Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 SO 7834/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 5672/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im Rahmen einer Regelungsanordnung ist es möglich und zulässig, Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche in analoger Anwendung des § 26 Abs. 1 SGB XII zu reduzieren (hier: 80% des Regelsatzes) und als Darlehen zuzusprechen, was in Fällen wie dem hier zu entscheidenden auch materiell nach § 91 SGB XII zulässig wäre.
Das Gericht kann die einstweilige Anordnung mit der Maßgabe versehen, dass der verpflichtete Leistungsträger vor Auszahlung Sicherheitsleistung in Form der Abtretung einer dem Leistungsempfänger zustehenden Forderung verlangen darf. Dies gilt auch für Forderungen, deren Entstehung zur Zeit der Abtretung nur möglich erscheint (hier: eine im Strafverfahren gepfändete Forderung gegen eine Bank, deren Verfrall im Falle der Verurteilung in Betracht kommt).
Das Gericht kann die einstweilige Anordnung mit der Maßgabe versehen, dass der verpflichtete Leistungsträger vor Auszahlung Sicherheitsleistung in Form der Abtretung einer dem Leistungsempfänger zustehenden Forderung verlangen darf. Dies gilt auch für Forderungen, deren Entstehung zur Zeit der Abtretung nur möglich erscheint (hier: eine im Strafverfahren gepfändete Forderung gegen eine Bank, deren Verfrall im Falle der Verurteilung in Betracht kommt).
Die Beschwerde der Antragsgegnerin und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. November 2006 werden zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin darf die (darlehensweise) Auszahlung der laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt davon abhängig machen, dass die Antragstellerin ihr in gleicher Höhe Forderungen aus ihrem gepfändeten Guthaben bei der D. Bank AG abtritt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin und die (selbständige) Anschlussbeschwerde der Antragstellerin, denen das Sozialgericht Stuttgart (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), sind zulässig (vgl. § 202 SGG i.V.m. § 567 Abs. 3 ZPO; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Aufl., vor § 172 Rdnr. 4a). Die Beschwerden gegen die im Verfahren der einstweiligen Anordnung ergangene Entscheidung des SG sind jedoch unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Mithin erforderlich ist sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund, die jedoch, gemessen an dem mit dem Antrag verfolgten Rechtsschutzziel (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 95; NVwZ 2005, 927), in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, sodass sich die Anforderungen je nach dem zu erwartenden Maß des Erfolgs in der Hauptsache, der Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung oder der Schwere des drohenden Nachteils vermindern können (vgl. Hess. Landessozialgericht, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 7 AS 1/06 ER -; Keller, a.a.O., § 86b Rdnrn. 27, 29; Funke-Kaiser, a.a.O., § 123 Rdnrn. 22, 25 ff.). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Antrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. zuletzt Beschlüsse vom 30. November 2006 - L 7 SO 5206/06 ER-B - und vom 28. Dezember 2006 - L 7 AS 6383/06 ER-B - (beide m.w.N.)).
Das SG hat dem Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung weitgehend entsprochen und die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 25. Oktober 2006 vorläufig und darlehensweise Sozialhilfe als laufende Leistungen zum Lebensunterhalt für die Dauer des Bestehens der Aufenthaltsgenehmigung, längstens bis zur Bestandskraft des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2006 zu gewähren. Gleichzeitig hat das SG allerdings zur Vermeidung der Vorwegnahme der Hauptsache die der Antragstellerin zustehenden Leistungen unter (entsprechender) Anwendung von § 26 Abs. 1 SGB XII auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche in Höhe von 80 % des Regelsatzes gekürzt.
Die mit der Beschwerde und der Anschlussbeschwerde dagegen geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Das SG hat zu Recht einen Anordnungsanspruch (in dieser Höhe) und einen Anordnungsgrund als glaubhaft gemacht angesehen. Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber die vom SG angenommene Bedürftigkeit der Antragstellerin in Zweifel zieht und auf deren mögliche Rücklagen und Vermögenswerte im Heimatland hinweist, genügt dies nicht, um die Richtigkeit der sozialgerichtlichen Entscheidung ernstlich in Zweifel zu ziehen. Insbesondere ist der Hinweis auf Bankguthaben in Höhe von ca. 350.000,- Euro, die auf verschiedenen Inlandskonten der Antragstellerin sichergestellt wurden - und über deren Verfall im Rahmen des anhängigen Strafverfahrens vor dem Landgericht Stuttgart, in dem unter Anderem die Antragstellerin angeklagt ist, zu entscheiden ist - unzureichend zur Darlegung der mangelnden Bedürftigkeit der Antragstellerin. Das Vorhandensein inländischer Vermögenswerte, die nach ihrer Arrestierung nicht als bereite Mittel i.S.v. § 2 SGB XII zur Verfügung stehen (vgl. Schneider in Handbuch des Fachanwalts, Sozialrecht, 2007, Kap. 14 Rdnr. 20), erlaubt keinen auch nur einigermaßen sicheren Rückschluss auf eine fehlende Bedürftigkeit der Antragstellerin aus anderen Gründen. So fehlen z. B. greifbare Anhaltspunkte für das Vorhandensein sonstiger Vermögenswerte im Heimatland der Antragstellerin. Existenzsichernde Leistungen dürfen jedoch nicht auf Grund bloßer Mutmaßungen verweigert werden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, NVwZ 2005, 927-929). Abgesehen davon ist der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) bei der Regelung des Hilfefalles eines hilfesuchenden Ausländers in gleicher Weise zu beachten wie im Falle eines deutschen Hilfesuchenden (vgl. entsprechend BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 1988 - 5 B 48/88 -, Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr. 10). Aus dem Sinn und Zweck des § 23 SGB XII folgt ohne Weiteres, dass die den Nachrang der Sozialhilfe u. a. begründende Selbsthilfe nicht darin bestehen kann, den Geltungsbereich des SGB XII zu verlassen, etwa durch Rückkehr in das Herkunftsland. Ansonsten würde die Bestimmung des § 23 SGB XII "leerlaufen" und einen Sinn nur noch für den Fall haben, dass der oder die Nichtdeutsche aus besonderen, namentlich verfolgungsbedingten Gründen in das Heimatland nicht zurückkehren kann. In dieser Vorschrift ist aber der Anspruch auf die Hilfe zum Lebensunterhalt allein an den tatsächlichen Aufenthalt des Ausländers im Geltungsbereich dieses Gesetzes geknüpft (ebenso BVerwG, a.a.O., zu 120 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BSHG). Leistungsmissbräuchen kann durch die Vorschrift des § 23 Abs. 3 SGB XII begegnet werden, die indessen im Falle der Antragstellerin nicht eingreift. Der Senat teilt die - von der Antragsgegnerin im Rahmen der Beschwerde auch nicht dezidiert angegriffene - Auffassung des SG, wonach diese Bestimmung der Sozialhilfegewährung vorliegend nicht entgegen steht, da bei der Antragstellerin ganz offensichtlich die Einreise zum Zwecke der Aussage im (eigenen) Strafverfahren im Vordergrund stand. Wegen der weiteren Begründung wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen.
Die von der Antragstellerin mit der Beschwerde angegriffene Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr eine Geldleistung in Höhe von (nur) 80 % des Regelsatzes vorläufig als Darlehen zu gewähren, unterliegt ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Im Hinblick auf die Vorläufigkeit einer einstweiligen Anordnung ist in aller Regel bei Sozialleistungen nur eine darlehensweise Gewährung auszusprechen, um eine spätere Rückgängigmachung nicht unnötig zu erschweren. Damit wird dem vorläufigen Charakter der einstweiligen Anordnung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats am Ehesten entsprochen (Beschlüsse vom 21. Juli 2005 - L 7 SO 1585/05 ER-B -, vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.03.1993, VBlBW 1994, 109; OVG Brandenburg, Beschluss vom 17.12.2003, FEVS 55, 262 m.w.N.; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl. Rdnr. 1243). Die Möglichkeit einer solchen vorläufigen darlehensweisen Gewährung ergibt sich bereits aus dem dem Gericht nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 938 Abs. 1 Zivilprozessordnung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung eingeräumten Gestaltungsermessen. Vorliegend bietet zudem das materielle Recht in § 91 SGB XII eine entsprechende Handhabe. Diese Vorschrift sieht eine darlehensweise Gewährung von Leistungen gerade dann vor, wenn - wie hier - Vermögen vorhanden, dessen sofortige Verwertung jedoch nicht möglich ist.
Schließlich rechtfertigt sich auch die Begrenzung der Leistungen auf 80 % des Regelsatzes (neben den angemessenen Kosten der Unterkunft und der Heizung) daraus, dass sich die Gerichte zwar schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen und Verletzung der grundgesetzlichen Gewährleistungen verhindern müssen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 2003, S. 1236 (1237)). Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte eine Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (BVerfG, Beschluss vom 1, März 2005, a.a.O.; vgl. auch SG Düsseldorf, NJW 2005, S. 845 (847)). Vor diesem Hintergrund ist die Beschränkung des Leistungsanspruchs im Eilverfahren auf (vorläufig) 80 % des Regelsatzes nicht zu beanstanden. Die Anschlussbeschwerde lässt nicht erkennen, dass diese reduzierte Leistungsgewährung auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche (vgl. § 26 SGB XII) bei der Antragstellerin zu existentiell relevanten Nachteilen oder Gefährdungen geführt hat.
Die Beschwerden konnten daher keinen Erfolg haben. Der Senat macht allerdings von dem ihm gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 Zivilprozessordnung eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch, dass er der Antragsgegnerin durch die Möglichkeit, von der Antragstellerin die Abtretung der im Zuge des (auch) gegen sie gerichteten Strafverfahrens gepfändeten Forderungen gegenüber der D. Bank AG zu verlangen, Sicherheit dafür zugesteht, dass das Darlehen auch tatsächlich zurückgezahlt werden kann. Der Abtretung steht nicht entgegen, dass diese Forderungen der Antragstellerin derzeit gepfändet sind und über deren Verfall gemäß §§ 73 ff. des Strafgesetzbuchs im Zuge des laufenden Strafverfahrens zu entscheiden ist. Denn für die Wirksamkeit der Abtretung genügt es, dass die Entstehung der Forderung zur Zeit der Abtretung möglich erscheint und die abgetretene Forderung bestimmt oder jedenfalls bestimmbar ist (vgl. Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, § 398 Rdnr. 11; vgl. zur Möglichkeit der Sicherung der Darlehensrückzahlung auch Beschluss des Senats vom 20. April 2006 - L 7 SO 1195/06 ER-B -).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin und die (selbständige) Anschlussbeschwerde der Antragstellerin, denen das Sozialgericht Stuttgart (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), sind zulässig (vgl. § 202 SGG i.V.m. § 567 Abs. 3 ZPO; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Aufl., vor § 172 Rdnr. 4a). Die Beschwerden gegen die im Verfahren der einstweiligen Anordnung ergangene Entscheidung des SG sind jedoch unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Mithin erforderlich ist sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund, die jedoch, gemessen an dem mit dem Antrag verfolgten Rechtsschutzziel (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 95; NVwZ 2005, 927), in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, sodass sich die Anforderungen je nach dem zu erwartenden Maß des Erfolgs in der Hauptsache, der Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung oder der Schwere des drohenden Nachteils vermindern können (vgl. Hess. Landessozialgericht, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 7 AS 1/06 ER -; Keller, a.a.O., § 86b Rdnrn. 27, 29; Funke-Kaiser, a.a.O., § 123 Rdnrn. 22, 25 ff.). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Antrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. zuletzt Beschlüsse vom 30. November 2006 - L 7 SO 5206/06 ER-B - und vom 28. Dezember 2006 - L 7 AS 6383/06 ER-B - (beide m.w.N.)).
Das SG hat dem Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung weitgehend entsprochen und die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 25. Oktober 2006 vorläufig und darlehensweise Sozialhilfe als laufende Leistungen zum Lebensunterhalt für die Dauer des Bestehens der Aufenthaltsgenehmigung, längstens bis zur Bestandskraft des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2006 zu gewähren. Gleichzeitig hat das SG allerdings zur Vermeidung der Vorwegnahme der Hauptsache die der Antragstellerin zustehenden Leistungen unter (entsprechender) Anwendung von § 26 Abs. 1 SGB XII auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche in Höhe von 80 % des Regelsatzes gekürzt.
Die mit der Beschwerde und der Anschlussbeschwerde dagegen geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Das SG hat zu Recht einen Anordnungsanspruch (in dieser Höhe) und einen Anordnungsgrund als glaubhaft gemacht angesehen. Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber die vom SG angenommene Bedürftigkeit der Antragstellerin in Zweifel zieht und auf deren mögliche Rücklagen und Vermögenswerte im Heimatland hinweist, genügt dies nicht, um die Richtigkeit der sozialgerichtlichen Entscheidung ernstlich in Zweifel zu ziehen. Insbesondere ist der Hinweis auf Bankguthaben in Höhe von ca. 350.000,- Euro, die auf verschiedenen Inlandskonten der Antragstellerin sichergestellt wurden - und über deren Verfall im Rahmen des anhängigen Strafverfahrens vor dem Landgericht Stuttgart, in dem unter Anderem die Antragstellerin angeklagt ist, zu entscheiden ist - unzureichend zur Darlegung der mangelnden Bedürftigkeit der Antragstellerin. Das Vorhandensein inländischer Vermögenswerte, die nach ihrer Arrestierung nicht als bereite Mittel i.S.v. § 2 SGB XII zur Verfügung stehen (vgl. Schneider in Handbuch des Fachanwalts, Sozialrecht, 2007, Kap. 14 Rdnr. 20), erlaubt keinen auch nur einigermaßen sicheren Rückschluss auf eine fehlende Bedürftigkeit der Antragstellerin aus anderen Gründen. So fehlen z. B. greifbare Anhaltspunkte für das Vorhandensein sonstiger Vermögenswerte im Heimatland der Antragstellerin. Existenzsichernde Leistungen dürfen jedoch nicht auf Grund bloßer Mutmaßungen verweigert werden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, NVwZ 2005, 927-929). Abgesehen davon ist der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) bei der Regelung des Hilfefalles eines hilfesuchenden Ausländers in gleicher Weise zu beachten wie im Falle eines deutschen Hilfesuchenden (vgl. entsprechend BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 1988 - 5 B 48/88 -, Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr. 10). Aus dem Sinn und Zweck des § 23 SGB XII folgt ohne Weiteres, dass die den Nachrang der Sozialhilfe u. a. begründende Selbsthilfe nicht darin bestehen kann, den Geltungsbereich des SGB XII zu verlassen, etwa durch Rückkehr in das Herkunftsland. Ansonsten würde die Bestimmung des § 23 SGB XII "leerlaufen" und einen Sinn nur noch für den Fall haben, dass der oder die Nichtdeutsche aus besonderen, namentlich verfolgungsbedingten Gründen in das Heimatland nicht zurückkehren kann. In dieser Vorschrift ist aber der Anspruch auf die Hilfe zum Lebensunterhalt allein an den tatsächlichen Aufenthalt des Ausländers im Geltungsbereich dieses Gesetzes geknüpft (ebenso BVerwG, a.a.O., zu 120 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BSHG). Leistungsmissbräuchen kann durch die Vorschrift des § 23 Abs. 3 SGB XII begegnet werden, die indessen im Falle der Antragstellerin nicht eingreift. Der Senat teilt die - von der Antragsgegnerin im Rahmen der Beschwerde auch nicht dezidiert angegriffene - Auffassung des SG, wonach diese Bestimmung der Sozialhilfegewährung vorliegend nicht entgegen steht, da bei der Antragstellerin ganz offensichtlich die Einreise zum Zwecke der Aussage im (eigenen) Strafverfahren im Vordergrund stand. Wegen der weiteren Begründung wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen.
Die von der Antragstellerin mit der Beschwerde angegriffene Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr eine Geldleistung in Höhe von (nur) 80 % des Regelsatzes vorläufig als Darlehen zu gewähren, unterliegt ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Im Hinblick auf die Vorläufigkeit einer einstweiligen Anordnung ist in aller Regel bei Sozialleistungen nur eine darlehensweise Gewährung auszusprechen, um eine spätere Rückgängigmachung nicht unnötig zu erschweren. Damit wird dem vorläufigen Charakter der einstweiligen Anordnung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats am Ehesten entsprochen (Beschlüsse vom 21. Juli 2005 - L 7 SO 1585/05 ER-B -, vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.03.1993, VBlBW 1994, 109; OVG Brandenburg, Beschluss vom 17.12.2003, FEVS 55, 262 m.w.N.; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl. Rdnr. 1243). Die Möglichkeit einer solchen vorläufigen darlehensweisen Gewährung ergibt sich bereits aus dem dem Gericht nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 938 Abs. 1 Zivilprozessordnung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung eingeräumten Gestaltungsermessen. Vorliegend bietet zudem das materielle Recht in § 91 SGB XII eine entsprechende Handhabe. Diese Vorschrift sieht eine darlehensweise Gewährung von Leistungen gerade dann vor, wenn - wie hier - Vermögen vorhanden, dessen sofortige Verwertung jedoch nicht möglich ist.
Schließlich rechtfertigt sich auch die Begrenzung der Leistungen auf 80 % des Regelsatzes (neben den angemessenen Kosten der Unterkunft und der Heizung) daraus, dass sich die Gerichte zwar schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen und Verletzung der grundgesetzlichen Gewährleistungen verhindern müssen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 2003, S. 1236 (1237)). Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte eine Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (BVerfG, Beschluss vom 1, März 2005, a.a.O.; vgl. auch SG Düsseldorf, NJW 2005, S. 845 (847)). Vor diesem Hintergrund ist die Beschränkung des Leistungsanspruchs im Eilverfahren auf (vorläufig) 80 % des Regelsatzes nicht zu beanstanden. Die Anschlussbeschwerde lässt nicht erkennen, dass diese reduzierte Leistungsgewährung auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche (vgl. § 26 SGB XII) bei der Antragstellerin zu existentiell relevanten Nachteilen oder Gefährdungen geführt hat.
Die Beschwerden konnten daher keinen Erfolg haben. Der Senat macht allerdings von dem ihm gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 Zivilprozessordnung eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch, dass er der Antragsgegnerin durch die Möglichkeit, von der Antragstellerin die Abtretung der im Zuge des (auch) gegen sie gerichteten Strafverfahrens gepfändeten Forderungen gegenüber der D. Bank AG zu verlangen, Sicherheit dafür zugesteht, dass das Darlehen auch tatsächlich zurückgezahlt werden kann. Der Abtretung steht nicht entgegen, dass diese Forderungen der Antragstellerin derzeit gepfändet sind und über deren Verfall gemäß §§ 73 ff. des Strafgesetzbuchs im Zuge des laufenden Strafverfahrens zu entscheiden ist. Denn für die Wirksamkeit der Abtretung genügt es, dass die Entstehung der Forderung zur Zeit der Abtretung möglich erscheint und die abgetretene Forderung bestimmt oder jedenfalls bestimmbar ist (vgl. Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, § 398 Rdnr. 11; vgl. zur Möglichkeit der Sicherung der Darlehensrückzahlung auch Beschluss des Senats vom 20. April 2006 - L 7 SO 1195/06 ER-B -).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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