L 13 AS 4100/06 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 641/06 PKH-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4100/06 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
§ 127 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz ZPO i.V.m. § 511 ZPO ist im sozialgerichtlichen
Verfahren nicht analog anwendbar. Die Beschwerde gegen die Versagung
der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 172 Abs. 1 SGG
unabhängig davon statthaft, ob in der Hauptsache der Beschwerdewert des
§ 144 Abs. 1 S. 1 SGG erreicht wird oder die Voraussetzungen des § 144
Abs. 1 S. 2 SGG vorliegen.
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Juni 2006 - S 17 AS 641/06 PKH-A abgeändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren S 17 AS 640/06 unter Beiordnung von Rechtsanwältin K. Prozesskostenhilfe gewährt, soweit damit eine Leistung für Mehrbedarf wegen einer kostenaufwändigen Ernährung aus medizinischen Gründen in angemessener Höhe begehrt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

1. Die Beschwerde ist statthaft, obwohl die Höhe des in der Hauptsache für den Bewilligungszeitraum von sechs Monaten geltend gemachten Mehrbedarfs den Wert von 500,- EUR nicht erreicht. Gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht im Sozialgerichtsgesetz anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung trifft der die Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahrens regelnde § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG nicht. Nach dieser Bestimmung gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe (PKH) entsprechend. Damit soll ebenso wie mit § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 142 Finanzgerichtsordnung (FGO) in erster Linie gewährleistet werden, dass die Beteiligten unter denselben materiellen Voraussetzungen wie im Zivilprozess Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe haben. Die Rechtsmittel gegen die Versagung der Bewilligung von PKH sind dagegen mit den Änderungen der Prozessordnungen in den Jahren 2000 und 2001 unterschiedlich geregelt worden. Im finanzgerichtlichen Verfahren sind gemäß § 128 Abs. 2 FGO in der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung Beschlüsse im Prozesskostenhilfeverfahren grundsätzlich nicht mehr anfechtbar. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind sie gemäß § 146 Abs. 1 VwGO in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung mit der Beschwerde angreifbar. Eine analoge Anwendung des die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde vom Streitwert der Hauptsache abhängig machenden und über § 166 VwGO anwendbaren § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz i.V.m. § 511 ZPO wird bereits deswegen abgelehnt, weil es im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Berufungssumme gibt, sondern die Berufung grundsätzlich der Zulassung bedarf, so dass der Zweck der Regelung des § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz i.V.m. § 511 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht erreicht werden könne (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. April 2003 - 9 C 02.2916 -, BayVBl. 2003, S. 573). Dem die Statthaftigkeit der Beschwerde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren regelnden § 146 Abs. 1 VwGO entspricht § 172 SGG in seiner durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 1887 6. SGGÄndG unverändert gebliebenen Fassung. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren ergibt sich eine Einschränkung der Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Versagung von PKH nicht aus der analogen Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz i.V.m. § 511 ZPO (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., §172 Rdnr. 1; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. September 2005 - L 8 AL 1862/05 -; LSG für das Land Niedersachen, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - L 8 B 147/05 AS ). Nach § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) in der mit Wirkung vom 1. Januar 2002 erfolgten Neufassung durch Art. 2 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) kann die Versagung der Bewilligung von PKH nicht angefochten werden, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag (600 EUR) nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint. Die Einfügung von § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO geht bereits auf den Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 8. Dezember 1998 zurück (BT-Drucks 14/163, S. 3 § 127 Abs. 2). § 127 Abs.2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO sollte lauten: "Im übrigen findet die Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn im Verfahren über die Hauptsache ein Rechtsmittel unzweifelhaft nicht eingelegt werden kann". Die Begründung des Änderungsvorschlags (BT-Drucks. 14/163 zu Nummer 8 Buchst. b, S. 20) verweist auf die allgemeine Begründung zur Beschränkung des Beschwerderechts (1. Teil B II 3), wonach in Rechtsprechung und Literatur seit langem umstritten sei, ob die Zulässigkeit einer Beschwerde in Fällen sachlicher Nebenentscheidungen nach § 91a Abs. 2, § 99 Abs. 2 und § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO davon abhänge, dass in der Hauptsache ein Rechtsmittel zulässig wäre. Ein Teil der Rechtsprechung wende in diesen Fällen den Konvergenzgedanken an und halte deshalb eine Beschwerde nur für zulässig, wenn nicht nur der Beschwerdewert erreicht sei, sondern auch die fiktive Rechtsmittelgrenze gemäß § 511a Abs. 1 ZPO überschritten würde. Ob eine derartige Zulassungsbeschränkung von Rechtsmitteln im Wege der Interpretation möglich sei, sei im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Prozesskostenhilfe im Asylverfahrensrecht fraglich (vgl. BVerfGE 78, 88). Der Konvergenzgedanke solle deshalb in den genannten Fällen gesetzlich geregelt werden, um den Rechtsmittelausschluss auf eine sichere Grundlage zu stellen. Aus Sachgründen sei der Rechtsmittelausschluss angezeigt. Stelle der Gesetzgeber nämlich für die Hauptsacheentscheidung nur eine Instanz zur Verfügung, so bestehe kein Grund für die wirtschaftlich weniger bedeutsame Nebenentscheidung, die im Regelfall im Zusammenhang mit der Hauptsacheentscheidung getroffen werde, einen weitergehenden Instanzenzug zu eröffnen. Bei PKH-Sachen greife die Beschränkung des Beschwerderechtszuges nur für die Frage der Beurteilung der Erfolgsaussichten (BT-Drucks 14/163, 1. Teil B II 3). Nach § 511a ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung war die Berufung grundsätzlich unzulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes eintausendfünfhundert Deutsche Mark nicht überstieg. Eine Änderung von §§ 511, 511a ZPO sah der Entwurf aus dem Jahre 1998 noch nicht vor. Die Zulassung der Berufung durch das erstinstanzliche Gericht wurde erst im Koalitionsentwurf vom Juli 2000 (BT-Drucks. 14/3750) und im Regierungsentwurf vom September 2000 (BT-Drucks. 14/4722) vorgeschlagen (vgl. hierzu Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, 2002, S. 125 ff.), die ausweislich ihrer Begründungen hinsichtlich § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO den ursprünglichen Änderungsvorschlag in Artikel 1 Nr. 8 des Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit (BT-Drucks. 14/163) in redaktionell angepasster Fassung aufgreifen wollten (BT-Drucks. 14/3750 S. 51, 14/4722, S. 75f.). Die Regelung des § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO ist daher zunächst im Zusammenhang mit den entsprechenden Änderungen des § 91a Abs. 2 ZPO (Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache), des § 99 Abs. 2 ZPO (Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil) und des § 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO (Kostenentscheidung bei Klagerücknahme zu sehen (vgl. hierzu Hannich/Meyer-Seitz, a.a.O., Vor § 567 Rdnr. 12, S. 289f., § 567 Rdnr. 29ff.). Die in Kraft getretene Änderung geht zudem über die ursprünglich beabsichtigte Schaffung einer gesetzlichen Regelung für einen auf der Grundlage des Konvergenzgedankens in der Rechtsprechung entwickelten Rechtsmittelausschluss, der auch im sozialgerichtlichen Verfahren analog angewandt werden könnte, hinaus und schließt im Sinne einer - weiteren - eigenständigen Beschwerdewertregelung die Beschwerde gegen die Versagung von PKH wegen mangelnder Erfolgsaussichten, wenn in der Hauptsache der Beschwerdewert von 600,- EUR nicht erreicht ist, auch dann aus, wenn die Berufung zuzulassen ist. Schon der dargestellte Regelungszusammenhang und -zweck dürfte einer isolierten Anwendung des Konvergenzgedankens auf die Beschwerde gegen die PKH-Versagung im sozialgerichtlichen Verfahren entgegenstehen. Weiterhin lässt sich im Wege der Analogie kein Rückgriff auf § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG begründen. Denn hierdurch würde über den zivilrechtlichen Ausschluss der Statthaftigkeit der Beschwerde in Fällen, in denen die Berufung der Zulassung bedarf, hinaus, die Beschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren auch dann unstatthaft, wenn die Klage keine Geld- oder Sachleistung bzw. einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft oder die Berufungsbeschränkung wegen § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG entfiele. Außerdem besteht im sozialgerichtlichen Verfahren die Besonderheit, dass nicht selten über § 96 SGG eine gesetzliche Klageänderung eintritt, die unabhängig vom Willen der Beteiligten zum Erreichen der Berufungssumme bis zur Entscheidung in der Hauptsache führen kann. Der analogen Anwendung des Rechtsmittelausschlusses des § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren steht zudem entgegen, dass die Beteiligten gemäß § 145 SGG - ähnlich wie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, wenn auch mit gegenüber § 124 Abs. 2 VwGO eingeschränkten Zulassungsgründen – die Zulassung der Berufung selbst erstreiten können. Zwar wurde, wie dargelegt, mit der ZPO-Reform 2002 auch die Zulassungsberufung eingeführt; im Zivilprozess ist die Versagung der Zulassung der Berufung aber unanfechtbar, den Beteiligten steht die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zur Verfügung (vgl. hierzu Hannich/Meyer-Seitz, a.a.O., S. 125 ff., 136). Der Ausschluss der Beschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren würde der "armen Partei" dagegen auch die von der Zulassung des Ausgangsgerichts unabhängige Möglichkeit, eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung zu erlangen, erschweren.

Auch unter Heranziehung der Gesetzesbegründung lässt sich § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO kein im sozialgerichtlichen Verfahren analog anwendbarer Grundgedanke entnehmen (a.A. LSG Baden-Württemberg a.a.O.; LSG Niedersachsen a.a.O.). Denn im Koalitionsentwurf (a.a.O., S. 51) und im Regierungsentwurf (a.a.O., S. 75f.) wurde die Begründung des ursprünglichen Vorschlags (BT-Drucks. 14/163 zu Nummer 8 b, S. 20) im Wesentlichen übernommen und es ist bei dem Regelungszusammenhang mit weiteren Änderungen des Beschwerderechts (vgl. oben) geblieben, ohne dass in der Begründung allerdings darauf eingegangen wird, dass nun in der Hauptsache in bestimmten Fällen die Zulassung der Berufung vorgesehen ist.

Auch die Entstehungsgeschichte des 6. SGGÄndG spricht gegen die analoge Anwendung des Verweises von § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbssatz SGG auf § 511 ZPO dahingehend, dass im sozialgerichtlichen Verfahren - ausschließlich - die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe unstatthaft ist, wenn die Berufung der Zulassung bedarf (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O., § 172 Rdnr. 1 sowie § 73 a Rdnr. 12 b). Der zunächst im Entwurf des 6. SGGÄndG (BT-Drucks. 14/5943, § 172) vorgesehene Änderungsvorschlag, die Beschwerde gegen Beschlüsse nach § 86 b und in Verfahren über PKH auszuschließen, wenn im Verfahren der Hauptsache die Berufung der Zulassung nach § 145 Abs. 1 SGG bedarf, wurde in der Ausschussberatung gestrichen, weil entsprechend der in der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehenen Änderung (Entwurf eines Rechtsmittelbereinigungsgesetzes, BR-Drucks. 405/01 vom 1. Juni 2001) auch die Beschwerde gegen Beschlüsse nach § 86 b sowie gegen Beschlüsse in Verfahren über Prozesskostenhilfe unabhängig von der Zulässigkeit des Berufungsverfahrens möglich sein sollte (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 20. Juni 2001, BT-Drucks 14/6335, S. 32). Im zitierten Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 1. Juni 2001 (RmBereinVpG) wurde neben der Abschaffung der mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze eingeführten Zulassungsbeschwerde (BR-Drucks. 405/01, S. 26) eine ausdrückliche Regelung vorgesehen, wonach für die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe entgegen des im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht nach § 67 Abs. 1 VwGO geltenden Vertretungszwangs keine anwaltliche Vertretung erforderlich sein sollte (BR-Drucks. 405/01, S. 8, 26f. zu Nummer 17). In Hauptsacheverfahren blieb die Berufung unabhängig vom jeweiligen Streitwert weiterhin nur statthaft, wenn sie zugelassen wurde, wobei nun auch die Zulassung durch das Verwaltungsgericht vorgesehen wurde. Damit hat der Gesetzgeber im Verwaltungsprozess für die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und für PKH-Verfahren unabhängig vom Streitwert nicht nur in Kauf genommen, dass eine Beschwerdeentscheidung der zweiten Instanz ergeht, auch wenn in der Regel in der Hauptsache keine zweite Instanz gegeben ist, sondern den Zugang zur zweiten Instanz bei der Versagung der Prozesskostenhilfe gegenüber dem Zugang im Hauptsacheverfahren durch den Verzicht auf den Vertretungszwang auch noch zusätzlich erleichtert. Aus dieser Begründung ergibt sich klar und eindeutig, dass der Gesetzgeber die Beschwerde gegen die Versagung von PKH im sozialgerichtlichen Verfahren nicht entsprechend den damals vorliegenden Änderungsentwürfen zur ZPO und der zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Fassung des § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO einschränken wollte.

2. Die auch im übrigen zulässige Beschwerde ist in der Sache nur teilweise begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 17 AS 640/06 wegen fehlender Erfolgsaussicht überwiegend zu Recht abgelehnt. Auf die Begründung wird insoweit gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Bezug genommen.

Die Erfolgsaussichten hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Mehrbedarfs wegen einer kostenaufwändigen Ernährung aus medizinischen Gründen erscheinen demgegenüber offen. Den in Überarbeitung befindlichen Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge aus dem Jahre 1997 lassen sich – unabhängig davon, ob sie von Verfassungs wegen vorrangig zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu BVerfG, Kammer-Beschluss vom 20. Juni 2006 - 1 BvR 2673/05 -, info also 2006, S. 279) – für den vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte entnehmen. Nach dem Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner e.V. u.a. gibt es eine eigene Diabetes- oder Hypertoniekost nicht mehr; vielmehr können die wirksamen Diätkomponenten dieser Kostformen heute in die Vollkost integriert werden, Lebensmittelallergien erfordern aber weiterhin Sonderdiäten, was einen von den zu meidenden Inhaltsstoffen abhängigen Mehrbedarf jedenfalls dem Grunde nach indiziert. Ob dieser in der von der Klägerin geltend gemachten Höhe besteht, ist derzeit offen. Die Klägerin hat bisher nicht nachgewiesen, dass sie wegen der aufgrund ihrer Lebensmittelallergien und -unverträglichkeiten gegenüber p Aminodiphenylamin-Hydrochlorid, p Toluylendiamin, Ulracain, Sorbinsäure und Benzoesäure bei der Wahl ihrer Lebensmittel zu vermeidenden Inhaltsstoffe tatsächlich einen über den im Hinblick auf eine Magen-Darm-Erkrankung berücksichtigten Mehrbedarf in Höhe von 25,56 EUR hinausgehenden weiteren Mehrbedarf in der von ihr geltenden gemachten Höhe hat. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Klägerin ihre Lebensmittel aufgrund der festgestellten Unverträglichkeiten überwiegend aus Bio-Läden beziehen müsste. Es kommt aber in Betracht, dass eine angemessene Ernährung mit für sie in Frage kommenden Lebensmitteln im monatlichen Durchschnitt erheblich teuerer ist als eine übliche angemessene Ernährung. Soweit die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. einen Mehrbedarf von 100 EUR annimmt, fehlt allerdings eine nachvollziehbare Darlegung der Grundlagen für diese nicht in ihr medizinisches Fachgebiet fallende Einschätzung. Insoweit bedarf es einer Beweiserhebung durch Einholung gutachterlicher Stellungnahmen von Ernährungsmedizinern, Oecotrophologen, ernährungsmedizinischen Beratern, Diätassistenten o.ä., deren Ergebnis offen ist.

Soweit die Klägerin einen Mehrbedarf für Kleidung geltend macht, findet sich hierfür, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Rechtsgrundlage. Dies begegnet im vorliegenden Fall auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die von ihr vorgelegten Rechnungen des Geschäftes für Freizeit- und Sportmode bereits keine offensichtlich überdurchschnittlichen Preise für die gekauften Produkte aufweisen und nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin entsprechende schadstoffgeprüfte Kleidung nicht in einem Waren- oder Versandhaus zu günstigeren Preisen erstehen kann. Ein quantitativer Mehrbedarf an Kleidung aus gesundheitlichen Gründen ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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