Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 4570/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5603/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des SG Karlsruhe vom 11.10.2006 wird aufgehoben. Die Antragsgegnerin Ziff. 1 wird verpflichtet über den 30.09.2006 hinaus vorläufig Leistungen nach dem SGB II (Lebensunterhalt und Eingliederungshilfe) zu erbringen.
Die Antragsgegnerin Ziff. 1 trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Streitgegenstand ist die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie zur Eingliederung in Arbeit durch die Antragsgegnerin (Ag.) Ziff.1, hilfsweise durch die Ag. Ziff.2.
Der Antragsteller (Ast.) wohnt seit dem 22.3.2006 in einer Einrichtung der Heimstiftung K ... Für die Zeit vom 1.4. bis zum 30.9.2006 bewilligte ihm die Ag. Ziff. 1 mit Bescheid vom 10.4.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 696 EUR pro Monat.
Den Weiterbewilligungsantrag des Ast. vom 31.8.2006 lehnte die Antragsgegnerin zu 1) ab. Zur Begründung führte sie an, der Antragsteller lebe in einer stationären Einrichtung. Angesichts dessen sei gem. § 7 Abs. 4 SGB II ein Anspruch ausgeschlossen.
Hiergegen legte der Antragsteller am 12.9.2006 Widerspruch ein. Er machte geltend, zwar seien Hilfe und Unterstützung im Wohnheim sehr intensiv. Gleichwohl werde dort ein hohes Maß an Selbstständigkeit erlangt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.9.2006 wies die Antragsgegnerin zu 1) den Widerspruch zurück und bekräftigte zur Begründung ihre Auffassung, wonach § 7 Abs. 4 SGB II einem Anspruch des Antragstellers entgegenstehe. Bei der Wohngruppe A. handele es sich um eine stationäre Einrichtung. Die Kosten für die stationäre Hilfe würden gem. § 67 SGB XII von der Antragsgegnerin zur 2) getragen. Dass der Aufenthalt in der Wohngruppe nach dem Vortrag des Antragstellers ein hohes Maß an Selbstständigkeit erfordere, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn wie sich aus § 7 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB II ergebe, habe der Gesetzgeber eine derartige Konstellation durchaus gesehen.
Am 29.9.2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Karlruhe vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Er trägt ergänzend vor, nach den Richtlinien der Bundesagentur für Arbeit zum SGB II sei von einer "stationären Einrichtung" i. S. des § 7 Abs. 4 SGB II nur auszugehen, wenn der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für das tägliche Leben des Hilfebedürftigen übernehme. Dies sei hier nicht der Fall. Wie sein Hilfeplan belege, müsse er selbst für sein Essen sorgen, sein Zimmer in Ordnung halten, einkaufen und Behördengänge erledigen. Zwar erhalte er von den Sozialarbeitern in der Wohngruppe Beratung und gegebenenfalls auch etwas Unterstützung; die Verantwortung für sein Leben liege aber bei ihm selbst. Nur seine "Betreuung" werde von der Antragsgegnerin zu 2) bezahlt; sein Lebensunterhalt sei hingegen seit dem 1.10.2006 nicht mehr gesichert. Wegen der Einstellung von Leistungen nach dem SGB II sei er nicht mehr pflichtversichert; eine freiwillige Krankenversicherung könne er sich ohne Einkommen nicht leisten. Zudem übernehme die Antragsgegnerin zu 1) nun nicht mehr die Kosten für seine Arbeitsmaßnahme. Ohne diese Maßnahme habe er aber keine Chance, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und seine Probleme zu bewältigen.
Die Ag. trägt hierzu ergänzend vor, in der A. befinde sich eine so genannte Eingliederungsabteilung für junge Nichtsesshafte. Der Landeswohlfahrtsverband B., die Antragsgegnerin zu 2) und die Heimstiftung seien sich einig, dass dort Leistungen der stationären Hilfe erbracht würden und werden - bis zum 31.12.2004 auf der Grundlage des § 72 BSHG, seit dem 1.1.2005 auf der Grundlage des § 67 SGB XII. Im Internet bezeichne sich die Wohngruppe A. selbst als "stationäre Einrichtung". Die Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit zum SGB II würden hier nicht weiterhelfen. Denn nach der dortigen Ziff. 7.36 (4) gehörten zu den stationären Einrichtungen im Einzelfall auch Einrichtungen für Nichtsesshafte sowie weitere Einrichtungen zur Resozialisierung nach §§ 67 - 69 SGB XII. Der Hilfeplan des Antragstellers stehe der Einstufung der Wohngruppe als stationäre Einrichtung nicht entgegen. Denn die Befähigung zur Selbsthilfe sei gerade gesetzliches Ziel der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Der Antragsteller habe schließlich auch die Möglichkeit, freiwilliges Mitglied einer Krankenkasse zu werden. Seine Beiträge müsse in diesem Fall der Sozialhilfeträger übernehmen.
Mit Beschluss vom 11.10.2006 lehnte das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Ast. in einer stationären Einrichtung lebe. Hierbei handle es sich um solche Einrichtungen, in denen Leistungsberechtigte leben und erforderliche Hilfen erhalten; die Hilfen müssen der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen (§ 13 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 SGB XII). Gemessen hieran handle es sich bei der Wohngruppe A., in der der Ast. seit mehr als sechs Monaten lebe, um eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II. Denn er erhalte dort Hilfe, die dazu diene, einen Bedarf nach dem SGB XII zu decken. Zusammen mit der Heimstiftung K. habe der Antragsteller einen Gesamtplan / Hilfeplan erstellt und darin u. a. Maßnahmen festgelegt, mit denen die vereinbarten Ziele erreicht werden sollen. Zwar sei der Antragsteller nach Ziff. 2.2 des Gesamtplans / Hilfeplans vom 13.7.2006 für eine Vielzahl der Maßnahmen selbst verantwortlich. Zum Teil erhalte er aber auch Unterstützung durch das Personal der Heimstiftung, nämlich bei der Kontaktaufnahme mit der Antragsgegnerin zu 1) und der AWO, um einen 1-EUR-Job zu erlangen, bei der Kontaktaufnahme mit einem Insolvenzanwalt zur Klärung einer Privatinsolvenz, bei der Suche nach einem geeigneten Psychotherapeuten und - langfristig - bei Organisation und Durchführung eines Umzugs in eigenen Wohnraum. Zudem begleite das Personal der Heimstiftung offenbar kontrollierend die Entwicklung des Antragstellers, um bei Bedarf einzugreifen und ihn zu unterstützen. Diese Maßnahmen würden von der Antragsgegnerin zu 2) als Leistungen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten i. S. des § 67 SGB XII erbracht. Denn die Leistungen nach den §§ 67 ff. SGB XII umfassten alle Maßnahmen, die notwendig seien, um Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere Beratung und persönliche Betreuung für die Leistungsberechtigten, Hilfen zur Ausbildung, Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes sowie Maßnahmen zur Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung (§ 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).
Eine vorläufige Verpflichtung der Ag. Ziff. 2 scheitere am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis, da der Ast. bei der Ag. Ziff. 2 noch keinen Antrag gestellt habe. Die Sache sei auch nicht derart eilbedürftig, dass der Antragsteller einen solchen Bescheid nicht abwarten könne. Seine Unterkunft und sein Lebensunterhalt seien durch die - von der Antragsgegnerin zu 2) bezahlte - Unterbringung in der Wohngruppe einstweilen gesichert.
Gegen diesen Beschluss legte der Ast. Beschwerde ein, welche das SG Karlruhe nach Entscheidung über die Nichtabhilfe dem LSG Baden-Württemberg zur Entscheidung vorlegte. Der Ast. trägt zur Begründung vor, er wolle und könne wieder arbeiten. Wegen seiner besonderen sozialen Schwierigkeiten sei seine Erwerbsbiographie unterbrochen. Um wieder auf den Arbeitsmarkt hineinzufinden sei er auf die Eingliederungsleistungen des SGB II angewiesen. Das Sozialamt habe nicht die gleichen Möglichkeiten ihn auf dem Arbeitsmarkt einzugliedern.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet. Die Ag. hat dem Ast. vorläufig die beantragten Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Das SG hat die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend dargelegt. Insofern wird auf diesen Beschluss Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Entgegen der Auffassung des SG scheitert die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ( Arbeitslosengeld II sowie Leistungen zur Eingliederung nach § 16 SGB II) nicht an § 7 Abs. 4 SGB II. Danach erhält derjenige keine Leistungen nach dem SGB II, der für länger als 6 Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Die Unterbringung des Ast. in der Wohngruppe A. erfolgt nicht in einer stationären Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II. Im SGB II findet sich keine Definition, was unter stationären Einrichtungen zu verstehen ist. Bei der Auslegung dieser Bestimmung kann auch nicht auf Vorschriften des SGB XII zurückgegriffen werden. Die Regelung in § 7 Abs. 4 SGB II ist vielmehr im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 SGB II und § 21 SGB XII zu interpretieren. Diese Bestimmungen schließen für Personen, die erwerbsfähig sind, Leistungen nach dem SGB XII aus (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Da auch in stationären Einrichtungen Untergebrachte erwerbsfähig sein können, weil es nach der Definition der Erwerbsfähigkeit in § 8 Abs. 1 SGB II lediglich darauf ankommt, ob der Hilfesuchende aus gesundheitlichen Gründen auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, kämen für sie die Leistungen der Sozialhilfe nach § 35 SGB XII wegen § 5 Abs. 2 SGB II nicht in Betracht. Vor diesem Hintergrund ist § 7 Abs. 4 Hs. 1 SGB II als gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit auszulegen (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II München 2005, § 7 Rdnr. 33). Wer somit länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder voraussichtlich länger als sechs Monate untergebracht sein wird, ist von vornherein nicht nur nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, sondern auch nicht erwerbsfähig iSd § 8 Abs. 1 SGB II; für ihn greift der Ausschluss des Sozialhilfeanspruchs gemäß § 5 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 SGB XII damit nicht durch (Spellbrink aaO). Als Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 4 Hs. 1 SGB II kann jede vollstationäre Einrichtung aufgefasst werden, in der der Einrichtungsträger von der Aufnahme bis zur Entlassung des Hilfebedürftigen die Gesamtverantwortung für dessen tägliche Lebensführung übernimmt und Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden sind (Spellbrink aaO Rdnr. 34). Diese Fiktion der fehlenden Erwerbsfähigkeit schlägt dann fehl und widerspricht dem Gesetzeszweck, wenn der in einer besonderen Einrichtung wohnende Betroffene in der Lage ist eine mehr als kurzzeitige (mindestens 15 Wochenstunden - § 119 SGB III) dauernde Tätigkeit außerhalb dieser Einrichtung unter regulären Arbeitsmarktbedingungen aufzunehmen.
Diese Voraussetzungen sind im Falle des Ast. gegeben. Der Ast. hat im Rahmen von Eingliederungsmaßnahmen in einem Beschäftigungsprojekt 6 Stunden täglich gearbeitet. Daraus ergibt sich, dass die Fiktion der Erwerbsunfähigkeit nicht aufrechterhalten werden kann. Die Entscheidung der Ag. ist demnach aller Wahrscheinlichkeit nach rechtswidrig. Ein Anordnungsanspruch ist somit gegeben.
Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Für die zukünftige berufliche Entwicklung der Ast. ist es von großer Bedeutung, dass er so schnell wie möglich in das Hilfs- und Förderungssystem des SGB II integriert wird. Die Möglichkeiten einer Eingliederung in das Erwerbsleben mit dem Instrumentarium des SGB II sind Erfolg versprechender.
Sollte in der Hauptsache eine andere Entscheidung erfolgen, so kann die Ag. als gem. § 43 SGB I erstangegangene Leistungsträgerin gegenüber der dann zuständigen Beigeladenen einen Erstattungsanspruch geltend machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragsgegnerin Ziff. 1 trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Streitgegenstand ist die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie zur Eingliederung in Arbeit durch die Antragsgegnerin (Ag.) Ziff.1, hilfsweise durch die Ag. Ziff.2.
Der Antragsteller (Ast.) wohnt seit dem 22.3.2006 in einer Einrichtung der Heimstiftung K ... Für die Zeit vom 1.4. bis zum 30.9.2006 bewilligte ihm die Ag. Ziff. 1 mit Bescheid vom 10.4.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 696 EUR pro Monat.
Den Weiterbewilligungsantrag des Ast. vom 31.8.2006 lehnte die Antragsgegnerin zu 1) ab. Zur Begründung führte sie an, der Antragsteller lebe in einer stationären Einrichtung. Angesichts dessen sei gem. § 7 Abs. 4 SGB II ein Anspruch ausgeschlossen.
Hiergegen legte der Antragsteller am 12.9.2006 Widerspruch ein. Er machte geltend, zwar seien Hilfe und Unterstützung im Wohnheim sehr intensiv. Gleichwohl werde dort ein hohes Maß an Selbstständigkeit erlangt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.9.2006 wies die Antragsgegnerin zu 1) den Widerspruch zurück und bekräftigte zur Begründung ihre Auffassung, wonach § 7 Abs. 4 SGB II einem Anspruch des Antragstellers entgegenstehe. Bei der Wohngruppe A. handele es sich um eine stationäre Einrichtung. Die Kosten für die stationäre Hilfe würden gem. § 67 SGB XII von der Antragsgegnerin zur 2) getragen. Dass der Aufenthalt in der Wohngruppe nach dem Vortrag des Antragstellers ein hohes Maß an Selbstständigkeit erfordere, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn wie sich aus § 7 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB II ergebe, habe der Gesetzgeber eine derartige Konstellation durchaus gesehen.
Am 29.9.2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Karlruhe vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Er trägt ergänzend vor, nach den Richtlinien der Bundesagentur für Arbeit zum SGB II sei von einer "stationären Einrichtung" i. S. des § 7 Abs. 4 SGB II nur auszugehen, wenn der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für das tägliche Leben des Hilfebedürftigen übernehme. Dies sei hier nicht der Fall. Wie sein Hilfeplan belege, müsse er selbst für sein Essen sorgen, sein Zimmer in Ordnung halten, einkaufen und Behördengänge erledigen. Zwar erhalte er von den Sozialarbeitern in der Wohngruppe Beratung und gegebenenfalls auch etwas Unterstützung; die Verantwortung für sein Leben liege aber bei ihm selbst. Nur seine "Betreuung" werde von der Antragsgegnerin zu 2) bezahlt; sein Lebensunterhalt sei hingegen seit dem 1.10.2006 nicht mehr gesichert. Wegen der Einstellung von Leistungen nach dem SGB II sei er nicht mehr pflichtversichert; eine freiwillige Krankenversicherung könne er sich ohne Einkommen nicht leisten. Zudem übernehme die Antragsgegnerin zu 1) nun nicht mehr die Kosten für seine Arbeitsmaßnahme. Ohne diese Maßnahme habe er aber keine Chance, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und seine Probleme zu bewältigen.
Die Ag. trägt hierzu ergänzend vor, in der A. befinde sich eine so genannte Eingliederungsabteilung für junge Nichtsesshafte. Der Landeswohlfahrtsverband B., die Antragsgegnerin zu 2) und die Heimstiftung seien sich einig, dass dort Leistungen der stationären Hilfe erbracht würden und werden - bis zum 31.12.2004 auf der Grundlage des § 72 BSHG, seit dem 1.1.2005 auf der Grundlage des § 67 SGB XII. Im Internet bezeichne sich die Wohngruppe A. selbst als "stationäre Einrichtung". Die Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit zum SGB II würden hier nicht weiterhelfen. Denn nach der dortigen Ziff. 7.36 (4) gehörten zu den stationären Einrichtungen im Einzelfall auch Einrichtungen für Nichtsesshafte sowie weitere Einrichtungen zur Resozialisierung nach §§ 67 - 69 SGB XII. Der Hilfeplan des Antragstellers stehe der Einstufung der Wohngruppe als stationäre Einrichtung nicht entgegen. Denn die Befähigung zur Selbsthilfe sei gerade gesetzliches Ziel der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Der Antragsteller habe schließlich auch die Möglichkeit, freiwilliges Mitglied einer Krankenkasse zu werden. Seine Beiträge müsse in diesem Fall der Sozialhilfeträger übernehmen.
Mit Beschluss vom 11.10.2006 lehnte das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Ast. in einer stationären Einrichtung lebe. Hierbei handle es sich um solche Einrichtungen, in denen Leistungsberechtigte leben und erforderliche Hilfen erhalten; die Hilfen müssen der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen (§ 13 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 SGB XII). Gemessen hieran handle es sich bei der Wohngruppe A., in der der Ast. seit mehr als sechs Monaten lebe, um eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II. Denn er erhalte dort Hilfe, die dazu diene, einen Bedarf nach dem SGB XII zu decken. Zusammen mit der Heimstiftung K. habe der Antragsteller einen Gesamtplan / Hilfeplan erstellt und darin u. a. Maßnahmen festgelegt, mit denen die vereinbarten Ziele erreicht werden sollen. Zwar sei der Antragsteller nach Ziff. 2.2 des Gesamtplans / Hilfeplans vom 13.7.2006 für eine Vielzahl der Maßnahmen selbst verantwortlich. Zum Teil erhalte er aber auch Unterstützung durch das Personal der Heimstiftung, nämlich bei der Kontaktaufnahme mit der Antragsgegnerin zu 1) und der AWO, um einen 1-EUR-Job zu erlangen, bei der Kontaktaufnahme mit einem Insolvenzanwalt zur Klärung einer Privatinsolvenz, bei der Suche nach einem geeigneten Psychotherapeuten und - langfristig - bei Organisation und Durchführung eines Umzugs in eigenen Wohnraum. Zudem begleite das Personal der Heimstiftung offenbar kontrollierend die Entwicklung des Antragstellers, um bei Bedarf einzugreifen und ihn zu unterstützen. Diese Maßnahmen würden von der Antragsgegnerin zu 2) als Leistungen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten i. S. des § 67 SGB XII erbracht. Denn die Leistungen nach den §§ 67 ff. SGB XII umfassten alle Maßnahmen, die notwendig seien, um Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere Beratung und persönliche Betreuung für die Leistungsberechtigten, Hilfen zur Ausbildung, Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes sowie Maßnahmen zur Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung (§ 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).
Eine vorläufige Verpflichtung der Ag. Ziff. 2 scheitere am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis, da der Ast. bei der Ag. Ziff. 2 noch keinen Antrag gestellt habe. Die Sache sei auch nicht derart eilbedürftig, dass der Antragsteller einen solchen Bescheid nicht abwarten könne. Seine Unterkunft und sein Lebensunterhalt seien durch die - von der Antragsgegnerin zu 2) bezahlte - Unterbringung in der Wohngruppe einstweilen gesichert.
Gegen diesen Beschluss legte der Ast. Beschwerde ein, welche das SG Karlruhe nach Entscheidung über die Nichtabhilfe dem LSG Baden-Württemberg zur Entscheidung vorlegte. Der Ast. trägt zur Begründung vor, er wolle und könne wieder arbeiten. Wegen seiner besonderen sozialen Schwierigkeiten sei seine Erwerbsbiographie unterbrochen. Um wieder auf den Arbeitsmarkt hineinzufinden sei er auf die Eingliederungsleistungen des SGB II angewiesen. Das Sozialamt habe nicht die gleichen Möglichkeiten ihn auf dem Arbeitsmarkt einzugliedern.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet. Die Ag. hat dem Ast. vorläufig die beantragten Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Das SG hat die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend dargelegt. Insofern wird auf diesen Beschluss Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Entgegen der Auffassung des SG scheitert die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ( Arbeitslosengeld II sowie Leistungen zur Eingliederung nach § 16 SGB II) nicht an § 7 Abs. 4 SGB II. Danach erhält derjenige keine Leistungen nach dem SGB II, der für länger als 6 Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Die Unterbringung des Ast. in der Wohngruppe A. erfolgt nicht in einer stationären Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II. Im SGB II findet sich keine Definition, was unter stationären Einrichtungen zu verstehen ist. Bei der Auslegung dieser Bestimmung kann auch nicht auf Vorschriften des SGB XII zurückgegriffen werden. Die Regelung in § 7 Abs. 4 SGB II ist vielmehr im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 SGB II und § 21 SGB XII zu interpretieren. Diese Bestimmungen schließen für Personen, die erwerbsfähig sind, Leistungen nach dem SGB XII aus (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Da auch in stationären Einrichtungen Untergebrachte erwerbsfähig sein können, weil es nach der Definition der Erwerbsfähigkeit in § 8 Abs. 1 SGB II lediglich darauf ankommt, ob der Hilfesuchende aus gesundheitlichen Gründen auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, kämen für sie die Leistungen der Sozialhilfe nach § 35 SGB XII wegen § 5 Abs. 2 SGB II nicht in Betracht. Vor diesem Hintergrund ist § 7 Abs. 4 Hs. 1 SGB II als gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit auszulegen (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II München 2005, § 7 Rdnr. 33). Wer somit länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder voraussichtlich länger als sechs Monate untergebracht sein wird, ist von vornherein nicht nur nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, sondern auch nicht erwerbsfähig iSd § 8 Abs. 1 SGB II; für ihn greift der Ausschluss des Sozialhilfeanspruchs gemäß § 5 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 SGB XII damit nicht durch (Spellbrink aaO). Als Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 4 Hs. 1 SGB II kann jede vollstationäre Einrichtung aufgefasst werden, in der der Einrichtungsträger von der Aufnahme bis zur Entlassung des Hilfebedürftigen die Gesamtverantwortung für dessen tägliche Lebensführung übernimmt und Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden sind (Spellbrink aaO Rdnr. 34). Diese Fiktion der fehlenden Erwerbsfähigkeit schlägt dann fehl und widerspricht dem Gesetzeszweck, wenn der in einer besonderen Einrichtung wohnende Betroffene in der Lage ist eine mehr als kurzzeitige (mindestens 15 Wochenstunden - § 119 SGB III) dauernde Tätigkeit außerhalb dieser Einrichtung unter regulären Arbeitsmarktbedingungen aufzunehmen.
Diese Voraussetzungen sind im Falle des Ast. gegeben. Der Ast. hat im Rahmen von Eingliederungsmaßnahmen in einem Beschäftigungsprojekt 6 Stunden täglich gearbeitet. Daraus ergibt sich, dass die Fiktion der Erwerbsunfähigkeit nicht aufrechterhalten werden kann. Die Entscheidung der Ag. ist demnach aller Wahrscheinlichkeit nach rechtswidrig. Ein Anordnungsanspruch ist somit gegeben.
Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Für die zukünftige berufliche Entwicklung der Ast. ist es von großer Bedeutung, dass er so schnell wie möglich in das Hilfs- und Förderungssystem des SGB II integriert wird. Die Möglichkeiten einer Eingliederung in das Erwerbsleben mit dem Instrumentarium des SGB II sind Erfolg versprechender.
Sollte in der Hauptsache eine andere Entscheidung erfolgen, so kann die Ag. als gem. § 43 SGB I erstangegangene Leistungsträgerin gegenüber der dann zuständigen Beigeladenen einen Erstattungsanspruch geltend machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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