L 5 R 4405/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2350/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 4405/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt eine Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen geschiedenen Ehegatten.

Die 1945 geborene Klägerin war mit M. I., dem Versicherten, erstmals vom 28.04.1966 bis 26.03.1975 (Scheidungsurteil des Landgerichts Ulm vom 03.03.1975, rechtskräftig seit dem 26.03.1975, vgl. Bl. 6 der Verwaltungsakten) und dann nochmals vom 05.08.1978 bis 16.02.1981 (Scheidungsurteil des Kreisgerichts Belgrad vom 16.02.1981, vgl. Bl. 7 der Verwaltungsakten) verheiratet. Der Versicherte starb zwischen dem 03.05.2003 und dem 05.05.2003.

Am 15.05.2003 beantragte die Klägerin Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25.06.2003 ab, weil die erste Ehe zwar vor dem 01.07.1977 geschieden worden sei, die Klägerin aber wieder geheiratet habe. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2004 zurückgewiesen, da eine Wiederheirat vorliege und die Klägerin mit dem Versicherten nicht bis zu seinem Tod verheiratet geblieben sei.

Dagegen hat die Klägerin am 19.08.2004 unter dem Aktenzeichen S 6 RJ 2448/04 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Sie machte geltend, ihr früherer Ehemann habe sie und die Familie auch nach der zweiten Scheidung unterstützt. Sie hätten nach dem Scheitern der zweiten Ehe aber nicht erneut geheiratet, weil er ein Alkoholproblem gehabt habe. Die Klägerin hat erfolglos versucht, eine Annullierung der zweiten Ehe zu erreichen, von der sie behauptet, sie nur unter Zwang ihres alkoholisierten Ehemanns eingegangen zu sein. Nachdem das Verfahren deswegen zum Ruhen gebracht worden war, wurde es unter dem Aktenzeichen S 8 R 2350/05 wieder angerufen. Nachdem das Verfahren abermals zum Ruhen gebracht und die Klägerin die Richterinnen am Sozialgericht und Familiengericht erfolglos wegen Befangenheit abgelehnt hatte, hat das SG die Klage mit Urteil vom 30.06.2006 abgewiesen. Das SG hat entschieden, ein Anspruch auf Witwenrente nach § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) scheide schon deswegen aus, weil die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten von ihm geschieden gewesen sei. Die Voraussetzungen von § 243 SGB VI lägen ebenfalls nicht vor, weil die Klägerin wieder geheiratet habe und diese Ehe auch nicht aufgehoben oder für nichtig erklärt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils wird ergänzend auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen.

Gleichzeitig mit Klagerhebung hatte sich die Klägerin unter dem Aktenzeichen S 6 RJ 2447/04 ER mit einem Eilantrag an das SG gewandt und die Auszahlung einer Witwenrente verlangt. Der Antrag wurde mit Beschluss des SG vom 09.09.2004 abgelehnt, die Beschwerde unter dem Aktenzeichen L 3 RJ 4290/04 ER-B mit Beschluss vom 06.12.2004 zurückgewiesen.

Gegen das am 18.08.2006 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 31.08.2006 Berufung eingelegt. Sie wiederholt, ihre zweite Ehe sei nichtig gewesen, weil sie unter Zwang eingegangen worden sei. Auch könne sie von ihrer eigenen Altersrente für schwer behinderte Menschen in Höhe von gut 400 EUR nicht leben, so dass sie dringend auf eine Witwenrente angewiesen sei. Schließlich habe ihr früherer Mann sie finanziell immer unterstützt, wovon sie abhängig sei.

Aus der Akte 3 F 1984/04 des Amtsgerichts Ulm - Familiengericht - ergibt sich, dass der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf Eheaufhebung mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm vom 01.06.2005 mangels Erfolgsaussicht abgewiesen wurde und die dagegen erhobene Beschwerde vom Oberlandesgericht Stuttgart vom 26.07.2005 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass eine Annullierung der zweiten Ehe nach Art. 13 EGBGB in Verbindung mit Art. 76 des serbischen Gesetzes über die Ehe- und Familienbeziehungen nicht in Betracht komme.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30. Juni 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Witwenrente nach dem verstorbenen M. I. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die vom Familiengericht Ulm beigezogenen Akten und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die ablehnenden Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn sie hat unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Witwenrente.

Ein Anspruch auf kleine oder große Witwenrente nach § 46 Abs. 1 oder 2 SGB VI scheidet aus, weil die Klägerin mit dem Versicherten zum Zeitpunkt seines Todes nicht mehr verheiratet war, denn anspruchsberechtigt nach dieser Vorschrift ist nur der überlebende Ehegatte, der mit dem verstorbenen Versicherten bis zu dessen Tod in rechtsgültiger Ehe verheiratet war.

Eine kleine oder große Geschiedenenwitwenrente an den vor dem 1. Juli 1977 geschiedenen Ehegatten gemäß § 243 SGB VI ist der Klägerin auch nicht zu zahlen, denn die Klägerin hat wieder geheiratet. Ein Anspruch auf Witwenrente nach § 243 Abs. 1 oder 2 SGB VI setzt voraus, dass die Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden wurde und der Anspruchsteller nicht erneut geheiratet hat. Die erste Ehe der Klägerin mit dem Versicherten, Herrn M. I., wurde zwar 1975 und damit vor dem Stichtag des 1. Juli 1977 geschieden. Aber die Klägerin hat (ihn) wieder geheiratet. Haben wie hier dieselben Ehegatten wieder geheiratet und ist diese Ehe nach dem Stichtag geschieden worden, richten sich die unterhaltsrechtlichen Folgen nur nach der weiteren, also der zweiten Ehe (BSG, Urteil vom 09.09.1986, 5b RJ 68/85) und § 243 SGB VI ist nicht mehr anwendbar (vgl. dazu Kasseler Kommentar-Gürtner, Sozialversicherungsrecht, § 243 SGB VI, Rdnr. 5). Die Klägerin hat durch Wiederheirat des Versicherten demnach ihre Rechte aus der ersten Ehe verloren. Bei der Wiederheirat handelt es sich um eine neue Ehe, unabhängig davon, in welchem zeitlichen Abstand die neue Eheschließung erfolgte und welche Gründe für die vorausgegangene Ehescheidung oder die neue Eheschließung maßgeblich waren. Dem SG ist darin zuzustimmen, dass eine Wiederheirat keine Fortsetzung der ersten geschiedenen Ehe begründet und außerdem dann schon keine Scheidung vor dem Stichtag vorläge, weil die zweite Ehe rechtskräftig im Februar 1981 geschieden wurde. Selbst wenn die zweite Ehe, wie von der Klägerin vorgetragen, unter Zwang zustande gekommen wäre, ist sie als Statusentscheidung mit Publizitätswirkung nicht per se "nicht existent", wie die Klägerin vorgetragen hat, sondern muss aufgelöst oder gegebenenfalls für nichtig erklärt werden. Um ein Nichtigkeitsurteil bzw. eine Ungültigkeitserklärung hat sich die Klägerin beim Familiengericht vergeblich bemüht. Es bleibt somit bei dem Scheidungsurteil des Kreisgerichts Belgrad vom 16.02.1981, wonach die zweite Ehe der Klägerin nur geschieden, aber gerade nicht annulliert worden ist. Die Klägerin kann sich damit nicht auf die Nichtigkeit dieser zweiten Ehe berufen

Gemäß § 243 Abs. 4 SGB VI besteht Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente nach dem vorletzten Ehegatten unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 3 dieser Vorschrift auch für geschiedene Ehegatten, die wieder geheiratet haben, wenn die erneute Ehe aufgelöst worden ist. Diese Bestimmung ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass der geschiedene Ehegatte nicht zu Lebzeiten des Versicherten wieder geheiratet haben darf. Denn mit einer Wiederheirat zu Lebzeiten des Versicherten wird die Stellung als geschiedener Ehegatte aufgegeben und lebt bei Auflösung der erneuten Ehe nicht wieder auf (vgl. Kreikebohm, SGB VI, § 243 Rdnr. 46). Wenn die Eheschließung noch zu Lebzeiten des ersten Ehegatten erfolgt, was im vorliegenden Fall unabdingbar war, weil die früheren Ehegatten wieder geheiratet haben, gehen die Rechte aus der alten Ehe verloren (BSG, Urteil vom 09.09.1986, 5b RJ 68/85; bestätigt von BSG, Urteil vom 20.10.2004, B 5 RJ 39/03 R). Der Ausschluss der Klägerin vom Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung ihres (ersten) Ehemannes benachteiligt sie nicht in verfassungswidriger Weise. Das BVerfG hat bereits zum früheren Recht festgestellt, dass die Differenzierung zwischen geschiedenen Frauen, die sich nicht wieder verheiratet haben und solchen, die wieder geheiratet haben mit Art. 3 Grundgesetz vereinbar sei, weil sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung bestehen (BVerfG, Beschluss vom 08.07.1987, 1 BvR 568/87). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass im Fall der Wiederheirat ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegen den neuen Ehepartner bestehe. Es sei nicht zu beanstanden, wenn der überlebende Ehegatte hinsichtlich seiner Hinterbliebenenversorgung auf die Ansprüche aus der zweiten Eheschließung verwiesen werde. Dem hat sich das Bundessozialgericht angeschlossen (BSG, Urteil vom 20.10.2004, B 5 RJ 39/03 R) und der Senat sieht keinen Anlass, dies für § 243 SGB VI anders zu beurteilen, insbesondere, weil im hier vorliegenden Fall der Wiederheirat desselben Ehegatten die Beziehung erst mit der zweiten Scheidung im Februar 1981 und damit nach dem Stichtag endgültig beendet wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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