L 12 AL 2752/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 1241/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2752/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.04.2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Insolvenzgeld im Streit.

Der 1969 geborene Kläger vereinbarte am 06.01.2002 mit der Firma E. GmbH, Agentur für Veranstaltungen, in R. einen "Vertrag über freie Mitarbeit". Der Vertrag enthält unter anderem folgende Regelungen:

"1. Aufgaben

1.1 Der freie Mitarbeiter/die freie Mitarbeiterin wird für E. als Promoter(in) tätig.

Seine/ihre Tätigkeit umfasst die Kundenberatung über die einzelnen Tarife der Fa. d., den verschiedenen Handys und die Herbeiführung von Vertragsabschlüssen zwischen der Fa. d. und Neukunden mit dem Ziel der Erhöhung des Marken good wills, der Forcierung der Nachfrage und der Erhöhung des Umsatzes für die Fa. d ...

1.2 Er/Sie kann seine/ihre Arbeitszeit frei bestimmen und darf auch für andere Dritte (außer für den jeweiligen Kunden direkt) tätig werden.

1.3 Soweit dem/der freien Mitarbeiter/in Auftragsangebote zugeleitet und von diesem/dieser angenommen werden, sind die Tätigkeiten innerhalb dem vereinbarten Rahmen und dam vereinbarten Ort zu erledigen.

1.4 Alle erforderlichen Arbeitsmittel werden dem/der freien Mitarbeiter/in gestellt.

2. Vergütung

2.1 Der/die freie Mitarbeiter/in erhält für seine/ihre Promotiontä- tigkeit zugunsten von d. von E. ein Tageshonorar in Höhe von DM 200,00 (netto).

Mit dem Honorar sind auch die Auslagen abgegolten.

Der/die freie Mitarbeiter/in wird wöchentlich eine Rechnung über die von ihm/ihr geleistete Tätigkeit erstellen, wobei die Höhe der gestellten Rechnung abhängig ist von dem jeweiligen wöchentli- chen Arbeitsumfang. [ ...] 2.3 Es wird ausdrücklich zwischen den Parteien vereinbart, dass kein Angestelltenverhältnis eingegangen wird und der/die Mitarbei- ter(in) insoweit auch sein/ihr Verhältnis zur Bundesanstalt für Ar- beit, zur Krankenkasse, etc. selbst regelt. Sollten die genannten Be- hörden doch Ansprüche gegenüber E. geltend machen, stellt der/die freie Mitarbeiter(in) im Innenverhältnis E. von solchen Verpflichtungen bereits jetzt frei. [ ...]"

Der Kläger war in der Folgezeit entsprechend der Vereinbarung über freie Mitarbeit für die Firma E. als "Promoter" in Elektromärkten tätig. Wegen seiner Vergütung erwirkte er am 08.05.2003 beim Amtsgericht Reutlingen ein Versäumnisurteil gegen die Firma E. GmbH über die Zahlung von 1533,90 Euro zuzüglich Zinsen. Am 14.07.2003 beantragte er bei der Beklagten über seine Bevollmächtigten die Gewährung von Insolvenzgeld. Die Bevollmächtigten des Klägers wiesen hierbei daraufhin, dass entgegen den Bestimmungen des oben beschriebenen Vertrages keine selbstständige Tätigkeit, sondern eine abhängige Beschäftigung vorgelegen habe. Art, Umfang und Ort der Vertragsleistungen seien vorbestimmt gewesen. Der Kläger habe seinen Aufgaben immer im M. S.-G. nachkommen müssen. Er hätte sich dort bei Mitarbeitern des M. melden müssen und über jeden Arbeitstag einen Rapport verfassen müssen, welcher dann von einem Mitarbeiter des M. abgezeichnet worden sei. Die Arbeitszeit sei von Donnerstag bis Samstag gewesen, und zwar von 11.00 bis 20.00 Uhr an Donnerstagen und Freitagen und von 09.00 - 16.00 Uhr an Samstagen. Dies sei während des gesamten Jahres 2002 so gehandhabt worden.

Zuletzt sei der Kläger im Februar 2003 für die Firma E. tätig geworden. Am 14.04.2003 habe die Firma Insolvenz angemeldet. Bei der durch das Versäumnisurteil erwirkten Titulierung von Forderungen handele es sich um die Restvergütung für die Monate Dezember 2002 bis Februar 2003.

Die Bevollmächtigten gaben weiter an, dass es einen Arbeitsvertrag nicht gegeben haben, sondern lediglich den unter einer falschen Bezeichnung verwendeten Vertrag über die "freie Mitarbeit". Lohnabrechnungen existierten nicht, da aufgrund des fehlerhaft beurteilten Status des Klägers von diesem Rechnungen geschrieben worden seien. Der letzte Arbeitstag des Klägers sei der 01.02.2003 gewesen. Der Kläger mache eine Vergütung von 306,78 Euro für Dezember 2002, von 1124,86 Euro für Januar 2003 und von 102,25 Euro für Februar 2003 geltend. Dies mache die Gesamtvergütung für den streitbefangenen Zeitraum in Höhe von 1533,90 Euro aus.

Am 22.08.2003 wurde über das Vermögen der Firma E. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Im Verwaltungsverfahren teilte der Insolvenzverwalter der Firma E. mit, dass ein Arbeitnehmer mit dem Namen des Klägers bei der Firma nicht geführt worden sei. Deswegen stellte der Insolvenzverwalter dem Kläger auch keine Insolvenzgeldbescheinigung aus.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 03.11.2003 die Gewährung von Insolvenzgeld ab. Ob eine freie Mitarbeit oder eine abhängige Beschäftigung vorliege, hänge vom Gesamtbild der Tätigkeit ab. Vorliegend sei ein Vertrag über eine freie Mitarbeit abgeschlossen worden, der eine Tätigkeit als Promoter vorgesehen habe. Nach Überprüfung der Unterlagen sei davon auszugehen, dass der Kläger nicht als Arbeitnehmer im Sinne von § 183 SGB III gelten könne.

Den Widerspruch begründeten die Bevollmächtigten des Klägers damit, dass nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für die Beurteilung des maßgeblichen Gesamtbildes in erster Linie auf die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers in Bezug auf Ort, Zeit und Art der Tätigkeit abgestellt werden müsse. Nach diesen Kriterien sei der Kläger abhängig beschäftigt tätig geworden. Es sei auch nicht angängig, dass das Arbeitsamt ungeprüft die Bewertung der Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter übernehme. Der Kläger habe seine Leistungen an einem bestimmten Ort erbringen müssen, nämlich ausschließlich in dem M. in S.-G ... Schon aus Ziffer 1.3 des Vertrages ergebe sich, dass die Arbeiten immer nur an dem vom Auftraggeber bestimmten Ort erfolgen könne. Der Kläger habe kaum ein Möglichkeit gehabt, den Ort seiner Leistung selbst zu bestimmen. Der zeitliche Umfang der Tätigkeit sei genauso bestimmt gewesen. Zwar heiße es in Ziffer 1.2, dass die Arbeitszeit frei bestimmt werden könne. Tatsächlich sei das Tageshonorar von 102,56 Euro nur bezahlt worden, wenn an den vorgesehenen Wochentagen die Leistung erbracht worden sei. Es habe daher keine Möglichkeit bestanden, auf andere Wochentage als Donnerstag, Freitag und Samstag auszuweichen. An den genannten Wochentagen habe die vereinbarte Leistung regelmäßig erbracht werden müssen. Eine freie Bestimmung der Arbeitszeit habe daher nicht vorgelegen. Auch das Aufgabengebiet sei fest bestimmt gewesen, da der Kläger ausschließlich Verträge der Firma D. AG zu vermitteln hatte und andere Aufgaben ihm nicht übertragen worden seien. Schließlich sei der Kläger wegen des durchschnittlichen Monatseinkommens von 1.300 Euro auch wirtschaftlich abhängig von der Firma E. gewesen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Dem abgeschlossenen Vertrag sei klar zu entnehmen, dass im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Firma E. ein Arbeitsverhältnis nicht begründet werden sollte. Auch die im Widerspruchsschreiben geschilderte Abwicklung der Tätigkeit lasse keinesfalls erkennen, das der abgeschlossene Vertrag über freie Mitarbeit nicht umgesetzt worden sei. Maßgeblich sei, dass der Kläger jeweils frei habe entscheiden können, ob er die jeweiligen Promotionstermine angenommen habe oder nicht. Diese freie Entscheidung kennzeichne gerade die Tätigkeit als freier Mitarbeiter, wie sie vorliegend im Vertrag festgelegt worden sei. Dass für die Wahrnehmung von Promotionsterminen jeweils ein festes Tageshonorar vereinbart worden sei, widerspreche nicht der vereinbarten freien Mitarbeit. Kennzeichnend für eine freie Mitarbeit sei auch die Vereinbarung, dass der Kläger zusätzlich auch noch für Dritte habe tätig werden dürfen. Der Hinweis, dass der Kläger ein Einkommen nur bei der Firma E. erzielt habe, könne nicht als Argument für eine abhängige Beschäftigung herangezogen werden, weil der Kläger nach dem Vertrag die Möglichkeit gehabt habe, auch noch für andere Firmen tätig zu werden. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers hätte dieser die Möglichkeit gehabt, von Montag bis Mittwoch ohne Behinderung durch Tätigkeiten für die Firma E. für dritte Firmen tätig zu werden. Schließlich sei auch entsprechend der Vereinbarung, dass kein Arbeitsverhältnis begründet werden sollte, die Abrechnungsnachweise Brutto für Netto von beiden Seiten gewählt worden. Es seien auch keinerlei Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden. Der Kläger habe auch über ein Jahr lang bei der E. nicht moniert, dass er Arbeitnehmer und nicht freier Mitarbeiter sei.

Durch die Arbeit als freier Mitarbeiter und die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen habe er viel Geld gespart und wolle nun plötzlich Arbeitnehmer sein und die Vorzüge hiervon, wie z. B. das Insolvenzgeld, erhalten. Auch als das ausstehende Honorar von ihm habe eingeklagt werden müssen, habe er sich noch als freier Mitarbeiter gesehen und demgemäß sein Honorar beim Amtsgericht eingeklagt.

Der Kläger hat am 29.04.2004 über seine Bevollmächtigten beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben, mit der er sich auf die Rechtsprechung des BSG berief. Mit seiner Klage legte er erstmals Kopien seiner Rapportzettel vor, die er nach seinem täglichen Arbeitseinsätzen an die Firma E. faxen musste.

In der mündlichen Verhandlung des SG am 19.10.2005, zu der die beiden geladenen Zeugen Sch. und O. nicht erschienen sind, gab der Kläger an, von März 2000 bis 2004 im M. in S.-G. tätig gewesen zu sein. In diesem Zeitraum habe er drei Promoteragenturen kommen und gehen sehen, wobei es sich bei der Firma E. um die zweite Agentur gehandelt habe. Er sei immer von Donnerstag bis Samstag zu denselben Arbeitszeiten in diesem M. eingesetzt worden und sei dort eingebunden gewesen. Wenn er nicht da gewesen wäre, wäre der Stand eben unbesetzt gewesen. Morgens habe er immer einen Kontrollanruf bei der Firma E. machen müssen, um zu bestätigen, dass er anwesend sei. Abends habe er dann ein Kontrollzettel ausfüllen müssen. Alle zwei bis drei Wochen sei ein "Supervisor" von E. gekommen um zu kontrollieren, ob die Arbeit ordnungsgemäß erledigt werde. Während der Zeit seiner Tätigkeit für die Firma E. habe er ein oder zwei Wochen Urlaub genommen. Hierbei habe er immer rechtzeitig Bescheid sagen müssen, damit eine Vertretung organisiert werden konnte. Seine Vergütung habe immer aus einem gleich bleibenden festen Tagessatz bestanden und sei nicht erfolgsabhängig gewesen. Zu Beginn seiner Tätigkeit im März 2000 habe er von der ersten Agentur eine Schulung über einen Tag bekommen. Später habe es keine Schulungen mehr gegeben, es sei "Learning on the job" gewesen.

Die frühere Geschäftsführerin der Fa. E. Frau Sch. gab mit Schreiben vom 08.11.2005 gegenüber dem SG an, dass der Kläger bei der Firma E. nicht als Arbeitnehmer tätig gewesen sei. Er habe keine Lohnsteuerkarte abgegeben, kein Gehalt bezogen und auch keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Zwar sei nicht sie, sondern die andere Geschäftsführerin Frau W. für die Promotertätigkeit zuständig gewesen. Mit den generellen Gepflogenheiten von E. sei sie jedoch selbst auch vertraut gewesen.

Der Kläger habe nicht zu den Arbeitnehmern im Büro der Firma E. gezählt, sonder zu den Promotern, die selbständig für E. tätig gewesen seien. Eine Zwischenstufe zwischen diesen beiden Beschäftigungsformen habe es nicht gegeben. Die Firma E. sei dem Kläger gegenüber nicht weisungsbefugt gewesen, und dementsprechend habe dieser auch nicht gefragt, wenn er freie Tage habe nehmen wollen. Dementsprechend hätten auch keine Krankmeldungen erfolgen müssen. Es seien zum damaligen Zeitpunkt über 2000 freie Mitarbeiter in der Kartei geführt worden, wobei die Vergütung kundenspezifisch pauschal erfolgt sei.

Mit Schreiben vom 11.11.2005 gab der Verkaufsleiter des M. S.-G. gegenüber dem SG an, dass der Kläger, soweit diesmal auch nachvollziehbar sei, tageweise von Juli 1998 bis Juli 2000 und von Juni 2001 bis Juni 2003 im M. S.-G. als Promoter im Auftrag der Firma D. tätig gewesen sei. Die genauen Einsatztage ließen sich nicht mehr nachvollziehen. Außer dem Kläger seien auch andere Promoter wechselweise im Einsatz gewesen. Die Firma D. sei der Provider, mit dem der M. seine GSM-Verträge abschließe. Zu den Aufgaben des Klägers habe die Beratung der Kunden über die verschiedenen GSM-Netze, die verschiedenen Handys sowie der Abschluss von GSM-Verträgen gehört. Von welcher Agentur der Kläger beauftragt worden sei, entziehe sich seiner Kenntnis, da die Promotereinsätze durch die Firma D. geregelt worden seien. Die Firma E. GmbH aus R. sei ihm nicht bekannt. Die Anwesenheiten des Klägers ließen sich heute leider nicht mehr genau nachvollziehen. In der Regel würden die Einsätze mit dem Vertreter der Firma D. abgesprochen. Eine Möglichkeit, Einfluss auf die Tätigkeit des Klägers zu nehmen, habe nicht bestanden, da der Arbeitsumfang durch die Firma D. vorgegeben worden sei.

Das SG hat mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 19.04.2006 den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Der Kläger sei Arbeitnehmer im Sinne des § 183 Abs. 1 SGB III gewesen. Eine eigene Begriffsbestimmung des Arbeitnehmers sei im SGB III nicht enthalten. Es gelte daher der Arbeitnehmerbegriff im arbeitsrechtlichen Sinne, wobei im wesentlichen auf die Unterscheidungskriterien der §§ 7 und 25 SGB IV zurückgegriffen werden könne. Eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sei eine nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Arbeitnehmer sei danach, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Arbeit verpflichtet ist (unter Hinweis auf BAG vom 24.03.1992, DB 92, 2352). Ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis werden nach der Rechtssprechung des BSG im wesentlichen durch die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit (in Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit) und der Freiwilligkeit (in Abgrenzung zu Tätigkeiten aufgrund gesetzlicher Verpflichtung) geprägt, wobei das Merkmal der "Nicht-Selbständigkeit" durch eine Vielzahl von Kriterien konkretisiert werde (insbesondere des Weisungsrechts des Dienstherren hinsichtlich Arbeitszeit, -ort, -folge und Ausführung) aus den ein Gesamtbild zu gewinnen sei (unter Berufung auf BSGE 45,199). Vorliegend überwögen die Umstände deutlich, die auf eine abhängige Beschäftigung hinwiesen. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, an bestimmten Tagen zu bestimmten Zeiten an einem bestimmten Ort zu erscheinen. Hätte er dies nicht getan, sei leicht vorstellbar, was seitens der Firma E. veranlasst worden wäre. Dafür, dass seitens der Arbeitgeberin eine Kontrolle und damit letztlich auch ein Weisungsrecht ausgeübt worden sei, sprächen die Raport-Zettel, die vom Kläger auszufüllen und von Dritten gegenzuzeichnen gewesen seien, sowie der regelmäßige Einsatz von Supervisoren seitens der Arbeitgeberin zur Kontrolle der Tätigkeit des Klägers. Der Kläger habe außerdem außer seiner Arbeitskraft nichts weiter eingesetzt, insbesondere kein Kapital oder Betriebsmittel, um die Tätigkeit auszuführen. Es habe sich zu dem um einfache Tätigkeiten gehandelt (unter Hinweis auf LAG Köln, Beschluss vom 23.06.04 - 5 Ta 187/04). Der Kläger habe zudem ein festes Honorar erhalten und kein unternehmerisches Risiko getragen. Sofern die Beklagte auf den Vertrag vom 06.01.2002 und den hierin vereinbarten Ausschluss einer abhängigen Beschäftigung verweise, ergebe sich im Gegensatz zu der Schlussfolgerung der Beklagten hieraus, dass der Firma E. durchaus bewusst gewesen sein müsse, dass sich im Hinblick auf die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht ihrer Beschäftigten Unannehmlichkeiten ergeben könnten. Auch aus der Tatsache, das der Kläger nur von Donnerstag bis Samstag für die Firma tätig gewesen sei, ergebe sich noch keine selbständige Tätigkeit. Den ebenso wie zwei selbständige Tätigkeiten könne auch eine in Teilzeit verrichtete abhängige Beschäftigung mit einer in der verbleibenden Zeit ausgeübten weiteren (un)selbständigen Tätigkeit kombiniert werden (unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg - 11.07.2002 - L 7 U 2930/01). Das Urteil des SG wurde der Beklagten am 27.04.2006 zugestellt.

Deswegen hat die Beklagte am 29.05.2006 (Montag) beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG habe der Kläger eine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Dies werde neben dem Inhalts des Vertrags auch durch weitere Merkmale belegt. Der Kläger habe seine Arbeitszeit frei bestimmen können und sich im Falle von Krankheit nicht bei der Firma E. abmelden müssen. Der Kläger habe auch keinen Urlaub beantragen müssen, sondern sei dann eben für Dienste, die er nicht geleistet habe, nicht vergütet worden.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.04.2006 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Bevollmächtigten des Klägers beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Bevollmächtigten des Klägers halten das Urteil des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG und die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet.

Rechtsgrundlage für das Leistungsbegehren des Klägers ist § 183 Abs. l Satz l Nr. l SGB III. Nach dieser Vorschrift haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Geschützt werden nach dieser Bestimmung Arbeitnehmer, also abhängig Beschäftigte. Maßgebend ist die Arbeitnehmereigenschaft im Insolvenzgeld-Zeitraum. Vorliegend sind die Anspruchsvoraussetzungen und insbesondere auch die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers gegeben.

Der im SGB III nicht definierte Begriff des Arbeitnehmers im Sinne von § 183 Abs. 1 S 1 SGB III ist im Wesentlichen nach den für das Versicherungspflichtrecht zu § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV und §§ 25 ff. SGB III geltenden Abgrenzungskriterien zu bestimmen, nachdem für die Inhaltsbestimmung des Arbeitnehmerbegriffs die für das Versicherungspflichtrecht gefundenen Abgrenzungsmerkmale gelten (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 4100 § 141 b Nr. 24 und SozR 2100 § 7 Nr. 7). Durch § 183 SGB III werden nur Arbeitnehmer geschützt, die abhängig Beschäftigte im arbeitsförderungsrechtlichen Sinne sind (BSG SozR 2100 § 7 Nr. 7 und SozR 4100 § 141 b Nr. 24). Der Schutz findet unabhängig von der Versicherungspflicht nach § 25 SGB III statt, doch sind neben den zu § 7 SGB IV entwickelten Kriterien auch die bei § 25 SGB III entwickelten Grundsätze anzuwenden (vgl. Niesel, SGB III, 3. Aufl. 2005, § 183 Rdnr. 19). Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Arbeitnehmer ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2003 - B 11 AL 25/02 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. l m. w. N.). Kennzeichnend für eine selbständige Tätigkeit ist das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und Arbeitszeit zu verfügen. Zu beurteilen ist die Frage der Arbeitnehmereigenschaft nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei steht die vertragliche Ausgestaltung der Tätigkeit im Vordergrund. Diese tritt allerdings zurück, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend von ihr abweichen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, ob die für eine abhängige Beschäftigung oder die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale überwiegen (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R -, zitiert nach juris).

Die Bezeichnung der Tätigkeit des Klägers für die Fa. E. als "freie Mitarbeit" in dem Vertrag vom 06.01.2002 kann insofern nur als Indiz wurde eine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, weil das Vorliegen einer selbständigen Beschäftigung sich nicht allein nach dem Willen der Vertragsparteien richtet. Innerhalb dieses Vertragswerks war der Kläger ausschließlich zur Leistungserbringung zum Nutzen der Firma D. verpflichtet. Sowohl das Produkt als auch die Marke des von ihm geförderten Produktes waren vorbestimmt, ohne dass der Kläger hierauf Einfluss hatte. Aufgrund der Größe der Firma D. und deren eigenständiger Produktentwicklung und Absatzförderung hatte der Kläger auch kaum die Möglichkeit, auf die Beschaffenheit oder den Preis des von ihm vertriebenen Produktes Einfluss zu nehmen.

Sofern die Beklagte darauf verweist, dass dem Kläger an den Wochentagen Montag bis Mittwoch die Tätigkeit für andere Firmen offen gestanden habe, hat das SG dem zu Recht entgegengehalten, dass neben einer abhängigen Weiterbeschäftigung auch eine weitere Teilzeitbeschäftigung in abhängiger Weise verrichtet werden kann. Der dem Kläger insofern gewährte Freiraum in der ersten Hälfte der Arbeitswoche kann daher nicht als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Beschäftigung gelten.

Maßgeblich für die Beurteilung ist jedoch, wie die Vertragspflichten innerhalb der der Leistungspflichten des Klägers gegenüber der Firma E. die Tätigkeit des Klägers geprägt haben. Hier hat sich bei der Beweisaufnahme durch das SG gezeigt, dass die in dem Vertrag vom 06.01.2002 enthaltenen Freiheiten des Klägers in der Praxis erhebliche Einschränkungen erfahren haben. So war der Kläger verpflichtet, sich morgens im M. zum Arbeitsantritt zu melden und am Ende seiner Arbeitsschicht jeweils einen Rapportzettel auszufüllen. Außerdem gab es Kontrollanrufe und Kontrollbesuche der Fa. E., so dass sich ein Gesamtbild ergibt, wonach der Kläger hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung der gleichen Kontrolle unterlag wie der typische abhängig beschäftigte Arbeitnehmer. Ziff. 4 des Vertrages sah im Übrigen eine Tätigkeitspflicht des Klägers vor; denn eine Absage des Arbeitsantritts an den hierfür vorgesehen Tagen in dem ihm zugewiesenen M. konnte, wenn diese unbegründet oder verspätet war, eine von ihm zu zahlende "Aufwandsentschädigung in Höhe von DM 50,00" auslösen.

Zu diesem Gesamtbild trägt darüber hinaus das "Tageshonorar" in Höhe von 200 DM (netto) bei, welches der Höhe nach ein Fixum ohne erfolgsabhängige Vergütungsanteile darstellt, wie es typisch für einen Arbeitnehmerlohn ist. Wie ein Arbeitnehmer hatte der Kläger auch keine eigenen Betriebsräume oder -mittel, sondern nutzte die vorhandenen Einrichtungen in dem ihm zugewiesenen M ...

Letztlich verbleiben nach der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit des Klägers in der Praxis kaum noch Anhaltspunkte dafür, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen. Jedenfalls überwiegen die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Elemente deutlich, so dass die Arbeitnehmereigenschaft zu bejahen ist (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R -, zitiert nach juris). Dass der Kläger selbst den Arbeitnehmerstatus erst dann beansprucht hat, als ihm die Möglichkeit des Bezugs von Insolvenzgeld eröffnet war, ist insofern unerheblich, da es auf die Beurteilung der Beteiligten nicht wesentlich ankommt. Dass Insolvenzgeld auch dann bezogen werden kann, wenn nie Beiträge an die Versichertengemeinschaft gezahlt worden sind, mag von der Beklagten bedauert werden, jedoch ist dies im Gesetz aufgrund der Anknüpfung an die Arbeitnehmereigenschaft in § 183 SGB III - und nicht etwa an die vorherige Entrichtung von Beiträgen - ausdrücklich und bewusst wegen der vom Gesetzgeber angenommenen besonderen Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern so vorgesehen.

Auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen hat das SG zutreffend bejaht. Unschädlich ist, dass das SG keinen genauen Anspruchszeitraum benannt hat, da es insofern ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 SGG gefällt hat, welches (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 130 Rdnr. 3 b); insoweit ergibt sich aus den Umständen des Verfahrens, dass Streitgegenstand die offenen Lohnforderungen des Klägers für die Monate Dezember 2002 bis Februar 2003 in Höhe von insgesamt 1533,90 Euro sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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