der Laborärzte Dr. He. und Dr. U. vom 10. Oktober 2006 vorgelegt sowie - in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - weitere Arztberichte von Prof. Dr. E. und Dr. Pl. (Kreiskrankenhaus R. , Klinik für orthopädische Chirurgie) vom 6. Dezember 2006 und von Dr. Hei. (Facharzt für Urologie) vom 8. Dezember 2006.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Rentenakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Maßgeblich ist vorliegend das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)), denn im Streit steht ein Anspruch des Klägers erst ab 1. Juli 2002 (vgl. § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI). Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie (1.) voll erwerbsgemindert sind, (2.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und (3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2 a.a.O.). Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres besteht - bei Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und der allgemeinen Wartezeit (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI) -, wenn der Versicherte teilweise erwerbsgemindert ist, also wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB VI). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu allgemein BSG - Großer Senat - BSGE 80, 24 ff. = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Der Kläger erfüllt zwar die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) ebenso wie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Renten wegen Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI). Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat der Kläger jedoch keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weil er in der streitbefangenen Zeit ab 1. Juli 2002 nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 1 SGB VI gewesen ist.

Diese Überzeugung hat der Senat aufgrund der Würdigung der vorliegenden Sachverständigengutachten und schriftlichen Aussagen der sachverständigen Zeugen gewonnen, die eine umfassende Einschätzung des positiven und negativen Leistungsbildes des Klägers ermöglichen. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers berühren das orthopädische, internistische und neurologisch-psychiatrische Gebiet; sie führen jedoch - weder für sich noch in einer Gesamtschau - zu den die begehrten Renten begründenden Leistungseinschränkungen.

Im Vordergrund steht beim Kläger die orthopädische und internistische Problematik. Aus der hiermit verbundenen Beschwerdesymptomatik folgt indessen nach der Überzeugung des Senats keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens für körperlich leichte Tätigkeiten. Der Senat folgt insoweit den vorliegenden fachärztlichen Stellungnahmen der Rentengutachterin Dr. P. (23. Juli 2002), deren Beurteilung urkundsbeweislich zu verwerten ist, und der Sachverständigen Dr. H. und Prof. Dr. P. und Dr. Gri ... Nach diesen im Ergebnis übereinstimmenden, schlüssig begründeten Stellungnahmen sind den Veränderungen im orthopädischen und internistischen Bereich keine nachhaltigen quantitativen Ein¬schränkungen für körperlich leichte Tätigkeiten beizumessen. Die Adipositas permagna, die festgestellten orthopädischen Befunde und das chronische Schmerzsyndrom bedingen zwar deutliche Funktions- und Leistungseinschränkungen des Klägers in der Weise, dass ihm insgesamt nur noch leichte körperliche Tätigkeiten, die überwiegend im Sitzen verrichtet werden sollten, möglich sind. Zudem sollten Überkopfarbeiten, häufiges Bücken und das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg unterbleiben; Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie mit häufigem Bücken oder Knien, Treppensteigen bzw. unter Einfluss von ungünstigen Witterungsbedingungen (Kälte, Nässe, Wärme, Staub o. Ä.) sind nicht mehr möglich. Die Arbeiten sollten auch im regelmäßigen Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen sowie unter Vermeidung von Akkord-, Schicht- und Nachtbedingungen sowie besonderer nervlicher Beanspruchung durchgeführt werden. Mit diesen Maßgaben und Einschränkungen ist dem Kläger aber nach der Überzeugung des Senats jedenfalls nach Durchführung einer ihm möglichen und zumutbaren Heilbehandlung zur Wiederherstellung seiner körperlichen, geistigen und psychischen Leistungsfähigkeit - und einer Gewichtsreduktion von mindestens 40 bis 50 kg - die Durchführung einer überwiegend sitzenden Tätigkeit im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich möglich.

Soweit die vom SG als sachverständige Zeugen gehörten behandelnden Ärzte Dr. T. und Dr. B. in mehreren Stellungnahmen, zuletzt in denen vom 23. Mai 2006 und vom 4. August 2006, den Kläger aufgrund seiner Erkrankungen und multiplen angegebenen Beschwerden als - auch für leichte Arbeiten - derzeit bzw. sogar dauerhaft arbeitsunfähig krank bzw. kurunfähig beschreiben, ist dem nicht zu folgen. Dieser Einschätzung haben sowohl die Sachverständigen Prof. Dr. P. und Dr. Gri. als auch Dr. Ho. vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten, dessen Stellungnahmen als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen zu verwerten sind (vgl. BSG SozR Nr. 3 zu § 118 SGG), zutreffend entgegen gehalten, dass die darin aufgelisteten Diagnosen nicht geeignet sind, die Schlussfolgerung der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu erklären. Gleiches gilt für die von Dr. B. angenommene Kurunfähigkeit. Soweit Dr. B. die angenommene Kur- bzw. Arbeitsunfähigkeit zudem unter Anderem auf eine diagnostizierte Borreliose stützt, welche die Schmerzsituation speziell im Bereich der unteren Extremität verschlimmere, ist diese Diagnose nicht ohne Weiteres von Relevanz für das quantitative Leistungsbild des Klägers und zudem keineswegs unbestritten; die Sachverständigen Prof. Dr. P. und Dr. Gri. stellen diese Diagnose in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 29. September 2006 in Abrede und weisen im Übrigen darauf hin, dass die möglicherweise bestehende geringe Arthrose nicht die subjektiv geäußerten Schmerzen des Klägers zu erklären vermag.

Eine relevante Leistungsminderung ergibt sich nach der Überzeugung des Senats auch nicht mit Blick auf die neurologisch-psychiatrische Beschwerdesymptomatik. Nach dem überzeugenden, von der Klägerseite nicht substantiell angegriffenen nervenärztlichen Gutachten des Dr. G. ergeben sich zwar eine Neigung zu depressiven Stimmungen - aber keine manifeste Depression oder eine höherwertige Angststörung - sowie eine Schmerzstörung, jedoch keine daraus folgenden Störungen und Veränderungen, die eine quantitative Leistungseinschränkung rechtfertigen würden. Dieser neuropsychiatrischen Einschätzung, die sich in Bezug auf die Beurteilung der Auswirkungen der Schmerzproblematik auf das Leistungsvermögen mit der im rheumatologisch-immunologischen Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. P. und Dr. Gri. deckt, ist auch mit Blick darauf zu folgen, dass für Dr. G. - im Gegensatz zu Dr. Gr. von der Schmerzklinik K. in ihrem Bericht vom 4. August 2003 - beim Kläger Anzeichen von Simulation und Aggravation deutlich geworden sind.

Die Notwendigkeit zu Arbeitsunterbrechungen in einem das betriebsübliche Maß übersteigenden Rahmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 11/96 - (juris)) besteht nicht; hierfür ergeben sich keine näheren Anhaltspunkte. Auch lässt sich eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Gehfähigkeit, d. h. das Fehlen eines Minimums an Mobilität als Teil des versicherten Risikos (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; SozR 3-5868 § 13 Nr. 19), derzeit nicht mit der für die richterliche Überzeugungsbildung gebotenen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Insoweit ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 56; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; BSG, Urteil vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R - (juris)) ein generalisierender Maßstab anzulegen; danach ist in der Regel erst voll erwerbsgemindert, wer auch unter Verwendung von Hilfsmitteln (z.B. Gehstützen) nicht mehr in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (jeweils innerhalb von zwanzig Minuten) zu Fuß zurückzulegen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit in diesem Sinne lässt sich beim Kläger nach den übereinstimmenden Gutachten von Dr. H. , Dr. G. und Prof. Dr. P. und Dr. Gri. , denen der Senat folgt, nicht feststellen. Diese Einschätzung vermag allein die Verschreibung von Unterarmgehstöcken und eines Rollstuhles durch Herrn Dr. B. unter dem 14. November 2006 nicht in Frage zu stellen.

Aufgrund der dargestellten fachärztlichen Stellungnahmen und Befundberichte ist die Beschwerdesymptomatik des Klägers und dessen positives und negatives Leistungsvermögen vollständig erfasst. Es bestand daher keine Veranlassung zu der - vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragten - Vertagung zur weiteren Sachaufklärung. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Einholung eines radiologischen Zusatzgutachtens als auch im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arztberichte. Eine (weitere) radiologische Untersuchung erscheint dem Senat schon deswegen verzichtbar, weil nicht ersichtlich ist, dass die vorliegenden (diversen) radiologischen Aufnahmen, die unter Anderem durch den Sachverständigen Dr. H. erstellt und befundet wurden, zu einer umfassenden Beurteilung des Leistungsbildes unzureichend wären. Ebenso wenig lässt sich erkennen, dass aufgrund einer seitdem eingetretenen relevanten Veränderung der Beschwerdesymptomatik eine weitere radiologische Begutachtung veranlasst wäre. Dies gilt namentlich für den vom Kläger vorgelegten Untersuchungsbericht des Radiologen Dr. Hö. vom 9. Juni 2005, zu dem Dr. Ho. unter dem 16. September 2005 schlüssig ausgeführt hat, hieraus ergebe sich keine Abweichung gegenüber der bisherigen Leistungsbeurteilung. Auch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arztberichte geben keine Veranlassung zu weiterer Sachaufklärung. Die darin beschriebene aktuelle Beschwerdesymptomatik stellt die vorliegenden rentenrechtlich relevanten Stellungnahmen und Gutachten nicht in Frage. So ist nicht erkennbar, dass die in der Stellungnahme des Urologen Dr. Hei. vom 8. Dezember 2006 beschriebenen akuten Beschwerden mit Funktionseinschränkungen von Relevanz für das Leistungsbild des Klägers verbunden sind. Gleiches gilt für die Stellungnahme von Prof. Dr. E. und Dr. Pl. (Kreiskrankenhaus R. , Klinik für orthopädische Chirurgie) vom 6. Dezember 2006, soweit darin - über die Darstellung der aktenkundigen orthopädischen Befunde des Klägers hinaus - von akuten Schmerzen im Bereich des rechten Kniegelenks und des rechten Oberschenkels und der internistisch notwendigen Abklärung einer bestehender CRP-Erhöhung bzw. des Ausschlusses einer Thrombose berichtet wird. Denn auch insoweit ist die Relevanz der akuten Beschwerdesymptomatik für das maßgebliche quantitative Leistungsvermögen des Klägers nicht erkennbar.

Der Kläger ist damit nicht erwerbsunfähig. Eine - u.U. eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rechtfertigende - Ausnahme von der bei ungelernten und angelernten Arbeitern - wie dem Kläger - grundsätzlich entbehrlichen Pflicht zur Benennung von Verweisungstätigkeiten ist allerdings dann gegeben, wenn qualitative Leistungsbeschränkungen vorliegen, die eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen (vgl. etwa BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12), oder der Arbeitsmarkt sonst praktisch verschlossen ist, etwa weil der Versicherte nicht in der Lage ist, noch unter betriebsüblichen Bedingungen Tätigkeiten zu verrichten oder seine Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen, aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139). Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12; BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 35/97 R - (juris)).

Derartige Gründe für eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liegen nach dem Beweisergebnis jedoch nicht vor. Das beim Kläger zu beachtende positive und negative Leistungsbild begründet keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung. Der Senat geht insoweit in Übereinstimmung mit den Befunden der auf unterschiedlichen medizinischen Fachgebieten tätigen sachverständigen Zeugen und Sachverständigen davon aus, dass zwar erhebliche Leistungseinschränkungen bestehen mit der Folge, dass keine schwereren Arbeiten verrichtet werden können, jedoch keine spezifische Leistungsbehinderung. Eine Vielzahl der beim Kläger zu beachtenden qualitativen Einschränkungen ist zudem bereits vom Begriff der "körperlich leichten Arbeiten" erfasst, z. B. Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; BSG, Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 91/96 - und vom 24. März 1998 - 4 RA 44/96 - (beide juris)); regelmäßig stellen derartige Arbeitsplätze auch keine besonderen Anforderungen an die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Nicht gedeckt sind die verbleibenden Einschränkungen (z.B. Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck und ohne häufige Zwangshaltungen im Akkord- oder Schichtbetrieb); sie führen jedoch zu keiner wesentlichen zusätzlichen Einschränkung des für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsfeldes (vgl. hierzu BSGE 80, 24, 32). Körperlich leichte Arbeiten werden nicht typischerweise unter diesen Bedingungen ausgeübt. Etwaige häufigere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bewirken für sich allein noch keine verminderte Erwerbsfähigkeit (vgl. BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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