L 11 R 269/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 02245/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 269/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 2. Januar 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit oder zumindest Berufsunfähigkeit) streitig, hilfsweise von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 03.11.1973 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beidseits. Nach dem Besuch einer Schule für Schwerhörige und einem Förderungslehrgang im Berufsbildungswerk P. in W. begann er ein Praktikum als Steinmetz, das nach kurzer Zeit abgebrochen wurde. Von August 1992 bis Februar 1994 besuchte er eine Wirtschaftsschule für Hörgeschädigte - kaufmännische Berufsfachschule - ohne Abschluss. Ab September 1994 absolvierte der Kläger einen weiteren Förderlehrgang im Berufsbildungswerk W., an den sich von September 1995 bis zum Abbruch im April 1998 eine Lehre zum Landschaftsgärtner in der gleichen Einrichtung anschloss. In der Folgezeit bezog der Kläger Leistungen bei Arbeitslosigkeit, lediglich unterbrochen durch eine weitere nicht abgeschlossene Reha-Maßnahme als Elektrogerätezusammenbauer vom 04.08.1999 bis 25.02.2000, eine vom 17.09.2001 bis 31.01.2002 dauernde Beschäftigung als Fahrer bei der Aufbaugilde H. im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und einen in der Zeit vom 01.04.2004 bis 28.06.2004 von der Agentur für Arbeit H. geförderten Lehrgang für Langzeitarbeitslose. Seit 01.01.2005 erhält der Kläger Arbeitslosengeld II.

Der Kläger ist seit September 1987 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 anerkannt. Außerdem sind die Merkzeichen "RF" und "GI" zuerkannt. Das Merkzeichen "H" (Hilflosigkeit) war lediglich von September 1987 bis April 1992 und vom 04.08.1999 bis 25.02.2000 anerkannt.

Am 15.01.1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung des Klägers in ihrer Ärztlichen Untersuchungsstelle H ... Dr. E. diagnostizierte als Gesundheitsstörungen: 1. angeborene, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Hörgeräteversorgung beidseits; 2. belastungsabhängige Rückenbeschwerden, Haltungsschwäche, geringgradige WS-Fehlstatik; 3. leichte Hüftdysplasie beidseits; 4. Senkfuß beidseits; 5. Heuschnupfen. Unter Berücksichtigung beigezogener Arztunterlagen kam die Gutachterin zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Ausübung des Berufs als Landschaftsgärtner derzeit und bis auf Weiteres aus orthopädischer Sicht möglich sei. Wegen Begünstigung von Beschwerden des Bewegungsapparats und vorzeitigen Verschleißerscheinungen werde jedoch eine körperlich leichtere Beschäftigung empfohlen. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel mit Heben und Tragen von Lasten bis 20 kg, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne Wechselschicht, Nachtschicht und ohne besonderen Zeitdruck sowie ohne Gefährdung durch inhalative Reizstoffe vollschichtig verrichten.

Mit Bescheid vom 24.02.1998 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die erforderliche Wartezeit von fünf Jahren mit anrechenbaren Zeiten (Beitrags-, Ersatz- und Kindererziehungszeiten) nicht erfüllt sei. Auf die Wartezeit seien nur ein Jahr und neun Kalendermonate mit anrechenbaren Zeiten zurückgelegt. Nach den getroffenen Feststellungen bestehe auch weder Berufsunfähigkeit noch Erwerbsunfähigkeit.

Zur Begründung seines dagegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, er sei auf Mundablesen und Gebärden angewiesen. Aus gesundheitlichen Gründen habe die zweieinhalbjährige Lehre eines Landschaftsgärtners abgebrochen werden müssen. Dieser Beruf hätte nie empfohlen und begonnen werden dürfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.1998 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass der Kläger noch vollschichtig arbeiten könne. Da die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt sei, habe der Kläger keinen Bezugsberuf. Er könne daher auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden. Außerdem habe der Kläger die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt, da er lediglich drei Jahre und einen Monat anrechenbarer Zeiten zurückgelegt habe. Anhaltspunkte für die Erfüllung einer der in § 53 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) genannten Tatbestände lägen nicht vor.

Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Zur Begründung machte er im wesentlichen geltend, der medizinische Sachverhalt sei unvollständig erhoben worden, insbesondere seien seine Taubheit und die Wirbelsäulen- und asthmatischen Beschwerden sowie die psychischen Beeinträchtigungen bei der sozialmedizinischen Beurteilung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Seines Erachtens erfülle er die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage eines aktuellen Versicherungsverlaufs und einer Wartezeitaufstellung entgegen. Die Wartezeit sei frühestens bei einem angenommenen Leistungsfall am 01.03.1999 erfüllt.

Das SG zog aus dem Parallelverfahren S 8 SB 518/99 die Aussage des Facharztes für Allgemeinmedizin G. vom Februar 2000 nebst weiterer Arztunterlagen sowie das nervenärztliche Gutachten des Dr. H., Zentrum für Psychiatrie W., vom August 2000 bei. Dr. H. verneinte Gesundheitsstörungen auf neurologischem Fachgebiet, auch lägen keine Hinweise für das Vorliegen einer Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet vor. Es bestehe weder die Notwendigkeit ständiger Begleitung noch sei der Kläger hilflos. Anschließend wurde Dr. H. auch im vorliegenden Verfahren zum Sachverständigen ernannt, der Gutachtensauftrag jedoch wieder aufgehoben, nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass er seit 17.09.2001 eine ABM-Stelle bei der Aufbaugilde in der T. als Transportfahrer habe und diese Arbeit nicht verlieren wolle, da sie ihm sehr gut gefalle.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.01.2003 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, ebenso wenig bestehe ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Bis 31.12.2000 seien bereits die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit nicht gegeben gewesen, da der Kläger ausweislich des Gutachtens von Dr. E. noch in der Lage gewesen sei, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Im Verlauf des Klageverfahren hätten sich keine Hinweise ergeben, die Anlass geben könnten, an der Richtigkeit dieser sozialmedizinischen Beurteilung zu zweifeln. Dem Gutachten von Dr. H. ließen sich keine Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet entnehmen. Somit bleibe als das berufliche Leistungsvermögen einschränkende Erkrankung allein die beim Kläger bereits bei Geburt bestehende an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit. Diese stehe der Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit jedoch nicht entgegen, was sich aus dem Umstand ergebe, dass er sehr wohl in der Lage gewesen sei, eine erwerbsbringende Berufstätigkeit als Transportfahrer zu verrichten. Die Kündigung wegen Magenproblemen sei jedenfalls nicht geeignet, den Schluss auf das Vorliegen einer das berufliche Leistungsvermögen in relevanter Weise einschränkenden Erkrankung nahe zu legen. Der Kläger habe keine Berufsausbildung abgeschlossen und könne daher auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Selbst wenn es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedürfe, müsste sich der Kläger auf die von ihm zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Transportfahrer verweisen lassen. Auch nach dem seit 01.01.2001 geltenden Recht bestehe kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit angesichts des festgestellten Leistungsvermögens. Hinweise, dass ein Leistungsfall nach dem 31.12.2000 eingetreten wäre, seien nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen worden.

Gegen den am 10.01.2003 den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 15.01.2003 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung trägt er vor, er fühle sich überfordert, da er gehörlos sei und keiner Unterhaltung folgen könne. Wenn er Hörgeräte trage, höre er zwar, aber zur Unterstützung brauche er das Lippenlesen, könne keine Gefahr rechtzeitig erkennen und wenn er die Geräte länger trage, bekomme er Kopfschmerzen, weil die Nebengeräusche auch verstärkt würden.

Der Kläger beantragt - sinngemäß -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 02. Januar 2003 sowie den Bescheid vom 24. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. September 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab 01. April 1999, hilfsweise Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat eine Auskunft der Aufbaugilde H. eingeholt, derzufolge der Kläger vom 17.09.2001 bis 31.01.2002 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beschäftigt gewesen sei. Er habe als Fahrer, Beifahrer gearbeitet und in der warmen Küche mitgeholfen. Der Tätigkeitsschwerpunkt sei die Fahrertätigkeit gewesen, die auch das Ein- und Ausladen von Lebensmitteln beinhaltet habe. Auf dem Fahrzeug seien immer zwei Personen beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei beendet worden, weil der Kläger nicht mehr zur Arbeit erschienen sei. Der Kläger habe bei der Verrichtung der verschiedenen Tätigkeiten immer Hilfe gebraucht und bekommen. Er habe niemals alleine, sondern immer mit einer weiteren Person zusammengearbeitet. Die Schwerhörigkeit des Klägers habe sich einschränkend auf die Tätigkeit ausgewirkt, da er nicht habe flexibel eingesetzt werden können.

Die Beklagte hat hierzu eine sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. H. vorgelegt und vorgetragen, dass der Kläger z.B. noch leichte Montagearbeiten vollschichtig ausüben könne. In Betracht kämen auch Tätigkeiten wie das Bedienen von Maschinen, Zusammensetzen von Teilen, Aufsicht führen und Reinigungsarbeiten - jeweils im qualitativen Rahmen.

Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit unter Hinzuziehung einer Gebärdendolmetscherin mit den Beteiligten erörtert. Auf die Niederschrift vom 12.10.2006 wird Bezug genommen.

Der Kläger hat im weiteren Verfahren Arztbriefe des Arztes für HNO-Heilkunde Dr. G. und des Radiologen Dr. W., jeweils vom Oktober 2006, vorgelegt.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört und vom Landratsamt H. die Schwerbehindertenakten beigezogen. Dr. W., HNO-Arzt, hat mitgeteilt, er habe den Kläger vom 02.07. bis 27.08.2001 behandelt. Es habe sich eine hochgradige Schwerhörigkeit beidseits an Taubheit grenzend gezeigt. Mit und ohne Hörgeräte habe der Kläger extrem schlecht gehört. Eine Verständigung sei mit ihm über Hören fast unmöglich und ausreichend nur über Schrift möglich gewesen. Dr. W. hat den Anpassbericht des Hörgeräte-Akustikers beigefügt.

Der Arzt für Allgemeinmedizin R. hat über Vorstellungen des Klägers im Oktober 2006 berichtet. Es sei keine Behandlung erfolgt, der Kläger sei lediglich zu Fachärzten für Radiologie und HNO-Heilkunde überwiesen worden. Eine Verständigung mit dem Kläger sei gut möglich gewesen.

Dr. G. hat bekundet, der Kläger sei 1992 in seiner Behandlung gewesen, die Patientenunterlagen seien jedoch zwischenzeitlich vernichtet worden. Im Oktober 2006 habe er sich erneut vorgestellt. Anlass der Konsultation sei die Durchführung einer Hörprüfung gewesen. Auch mit eingesetzten Hörgeräten sei eine Verständigung mit dem Kläger nur über das Lippenablesen möglich gewesen. Da beide Hörgeräte in einem verwahrlosten Zustand gewesen seien, habe er dem Kläger empfohlen, beide Geräte beim Hörgeräteakustiker überarbeiten und warten zu lassen.

Die Beklagte hat abschließend darauf hingewiesen, dass Schwerhörigkeit allein nicht als schwere spezifische Leistungseinschränkung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) anzusehen sei, und hinsichtlich in Betracht kommender Verweisungstätigkeiten (Warenaufmacher, Versandfertigmacher, Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde, Warensortierer, Büro-/Verwaltungshilfskraft, Montierer in der Metall- und Elektroindustrie, Registraturkraft, Maschinenbediener an Bohr-, Stanzmaschinen, Präge- und Schweißautomaten, Lager-, Verpackungs- und Reinigungsarbeiten) Auskünfte des Landesarbeitsamtes H. (jetzt Regionaldirektion H.) vom Mai 2000, November 1998 und Oktober 1997, ferner eine Stellungnahme des Landesarbeitsamts N. vom Oktober 1982 vorgelegt. Außerdem führte sie eine Probeberechnung der Monatsrente gestützt auf die bisher gespeicherten Zeiten für die Zeit ab 01.04.1999 durch.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und die beigezogenen Schwerbehindertenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit in der hier anzuwendenden bis 31.12.2000 gültigen Fassung (§ 300 Abs. 2 SGB VI) sind im angefochtenen Bescheid und im Gerichtsbescheid des SG zutreffend zitiert. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor. Zwar hat er seit März 1999 die Wartezeit und zu diesem Zeitpunkt auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt; in Übereinstimmung mit dem SG kommt jedoch auch der Senat zu der Überzeugung, dass der Kläger nicht berufs- oder gar erwerbsunfähig ist.

Rente wegen Berufsunfähigkeit scheidet schon deswegen aus, weil der Kläger zuletzt als Fahrer eine ungelernte bzw. allenfalls angelernte Tätigkeit des unteren Bereichs (vgl. insoweit BSG SozR - 2200 § 1246 Nr. 45) verrichtet hat. Der Kläger hat zwar über zwei Jahre lang eine Lehre zum Landschaftsgärtner absolviert, diese jedoch schon vor Erfüllung der Wartezeit aufgegeben, so dass diese Tätigkeit nicht als bisheriger Beruf zugrunde gelegt werden kann (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsgesetz, § 240 SGB VI Rdnr. 17 m.w.N.). Der Kläger ist deshalb nach dem vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Mehrstufenschema (vgl. BSGE 62, 74 ff.; 59, 249 ff. sowie 43, 243, 246) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und auf diesem nach dem vorliegenden medizinischen Sachverhalt trotz der an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beidseits noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten mit Funktionseinschränkungen vollschichtig zu verrichten. Dies hat das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und nimmt deshalb insoweit auf die Entscheidungsgründe Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren und die vom Senat durchgeführte Beweiserhebung führen zu keinem anderen Ergebnis. Auch der Senat vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist.

Bei der Beurteilung des gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers stützt sich der Senat auf die urkundsbeweislich verwertbaren Gutachten von Dr. E. und Dr. H., die ebenfalls urkundsbeweislich verwertbare Aussage des Allgemeinmediziners G., die sachverständigen Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte im Berufungsverfahren (Allgemeinmediziner R. und HNO-Ärzte Dr. W. und Dr. G.) sowie die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. H ...

Danach steht im Vordergrund eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits, die bereits im Kleinkindesalter festgestellt wurde. Eine wesentliche Änderung dieser Behinderung ist nicht nachgewiesen. Auf internem Fachgebiet hat Dr. E. einen Heuschnupfen diagnostiziert. Insoweit ergibt sich aus einem Befundbericht des Lungenfacharztes Dr. S. vom April 1998 ein gräser- und baumwollallergisches Asthma und eine Katzenallergie. Hinweise für längerfristigere relevante Lungenfunktionsstörungen liegen nicht vor. Auf orthopädischem Fachgebiet stehen Wirbelsäulenbeschwerden bei Fehlstatik und leichtgradigen Verschleißerscheinungen an der unteren Lendenwirbelsäule im Vordergrund. Außerdem ist eine leichtgradige Anlagestörung der Hüftgelenke dokumentiert. Wesentliche Funktionsstörungen am Haltungs- und Bewegungsapparat sind nicht aktenkundig. Eine fachorthopädische Behandlung findet nicht statt. Der letzte Röntgenbefund vom Oktober 2006 ergab im Bereich der HWS und BWS einen unauffälligen Befund. Auch an der LWS zeigte sich bis auf eine Streckhaltung im Bereich der LWK 1-3 kein krankhafter ossärer Befund. Dem Gutachten von Dr. H. sind von der Wirbelsäule ausgehende neurologische Ausfälle oder eine Wurzelreizsymptomatik nicht zu entnehmen. Eine wesentliche Störung auf psychiatrischem Fachgebiet konnte Dr. H. ebenfalls nicht feststellen. Neuere Befunde oder Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung liegen nicht vor.

Für den Senat steht hiernach auch in der Gesamtschau der dokumentierten Befunde fest, dass der Kläger über den Zeitpunkt der Rentenantragstellung hinaus noch in der Lage ist, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne Wechselschicht, Nachtschicht und ohne besonderen Zeitdruck sowie ohne Gefährdung durch inhalative Reizstoffe im Wechselrhythmus vollschichtig zu verrichten.

Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob es vorliegend der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf oder nicht. Notwendig ist dies bei einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung". Darunter fallen nicht die "üblichen" Leistungseinschränkungen wie z.B. der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder Sitzen erfordern, im Akkord oder Schichtdienst verrichtet werden oder besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- und Konzentrationsvermögen erfordern (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R -). Mit dem Begriff "schwere spezifische Leistungsminderung" werden nur solche Fälle erfasst, bei denen bereits eine schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 90 - Einäugigkeit, Einarmigkeit), zu denen jedoch der vorliegende Fall nicht gehört. Die beim Kläger seit Geburt bestehende an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit schränkt zwar seine Kommunikationsfähigkeit ein, so dass insbesondere Arbeiten mit Publikumsverkehr ausgeschlossen sind. Die Verständigungsmöglichkeit mit dem Kläger ist jedoch nicht völlig aufgehoben, wie dies die verschiedenen Ausbildungen und Lehrgänge in der Vergangenheit zeigen, die vom Kläger jedenfalls nicht wegen seiner Schwerhörigkeit aufgegeben wurden. Auch die Tätigkeit als Fahrer bei der Aufbaugilde scheiterte nicht an der Schwerhörigkeit des Klägers, sondern weil der Kläger unentschuldigt fernblieb. Der Senat verkennt indes nicht, dass die Tätigkeit als Fahrer aufgrund taubheitsbedingter Beeinträchtigungen im Straßenverkehr für den Kläger nicht unbedingt geeignet ist, auch wenn der Kläger diese Tätigkeit gerne ausüben würde, wie er im Erörterungstermin angegeben hat. Der Kläger ist aber trotz seiner Behinderung noch durchaus in der Lage, die von der Beklagten genannten Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen kommen noch Tätigkeiten als Warenaufmacher, Versandfertigmacher, Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde, Warensortierer, Montierer in der Metall- und Elektroindustrie, Maschinenbediener an Bohr-, Stanzmaschinen, Präge- und Schweißautomaten, Lager-, Verpackungs- und Reinigungsarbeiten in Betracht. (vgl. auch Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16.05.1997 - L 8 J 1270/96 und des Bayrischen Landessozialgerichts vom 19.02.2002 - L 6 RJ 727/00-). Der Kläger hat im Erörterungstermin selbst angegeben, dass seine gehörlosen Freunde teilweise arbeiten und zwar überwiegend in Metallberufen. Auch der Kläger wurde in der Vergangenheit bereits im Rahmen eines Förderlehrgangs mit Metallarbeiten befasst. Für die genannten Tätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer ausreichend. Vor allem Tätigkeiten als Montierer in der Metall- und Elektroindustrie und als Maschinenbediener stehen auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang zur Verfügung. Ein sogenannter Katalogfall (vgl. Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 in SozR 3-2600 § 44 Nr.8) liegt nicht vor.

Selbst wenn unterstellt würde, dass dem Kläger keinerlei Verweisungstätigkeiten mehr zumutbar wären, wäre zu beachten, dass es sich bei der Schwerhörigkeit des Klägers um ein eingebrachtes Leiden handelt und der Kläger dann bereits bei Eintritt in das Erwerbsleben bzw. bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) erwerbsunfähig gewesen wäre. Die dann für einen Rentenanspruch erforderliche Wartezeit von 20 Jahren (§ 44 Abs. 3 SGB VI) erfüllt der Kläger nicht.

Der Kläger hat nach alledem keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit nach dem bis 31.12.2000 geltenden Recht. Es ergeben sich auch für den Senat keinerlei Anhaltspunkte, dass ein Leistungsfall nach dem 31.12.2000 eingetreten wäre, weshalb auch kein Anspruch auf Gewährung von Versichertenrente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung im Sinne von § 43 SGB VI i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, gültig ab dem 01.01.2001, besteht, denn erwerbsgemindert ist nicht, wer - wie der Kläger - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden erwerbstätig sein kann.

Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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