L 5 R 33/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 1597/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 33/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Oktober 2004 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.

Die 1954 im ehemaligen Jugoslawien (Kroatien) geborene Klägerin ist im Dezember 1974 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sie war in der Folgezeit von Dezember 1976 bis November 1978 in einer Gießerei, von Dezember 1978 bis September 1983 als Spritzerin und vom August 1990 bis August 1995 in der Montage tätig gewesen. Seit 8. November 1995 ist die Klägerin arbeitslos. Sie bezog zuletzt Arbeitslosenhilfe bis 31. Oktober 1999, in der Folgezeit Krankengeld bis 8. März 2001.

Aufgrund eines von der Klägerin erstmals am 13. November 1998 gestellten Antrages auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit erhielt sie aufgrund eines vor dem Sozialgericht Freiburg (Az. S 4 RJ 2975/99) geschlossenen Vergleiches von der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (jetzt DRV Baden-Württemberg) ausgehend von einem am 6. Oktober 1999 eingetretenen Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Mai 2000 bis 8. November 2000 die gesetzlichen Leistungen auf Zeit (Bl. 110 Verwaltungsakte - VA -).

Am 7. Juni 2001 (Bl. 115 VA) beantragte die Klägerin (erneut) Rente wegen Erwerbsminderung. In einem daraufhin im Verwaltungsverfahren von dem Nervenarzt Dr. Sch. erstellten neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 22. August 2001 stellte dieser einen Zustand nach lumbaler Bandscheibenoperation L 5/S 1 links mit diskreten neurologischen Restschäden und einen rechtsseitigen vasomotorischen Kopfschmerz fest. Die Restauffälligkeiten nach dem Bandscheibenvorfall seien so gering ausgeprägt, dass durch sie das Leistungsvermögen nicht wesentlich gemindert werde. Zu vermeiden seien besondere Belastungen der Lendenwirbelsäule durch Zwangshaltungen oder das Heben und Tragen von schweren Lasten. Körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung seien noch vollschichtig möglich. In einem weiteren noch erstellten chirurgischen Gutachten vom 29. September 2001 stellte der Facharzt für Chirurgie Dr. W. fest, dass ein Lendenwirbelsäulensyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation bestehe, ein rezidivierendes HWS-Syndrom bei Zustand nach Schleudertrauma, ohne Funktionseinbuße und ohne radikuläre Zeichen, eine geringgradige Krampfaderbildung beider Beine und ein Senk-Spreizfuß mit Hallux valgus beidseits. Trotz dieser Erkrankungen seien noch leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen, zu ebener Erde, im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltung, ohne Überkopfarbeiten vollschichtig möglich. Die Wegefähigkeit sei nicht beeinträchtigt (Gutachten Dr. Sch. Bl. 205 Gutachtensheft f., Gutachten Dr. W., Bl. 213 Gutachtensheft f.). Der Internist Dr. M. gelangte schließlich in seinem Gutachten vom 11. Oktober 2001 (Bl. 194 f. des Gutachtenshefts) zu den bereits genannten Diagnosen zusätzlich zu der Feststellung eines Übergewichts (75 kg bei Körpergröße 159 cm) und eine polyvalente Allergie mit rezidivierenden Hautekzemen (zur Zeit keine Ausschläge). Unter Berücksichtigung der Leistungseinschränkungen seien körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen, zu ebener Erde, im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen vollschichtig möglich. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.

Mit Bescheid vom 5. November 2001 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab (Bl. 129 VA). Nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen sei die Erwerbsfähigkeit durch Verschleißleiden der Wirbelsäule, eine Bandscheibenoperation im Jahr 2000 sowie wiederkehrende Hautekzeme beeinträchtigt. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Damit bestehe weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2002 (Bl. 188 VA) zurückwies.

Hiergegen hat die Klägerin am 3. Juni 2002 Klage vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, sie habe unter ständigen Schmerzen zu leiden. Ihre Wirbelsäulenbeschwerden wirkten sich so aus, dass sie Probleme habe, ihre Beine richtig zu kontrollieren. Sie könne nur noch eingeschränkt laufen. Insgesamt sei ihre gesundheitliche Situation so schlecht, dass auch die Arbeitsamtsärztin in einem im April 2001 verfassten Gutachten festgestellt habe, dass eine regelmäßige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr ausgeübt werden könne. Seitdem hätten sich ihre Beschwerden noch verschlimmert. Aufgrund der dauerhaften Schmerzen im Fuß könne sie nicht mehr schlafen und sei mittlerweile auf die Einnahme von Antidepressiva angewiesen.

Das SG hat u. a. bei Prof. Dr. M. und der Ärztin für Anästhesie Dr. K. als sachverständige Zeugen Auskünfte sowie ein nervenärztliches Sachverständigengutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. und ein orthopädisches Fachgutachten bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. H. eingeholt. Dr. G. gelangte in seinem Gutachten vom 29. August 2003 (Bl. 63/83 der SG-Akte) zu der Einschätzung, dass die Klägerin zwar unter einem chronischen lumboischialgieformen Schmerzsyndrom leide, jedoch motorische Störungen nicht nachweisbar seien, so dass sie noch einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit mit leichten körperlichen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit weiterhin sechs Stunden nachgehen könne. Der Weg zur Arbeitsstelle sei aus neuro-psychiatrischer Sicht nicht eingeschränkt. Die Arbeitsstelle könne sowohl zu Fuß als auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden. Der Facharzt für Orthopädie Dr. H. gelangte in seinem Gutachten vom 5. Dezember 2003 (Bl. 84/99 und Bl. 109 der SG-Akte) zu der Einschätzung, dass die Klägerin ebenfalls noch grundsätzlich unter entsprechenden Einschränkungen regelmäßig einer Erwerbstätigkeit für körperlich leichte Arbeiten nachgehen könne, sie jedoch auf dem Weg von und zur Arbeitsstelle noch viermal täglich zu Fuß bis zu 500 m am Stück zurücklegen könne, bei Überschreitung der Wegstrecke von 500 m am Stück jedoch die Klägerin eine glaubhafte Zunahme der Schmerzsymptomatik von Seiten des Rückens und der Beine angebe, welche sie dann zum Stehen zwinge und diese Beschwerde auch durch eine Pause von beispielsweise zehn Minuten nicht mehr richtig zurück gingen und im erheblichen Maße bestehen blieben (so Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29.6.2004).

Mit Urteil vom 19. Oktober 2004 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2002 verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, dass zwar auch nach Überzeugung des Gerichts auf der Grundlage der Feststellungen der Sachverständigen davon auszugehen sei, dass der Klägerin die Verrichtung einer Berufstätigkeit in einem Umfang von sechs Stunden pro Arbeitstag noch möglich sei, die der Klägerin auf dem Weg zur Arbeitsstelle zu Fuß zumutbare Wegstrecke jedoch auf 500 m am Stück begrenzt sei. Damit aber sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 56 m.w.N.) der Arbeitsmarkt für die Klägerin verschlossen, da nur noch eine Gehfähigkeit vorhanden sei, die maximal 500 m Wegstrecke zulasse, die Klägerin auch keinen Arbeitsplatz inne habe, einen solchen auch nicht mit Hilfe eines KFZ erreichen könne und der Rentenversicherungsträger diesbezüglich auch keine berufliche Reha-Leistungen anbiete.

Die Beklagte hat gegen das ihr mit Empfangsbekenntnis am 9. Dezember 2004 zugestellte Urteil am 4. Januar 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, lese man die umfangreiche sozialmedizinische Dokumentation über die Klägerin durch, fänden sich insbesondere für die Wirbelsäule durchwegs mittelgradige Funktionseinschränkungen. Ansonsten beschreibe der Orthopäde Dr. H. in seinem Gutachten, dass das Umkleiden der Klägerin selbständig geschehe, beim Bücken sie zwar behindert sei, der Barfußgang im Zimmer gleichmäßig und langsam, aber sicher erfolge. Der Einbeinstand beidseits sei gut möglich, der Zehen-Spitzen-Stand links wackelig und nicht sicher, rechts ohne Probleme. Im Übrigen würden auch keine Atrophien beschrieben, die bei einer lang anhaltenden Schonhaltung eingetreten sein müssten. Neben der subjektiven Schmerzsymptomatik bzw. Schmerzangabe der Klägerin stütze sich der Sachverständige Orthopäde Dr. H. auch auf röntgenologische Veränderungen. Nach Ansicht der Beklagten ergäben jedoch die objektiven Befunde keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin in ihrer Wegefähigkeit beschränkt sei. Damit sei der Klägerin der Arbeitsmarkt auch nicht verschlossen, da sie nach Ansicht sämtlicher gehörter Gutachten auch noch über ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich verfüge.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Oktober 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ergänzend macht sie geltend, entgegen der Auffassung der Beklagten bestünden nicht nur "durchwegs mittelgradige Funktionseinschränkungen" bezüglich der Wirbelsäule, sondern deutliche Funktionseinschränkungen. Auch habe sich in der Zwischenzeit der Zustand der Klägerin verschlechtert (insoweit hat die Klägerin noch einen Bericht der Radiologen und Nuklearmediziner Dres. Schu. u. a. vom 17. November 2004 vorgelegt).

In dem vom Senat eingeholten orthopädischen Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. W. vom 6. April 2006 ist dieser zu der Einschätzung gelangt, dass sich u. a. die Bandscheibenvorfälle zurückgebildet hätten, dass es heute auch keine Hinweiszeichen für eine Nervenwurzelreizung gegeben habe. Die Klägerin sei auch in der Lage, sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbsätigkeit nachgehen zu können. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht zu berücksichtigen. Insbesondere hinsichtlich der hier streitigen Wegelimitierung lasse sich eine solche anhand der objektiven Befunde nicht nachvollziehen. Es hätten sich insbesondere auch bei der durchgeführten klinischen Untersuchung keine Hinweise für eine Claudicatio spinalis gefunden.

Der auf Antrag des Klägers noch beauftragte Gutachter Prof. R., Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, K.-Krankenhaus, S., gelangte in seinem Gutachten vom 25. Oktober 2006 unter anderem zu der Auffassung, dass als einzige leistungslimitierende Faktoren die rezidivierenden Kopfschmerzattacken sowie die ausgeprägte linksseitige Lumboischialgie zu berücksichtigen seien. So sei insbesondere die Beweglichkeit der LWS in allen Ebenen stark eingeschränkt. Unter Berücksichtigung der nunmehr bestehenden sechsjährigen Schmerzsymptomatik sei augenblicklich eine absolute Erwerbsunfähigkeit gegeben. Im Interesse der Klägerin sei eine psychologische bzw. verhaltenstherapeutische Behandlung mit Sicherheit indiziert.

In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 14. November 2006 verweist Dr. Scha., Chirurg/Internist, darauf, dass maßgeblich für die hier streitige Frage die Beurteilung anhand objektiv nachvollziehbaren Befundparameter sowie deren Auswirkungen auf die Funktionalität seien. Von Prof. R. werde die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung jedoch in erster Linie der subjektiven Schmerzsymptomatik bzw. Beschwerdesymptomatik der Klägerin, nicht jedoch in erster Linie im Hinblick auf objektiv vorhandene funktionelle Einschränkungen begründet. Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der schon eingeholten orthopädischen und nervenärztlichen Gutachten zum Leistungsvermögen sei davon auszugehen, dass die Klägerin nach wie vor in der Lage sei wenigstens leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit entsprechenden qualitativen Einschränkungen ausüben zu können und im übrigen auch in der Lage sei, viermal arbeitstäglich über 500 m in einem angemessenen Zeitraum zurücklegen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Die Klägerin begehrt eine laufende Leistung für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.

II.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des SG besteht bei der Klägerin keine Limitierung der Gehstrecke und ist damit auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt auszugehen, vielmehr ist bei der Klägerin unter Berücksichtigung entsprechender qualitativer Einschränkungen von einem Leistungsvermögen mit sechs Stunden und mehr für zumindest körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI (in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I, 1827) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).

Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen der Beklagten bei der Klägerin vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit. Die Klägerin ist jedoch nicht im Sinne der obigen gesetzlichen Regelung erwerbsgemindert.

Nach der übereinstimmenden Einschätzung aller Gutachter - mit Ausnahme von Prof. R. - so im Verwaltungsverfahren des Nervenarztes Dr. Sch., des Chirurgen Dr. W., des Internisten Dr. M. als auch im SG-Verfahren des Nervenarztes Dr. G. und des Orthopäden Dr. H., die hier im Urkundenbeweis zu verwerten sind, als auch dem hier vom Senat eingeholten Gutachten bei dem Orthopäden Prof. Dr. W. ist die Klägerin - wenn auch unter Berücksichtigung bestimmter qualitativer Einschränkungen jedenfalls noch in der Lage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit von sechs Stunden und mehr nachzugehen.

So hat der Orthopäde Prof. W. in dem Gerichtsgutachten bei der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung der gesamten Wirbelsäule im Sinne eines chronischen Zervikal-, Thorakal- und Lumbalsyndroms bei röntgenologisch nachweisbarer leichtgradiger Chondrose und Spondylose der Hals- und Brustwirbelsäule und einer leichtgradigen Spondylose und mittelgradigen Chondrose der unteren Lendenwirbelsäule mit Residuen eines Wurzelreizsyndromes bei S 1 links, einem doppelseitigen Karpaltunnelsyndrom, doppelseitigen X-Beinen mit Hinweiszeichen für einen Innenmeniskusschaden am linken Kniegelenk, doppelseitiger Hallux valgus (Fehlstellung der Großzehe im Grundgelenk) und Übergewicht festgestellt. Er hat in dem Zusammenhang weiter darauf verwiesen, dass bei den in den vergangenen Jahren durchgeführten kernspintomografischen Untersuchungen festgestellt wurde, dass am unteren Ende der Lendenwirbelsäule Bandscheibenvorfälle vorhanden gewesen seien. Im Rahmen dieser Begutachtung habe er daher der Frage nachgehen müssen, ob diese Bandscheibenvorfälle fortbestünden und für die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden ganz oder teilweise verantwortlich seien. Aus diesem Grunde wurde eine kernspintomografische Kontrolluntersuchung durchgeführt, bei der sich am 30. März 2006 ergeben hat, dass sich die Bandscheibenvorfälle zurückgebildet haben. Es liegen nach Prof. W. nur noch Bandscheibenprotrusionen in den Bewegungssegmenten unterhalb des dritten Lendenwirbelkörpers vor. Diese tangieren noch die Nervenwurzel L 3 und L 4 auf der linken Seite, komprimieren diese jedoch nicht. Dem entspräche auch, dass es heute keine Hinweiszeichen für eine Nervenwurzelreizung gegeben habe. Auch anamnestisch würden sich keine Hinweise für eine floride Nervenwurzelreizung ergeben. Es sei in dem Zusammenhang auch wichtig, dass die im interdisziplinären Schmerzzentrum des Klinikums F. durchgeführten Nervenwurzelblockaden keinen Erfolg gehabt hätten. Bei Vorliegen einer Nervenwurzelreizung hätten diese Blockaden erfolgreich sein müssen. Prof. Dr. W. hat ferner darauf verwiesen, dass von den insgesamt angeführten orthopädischen Gesundheitsstörungen die Klägerin nur durch die Wirbelsäulenerkrankung in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sei und sie soweit nicht mehr in der Lage sei, schwere körperliche Arbeiten zu verrichten, ebenso wenig Arbeiten mit entsprechender besonderer Belastung der Lendenwirbelsäule durch Zwangshaltung, wiederholtes Bücken oder Überkopfarbeiten. Leichte und auch mittelschwere körperliche Arbeiten könne sie jedoch noch verrichten, wenn sie nicht mit einer Zwangshaltung der Wirbelsäule verbunden seien. Die Veränderungen am linken Kniegelenk und an den Handgelenken seien derzeit zu gering, als dass sie zu einer messbaren anhaltenden Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit führen könnten. Hinsichtlich der weiteren letztlich hier entscheidenden Frage der Limitierung der Wegstrecke hat Prof. Dr. W. darauf verwiesen, dass Dr. H. in seiner Stellungnahme die Limitierung auf 500 m damit begründet habe, dass bei der Klägerin die Symptome einer Claudicatio spinalis vorhanden seien. Claudication spinalis bedeute, dass im Gegensatz zur Claudicatio intermittens, der eine Gefäßerkrankung zugrunde liege, Schmerzen unter Umständen auch Lähmungserscheinungen an den unteren Gliedmaßen infolge einer Einengung des Rückenmarkskanales (Spinalkanalstenose) auftreten. Diese Diagnose habe Dr. H. aufgrund einer myelografischen Untersuchung im Jahre 2002 gestellt. Die Aufnahmen der Myelografie (Kontrastmitteldarstellung des Rückenmarkkanales) befundete Dr. H. in seinem Gutachten. Dabei beschrieb er eine "Eindellung des Rückenmarkkanals" durch "Arthrose der Wirbelgelenke". Hierzu hat Prof. Dr. W. kritisch angemerkt, dass myelografisch eine Enge des Spinalkanals nicht nachgewiesen oder ausgeschlossen werden könne, da es sich bei der Untersuchung nicht um eine Schnittbildgebung handele. Allenfalls könne aus indirekten Hinweiszeichen der Verdacht geäußert werden, dass eine Spinalkanalstenose vorliege. Hierzu gehöre, dass die Kontrastmittelsäule (bei Applikation einer normalen Kontrastmittelmenge) nicht nur bis zur oberen Lendenwirbelsäule, sondern bis in die Brustwirbelsäule hinein aufsteige. Im Falle der Klägerin steige auch tatsächlich die Kontrastmittelsäule bis zur Brustwirbelsäule auf. Da nicht bekannt sei, welche Kontrastmittelmenge seinerzeit appliziert worden sei, könne jedoch aus diesem Phänomen nichts sicheres abgeleitet werden. Die im Rahmen der Myelografie angefertigten Aufnahmen zeigten im Übrigen nicht die von Dr. H. angesprochene "Eindellung des Rückenmarkkanals" (eingedellt könne im Myelogramm der Rückemarkskanal ohnehin nicht sein, sondern nur die Kontrastmittelsäule). Bei der von Dr. H. durchgeführten klinischen Untersuchungen seien allerdings keine Hinweise für eine Claudicatio spinalis beschrieben worden. Solche Symptome habe die Klägerin auch bei der Untersuchung bei Prof. Dr. W. jetzt nicht angegeben. Ganz im Gegenteil habe sie von einer Schmerzreduktion bzw. Erleichterung durch Reklination der Lendenwirbelsäule berichtet. Nach der kernspintomografischen Symptomatologie vom 30. März 2006 liege eine Spinalkanalstenose, also eine Rückenmarkskanaleinengung, die klinisch zu einer Claudicatio spinalis führen könnte, nicht vor. Der klinische Befund entspreche also der Bildgebung. Die Limitierung der Gehstrecke lasse sich folglich anhand der objektiven Befunde nicht nachvollziehen.

So weit Prof. R. in seinem schmerztherapeutischen Gutachten die Auffassung vertritt, dass bei der Klägerin unter Berücksichtigung der nunmehr bestehenden sechsjährigen Schmerzsymptomatik, ihrer Vorgeschichte, augenblicklich absolut Erwerbsunfähigkeit bestehe, kann der Senat dem nicht folgen. Letztlich stützt dies Prof. R. offensichtlich auf die von ihm beschriebene begleitende somatoforme Schmerzstörung, die seiner Sicht nach mit großer Sicherheit bestehe. Er verweist in dem Zusammenhang auf die Auswertung des Schmerzfragebogens der "Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V." sowie die Tatsache, dass sich die Klägerin bereits Mitte der 90er Jahre vergeblich bemüht habe, eine weitere Anstellung zu finden. Mit Sicherheit spiele für sie die Erkenntnis, auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt zu sein, auch keine Chance auf Wiedereinstellung zu haben, eine große Rolle im Rahmen der Schmerzbearbeitungsstrategien nach ihrer Bandscheibenerkrankung und der mit Sicherheit vorhandenen Schmerzsymptomatik.

Zutreffend weist in dem Zusammenhang bereits Dr. Scha. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 14. November 2006 daraufhin, dass letztlich die Leistungsbeurteilung von Prof. R. in erster Linie mit der subjektiven Schmerzsymptomatik bzw. Beschwerdesymptomatik der Klägerin, nicht jedoch in erster Linie im Hinblick auf objektive vorhandene funktionelle Einschränkungen begründet wird. Maßstab für die Frage der Erwerbsminderung sind aber grundsätzlich nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Versicherten sondern die objektiv nachvollziehbaren erhobenen Befunde und die damit objektiv in Verbindung stehenden Funktionseinschränkungen. So weit sich Prof. R. in erster Linie hier auf Kriterien wie die subjektive Schmerzverarbeitung sowie psychologische und verhaltenstherapeutische Überlegungen stützt, fällt dies - wie bereits von Dr. Scha. angesprochen - in den neuropsychiatrischen Fachbereich. In dem Zusammenhang hat aber bereits der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. in seinem Gutachten vom 29. August 2003 darauf verwiesen, dass an sozialmedizinischen relevanten Erkrankungen bei der Klägerin ein chronisches lumboischialgieformes Schmerzsyndrom ohne Nachweis umschriebener motorischer Störungen vorliegt, insbesondere konnte eine spinale Läsion im Wirbelsäulenbereich ausgeschlossen werden, was im übrigen auch durch die weiteren Untersuchungen von Prof. W. bestätigt wurde. Daneben fand sich noch nach den Feststellungen von Dr. G. eine reaktive depressive Verstimmung. Unter Berücksichtigung all dessen gelangte jedoch Dr. G. zu der Auffassung, dass die Klägerin unter Beachtung bestimmter qualitativer Leistungseinschränkungen noch vollschichtig leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben könne.

In dem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass Prof. Dr. W. im Rahmen seiner Begutachtung eine deutliche Diskrepanz zwischen der objektiven Symptomatologie und dem Beschwerdebild aufgefallen ist, das Verhalten der Klägerin wird von Prof. Dr. W. streckenweise als histrionisch (von lateinisch histrione, altröm. Schauspieler), also als geschauspielert beschrieben. Dies zeigt auch für den Senat mit welcher Vorsicht eine Leistungsbeurteilung eines Versicherten allein auf der Grundlage der subjektiven Beschreibung durch den Versicherten vorzunehmen ist. Prof. R. selbst weist im Zusammenhang mit der von ihm aus seiner Sicht angenommenen somatoformen Schmerzstörung auch daraufhin, dass hier auch die Tatsache zu berücksichtigen sei, dass sich die Klägerin bereits Mitte der 90er Jahre vergeblich bemüht habe, eine Anstellung zu finden und die Erkenntnis, auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt zu sein, auch eine große Rolle im Rahmen der Schmerzverarbeitungsstrategien nach ihrer Bandscheibenerkrankung gespielt habe.

Soweit Prof. R. ausführt, ausschlaggebend für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin seien die lumboischialgieformen Beschwerden und die dadurch verursachten Funktionseinschränkungen, nämlich eine starke Beeinträchtigung der Beweglichkeit der LWS in allen Ebenen, kann der Senat dem nicht folgen. Denn gerade Prof. Dr. W. hat auf der Grundlage der kernspintomographischen Aufnahmen - wie bereits oben ausgeführt - darauf verwiesen, dass sich die Bandscheibenvorfälle ausweislich der Untersuchung vom 30. März 2006 zurückgebildet haben und nur noch Bandscheibenprotrusionen in den Bewegungssegmenten unterhalb des dritten Lendenwirbelkörpers vorliegen würden. Diese tangieren nach Beurteilung von Prof. Dr. W. noch die Nervenwurzeln L 3 und L 4 auf der linken Seite, komprimieren diese jedoch nicht. In dem Zusammenhang haben sich auch keine Hinweiszeichen für eine Nervenwurzelreizung ergeben.

Damit bleibt zur Überzeugung des Senats auf der Grundlage der vorliegenden Gutachten festzustellen, dass die Klägerin sehr wohl nach wie vor der Lage ist unter Berücksichtigung entsprechender qualitativer Einschränkungen noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig auszuüben. Der von Prof. Dr. R. vertretenen abweichenden Beurteilung kann hier unter Berücksichtigung der einerseits fehlenden damit korrespondierenden objektiven Befunde (siehe insbesondere das letzte Gutachten Prof. Dr. W.) wie auch andererseits der Einschätzung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. nicht gefolgt werden.

Es war im Übrigen im Hinblick auf dieses Leistungsvermögen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI). Auch Anhaltspunkte dafür, dass hier in der Person der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht und schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSGE 56, 64 = SozR 2200 § 1246 Nr. 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 in BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; siehe auch zuletzt BSG im Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R - in Juris, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

Soweit nämlich das SG auf der Grundlage der von Dr. H. vorgenommenen Einschätzung davon ausgegangen ist, dass bei der Klägerin von einer Limitierung der Wegstrecke auf maximal 500 m auszugehen sei, hat dieser Einschätzung Prof. Dr. W. ebenfalls dezidiert widersprochen. Auf der Grundlage der oben bereits dargestellten Ausführungen von Prof. Dr. W. kann auch der Senat sich nicht davon überzeugen, dass bei der Klägerin tatsächlich, wie von Dr. H. noch beschrieben, eine Limitierung der Wegstrecke vorliegt, mit der weiteren Folge, dass im Hinblick darauf bei der Klägerin auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG ausgegangen werden kann und damit die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente im Hinblick auf das im Übrigen noch bestehende Leistungsbild nicht vorliegen.

Bei der Klägerin kommt im Übrigen auch keine Erwerbsminderung unter Berücksichtung eines Berufsschutzes (frühere Berufsunfähigkeitsrente) in Betracht, da die Klägerin nur als ungelernte Arbeiterin ohne jegliche Berufsausbildung tätig war.

Aus all diesen Gründen ist daher auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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