Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 4595/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 4924/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 27. September 2006 - S 13 AS 4595/06 ER - wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 02.10.2006 form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des am 04.02.1958 geborenen Antragstellers, der das SG nicht abgeholfen hat, gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 27.09.2006 - S 13 AS 4595/06 ER-B - ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers zu 1.) und einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 11.09.2006 angeordnet, weshalb insoweit der Antragsteller nicht beschwert ist. Des Weiteren hat das SG die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zu 1.) ungeachtet dessen Nichterscheinens zu dem Termin am 23.08.2006 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auch ab dem 01.11.2006 dem Grunde nach bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens jedoch bis zum 31.01.2007, zu gewähren. Soweit der Antragsteller demgegenüber begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufige Leistungen nach dem SGB II nicht nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens bis zum 31.01.2007, sondern bis zum Abschluss des Hauptverfahrens zu gewähren, ist die Beschwerde zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es wie hier im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).
Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237; BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).
Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung über den vom SG begrenzten Zeitraum bis zum 31.01.2007. Denn dieser Zeitraum reicht aus, um der Beschwerdegegnerin die Gelegenheit zu geben, über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 11.09.2006 durch Widerspruchsbescheid zu entscheiden. Sollte bis zum 31.01.2007 ein Widerspruchsbescheid nicht ergangen sein, bleibt es dem Antragsteller unbenommen, vor Ablauf des 31.01.2007 erneut beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen. Sollte jedoch bis zum 31.01.2007 über den Widerspruch des Antragstellers entschieden worden sein, ist es Sache des Antragstellers, bei Zurückweisung seines Widerspruchs Klage gegen den Widerspruchsbescheid zu erheben und hierbei ggf. erneut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen. Sollte seinem Widerspruch mit dem noch zu erlassenden Widerspruchsbescheid stattgegeben werden, würden sich Klageerhebung und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erübrigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 02.10.2006 form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des am 04.02.1958 geborenen Antragstellers, der das SG nicht abgeholfen hat, gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 27.09.2006 - S 13 AS 4595/06 ER-B - ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers zu 1.) und einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 11.09.2006 angeordnet, weshalb insoweit der Antragsteller nicht beschwert ist. Des Weiteren hat das SG die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zu 1.) ungeachtet dessen Nichterscheinens zu dem Termin am 23.08.2006 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auch ab dem 01.11.2006 dem Grunde nach bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens jedoch bis zum 31.01.2007, zu gewähren. Soweit der Antragsteller demgegenüber begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufige Leistungen nach dem SGB II nicht nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens bis zum 31.01.2007, sondern bis zum Abschluss des Hauptverfahrens zu gewähren, ist die Beschwerde zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es wie hier im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).
Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237; BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).
Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung über den vom SG begrenzten Zeitraum bis zum 31.01.2007. Denn dieser Zeitraum reicht aus, um der Beschwerdegegnerin die Gelegenheit zu geben, über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 11.09.2006 durch Widerspruchsbescheid zu entscheiden. Sollte bis zum 31.01.2007 ein Widerspruchsbescheid nicht ergangen sein, bleibt es dem Antragsteller unbenommen, vor Ablauf des 31.01.2007 erneut beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen. Sollte jedoch bis zum 31.01.2007 über den Widerspruch des Antragstellers entschieden worden sein, ist es Sache des Antragstellers, bei Zurückweisung seines Widerspruchs Klage gegen den Widerspruchsbescheid zu erheben und hierbei ggf. erneut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen. Sollte seinem Widerspruch mit dem noch zu erlassenden Widerspruchsbescheid stattgegeben werden, würden sich Klageerhebung und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erübrigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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