Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 6483/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2892/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. April 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen eines Arbeitsunfalls am 14.07.2002 eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusteht.
Der 1964 geborene Kläger war als Lagerarbeiter und Kommissionierer beschäftigt. Am 14.07.2002 kam es zu einer Störung an einer robotergesteuerten Maschine, als sich in ihr eine Platte verklemmt hatte. Der Kläger schaltete die Maschine nicht ab, als er unter Umgehung der hierfür vorgesehenen Wartungstür über einen Spalt in der Schutzumzäunung die Störung zu beheben versuchte. Nach Beseitigung der Störung wurde er von hinten von einem Roboterarm auf die Arbeitsplatte der Maschine gepresst und hierbei verletzt. Der in der Maschine eingeklemmte Kläger konnte den Not-Aus-Schalter betätigen, musste aber von Kollegen befreit werden.
Der Kläger wurde mit Notarztwagen in das Krankenhaus Waiblingen gebracht, wo Platzwunden im Gesicht, eine Le Fort-II-Fraktur (Pyramidenförmige Oberkieferfraktur) und eine Thoraxkontusion diagnostiziert wurden. Nach Verlegung ins K. in Stuttgart wurde er dort stationär vom 14.07. bis 29.07.2002 behandelt unter der Diagnose einer atypischen Oberkieferfraktur sowie Jochbeinfraktur rechts, Kronenfrakturen der Zähne 12 und 23, Platzwunden im Bereich der Lippe, einer commotio cerebri, Ablederungsverletzung im Bereich des Nasenrückens und einer Thoraxprellung (Bericht des K. Stuttgart vom 09.10.2002). Arbeitsunfähigkeit bestand durchgehend bis 19.01.2003.
Dr. P., Neurologe und Psychiater in S., teilte der Beklagten mit, den Kläger seit 12.11.2002 zu behandeln (ärztliche Unfallmeldung vom 12.11.2002). In seinem Bericht vom 20.11.2002 führte er aus, mit dem Kläger u. a. unter der Diagnose eines vertebragenen Kopfschmerzes, rezidivierende Schwindel und einer reaktiven Depression stützende psychotherapeutische Gespräche zu führen und ihn konservativ psychotherapeutisch ggf. durch zusätzliche Antiphlogistika (entzündungshemmende Schmerzmittel) zu behandeln. Durch den Arbeitsunfall sei es zu einer Schleuderbewegung der Halswirbelsäule (HWS) gekommen mit Muskelverspannungen und einer HWS-Distorsion mit vertebragenem Kopfschmerz. Er habe beim Kläger eine affektiv depressive Verstimmung, Unruhe mit Grübeln und Schlafstörungen sowie Sorgen wegen seiner Verletzung und einen Libidoverlust festgestellt. Neurologisch habe er keine auffälligen pathologischen Befunde erhoben. Mit Bericht vom 07.04. 2003 zeigte Dr. P. der Beklagten eine neurotisch depressive Entwicklung mit narzißtischen Anteilen als weitere Diagnose an. Die vom Unfall herrührenden Beschwerden seien beim Kläger gebessert worden, weshalb ihm ursprünglich empfohlen worden sei, wieder mit der Arbeit beginnen. Jedoch sei eine neue Dekompensation mit erneuter Krankschreibung aufgetreten, nachdem es zu einer Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber gekommen sei. Aktuell habe sich die depressive Symptomatik und der Kopfschmerz verstärkt.
Die Zahnärztin S. führte auf Anfrage der Beklagten aus, die vor dem Unfall vorhandene Zahnbrücke des Klägers sei durch die Verletzung und der deshalb erforderlichen Extraktion der Zähne 12 und 23 unbrauchbar geworden. Die hierdurch entstandene breite Lücke habe durch eine herausnehmbare Modellgußprothese mit Teleskopen geschlossen werden müssen. Der Kläger sei bis zum Lückenschluss mit einer Interimsprothese versorgt worden (Bericht vom 20.02.2003).
Mit Bescheid vom 27.06.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 14.07. 2002 ab.
Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch, den der Kläger mit fortbestehenden unfallbedingten Beschwerden, wie Gefühllosigkeit unterhalb des rechten Auges bis zur Lippenmitte, der störenden und Brechreiz hervorrufenden Zahnprothese, ständigen Schmerzen im Ober- und Unterkiefer, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Nervosität und Depressivität mit Ängsten und Gedanken an den Unfall, fehlendem Geschmacks- und Geruchssinn sowie Schmerzen zwischen den Schultern und in der oberen Brust begründete, veranlasste die Beklagte die Begutachtung des Klägers auf unfallchirurgischem, neurologisch-psychiatrischem und HNO-ärztlichem Gebiet.
Im unfallchirurgischen Gutachten vom 09.06.2004 verneinte Prof. Dr. D. das Vorliegen einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Bei der Untersuchung konnte eine uneingeschränkte Kopfbeweglichkeit diagnostiziert werden, ohne wesentliche Schmerzangaben. Weitere auffällige Befunde wurden nicht beschrieben. Als unfallunabhängig diagnostizierte Prof. Dr. D. eine leichte rechtskonvexe Skoliose in Thorakalbereich, was wiederkehrende Verspannungen der Rückenmuskulatur bedinge.
In seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 15.07.2004 bewertete Dr. G. eine inkomplette Läsion des Nervus infraorbitalis als Folge der Jochbeinfraktur bzw. deren operativen Korrektur. Dagegen sei die vom Kläger geklagte Hyposmie (verminderter Geruchsinn) und Ageusie (Aufhebung des Geschmacksinns) bei nachgewiesenem intaktem Nervus trigeminus und fehlender Reaktion auf Reizstoffe nicht glaubhaft. Der übrige neurologische Status sei unauffällig. Es bestehe auch eine leichtgradige depressive Verstimmung, die nicht durch das Unfalltrauma, sondern durch Konflikte und Spannungen am Arbeitsplatz nach dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit ausgelöst worden seien. Die geschilderten Konflikte und Belastung am Arbeitsplatz seien auch Hauptinhalt der depressiven Verstimmung und hielten diese aufrecht. Die depressive Verstimmung sei diagnostisch als Anpassungsstörung einzuordnen und sei überwiegend nicht Folge des Unfalls. Im Rahmen dieser depressiven Verstimmung komme es auch zu einer psychogenen Ausgestaltung körperlicher Beschwerden. Dies gelte auch für die Kopfschmerzen. Eine dauerhaft erhöhte Schmerzempfindlichkeit und eine verstärkte Anfälligkeit für Kopfschmerzen könnten aber im Blick auf die Läsion des Nervus infraorbitalis wahrscheinlich und damit auch glaubhaft sein. Die unfallbedingte MdE betrage maximal 10 v.H.
Prof. Dr. S. verneinte in seinem Gutachten vom 17.06.2004 Unfallfolgen auf HNO-ärztlichem Gebiet. Eine Hörstörung liege nicht vor. Die geklagten Schwindelbeschwerden mit Verstärkung unter Belastung seien uncharakteristisch. In den Gleichgewichtsuntersuchungen habe sich kein Hinweis für eine periphere vestibuläre Störung gezeigt. Sowohl Geschmacks- und Geruchstests zeigten beidseits nicht regelrechte Ergebnisse, die nicht mit einer peripheren Nervenschädigung zu erklären seien. Ein unfallbedingte MdE liege nicht vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 29.09.2004 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben.
Das Sozialgericht hat schriftlich als sachverständige Zeugen den behandelnden Orthopäden Dr. A., die HNO-Ärztin Dr. S., den Zahnarzt P. und Dr. P. gehört. Dr. A. hat angegeben, er habe Folgebescheinigungen für Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 17.11.2002 bis 19.01.2003, von 16.09.2004 bis 22.10.2004 und Weitere ausgestellt, hauptsächlich wegen Beschwerden der Wirbelsäule, einen unfallbedingten Schaden habe er hierbei nicht diagnostiziert (Aussage vom 18.02.2005). Dr. S. hat mitgeteilt, den Kläger wegen der von ihm geklagten Geruchs- und Geschmacksstörung nicht behandelt zu haben (Aussage vom 23.02.2005). Zahnarzt P. hat angegeben, auf die von ihm hergestellte Teleskoplösung habe der Kläger nicht optimal reagiert, da Blutungen im Zahnfleisch aufgetreten seien. Eine spätere Lösung mit Zahnimplantaten sei für einen Tragekomfort essenziell (Aussage vom 24.02.2005). Dr. P. hat seine bereits im Verwaltungsverfahren angegebenen Diagnosen wiederholt, erweitert mit der Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms (Aussage vom 23.02.2005). Beigefügt hat er den vorläufigen Entlassungsbericht des psychosomatisch-psychotherapeutischen Rehabilitationszentrums Stuttgart, wo der Kläger vom 15.03. bis 10.5.2005 unter der Diagnose posttraumatische Belastungsstörung und mittelgradig depressive Episode teilstationär behandelt worden war.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat die Ärztin für psychotherapeutische Medizin und Rehabilitationswesen P. das psychotherapeutische Gutachten vom 07.11.2005 erstattet. Sie hat eine chronische posttraumatische Belastungsstörung, eine depressive Episode - derzeit mittelgradig bis schwer -, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung im Bereich des Kopfes, der Brust, des Rückens und des Kiefers, einen Schwindel unklarer Genese sowie eine inkomplette Läsion des Nervus infraorbitalis rechts mit Hyposmie und weitgehender Ageusie als Folgen des Unfalls bezeichnet mit einer MdE von 50 v.H. Der Kläger sei bei dem Unfall einer ernsthaften Lebensbedrohung ausgesetzt gewesen mit Hilflosigkeit und Ohnmachtsgefühlen. Dieses traumatische Ereignis werde wiedererlebt durch wiederholte belastende Erinnerungen an den Unfall. Außerdem komme es zu stark belastenden Albträumen von dem Unfall. Der Kläger zeige auch ein typisches Vermeidungsverhalten, indem er Gespräche über den Unfall und auch Situationen vermeide, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen, wie z. B. Autofahren in der Dunkelheit, Kontakt mit Strom oder Aufenthalt in dunklen Räumen. In der Biografie des Klägers fänden sich keine Hinweise für eine Disposition zu traumatischen Reaktionen. Die Schmerzen im Rücken seien als somatische Intrusionen zu verstehen, der Kläger empfinde die Schmerzen genau an den Stellen, an denen er durch den Roboter während des Traumas verletzt worden sei. Der Einschätzung von Dr. G., beim Kläger liege eine unfallunabhängige Anpassungsstörung vor, werde widersprochen. Der Kläger sei auf Drängen des Arbeitgebers nach siebenmonatiger Arbeitsunfähigkeit an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt und habe durch die Reaktion seines Chefs auf den gestellten Urlaubsantrag, der nicht genehmigt worden sei, weil er solange weg gewesen sei, eine Retraumatisierung erlitten.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 20.12.2005 vorgelegt, mit der der Einschätzung der Sachverständigen widersprochen worden ist. Objektivierbare Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestünden nicht. Die Teilschädigung des Nervus infraorbitalis sei möglicherweise ausgeheilt, wofür der unauffällige elektrophysiologische Befund spreche. Eine Geruchs- und Geschmacksstörung könne auf eine Schädigung des Nervus infraorbitalis nicht zurückgeführt werden, weil diesem keine solche Funktionen zukommen. Die angegebene Gefühlsstörung an der Wange könne mangels motorischer Funktion des Nervs nicht überprüft werden. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nach den diagnostischen Standards nicht vor. Der Unfall sei nicht von naturkatastrophenähnlichem Ausmaß gewesen. Sämtlichen Arztberichten nach dem Unfall seien keine psychischen Initialreaktionen zu entnehmen, die bei einer posttraumatischen Belastungsstörung zwingend erforderlich seien. Der Heilverlauf sei unkompliziert gewesenen. Der Kläger habe diffuse und vielfältige Beschwerden, die weder durch Befunde überhaupt, noch als Unfallfolgen nachvollziehbar seien, geltend gemacht. Ein posttraumatisches typisches Vermeidungsverhalten habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe seine Arbeit weiterhin bis zum Erhalt der Änderungskündigungen im Dezember 2004 versehen. Der geänderte Beschwerdevortrag bei der Untersuchung durch die Sachverständige P. beinhalte vielfältige Ängste, wie Angst vor dem Autofahren, vor dem Wechseln einer Glühbirne usw., die mit dem Unfallereignis nichts zu tun hätten. Es bestehe der Verdacht, dass der Kläger sich bei den Untersuchungen demonstrativ verhalte und Beeinträchtigungen vorführe, die nicht vorliegen, wie z. B. unfallbedingte Kraftminderung, Gang- und Standunsicherheit, unplausible Riech- und Geschmacksstörungen. Die unfallbedingte MdE sei mit weniger als 10 v. H. auf nervenärztlichem Fachgebiet einzuschätzen.
Der Kläger hat hierzu die ärztliche Stellungnahme der Sachverständigen vom 13.03.2006, wonach Prof. Dr. S. Defizite bezüglich des aktuellen Kenntnisstandes der Psychotraumalogie aufweise, und den Arztbrief von Dr. P. vom 23.02.2006 mit der Diagnose: Gingivitis (Zahnfleischentzündung), die auch als Schmerztrigger in Frage komme, vorgelegt.
Mit Urteil vom 12.04.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es sich auf das Gutachten von Dr. G. und die Ausführungen von Prof. Dr. S. gestützt.
Gegen das dem Kläger am 11.05.2006 zugestellte Urteil hat er am 07.06.2006 Berufung eingelegt und zur Begründung auf den Entlassungsbericht des Teilstationären Rehabilitationszentrums S. vom 18.05.2005, das ärztliche Attest von Dr. P. vom 01.06.2006, die jeweils die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung enthalten, und auf das HNO-ärztliche Attest von Dr. V. vom 13.06.2006 mit der Diagnose: subjektive Geruchs- und Geschmacksstörung, Hypacusis perceptiva links unten, nonsystematischer Vertigo verwiesen. Aus dem Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums ergebe sich, dass er in keiner Weise vom Unfallgeschehen distanziert sei und die Symptomatik über eine Anpassungsstörung deutlich hinausgehe. Die Reaktion des Vorgesetzten auf den Urlaubsantrag, wobei es sich um den Urlaub aus dem Jahr 2002 mit Verfallfrist 31.03.2003 gehandelt habe, habe eine Retraumatisierung dargestellt, wie von der Sachverständigen P. ausgeführt worden sei. Der Kläger hat auf den Aufsatz von Dr. B. (NZS 2002, 8ff) verwiesen, wonach angesichts der vielen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten in der Beurteilung der Kausalität im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der individuellen Persönlichkeit der rechtlich wesentliche Zusammenhang zu bejahen sei, wenn die Symptome im Einzelfall nach Art und Umfang, auch in zeitlicher Hinsicht sich im Rahmen der Erkenntnisse der generellen Kausalität zu der jeweiligen psychischen Störungen bewegten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.04.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 27.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 14.07.2002 Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren, hilfsweise ein Sachverständigengutachten von Amts wegen zu der Frage einzuholen, ob er aufgrund des Unfalls vom 14.07.2002 an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt vertiefend aus, zeitnah zu dem Unfall seien keinerlei Symptome festgestellt worden, die für eine posttraumatische Belastungsstörung sprechen könnten. Dr. P. habe in seinem Befundbericht vom 07.04.2003 noch keine posttraumatische Belastungsstörung als Diagnose angegeben, weshalb es erstaune, dass diese in seinem Bericht vom 03.08.2004 enthalten sei, zumal in seiner Aussage vom 23.02.2005 diese Diagnose nicht mehr enthalten sei, sondern eine Anpassungsstörung genannt werde.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die beim Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII ). Mit der Formulierung "infolge eines Versicherungsfalls" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass Verletztenrente nur gewährt werden kann, wenn Gesundheitsstörungen durch den Arbeitsunfall rechtlich wesentlich verursacht worden sind.
Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht. Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.
Ob die Verursachung einer Erkrankung des Versicherten "durch" einen Arbeitsunfall festgestellt werden kann, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - letztlich danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für die Entstehung der Erkrankung bildet (st Rspr des BSG; vgl stellvertretend BSGE 63, 277 , 278 = SozR 2200 § 548 Nr 91 mwN; Brackmann/Krasney, SGB VII, 12. Aufl, § 8 RdNr 308 ff). Welcher Umstand als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Frage kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen gegeneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mitbewirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Zur Bewertung der Qualität einer bestimmten Bedingung hat die Rechtsprechung (vgl. etwa BSGE 59, 193 , 195 = SozR 2200 § 548 Nr 77 mwN) vielfach auf die Auffassung des "täglichen" oder "praktischen" Lebens abgestellt. Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11 , 19 ff mwN) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen (vgl. insgesamt BSG Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 8/03 R -, SozR 4-2200 § 589 Nr 1). Andererseits ist aber auch bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag des Unfalls nicht ohne weiteres zu unterstellen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R -und Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 26/04 R, beide veröffentlicht in Juris.).
Die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge ist ebenso wie für andere Gesundheitsstörungen möglich. Voraussetzung ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, wobei angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite die Diagnose auf Grund eines der üblichen Diagnosesysteme (z. B. 10. Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO (ICD-10); diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung 1994 (DSM-IV)) und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen muss, damit die Feststellung nachvollziehbar ist. Für die wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung sowohl nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als auch nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist eine klare Feststellung erforderlich, worin das schädigende Ereignis lag, z. B. im Unfallereignis selbst oder in der nachfolgenden Behandlung oder in den fortbestehenden physischen Einschränkungen, die vom Unfallereignis verursacht worden sind. Soweit nach allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnissen bestimmte Diagnosen ein entsprechend schweres Unfallereignis, einen bestimmten Krankheitsverlauf oder besondere psychische Reaktionen voraussetzen, bedeutet deren Berücksichtigung keine Ausnahme von der Theorie wesentlichen Bedingung oder die Übernahme der Adäquanztheorie. Denn die wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf Grund deren die Beurteilung im Einzelfall erfolgt, können nur allgemeine oder generelle sein. Die Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache bei psychischen Gesundheitsstörungen im Einzelfall kann keine von diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen unabhängige Wertentscheidung sein (vgl. hierzu insgesamt BSG Urteile vom 09.05.2006, a. a. O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist auch zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte posttraumatische Belastungsstörung des Klägers nicht als Unfallfolge festzustellen.
Dr. G. hat bei seiner Untersuchung des Klägers im Juli 2004 keine Befunde erhoben, die die Diagnose einer posttraumatische Belastungsstörung begründete. Er hat auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet einen posttraumatischen Kopfschmerz, eine Läsion des Nervus infraorbitalis rechts und eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion unter Angaben der Diagnoseschlüsseln nach ICD-10 diagnostiziert. Die Anpassungsstörung steht nach seiner überzeugenden Bewertung nicht in einem wesentlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom Juli 2002. Auch der behandelnde Arzt Dr. P. hat während seiner in November 2002 aufgenommenen Behandlung des Klägers keine Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung beschrieben. Seine der Beklagten und dem Sozialgericht mitgeteilten Diagnosen umfassen ein solches Erkrankungsbild nicht. Sein im Berufungsverfahren vorgelegtes Attest vom 01.06.2006 lässt nicht erkennen, worauf die nunmehr angeführte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestützt ist.
Die Beurteilung der Sachverständigen P. ist daher wenig überzeugend. Sie stützt ihre Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörungen auf das vom Kläger als lebensbedrohend empfundene Unfallereignis. Dem hat Prof. Dr. S. zutreffend entgegengehalten, dass die Diagnose eines posttraumatischen Belastungssyndroms nach ICD-10 ein über menschliche Erfahrung hinausgehendes Ereignis naturkatastrophenähnlichen Ausmaßes voraussetzt, womit der Wortlaut nach ICD-10 F 43 "ein belastendes außergewöhnliches Ereignis ... mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde" verkürzend aber zutreffend wiedergegeben wird. Ein solches Ereignis lag bei der nach den oben dargelegten Grundsätzen gebotenen objektiven Würdigung aber nicht vor. Der Kläger wurde von einem Roboterarm auf die Arbeitsplatte der Maschine gepresst. Ihm war es aber gelungen, die Maschine über den Notschalter zu stoppen. Nach seinen eigenen Angaben zunächst bei Dr. P. (Bericht vom 20.11.2002) war er nicht bewusstlos, es hat aber einige Zeit gedauert, bis er von den Kollegen befreit werden konnte, wie er später bei der Untersuchung durch Dr. G. angegeben hat, wobei er nunmehr behauptet, bewusstlos gewesen zu sein. Da die Maschine vom Kläger selbst zum Stehen gebracht worden war, hat auch für den Kläger trotz der zu unterstellenden Schmerzen auf Grund der erlittenen Oberkieferfrakturen erkennbar und auch objektiv keine Lebensgefahr bestanden. Die Angaben bei der Untersuchung durch die Sachverständige P. über eine mehrminütige Bewusstlosigkeit, über ausgeschlagene Zähne - die Zähne wurden durch den Zahnarzt erst später extrahiert - und angebliche Todesangst, dass der falsche Knopf gedrückt werde, ist mit der früheren Schilderung des Klägers nicht vereinbar.
Zutreffend hat auch Prof. Dr. S. darauf hingewiesen, dass eine psychische Reaktion auf das Unfallereignis in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang nicht eingetreten ist und solche Symptome auch nicht in der ärztlichen Dokumentation festgehalten sind. Weder sind am Tage sich aufdrängende Unfallerinnerungen dokumentiert, noch ergeben sich unfallbezogene Albträume. Der Kläger hat zu einem späteren Zeitpunkt bei Dr. P. nur angegeben, an Schlafstörungen zu leiden, viel zu grübeln und ängstlich zu sein. Selbst die bei der Untersuchung durch die Sachverständige P. angegebenen Ängste sind von Prof. Dr. S. nachvollziehbar als unspezifisch und nicht mit dem Unfallereignis in Zusammenhang stehend qualifiziert worden. Dies ist bei den angegebenen Ängsten vor Autofahrten in der Dunkelheit oder Aufenthalt in dunklen Räumen bzw. generelle Angst vor Strom auch unmittelbar einleuchtend. Die auch im Entlassungsbericht des Teilstationären Rehabilitationszentrums Stuttgart enthaltene Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ist deshalb ebenso wenig überzeugend, zumal nicht erkennbar ist, ob den behandelnden Ärzten die früheren Befunde vorgelegen haben. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Attesten von Dr. P. und der Sachverständigen P. jeweils vom 14.11.2006, die zur Vorlage beim Rentenversicherungsträger erstellt wurden und nur die bekannten Diagnosen dieser Ärzte wiederholen. Der Einwand der Sachverständigen Pr., Prof. Dr. S. verfüge nicht über ausreichende Fachkunde, ist von ihr nicht näher begründet worden. Der Senat hat hierfür auch keinen Anhalt. Es kann diesbezüglich auf die ausdrückliche Erwähnung von Prof. Dr. S. mit Literaturnachweis in den Urteilen des BSG vom 09.05.2006, a.a.O. (dort RdNr. 18 bzw. 22) verwiesen werden.
Die auch von der Sachverständigen P. diagnostizierte depressive Episode hat bereits Dr. P. auf eine unfallunabhängige Anpassungsstörung zurückgeführt, die aus unfallfremden Problemen des Klägers am Arbeitsplatz resultierte. Dies ist für den Senat überzeugend. Auch bei der Untersuchung im Oktober 2005 hat der Kläger der Sachverständigen P. gegenüber angegeben, die Reaktion seines Chefs auf seinen Antrag, ihm den Resturlaub zu gewähren, habe er als Bestrafung empfunden. Eine an den gesundheitlichen Folgen des Unfalls anknüpfende psychische Reaktion ist darin nicht zuerkennen, was Prof. Dr. S. bereits überzeugend dargelegt hat. Soweit eine Verschlechterung der Atmosphäre am Arbeitsplatz auch durch die nachfolgenden Krankschreibungen erfolgt sein soll, wie der Kläger behauptet, ist auch dies nicht auf die Unfallfolgen zurückzuführen. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit wurde vom Klinikum Stuttgart bis 28.10.2002 angenommen (Bericht des Klinikums - Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie- vom Februar 2003) und von Doktor A. bis 10.11.2002 bescheinigt, danach beruhten die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf unfallunabhängigen Erkrankungen der Wirbelsäule (Bericht von Dr. A. vom 13.03.2003). Soweit nach der Wiedergabe im Gutachten der Sachverständigen P. auch die Scham über das Tragen einer Zahnprothese als depressionsverstärkende Traumafolge beurteilt worden ist, ist dies allenfalls als nicht wesentliche Mitursache der auf mehreren persönlichkeitsbedingten Faktoren beruhenden, von Dr. P. allgemein als narzisstische Persönlichkeitsstörung umschriebenen Anpassungsstörung einzustufen.
Der Senat sah daher keine Veranlassung zu weiteren medizinischen Ermittlungen. Er sah sich nicht gedrängt, dem hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens stattzugeben. Prof. Dr. S. hat unter Einbeziehung der in dem Diagnosesystem ICD-10 zum Ausdruck kommenden Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft überzeugend eine posttraumatische Belastungsstörung verneint. In Übereinstimmung mit Dr. G. hat er auch sonst keine Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet beschrieben.
Eine unfallbedingte (Gesamt-)MdE von mindestens 20 v.H. besteht nicht.
Neurologische Erkrankungen sind nach den überzeugenden Gutachten von Dr. G. und insoweit auch von der Sachverständigen P., was sich aus ihrer Stellungnahme vom 13.03.2006 ergibt, nicht diagnostiziert worden. Eine Beeinträchtigung des Nervus infraorbitalis oder des 2. Trigeminusastes rechts war bei der Untersuchung durch Dr. G. nicht zu objektivieren. Die angegebenen Gefühlsstörungen, der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns waren nicht nachzuweisen. Nach Prof. Dr. S. ist anhand der durchgeführten Tests von einer Beschwerdeausgestaltung auszugehen.
Auf unfallchirurgischem Gebiet liegt nach den überzeugenden Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. D. keine beeinträchtigende Verletzungsfolge mehr vor. Die Beschwerden im Thorakalbereich und am Rücken gehen auf eine unfallunabhängige Skoliose im thorakalen Bereich zurück mit damit einhergehenden Verspannungen der Rückenmuskulatur. Die MdE wird für den Senat nachvollziehbar mit unter 10 v.H. angegeben.
Prof. Dr. S. hat für das HNO-ärztliche Gebiet ebenfalls keine Unfallfolgen diagnostiziert. Dies ist überzeugend, denn der vom Kläger geltend gemachte unsystematische Schwindel bei körperlicher Belastung ist bei den durchgeführten Gleichgewichtsuntersuchungen nicht zu verifizieren gewesen. Eine Hörstörung war ebenfalls nicht zu diagnostizieren. Professor Dr. S. hat überzeugend für sein Fachgebiet das Vorliegen einer unfallbedingten MdE verneint.
Auf zahnärztlichem und kieferorthopädischem Gebiet liegen ebenfalls keine relevanten funktionellen Einschränkungen vor. In der zahnärztlichen Stellungnahme des Klinikums Stuttgart - Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie - vom März 2003 wird eine MdE in rentenberechtigendem Grade verneint. Die Kiefer- und Jochbeinfrakturen sind ausgeheilt. Nach der unfallmedizinischen Literatur wird eine MdE von 25 v.H. angenommen beim Verlust erheblicher Teile der Zahnleiste mit wesentlicher Leistungsstörung oder dem Verlust aller Zähne (vgl. Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Aufl., S. 157 ; Mollowitz, Der Unfallmann, 12. Aufl., S. 353). Der Verlust aller Zähne steht bei dem Kläger nicht zur Debatte. Der unfallbedingte Zahnverlust der Zähne 12 und 23 ist ausgeglichen. Eine prothetische Versorgung des Oberkiefers ist erfolgt. Eine relevante MdE ist damit nicht zu begründen. Soweit es zu gelegentlichen Entzündungen des Zahnfleischs kommt, worauf der behandelnde Zahnarzt P. hingewiesen hat, ist darin keine wesentliche Leistungsstörung nach den dargelegten Maßstäben zu sehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen in nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen eines Arbeitsunfalls am 14.07.2002 eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusteht.
Der 1964 geborene Kläger war als Lagerarbeiter und Kommissionierer beschäftigt. Am 14.07.2002 kam es zu einer Störung an einer robotergesteuerten Maschine, als sich in ihr eine Platte verklemmt hatte. Der Kläger schaltete die Maschine nicht ab, als er unter Umgehung der hierfür vorgesehenen Wartungstür über einen Spalt in der Schutzumzäunung die Störung zu beheben versuchte. Nach Beseitigung der Störung wurde er von hinten von einem Roboterarm auf die Arbeitsplatte der Maschine gepresst und hierbei verletzt. Der in der Maschine eingeklemmte Kläger konnte den Not-Aus-Schalter betätigen, musste aber von Kollegen befreit werden.
Der Kläger wurde mit Notarztwagen in das Krankenhaus Waiblingen gebracht, wo Platzwunden im Gesicht, eine Le Fort-II-Fraktur (Pyramidenförmige Oberkieferfraktur) und eine Thoraxkontusion diagnostiziert wurden. Nach Verlegung ins K. in Stuttgart wurde er dort stationär vom 14.07. bis 29.07.2002 behandelt unter der Diagnose einer atypischen Oberkieferfraktur sowie Jochbeinfraktur rechts, Kronenfrakturen der Zähne 12 und 23, Platzwunden im Bereich der Lippe, einer commotio cerebri, Ablederungsverletzung im Bereich des Nasenrückens und einer Thoraxprellung (Bericht des K. Stuttgart vom 09.10.2002). Arbeitsunfähigkeit bestand durchgehend bis 19.01.2003.
Dr. P., Neurologe und Psychiater in S., teilte der Beklagten mit, den Kläger seit 12.11.2002 zu behandeln (ärztliche Unfallmeldung vom 12.11.2002). In seinem Bericht vom 20.11.2002 führte er aus, mit dem Kläger u. a. unter der Diagnose eines vertebragenen Kopfschmerzes, rezidivierende Schwindel und einer reaktiven Depression stützende psychotherapeutische Gespräche zu führen und ihn konservativ psychotherapeutisch ggf. durch zusätzliche Antiphlogistika (entzündungshemmende Schmerzmittel) zu behandeln. Durch den Arbeitsunfall sei es zu einer Schleuderbewegung der Halswirbelsäule (HWS) gekommen mit Muskelverspannungen und einer HWS-Distorsion mit vertebragenem Kopfschmerz. Er habe beim Kläger eine affektiv depressive Verstimmung, Unruhe mit Grübeln und Schlafstörungen sowie Sorgen wegen seiner Verletzung und einen Libidoverlust festgestellt. Neurologisch habe er keine auffälligen pathologischen Befunde erhoben. Mit Bericht vom 07.04. 2003 zeigte Dr. P. der Beklagten eine neurotisch depressive Entwicklung mit narzißtischen Anteilen als weitere Diagnose an. Die vom Unfall herrührenden Beschwerden seien beim Kläger gebessert worden, weshalb ihm ursprünglich empfohlen worden sei, wieder mit der Arbeit beginnen. Jedoch sei eine neue Dekompensation mit erneuter Krankschreibung aufgetreten, nachdem es zu einer Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber gekommen sei. Aktuell habe sich die depressive Symptomatik und der Kopfschmerz verstärkt.
Die Zahnärztin S. führte auf Anfrage der Beklagten aus, die vor dem Unfall vorhandene Zahnbrücke des Klägers sei durch die Verletzung und der deshalb erforderlichen Extraktion der Zähne 12 und 23 unbrauchbar geworden. Die hierdurch entstandene breite Lücke habe durch eine herausnehmbare Modellgußprothese mit Teleskopen geschlossen werden müssen. Der Kläger sei bis zum Lückenschluss mit einer Interimsprothese versorgt worden (Bericht vom 20.02.2003).
Mit Bescheid vom 27.06.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 14.07. 2002 ab.
Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch, den der Kläger mit fortbestehenden unfallbedingten Beschwerden, wie Gefühllosigkeit unterhalb des rechten Auges bis zur Lippenmitte, der störenden und Brechreiz hervorrufenden Zahnprothese, ständigen Schmerzen im Ober- und Unterkiefer, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Nervosität und Depressivität mit Ängsten und Gedanken an den Unfall, fehlendem Geschmacks- und Geruchssinn sowie Schmerzen zwischen den Schultern und in der oberen Brust begründete, veranlasste die Beklagte die Begutachtung des Klägers auf unfallchirurgischem, neurologisch-psychiatrischem und HNO-ärztlichem Gebiet.
Im unfallchirurgischen Gutachten vom 09.06.2004 verneinte Prof. Dr. D. das Vorliegen einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Bei der Untersuchung konnte eine uneingeschränkte Kopfbeweglichkeit diagnostiziert werden, ohne wesentliche Schmerzangaben. Weitere auffällige Befunde wurden nicht beschrieben. Als unfallunabhängig diagnostizierte Prof. Dr. D. eine leichte rechtskonvexe Skoliose in Thorakalbereich, was wiederkehrende Verspannungen der Rückenmuskulatur bedinge.
In seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 15.07.2004 bewertete Dr. G. eine inkomplette Läsion des Nervus infraorbitalis als Folge der Jochbeinfraktur bzw. deren operativen Korrektur. Dagegen sei die vom Kläger geklagte Hyposmie (verminderter Geruchsinn) und Ageusie (Aufhebung des Geschmacksinns) bei nachgewiesenem intaktem Nervus trigeminus und fehlender Reaktion auf Reizstoffe nicht glaubhaft. Der übrige neurologische Status sei unauffällig. Es bestehe auch eine leichtgradige depressive Verstimmung, die nicht durch das Unfalltrauma, sondern durch Konflikte und Spannungen am Arbeitsplatz nach dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit ausgelöst worden seien. Die geschilderten Konflikte und Belastung am Arbeitsplatz seien auch Hauptinhalt der depressiven Verstimmung und hielten diese aufrecht. Die depressive Verstimmung sei diagnostisch als Anpassungsstörung einzuordnen und sei überwiegend nicht Folge des Unfalls. Im Rahmen dieser depressiven Verstimmung komme es auch zu einer psychogenen Ausgestaltung körperlicher Beschwerden. Dies gelte auch für die Kopfschmerzen. Eine dauerhaft erhöhte Schmerzempfindlichkeit und eine verstärkte Anfälligkeit für Kopfschmerzen könnten aber im Blick auf die Läsion des Nervus infraorbitalis wahrscheinlich und damit auch glaubhaft sein. Die unfallbedingte MdE betrage maximal 10 v.H.
Prof. Dr. S. verneinte in seinem Gutachten vom 17.06.2004 Unfallfolgen auf HNO-ärztlichem Gebiet. Eine Hörstörung liege nicht vor. Die geklagten Schwindelbeschwerden mit Verstärkung unter Belastung seien uncharakteristisch. In den Gleichgewichtsuntersuchungen habe sich kein Hinweis für eine periphere vestibuläre Störung gezeigt. Sowohl Geschmacks- und Geruchstests zeigten beidseits nicht regelrechte Ergebnisse, die nicht mit einer peripheren Nervenschädigung zu erklären seien. Ein unfallbedingte MdE liege nicht vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 29.09.2004 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben.
Das Sozialgericht hat schriftlich als sachverständige Zeugen den behandelnden Orthopäden Dr. A., die HNO-Ärztin Dr. S., den Zahnarzt P. und Dr. P. gehört. Dr. A. hat angegeben, er habe Folgebescheinigungen für Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 17.11.2002 bis 19.01.2003, von 16.09.2004 bis 22.10.2004 und Weitere ausgestellt, hauptsächlich wegen Beschwerden der Wirbelsäule, einen unfallbedingten Schaden habe er hierbei nicht diagnostiziert (Aussage vom 18.02.2005). Dr. S. hat mitgeteilt, den Kläger wegen der von ihm geklagten Geruchs- und Geschmacksstörung nicht behandelt zu haben (Aussage vom 23.02.2005). Zahnarzt P. hat angegeben, auf die von ihm hergestellte Teleskoplösung habe der Kläger nicht optimal reagiert, da Blutungen im Zahnfleisch aufgetreten seien. Eine spätere Lösung mit Zahnimplantaten sei für einen Tragekomfort essenziell (Aussage vom 24.02.2005). Dr. P. hat seine bereits im Verwaltungsverfahren angegebenen Diagnosen wiederholt, erweitert mit der Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms (Aussage vom 23.02.2005). Beigefügt hat er den vorläufigen Entlassungsbericht des psychosomatisch-psychotherapeutischen Rehabilitationszentrums Stuttgart, wo der Kläger vom 15.03. bis 10.5.2005 unter der Diagnose posttraumatische Belastungsstörung und mittelgradig depressive Episode teilstationär behandelt worden war.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat die Ärztin für psychotherapeutische Medizin und Rehabilitationswesen P. das psychotherapeutische Gutachten vom 07.11.2005 erstattet. Sie hat eine chronische posttraumatische Belastungsstörung, eine depressive Episode - derzeit mittelgradig bis schwer -, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung im Bereich des Kopfes, der Brust, des Rückens und des Kiefers, einen Schwindel unklarer Genese sowie eine inkomplette Läsion des Nervus infraorbitalis rechts mit Hyposmie und weitgehender Ageusie als Folgen des Unfalls bezeichnet mit einer MdE von 50 v.H. Der Kläger sei bei dem Unfall einer ernsthaften Lebensbedrohung ausgesetzt gewesen mit Hilflosigkeit und Ohnmachtsgefühlen. Dieses traumatische Ereignis werde wiedererlebt durch wiederholte belastende Erinnerungen an den Unfall. Außerdem komme es zu stark belastenden Albträumen von dem Unfall. Der Kläger zeige auch ein typisches Vermeidungsverhalten, indem er Gespräche über den Unfall und auch Situationen vermeide, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen, wie z. B. Autofahren in der Dunkelheit, Kontakt mit Strom oder Aufenthalt in dunklen Räumen. In der Biografie des Klägers fänden sich keine Hinweise für eine Disposition zu traumatischen Reaktionen. Die Schmerzen im Rücken seien als somatische Intrusionen zu verstehen, der Kläger empfinde die Schmerzen genau an den Stellen, an denen er durch den Roboter während des Traumas verletzt worden sei. Der Einschätzung von Dr. G., beim Kläger liege eine unfallunabhängige Anpassungsstörung vor, werde widersprochen. Der Kläger sei auf Drängen des Arbeitgebers nach siebenmonatiger Arbeitsunfähigkeit an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt und habe durch die Reaktion seines Chefs auf den gestellten Urlaubsantrag, der nicht genehmigt worden sei, weil er solange weg gewesen sei, eine Retraumatisierung erlitten.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 20.12.2005 vorgelegt, mit der der Einschätzung der Sachverständigen widersprochen worden ist. Objektivierbare Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestünden nicht. Die Teilschädigung des Nervus infraorbitalis sei möglicherweise ausgeheilt, wofür der unauffällige elektrophysiologische Befund spreche. Eine Geruchs- und Geschmacksstörung könne auf eine Schädigung des Nervus infraorbitalis nicht zurückgeführt werden, weil diesem keine solche Funktionen zukommen. Die angegebene Gefühlsstörung an der Wange könne mangels motorischer Funktion des Nervs nicht überprüft werden. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nach den diagnostischen Standards nicht vor. Der Unfall sei nicht von naturkatastrophenähnlichem Ausmaß gewesen. Sämtlichen Arztberichten nach dem Unfall seien keine psychischen Initialreaktionen zu entnehmen, die bei einer posttraumatischen Belastungsstörung zwingend erforderlich seien. Der Heilverlauf sei unkompliziert gewesenen. Der Kläger habe diffuse und vielfältige Beschwerden, die weder durch Befunde überhaupt, noch als Unfallfolgen nachvollziehbar seien, geltend gemacht. Ein posttraumatisches typisches Vermeidungsverhalten habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe seine Arbeit weiterhin bis zum Erhalt der Änderungskündigungen im Dezember 2004 versehen. Der geänderte Beschwerdevortrag bei der Untersuchung durch die Sachverständige P. beinhalte vielfältige Ängste, wie Angst vor dem Autofahren, vor dem Wechseln einer Glühbirne usw., die mit dem Unfallereignis nichts zu tun hätten. Es bestehe der Verdacht, dass der Kläger sich bei den Untersuchungen demonstrativ verhalte und Beeinträchtigungen vorführe, die nicht vorliegen, wie z. B. unfallbedingte Kraftminderung, Gang- und Standunsicherheit, unplausible Riech- und Geschmacksstörungen. Die unfallbedingte MdE sei mit weniger als 10 v. H. auf nervenärztlichem Fachgebiet einzuschätzen.
Der Kläger hat hierzu die ärztliche Stellungnahme der Sachverständigen vom 13.03.2006, wonach Prof. Dr. S. Defizite bezüglich des aktuellen Kenntnisstandes der Psychotraumalogie aufweise, und den Arztbrief von Dr. P. vom 23.02.2006 mit der Diagnose: Gingivitis (Zahnfleischentzündung), die auch als Schmerztrigger in Frage komme, vorgelegt.
Mit Urteil vom 12.04.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es sich auf das Gutachten von Dr. G. und die Ausführungen von Prof. Dr. S. gestützt.
Gegen das dem Kläger am 11.05.2006 zugestellte Urteil hat er am 07.06.2006 Berufung eingelegt und zur Begründung auf den Entlassungsbericht des Teilstationären Rehabilitationszentrums S. vom 18.05.2005, das ärztliche Attest von Dr. P. vom 01.06.2006, die jeweils die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung enthalten, und auf das HNO-ärztliche Attest von Dr. V. vom 13.06.2006 mit der Diagnose: subjektive Geruchs- und Geschmacksstörung, Hypacusis perceptiva links unten, nonsystematischer Vertigo verwiesen. Aus dem Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums ergebe sich, dass er in keiner Weise vom Unfallgeschehen distanziert sei und die Symptomatik über eine Anpassungsstörung deutlich hinausgehe. Die Reaktion des Vorgesetzten auf den Urlaubsantrag, wobei es sich um den Urlaub aus dem Jahr 2002 mit Verfallfrist 31.03.2003 gehandelt habe, habe eine Retraumatisierung dargestellt, wie von der Sachverständigen P. ausgeführt worden sei. Der Kläger hat auf den Aufsatz von Dr. B. (NZS 2002, 8ff) verwiesen, wonach angesichts der vielen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten in der Beurteilung der Kausalität im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der individuellen Persönlichkeit der rechtlich wesentliche Zusammenhang zu bejahen sei, wenn die Symptome im Einzelfall nach Art und Umfang, auch in zeitlicher Hinsicht sich im Rahmen der Erkenntnisse der generellen Kausalität zu der jeweiligen psychischen Störungen bewegten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.04.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 27.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 14.07.2002 Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren, hilfsweise ein Sachverständigengutachten von Amts wegen zu der Frage einzuholen, ob er aufgrund des Unfalls vom 14.07.2002 an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt vertiefend aus, zeitnah zu dem Unfall seien keinerlei Symptome festgestellt worden, die für eine posttraumatische Belastungsstörung sprechen könnten. Dr. P. habe in seinem Befundbericht vom 07.04.2003 noch keine posttraumatische Belastungsstörung als Diagnose angegeben, weshalb es erstaune, dass diese in seinem Bericht vom 03.08.2004 enthalten sei, zumal in seiner Aussage vom 23.02.2005 diese Diagnose nicht mehr enthalten sei, sondern eine Anpassungsstörung genannt werde.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die beim Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII ). Mit der Formulierung "infolge eines Versicherungsfalls" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass Verletztenrente nur gewährt werden kann, wenn Gesundheitsstörungen durch den Arbeitsunfall rechtlich wesentlich verursacht worden sind.
Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht. Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.
Ob die Verursachung einer Erkrankung des Versicherten "durch" einen Arbeitsunfall festgestellt werden kann, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - letztlich danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für die Entstehung der Erkrankung bildet (st Rspr des BSG; vgl stellvertretend BSGE 63, 277 , 278 = SozR 2200 § 548 Nr 91 mwN; Brackmann/Krasney, SGB VII, 12. Aufl, § 8 RdNr 308 ff). Welcher Umstand als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Frage kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen gegeneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mitbewirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Zur Bewertung der Qualität einer bestimmten Bedingung hat die Rechtsprechung (vgl. etwa BSGE 59, 193 , 195 = SozR 2200 § 548 Nr 77 mwN) vielfach auf die Auffassung des "täglichen" oder "praktischen" Lebens abgestellt. Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11 , 19 ff mwN) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen (vgl. insgesamt BSG Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 8/03 R -, SozR 4-2200 § 589 Nr 1). Andererseits ist aber auch bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag des Unfalls nicht ohne weiteres zu unterstellen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R -und Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 26/04 R, beide veröffentlicht in Juris.).
Die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge ist ebenso wie für andere Gesundheitsstörungen möglich. Voraussetzung ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, wobei angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite die Diagnose auf Grund eines der üblichen Diagnosesysteme (z. B. 10. Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO (ICD-10); diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung 1994 (DSM-IV)) und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen muss, damit die Feststellung nachvollziehbar ist. Für die wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung sowohl nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als auch nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist eine klare Feststellung erforderlich, worin das schädigende Ereignis lag, z. B. im Unfallereignis selbst oder in der nachfolgenden Behandlung oder in den fortbestehenden physischen Einschränkungen, die vom Unfallereignis verursacht worden sind. Soweit nach allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnissen bestimmte Diagnosen ein entsprechend schweres Unfallereignis, einen bestimmten Krankheitsverlauf oder besondere psychische Reaktionen voraussetzen, bedeutet deren Berücksichtigung keine Ausnahme von der Theorie wesentlichen Bedingung oder die Übernahme der Adäquanztheorie. Denn die wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf Grund deren die Beurteilung im Einzelfall erfolgt, können nur allgemeine oder generelle sein. Die Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache bei psychischen Gesundheitsstörungen im Einzelfall kann keine von diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen unabhängige Wertentscheidung sein (vgl. hierzu insgesamt BSG Urteile vom 09.05.2006, a. a. O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist auch zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte posttraumatische Belastungsstörung des Klägers nicht als Unfallfolge festzustellen.
Dr. G. hat bei seiner Untersuchung des Klägers im Juli 2004 keine Befunde erhoben, die die Diagnose einer posttraumatische Belastungsstörung begründete. Er hat auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet einen posttraumatischen Kopfschmerz, eine Läsion des Nervus infraorbitalis rechts und eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion unter Angaben der Diagnoseschlüsseln nach ICD-10 diagnostiziert. Die Anpassungsstörung steht nach seiner überzeugenden Bewertung nicht in einem wesentlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom Juli 2002. Auch der behandelnde Arzt Dr. P. hat während seiner in November 2002 aufgenommenen Behandlung des Klägers keine Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung beschrieben. Seine der Beklagten und dem Sozialgericht mitgeteilten Diagnosen umfassen ein solches Erkrankungsbild nicht. Sein im Berufungsverfahren vorgelegtes Attest vom 01.06.2006 lässt nicht erkennen, worauf die nunmehr angeführte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestützt ist.
Die Beurteilung der Sachverständigen P. ist daher wenig überzeugend. Sie stützt ihre Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörungen auf das vom Kläger als lebensbedrohend empfundene Unfallereignis. Dem hat Prof. Dr. S. zutreffend entgegengehalten, dass die Diagnose eines posttraumatischen Belastungssyndroms nach ICD-10 ein über menschliche Erfahrung hinausgehendes Ereignis naturkatastrophenähnlichen Ausmaßes voraussetzt, womit der Wortlaut nach ICD-10 F 43 "ein belastendes außergewöhnliches Ereignis ... mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde" verkürzend aber zutreffend wiedergegeben wird. Ein solches Ereignis lag bei der nach den oben dargelegten Grundsätzen gebotenen objektiven Würdigung aber nicht vor. Der Kläger wurde von einem Roboterarm auf die Arbeitsplatte der Maschine gepresst. Ihm war es aber gelungen, die Maschine über den Notschalter zu stoppen. Nach seinen eigenen Angaben zunächst bei Dr. P. (Bericht vom 20.11.2002) war er nicht bewusstlos, es hat aber einige Zeit gedauert, bis er von den Kollegen befreit werden konnte, wie er später bei der Untersuchung durch Dr. G. angegeben hat, wobei er nunmehr behauptet, bewusstlos gewesen zu sein. Da die Maschine vom Kläger selbst zum Stehen gebracht worden war, hat auch für den Kläger trotz der zu unterstellenden Schmerzen auf Grund der erlittenen Oberkieferfrakturen erkennbar und auch objektiv keine Lebensgefahr bestanden. Die Angaben bei der Untersuchung durch die Sachverständige P. über eine mehrminütige Bewusstlosigkeit, über ausgeschlagene Zähne - die Zähne wurden durch den Zahnarzt erst später extrahiert - und angebliche Todesangst, dass der falsche Knopf gedrückt werde, ist mit der früheren Schilderung des Klägers nicht vereinbar.
Zutreffend hat auch Prof. Dr. S. darauf hingewiesen, dass eine psychische Reaktion auf das Unfallereignis in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang nicht eingetreten ist und solche Symptome auch nicht in der ärztlichen Dokumentation festgehalten sind. Weder sind am Tage sich aufdrängende Unfallerinnerungen dokumentiert, noch ergeben sich unfallbezogene Albträume. Der Kläger hat zu einem späteren Zeitpunkt bei Dr. P. nur angegeben, an Schlafstörungen zu leiden, viel zu grübeln und ängstlich zu sein. Selbst die bei der Untersuchung durch die Sachverständige P. angegebenen Ängste sind von Prof. Dr. S. nachvollziehbar als unspezifisch und nicht mit dem Unfallereignis in Zusammenhang stehend qualifiziert worden. Dies ist bei den angegebenen Ängsten vor Autofahrten in der Dunkelheit oder Aufenthalt in dunklen Räumen bzw. generelle Angst vor Strom auch unmittelbar einleuchtend. Die auch im Entlassungsbericht des Teilstationären Rehabilitationszentrums Stuttgart enthaltene Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ist deshalb ebenso wenig überzeugend, zumal nicht erkennbar ist, ob den behandelnden Ärzten die früheren Befunde vorgelegen haben. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Attesten von Dr. P. und der Sachverständigen P. jeweils vom 14.11.2006, die zur Vorlage beim Rentenversicherungsträger erstellt wurden und nur die bekannten Diagnosen dieser Ärzte wiederholen. Der Einwand der Sachverständigen Pr., Prof. Dr. S. verfüge nicht über ausreichende Fachkunde, ist von ihr nicht näher begründet worden. Der Senat hat hierfür auch keinen Anhalt. Es kann diesbezüglich auf die ausdrückliche Erwähnung von Prof. Dr. S. mit Literaturnachweis in den Urteilen des BSG vom 09.05.2006, a.a.O. (dort RdNr. 18 bzw. 22) verwiesen werden.
Die auch von der Sachverständigen P. diagnostizierte depressive Episode hat bereits Dr. P. auf eine unfallunabhängige Anpassungsstörung zurückgeführt, die aus unfallfremden Problemen des Klägers am Arbeitsplatz resultierte. Dies ist für den Senat überzeugend. Auch bei der Untersuchung im Oktober 2005 hat der Kläger der Sachverständigen P. gegenüber angegeben, die Reaktion seines Chefs auf seinen Antrag, ihm den Resturlaub zu gewähren, habe er als Bestrafung empfunden. Eine an den gesundheitlichen Folgen des Unfalls anknüpfende psychische Reaktion ist darin nicht zuerkennen, was Prof. Dr. S. bereits überzeugend dargelegt hat. Soweit eine Verschlechterung der Atmosphäre am Arbeitsplatz auch durch die nachfolgenden Krankschreibungen erfolgt sein soll, wie der Kläger behauptet, ist auch dies nicht auf die Unfallfolgen zurückzuführen. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit wurde vom Klinikum Stuttgart bis 28.10.2002 angenommen (Bericht des Klinikums - Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie- vom Februar 2003) und von Doktor A. bis 10.11.2002 bescheinigt, danach beruhten die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf unfallunabhängigen Erkrankungen der Wirbelsäule (Bericht von Dr. A. vom 13.03.2003). Soweit nach der Wiedergabe im Gutachten der Sachverständigen P. auch die Scham über das Tragen einer Zahnprothese als depressionsverstärkende Traumafolge beurteilt worden ist, ist dies allenfalls als nicht wesentliche Mitursache der auf mehreren persönlichkeitsbedingten Faktoren beruhenden, von Dr. P. allgemein als narzisstische Persönlichkeitsstörung umschriebenen Anpassungsstörung einzustufen.
Der Senat sah daher keine Veranlassung zu weiteren medizinischen Ermittlungen. Er sah sich nicht gedrängt, dem hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens stattzugeben. Prof. Dr. S. hat unter Einbeziehung der in dem Diagnosesystem ICD-10 zum Ausdruck kommenden Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft überzeugend eine posttraumatische Belastungsstörung verneint. In Übereinstimmung mit Dr. G. hat er auch sonst keine Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet beschrieben.
Eine unfallbedingte (Gesamt-)MdE von mindestens 20 v.H. besteht nicht.
Neurologische Erkrankungen sind nach den überzeugenden Gutachten von Dr. G. und insoweit auch von der Sachverständigen P., was sich aus ihrer Stellungnahme vom 13.03.2006 ergibt, nicht diagnostiziert worden. Eine Beeinträchtigung des Nervus infraorbitalis oder des 2. Trigeminusastes rechts war bei der Untersuchung durch Dr. G. nicht zu objektivieren. Die angegebenen Gefühlsstörungen, der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns waren nicht nachzuweisen. Nach Prof. Dr. S. ist anhand der durchgeführten Tests von einer Beschwerdeausgestaltung auszugehen.
Auf unfallchirurgischem Gebiet liegt nach den überzeugenden Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. D. keine beeinträchtigende Verletzungsfolge mehr vor. Die Beschwerden im Thorakalbereich und am Rücken gehen auf eine unfallunabhängige Skoliose im thorakalen Bereich zurück mit damit einhergehenden Verspannungen der Rückenmuskulatur. Die MdE wird für den Senat nachvollziehbar mit unter 10 v.H. angegeben.
Prof. Dr. S. hat für das HNO-ärztliche Gebiet ebenfalls keine Unfallfolgen diagnostiziert. Dies ist überzeugend, denn der vom Kläger geltend gemachte unsystematische Schwindel bei körperlicher Belastung ist bei den durchgeführten Gleichgewichtsuntersuchungen nicht zu verifizieren gewesen. Eine Hörstörung war ebenfalls nicht zu diagnostizieren. Professor Dr. S. hat überzeugend für sein Fachgebiet das Vorliegen einer unfallbedingten MdE verneint.
Auf zahnärztlichem und kieferorthopädischem Gebiet liegen ebenfalls keine relevanten funktionellen Einschränkungen vor. In der zahnärztlichen Stellungnahme des Klinikums Stuttgart - Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie - vom März 2003 wird eine MdE in rentenberechtigendem Grade verneint. Die Kiefer- und Jochbeinfrakturen sind ausgeheilt. Nach der unfallmedizinischen Literatur wird eine MdE von 25 v.H. angenommen beim Verlust erheblicher Teile der Zahnleiste mit wesentlicher Leistungsstörung oder dem Verlust aller Zähne (vgl. Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Aufl., S. 157 ; Mollowitz, Der Unfallmann, 12. Aufl., S. 353). Der Verlust aller Zähne steht bei dem Kläger nicht zur Debatte. Der unfallbedingte Zahnverlust der Zähne 12 und 23 ist ausgeglichen. Eine prothetische Versorgung des Oberkiefers ist erfolgt. Eine relevante MdE ist damit nicht zu begründen. Soweit es zu gelegentlichen Entzündungen des Zahnfleischs kommt, worauf der behandelnde Zahnarzt P. hingewiesen hat, ist darin keine wesentliche Leistungsstörung nach den dargelegten Maßstäben zu sehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen in nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved