Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 4662/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5604/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.10.2006 wird abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller. Ziff. 2 mit Wirkung ab dem 01.09.2006 vorläufig ein monatliches Sozialgeld nach § 28 SGB II in Höhe von 207,- Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers Ziff. 2 zu erstatten.
Gründe:
I.
Bei dem Rechtsstreit wollen die Antragsteller (Ast.) erreichen die Antragsgegnerin (Ag.) im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu verpflichten, vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II in gesetzlicher Höhe zu erbringen, hilfsweise den Landkreis C. beizuladen und diesen zu verpflichten, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewähren.
Die Ag. bewilligte den Ast. mit Bescheid vom 24.08.2006 für die Zeit vom 01.09.2006 bis 25.01.2007 vorläufig als Vorschuss Leistungen nach dem SGB II. Nach durchgeführter Anhörung gem. § 24 SGB X hob die Ag. mit Bescheid vom 14.09.2006 den Bescheid über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 01.10.2006 auf. Die Ast. seien Leistungsberechtigte im Sinne des § 1 AsylbLG. Sie seien damit nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II. Hiergegen erhoben die Ast. Widerspruch. Eine Entscheidung hierüber ist noch nicht ergangen.
Die am 09.10.1980 geborene Ast. Ziff. 1 ist kamerunische Staatsangehörige. Ihr am 31.12.2005 geborenes Kind, der Ast. Ziff. 2, ist deutscher Staatsangehöriger. Die Ast. Ziff. 1 hat eine bis 25.01.2007 dauernde Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz.
Die Ast. trugen in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) vom 9.10.2006 im wesentlichen vor, dass zumindest das Kind Anspruch auf Leistungen gemäß § 28 SGB II habe. Darüber hinaus sei es willkürlich der Mutter eines deutschen Kindes Geldleistungen nach dem SGB II vorzuenthalten. Soweit Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden seien, sei zu Unrecht davon ausgegangen worden, dass Kindergeld gewährt werde. Zudem habe das Kind keinen Anspruch nach dem AsylbLG, weil es nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 ein ausländischer Familienangehöriger sei. Werde das Kind als leistungsberechtigt nach dem AsylbLG behandelt, laufe dies auf einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz hinaus. Die Antragsgegnerin trug im wesentlichen vor, dass ein Anspruch für die Ast. Ziff. 1 nach dem SGB II gemäß § 7 Abs ... 1 S. 2 SGB II nicht bestehe, weil diese eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes habe und daher nach § 1 Abs. 1Nr. 3 AsylbLG anspruchsberechtigt sei. Für das Kind bestehe kein Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II, weil es nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebe.
Das Landratsamt C. - Bereich Jugend, Soziales und Schulen - teilte dem SG informatorisch mit Schreiben vom 19.10.2006 mit, dass die Ast. Ziff. 1 auf Grund ihrer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG seien minderjährige Kinder, der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen, ohne dass sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllten, ebenfalls leistungsberechtigt nach dem AsylbLG.
Mit Beschluss vom 31.10.2006 lehnte das SG den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ab. Es führte zur Begründung aus, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen den Aufhebungsbescheid vom 14.09.2006 eingelegten Widerspruchs könne nicht erfolgen, weil sich nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides vom 14.09.2006 nicht erkennen ließe und somit von einem Überwiegen des öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Aufhebungsbescheides auszugehen sei. Das Gericht folge der Rechtsansicht des Landratsamtes C., die sich aus dem Schreiben vom 19.10.2006 ergebe, wonach die Ast. Ziff. 1 nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG und der Ast. Ziff. 2 nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG leistungsberechtigt seien. Der Ag. sei deshalb darin zuzustimmen, dass die Ast. keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II hätten, denn nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II bestehe für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Eine Verfassungswidrigkeit vermöge das Gericht insoweit nicht zu erkennen.
Die für die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG zuständige Behörde, das Landratsamt C., habe in ihrem Schreiben vom 19.10.2006 eine Leistungsberechtigung der Ast. nach dem AsylbLG bejaht. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Ast. diese Leistungen von dort auch erhalten würden. Die Ast. mögen beim Landratsamt C. die ihnen zustehenden Leistungen nach dem AsylbLG in Anspruch nehmen.
Gegen diesen Beschluss legten die Ast. am 6.11.2006 Beschwerde ein, welche das SG nach Entscheidung über die Nichtabhilfe dem LSG Baden-Württemberg zur Entscheidung vorlegte.
Die Ast. legen im Einzelnen dar, dass es dem Ast. Ziff. 2 als deutschem Staatsangehörigen nicht zumutbar sei, nach den niedrigeren Sätzen des AsylbLG zu leben. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) dar. Eine Benachteiligung liege auch darin, dass der Lebensstandard des Ast. Ziff. 2 durch die geringeren Leistungen an die Ast. Ziff. 1 mittelbar geringer sei als der eines Deutschen in vergleichbarer Situation.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und im Umfang der stattgebenden Entscheidung auch begründet.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ast. vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsanspruch sind vom Ast. glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).
Das SG hat zutreffend dargelegt, dass im Falle der Ast. Ziff. 1 kein Anspruch auf die vorläufige Gewährung von Leistungen nach dem SGB II hat, weil es ihr zumutbar ist, die Leistungen nach dem AsylbLG zu beantragen. Jedenfalls bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens kann hierin ein Gesetzesverstoß nicht gesehen werden. Der Umstand, dass die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG geringer ausfallen als vergleichbare Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, rechtfertigt nicht die Annahme, der Gesetzgeber gewährleiste mit den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht das verfassungsrechtlich Gebotene. Soweit Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG von den Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen sind (vgl. § 9 SGB XII), liegt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Denn die in § 1 Abs. 1 AsylbLG aufgeführten Personen haben kein verfestigtes Aufenthaltsrecht, bei ihnen fehlt ein sozialer Integrationsbedarf (BT-Drucks 12/4451 S. 7). Dieses Kriterium trägt eine gruppenbezogene Differenzierung (BVerwG, Beschluss vom 29.09.1998 - 5 B 82/97 -, NVwZ 1999, 669). Entsprechendes gilt für den Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II durch § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Auch der Einwand, die Leistungen seien seit 1993 nicht mehr angehoben worden, rechtfertigt kein anderes Ergebnis, weil die geringeren Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 2 AsylbLG im Regelfall auf eine Dauer von drei Jahren begrenzt sind und dies im Hinblick auf den legitimen Zweck des AsylbLG, unter anderem auch die Attraktivität einer unrechtmäßigen Einreise in die Bundesrepublik zu verringern, noch gerechtfertigt erscheint (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.08.2006 - L 8 B 27/06 AY ER -).
Anders als die Ast. Ziff. 1 hat der Ast. Ziff. 2 jedoch, da er Deutscher ist, ein dauerhaftes Bleiberecht in der Bundesrepublik. Die Gewährung von Leistungen nach den geringeren Sätzen des AsylbLG an den Ast. Ziff. 2 ist nicht begründbar, da dieser hierdurch im Ergebnis auf Grund seiner Abstammung von der Ast. Ziff. 1 benachteiligt wird. Es ist nicht ersichtlich, wie dies mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar sein könnte. Der Zweck des AsylbLG, vorübergehend die Attraktivität des Zuzugs in die Bundesrepublik zu vermindern, ist im Falle des Ast. Ziff. 2 nicht legitim, weil dieser ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik hat. Insofern ist für ihn auch bereits von Anfang ein geklärter Aufenthaltsstatus vorhanden, aus dem ein sofortiger Bedarf sozialer Integration folgt, der wiederum Leistungen in Höhe des soziokulturellen Minimums erfordert.
Die Entscheidung, dem Ast. zu Ziff. 2 vorläufig Leistungen nach § 28 SGB II zuzubilligen, verstößt auch nicht gegen eine eindeutige Regelungen im SGB II oder SGB XII. Zwar nennt § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG als Antragsberechtigte auch die minderjährigen Kinder von Asylbewerbern; dies geschieht jedoch mit dem Hinweis, dass diese auch dann antragsberechtigt sind, wenn sie selbst die sonstigen Voraussetzungen für den Leistungsbezug nicht erfüllen. Aus diesem Hinweis ergibt sich, dass § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG die Anspruchslage minderjähriger Kinder verbessern will, auch wenn diese nicht alle tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllen. Hieraus wie im Falle des Ast. Ziff. 2 eine Leistungseinschränkung zu konstruieren, ist nicht im Sinne der gesetzlichen Vorschrift. Denn die Vorschrift zielt ersichtlich nicht darauf ab, Kindern, die eine stärkere Anspruchsposition als ihre Eltern haben, auf die geringeren Ansprüche ihrer Eltern zu beschränken. Selbst wenn insofern eine andere Auffassung vertreten werden sollte, wäre wegen der Benachteiligung des Ast. Ziff. 2 insoweit eine verfassungskonforme Auslegung wohl unumgänglich, wonach die Vorschrift im Falle von deutschen Kindern von Asylbewerbern nicht anwendbar ist.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes besteht auch insofern kein Widerspruch gegen die Regelungen des SGB II wegen der möglicherweise fehlenden Bedarfsgemeinschaft. Der Ast. Ziff. 2 hat auf jeden Fall einen Anspruch nach SGB II oder SGB XII. Sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass der Ast. Ziff. 2 keinen Anspruch nach SGB II hat, dann hat er auf jeden Fall einen Anspruch nach SGB XII. Die Antragsgegnerin ist nach § 43 SGB I der zuerst angegangene Leistungsträger. Als erstangegangene Trägerin hat sie den Anspruch des Ast. Ziff. 2 vorläufig zu erfüllen. Die Unsicherheit über den Leistungsträger soll nach der gesetzlichen Konzeption ausschließlich unter den Leistungsträgern und nicht - wie vorliegend - unter Einbeziehung und damit zu Lasten der Versicherten bzw. Leistungsempfänger ausgetragen werden. Gegen den letztlich zuständigen Leistungsträger steht ihr ein Erstattungsanspruch zu. Mithin ist vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs auszugehen.
Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben, da auch nach dem AsylbLG Leistungen in verminderter Höhe regelmäßig nur für die Dauer von drei Jahren gewährt werden. Den Ast. zu Ziff. 2 insoweit auf die Hauptsache zu verweisen, würde ihn der Gefahr aussetzen, ebenfalls so lange wie die anderen Ast. nach dem AsylbLG auf die für eine soziale Integration erforderlichen Leistungen verzichten zu müssen (vgl. die bereits oben zitierte Entscheidung BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.). Die höheren Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII sind gerade für die Entwicklung eines Kleinkindes von existenzieller Wichtigkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers Ziff. 2 zu erstatten.
Gründe:
I.
Bei dem Rechtsstreit wollen die Antragsteller (Ast.) erreichen die Antragsgegnerin (Ag.) im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu verpflichten, vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II in gesetzlicher Höhe zu erbringen, hilfsweise den Landkreis C. beizuladen und diesen zu verpflichten, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewähren.
Die Ag. bewilligte den Ast. mit Bescheid vom 24.08.2006 für die Zeit vom 01.09.2006 bis 25.01.2007 vorläufig als Vorschuss Leistungen nach dem SGB II. Nach durchgeführter Anhörung gem. § 24 SGB X hob die Ag. mit Bescheid vom 14.09.2006 den Bescheid über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 01.10.2006 auf. Die Ast. seien Leistungsberechtigte im Sinne des § 1 AsylbLG. Sie seien damit nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II. Hiergegen erhoben die Ast. Widerspruch. Eine Entscheidung hierüber ist noch nicht ergangen.
Die am 09.10.1980 geborene Ast. Ziff. 1 ist kamerunische Staatsangehörige. Ihr am 31.12.2005 geborenes Kind, der Ast. Ziff. 2, ist deutscher Staatsangehöriger. Die Ast. Ziff. 1 hat eine bis 25.01.2007 dauernde Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz.
Die Ast. trugen in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) vom 9.10.2006 im wesentlichen vor, dass zumindest das Kind Anspruch auf Leistungen gemäß § 28 SGB II habe. Darüber hinaus sei es willkürlich der Mutter eines deutschen Kindes Geldleistungen nach dem SGB II vorzuenthalten. Soweit Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden seien, sei zu Unrecht davon ausgegangen worden, dass Kindergeld gewährt werde. Zudem habe das Kind keinen Anspruch nach dem AsylbLG, weil es nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 ein ausländischer Familienangehöriger sei. Werde das Kind als leistungsberechtigt nach dem AsylbLG behandelt, laufe dies auf einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz hinaus. Die Antragsgegnerin trug im wesentlichen vor, dass ein Anspruch für die Ast. Ziff. 1 nach dem SGB II gemäß § 7 Abs ... 1 S. 2 SGB II nicht bestehe, weil diese eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes habe und daher nach § 1 Abs. 1Nr. 3 AsylbLG anspruchsberechtigt sei. Für das Kind bestehe kein Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II, weil es nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebe.
Das Landratsamt C. - Bereich Jugend, Soziales und Schulen - teilte dem SG informatorisch mit Schreiben vom 19.10.2006 mit, dass die Ast. Ziff. 1 auf Grund ihrer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG seien minderjährige Kinder, der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen, ohne dass sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllten, ebenfalls leistungsberechtigt nach dem AsylbLG.
Mit Beschluss vom 31.10.2006 lehnte das SG den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ab. Es führte zur Begründung aus, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen den Aufhebungsbescheid vom 14.09.2006 eingelegten Widerspruchs könne nicht erfolgen, weil sich nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides vom 14.09.2006 nicht erkennen ließe und somit von einem Überwiegen des öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Aufhebungsbescheides auszugehen sei. Das Gericht folge der Rechtsansicht des Landratsamtes C., die sich aus dem Schreiben vom 19.10.2006 ergebe, wonach die Ast. Ziff. 1 nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG und der Ast. Ziff. 2 nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG leistungsberechtigt seien. Der Ag. sei deshalb darin zuzustimmen, dass die Ast. keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II hätten, denn nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II bestehe für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Eine Verfassungswidrigkeit vermöge das Gericht insoweit nicht zu erkennen.
Die für die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG zuständige Behörde, das Landratsamt C., habe in ihrem Schreiben vom 19.10.2006 eine Leistungsberechtigung der Ast. nach dem AsylbLG bejaht. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Ast. diese Leistungen von dort auch erhalten würden. Die Ast. mögen beim Landratsamt C. die ihnen zustehenden Leistungen nach dem AsylbLG in Anspruch nehmen.
Gegen diesen Beschluss legten die Ast. am 6.11.2006 Beschwerde ein, welche das SG nach Entscheidung über die Nichtabhilfe dem LSG Baden-Württemberg zur Entscheidung vorlegte.
Die Ast. legen im Einzelnen dar, dass es dem Ast. Ziff. 2 als deutschem Staatsangehörigen nicht zumutbar sei, nach den niedrigeren Sätzen des AsylbLG zu leben. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) dar. Eine Benachteiligung liege auch darin, dass der Lebensstandard des Ast. Ziff. 2 durch die geringeren Leistungen an die Ast. Ziff. 1 mittelbar geringer sei als der eines Deutschen in vergleichbarer Situation.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und im Umfang der stattgebenden Entscheidung auch begründet.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ast. vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsanspruch sind vom Ast. glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).
Das SG hat zutreffend dargelegt, dass im Falle der Ast. Ziff. 1 kein Anspruch auf die vorläufige Gewährung von Leistungen nach dem SGB II hat, weil es ihr zumutbar ist, die Leistungen nach dem AsylbLG zu beantragen. Jedenfalls bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens kann hierin ein Gesetzesverstoß nicht gesehen werden. Der Umstand, dass die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG geringer ausfallen als vergleichbare Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, rechtfertigt nicht die Annahme, der Gesetzgeber gewährleiste mit den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht das verfassungsrechtlich Gebotene. Soweit Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG von den Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen sind (vgl. § 9 SGB XII), liegt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Denn die in § 1 Abs. 1 AsylbLG aufgeführten Personen haben kein verfestigtes Aufenthaltsrecht, bei ihnen fehlt ein sozialer Integrationsbedarf (BT-Drucks 12/4451 S. 7). Dieses Kriterium trägt eine gruppenbezogene Differenzierung (BVerwG, Beschluss vom 29.09.1998 - 5 B 82/97 -, NVwZ 1999, 669). Entsprechendes gilt für den Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II durch § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Auch der Einwand, die Leistungen seien seit 1993 nicht mehr angehoben worden, rechtfertigt kein anderes Ergebnis, weil die geringeren Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 2 AsylbLG im Regelfall auf eine Dauer von drei Jahren begrenzt sind und dies im Hinblick auf den legitimen Zweck des AsylbLG, unter anderem auch die Attraktivität einer unrechtmäßigen Einreise in die Bundesrepublik zu verringern, noch gerechtfertigt erscheint (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.08.2006 - L 8 B 27/06 AY ER -).
Anders als die Ast. Ziff. 1 hat der Ast. Ziff. 2 jedoch, da er Deutscher ist, ein dauerhaftes Bleiberecht in der Bundesrepublik. Die Gewährung von Leistungen nach den geringeren Sätzen des AsylbLG an den Ast. Ziff. 2 ist nicht begründbar, da dieser hierdurch im Ergebnis auf Grund seiner Abstammung von der Ast. Ziff. 1 benachteiligt wird. Es ist nicht ersichtlich, wie dies mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar sein könnte. Der Zweck des AsylbLG, vorübergehend die Attraktivität des Zuzugs in die Bundesrepublik zu vermindern, ist im Falle des Ast. Ziff. 2 nicht legitim, weil dieser ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik hat. Insofern ist für ihn auch bereits von Anfang ein geklärter Aufenthaltsstatus vorhanden, aus dem ein sofortiger Bedarf sozialer Integration folgt, der wiederum Leistungen in Höhe des soziokulturellen Minimums erfordert.
Die Entscheidung, dem Ast. zu Ziff. 2 vorläufig Leistungen nach § 28 SGB II zuzubilligen, verstößt auch nicht gegen eine eindeutige Regelungen im SGB II oder SGB XII. Zwar nennt § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG als Antragsberechtigte auch die minderjährigen Kinder von Asylbewerbern; dies geschieht jedoch mit dem Hinweis, dass diese auch dann antragsberechtigt sind, wenn sie selbst die sonstigen Voraussetzungen für den Leistungsbezug nicht erfüllen. Aus diesem Hinweis ergibt sich, dass § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG die Anspruchslage minderjähriger Kinder verbessern will, auch wenn diese nicht alle tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllen. Hieraus wie im Falle des Ast. Ziff. 2 eine Leistungseinschränkung zu konstruieren, ist nicht im Sinne der gesetzlichen Vorschrift. Denn die Vorschrift zielt ersichtlich nicht darauf ab, Kindern, die eine stärkere Anspruchsposition als ihre Eltern haben, auf die geringeren Ansprüche ihrer Eltern zu beschränken. Selbst wenn insofern eine andere Auffassung vertreten werden sollte, wäre wegen der Benachteiligung des Ast. Ziff. 2 insoweit eine verfassungskonforme Auslegung wohl unumgänglich, wonach die Vorschrift im Falle von deutschen Kindern von Asylbewerbern nicht anwendbar ist.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes besteht auch insofern kein Widerspruch gegen die Regelungen des SGB II wegen der möglicherweise fehlenden Bedarfsgemeinschaft. Der Ast. Ziff. 2 hat auf jeden Fall einen Anspruch nach SGB II oder SGB XII. Sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass der Ast. Ziff. 2 keinen Anspruch nach SGB II hat, dann hat er auf jeden Fall einen Anspruch nach SGB XII. Die Antragsgegnerin ist nach § 43 SGB I der zuerst angegangene Leistungsträger. Als erstangegangene Trägerin hat sie den Anspruch des Ast. Ziff. 2 vorläufig zu erfüllen. Die Unsicherheit über den Leistungsträger soll nach der gesetzlichen Konzeption ausschließlich unter den Leistungsträgern und nicht - wie vorliegend - unter Einbeziehung und damit zu Lasten der Versicherten bzw. Leistungsempfänger ausgetragen werden. Gegen den letztlich zuständigen Leistungsträger steht ihr ein Erstattungsanspruch zu. Mithin ist vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs auszugehen.
Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben, da auch nach dem AsylbLG Leistungen in verminderter Höhe regelmäßig nur für die Dauer von drei Jahren gewährt werden. Den Ast. zu Ziff. 2 insoweit auf die Hauptsache zu verweisen, würde ihn der Gefahr aussetzen, ebenfalls so lange wie die anderen Ast. nach dem AsylbLG auf die für eine soziale Integration erforderlichen Leistungen verzichten zu müssen (vgl. die bereits oben zitierte Entscheidung BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.). Die höheren Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII sind gerade für die Entwicklung eines Kleinkindes von existenzieller Wichtigkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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