L 5 R 1098/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1098/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger höhere Erwerbsunfähigkeitsrente zusteht, weil nach dem Tod seiner geschiedenen Frau ein Rückausgleichsfall vorliege.

Der am 1942 geborene Kläger bezog zunächst eine Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit. Seit dem 01.03.1991 erhielt er eine Erwerbsunfähigkeitsrente von der Beklagten.

Der Kläger war seit dem 01.03.1968 mit der am 1943 geborenen Frau B. U. N., geborene F., geschiedene A. verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach vom 19.01.1999, rechtskräftig seit dem 16.03.1999 geschieden, nachdem die Ehezeit am 31.05.1998 geendet hatte. Das Familiengericht bestimmte, dass nach § 1587b Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Rentenanwartschaften des Klägers bei der Beklagten in Höhe von monatlich 607,39 DM und Rentenanwartschaften zu Lasten einer privaten Lebensversicherung in Höhe von 39,84 DM von seinem Versicherungskonto auf das Versicherungskonto seiner Ehefrau zu übertragen seien.

Die bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen versicherte geschiedene Ehefrau des Klägers bezog seit dem 01.10.2003 Altersrente für Frauen. Mit Bescheid vom 07.07.2003 berechnete die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers unter Berücksichtigung des Abschlages aus dem Versorgungsausgleich zum 01.10.2003 neu und verringerte ihre Zahlungen. Dagegen hat der Kläger keinen Rechtsbehelf eingelegt.

Die geschiedene Ehefrau des Klägers, die zwischenzeitlich wieder geheiratet hatte, verstarb am 04.05.2004. Ihr Witwer, Herr K. M. bezieht seit dem 01.06.2004 eine große Witwerrente aus ihrer Versicherung (Bescheid vom 07.06.2004). Der Kläger beantragte am 12.05.2004 bei der Beklagten, ihm seine Erwerbsunfähigkeitsrente wieder ungekürzt zu zahlen. Er vertrat die Auffassung, Anspruch auf die ungekürzte Auszahlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit rückwirkend zum 01.10.2003 zu haben, da in Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) die Kürzung der Rente nach dem Tode der Ausgleichsberechtigten rückgängig zu machen sei.

Mit Bescheid vom 18.08.2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Die Anwendung des § 4 VAHRG setze voraus, dass aus der Versicherung des Ausgleichsberechtigten keine Hinterbliebenenrente (Witwer- oder Waisenrente) gezahlt werde. Weil aus der Versicherung der geschiedenen Ehefrau des Klägers aber große Witwerrente gezahlt werde, könne die Kürzung beim Kläger nicht rückgängig gemacht werden. Dies beruhe darauf, dass der Grenzbetrag zum Stichtag "Ende des Leistungsbezugs" zu berechnen sei. Falle die Hinterbliebenenrente weg oder ruhe diese von einem bestimmten Zeitpunkt an in voller Höhe, sei - abgestellt auf das Ende des Leistungsbezuges - erneut zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 4 VAHRG für die Zahlung einer ungekürzten Rente gegeben seien.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, da bis zum Todeszeitpunkt an seine ehemalige Gattin keine Leistungen gewährt worden seien, die in der Summe zur Überschreitung des Grenzbetrages gemäß § 4 VAHRG geführt hätten, sei nach dieser Vorschrift vorzugehen. Bei der Ermittlung des Grenzbetrages sei in der Auslegung des § 4 VAHRG darauf abzustellen, wie weit und in welchem Umfang der Berechtigte aus den übertragenen Anwartschaften des Verpflichteten Leistungen bezogen habe. Es könne nicht darauf ankommen, ob - wie vorliegend - ein Dritter unmittelbar aus den Anwartschaften des Verpflichteten Leistungen beziehe. Denn es handele sich um vom Kläger erworbene Anwartschaften. Es stelle eine besondere Härte dar, dass der Bezug von Hinterbliebenenrentenleistungen des Witwers der verstorbenen Ausgleichsberechtigten auch aus Anwartschaften des Klägers erfolge. Dies gelte umso mehr, wenn man bedenke, dass die Verstorbene schon zu Lebzeiten Vermögenswerte auf ihren späteren Ehegatten übertragen habe und ihrem Leben durch Suizid ein Ende gesetzt habe und der Kläger die Mutter seiner ehemaligen Frau pflege.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2005 zurück. § 4 VAHRG beseitige nach dem Tod des Ausgleichsberechtigten nur unter bestimmten Voraussetzungen die Auswirkungen eines durchgeführten Versorgungsausgleichs. Voraussetzung hierfür sei, dass keine Leistungen (§ 4 Abs. 1 VAHRG) oder nur Leistungen gewährt worden seien, die einen bestimmten Grenzbetrag nicht überstiegen. Der Grenzbetrag belaufe sich nach § 4 Abs. 2 VAHRG auf zwei Jahresbeträge einer Vollrente wegen Alters der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors aus der übertragenen Rentenanwartschaft, abgestellt auf das Ende des Leistungsbezuges. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 05.07.1989 (1 BvL 11/87) verstoße es nicht gegen Artikel 14 Grundgesetz (GG), dass beim Vorversterben des Ausgleichsberechtigten die Kürzung nur dann entfalle, wenn die aufgrund des Versorgungsausgleichs gewährten Leistungen den Grenzbetrag im Sinne des § 4 Abs. 2 VAHRG nicht überstiegen. Aus der Versicherung der Ausgleichsberechtigten seien nach Eintritt der Rechtskraft und Wirksamkeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der übertragenen Rentenanwartschaften für die Zeit vom 1.10.2003 bis zum 31.5.2004 Rentenleistungen gezahlt worden. Für die Zeit ab dem 01.06.2004 werde laufend Hinterbliebenenrente gezahlt. Es müsse daher nach § 4 VAHRG bei der Kürzung der Rente verbleiben.

Mit seiner dagegen am 04.05.2005 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, aufgrund des frühen Todes seiner ehemaligen Frau sei der Grenzbetrag gemäß § 4 Abs. 2 VAHRG nicht überschritten, weshalb eine Kürzung der Rente des Klägers nicht erfolgen dürfe. Bei der Ermittlung des Grenzbetrages sei allein und ausschließlich auf den Zeitpunkt des Todes der Versorgungsausgleichsberechtigten verstorbenen geschiedenen Ehefrau des Klägers abzustellen. Sinn und Zweck des im Familienrecht geregelten Versorgungsausgleichs sei eine gleichmäßige Verteilung von Rentenanwartschaften auf die Ehegatten für den Fall, dass die Ehe geschieden werde. Entsprechend dem Zugewinnausgleich, der die Aufteilung der Vermögenswerte regele, regele der Versorgungsausgleich die Aufteilung der während der Ehe erworbenen Anwartschaften in Bezug auf Rente. § 4 VAHRG diene dem Ausgleich von Härten, die in der Praxis entstehen könnten. Es stelle eine Härte dar, dass der Kläger einen Netto-Rentenzahlbetrag von weniger als 1.000 EUR erhalte, der Witwer der Verstorbenen jedoch über weit mehr als das Doppelte verfüge, und dies zum Teil aus den Anwartschaften des Klägers. Rentenanwartschaften genössen Eigentumsschutz nach Art. 14 Grundgesetz (GG).

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 14.12.2005 abgewiesen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Berechtigte nur dann keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten hat, wenn jeder er selbst noch sein Hinterbliebener anspruchsberechtigt gewesen sei. Solange der letzte Ehemann der verstorbenen geschiedenen Ehefrau des Klägers noch eine Witwerrente beziehe, würden Leistungen aus ihrem Versicherungskonto erbracht, so dass dem Kläger kein Anspruch aus § 4 Abs. 2 VAHRG zustehen könne. Wie hoch die Rente des Klägers im Vergleich zu anderen sei, stelle keinen für die Beurteilung eines Härtefalls relevanten Sachverhalt dar. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird ergänzend auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen die seinen Prozessbevollmächtigten am 30.01.2006 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 23.02.2006 Berufung eingelegt. Das Urteil des SG halte der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die verstorbene geschiedene Ehefrau des Klägers habe nur während kurzer Zeit Rente bezogen, so dass der in § 4 Abs. 2 VAHRG normierte Höchstbetrag nicht erreicht werde und ein Rückausgleich stattzufinden habe. Zahlungen an ihren Witwer seien keine "Leistungen" im Sinne des § 4 Abs. 2 VAHRG und könnten deswegen nicht berücksichtigt werden, denn der Begriff der "Leistung" umfasse nach § 23 Abs. 1 SGB I nur Witwerabfindungen, nicht aber Witwerrenten. Diese vom Kläger verlangte Auslegung stehe zwar mit der Rechtsprechung des BSG nicht in Einklang, werde aber dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerecht, denn der neue Ehegatte des Versorgungsberechtigten werde vom Gesetzgeber nicht geschützt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.12.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 18.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Feststellung eines Rückausgleichsfalls zu verurteilen, den Höchstwert seines Rentenanspruchs ohne Abschlag an Entgeltpunkten für den durchgeführten Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung des Bezugszeitraums ab dem 01.10.2003 festzusetzen und ihm ab dem 01.10.2003 eine entsprechend höhere monatliche Versichertenrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung eines höheren Werts seines Rechts auf Erwerbsunfähigkeitsrente für Bezugszeiten ab dem 01.10.2003 ohne Abschlag an Entgeltpunkten (EP) für den durchgeführten Versorgungsausgleich sowie auf Zahlung entsprechend höherer monatlicher Geldbeträge ab demselben Zeitpunkt.

Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im vorliegenden Fall einen Rückausgleichsfall festzustellen und einen höheren Wert an Entgeltpunkten als den im Bescheid vom 07.07.2003 festgestellten monatlichen (Mindest-)Wert von 1.053,98 EUR festzusetzen. Sie hat dem Kläger zutreffend den Einwand des durchgeführten Versorgungsausgleichs entgegengehalten. Es besteht kein Anspruch des Klägers, den von der Beklagten in diesem Bescheid (Anlage 5) durchgeführten Abschlag an Entgeltpunkten (EP) für die Zeit vom 01.03.1968 bis zum 31.05.1998 von 13,6431 Entgeltpunkten im Sinne eines Rückausgleichsanspruches nach § 4 VAHRG zurückzunehmen.

Das BSG hat dazu in einem ähnlich gelagerten Fall, in welchem der geschiedene Ehemann der Klägerin erneut geheiratet hatte und eine Witwenrente an seine zweite Frau ausbezahlt wurde, in seiner Entscheidung vom 07.07.2005 (B 4 RA 14/04 R) folgendes ausgeführt:

Der Wert des Rechts auf Rente (so genannter Monatsbetrag der Rente - §§ 63 Abs. 6, 64 SGB VI) ergibt sich für den Regelfall als Produkt aus dem Rangwert (= Summe der EP), dem Zugangsfaktor, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert, die jeweils mit ihrem Wert, den sie bei Rentenbeginn haben, in die Rentenformel einzusetzen sind (vgl. BSG SozR 3-2600 § 70 Nr. 6 Seite 9, BSG SozR 3-2600 § 71 Nr. 2 Seite 16). Der Rangwert bei Rentenbeginn folgt kraft Gesetzes unmittelbar aus der Summe der einzelnen kalenderjährlichen Rangstellenwerte, die der Versicherte in seinen "rentenrechtlichen Zeiten" erworben hat. Aufgrund einer rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Familiengerichts, hier des Urteils des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach vom 19.01.1999, sind durch Versorgungsausgleich mit rechtsgestaltender Wirkung so genannte "Rentenanwartschaften" (im Sinne der §§ 1587 ff. BGB) übertragen worden. Damit werden für den Ausgleichsberechtigten fiktive Rangstellenwerte (Werteeinheiten; seit dem 01.01.1992 EP) begründet, die der Rentenversicherungsträger bei der Festsetzung des Rechts des Ausgleichsberechtigten auf Rente anrechnen muss (vgl. Urteil des BSG SozR 3-2600 § 76 Nr. 1 S. 2 f. m.w.N.).

Nach § 4 Abs 1 VAHRG wird die Versorgung des Ausgleichsverpflichteten (hier: des Klägers) oder seiner Hinterbliebenen nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs "gekürzt", wenn ein Versorgungsausgleich gemäß § 1587b Abs 1 oder 2 BGB durchgeführt worden ist und der Berechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem durch den Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht "erhalten" hat. Gemäß § 4 Abs 2 VAHRG gilt Abs 1 entsprechend, wenn der Berechtigte gestorben ist und aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen "gewährt wurden oder werden", die insgesamt zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezugs berechneten RAR aus dem erworbenen Anrecht nicht übersteigen; jedoch sind die gewährten Leistungen auf die sich aus Abs 1 ergebende Erhöhung anzurechnen.

Eine isoliert am Wortlaut des § 4 Abs. 1 VAHRG orientierte Auslegung (" ...vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten hat"), wird der Systematik des SGB VI und des VAHRG sowie dem Sinngehalt des § 4 VAHRG nicht gerecht. Zwar ist die Ansicht der Klägerin sowohl mit dem Wortlaut des Gesetzes als auch mit der Entstehungsgeschichte, soweit sie in den sog Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 9/2296 S 8, 14) dokumentiert ist, vereinbar; dasselbe gilt aber auch für die Rechtsansicht, welche die Beklagte in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BSG vertritt.

Mit § 4 VAHRG vom 21. Februar 1983 (BGBl I 105) hat der Gesetzgeber dem Urteil des BVerfG vom 28. Februar 1980 ( 1 BvL 17/77 ua , BVerfGE 53, 257 = NJW 1980, 692 = SozR 7610 § 1587 Nr 1) Rechnung getragen. In dieser Entscheidung wurde festgestellt, dass zwar die Regelungen über den Versorgungsausgleich in Form des Splittings ( § 1587b Abs 1 BGB ) und des Quasi-Splittings ( § 1587b Abs 2 BGB ) mit dem Grundgesetz vereinbar seien; es seien jedoch von Verfassungs wegen ergänzende Regelungen für Härtefälle geboten, die dadurch entstünden, dass die Rentenanwartschaften des Ausgleichsberechtigten später nicht zu angemessenen Leistungen führten. Solche Fälle seien im Zusammenhang mit dem Vorversterben des Ausgleichsberechtigten vor dem Ausgleichsverpflichteten denkbar. Sie könnten dann gegeben sein, wenn die abgesplitteten Werteinheiten beim Berechtigten keine Rentenleistung ausgelöst hätten, den Verpflichteten hingegen wegen ihres Umfangs spürbar belasteten. Ferner sei es möglich, dass wegen der Kürze der Rentenleistungen an den Ausgleichsberechtigten im Verhältnis zur Höhe der übertragenen Werteinheiten und unter Würdigung der Lage des überlebenden Ausgleichsverpflichteten der Versorgungsausgleich verfassungswidrige Auswirkungen haben könne (vgl BVerfGE 53, 257 , 303 = NJW 1980, 692 , 696 = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 12). Der Gesetzgeber hat deshalb in § 4 Abs 1 und Abs 2 VAHRG einen Härteausgleich in Form einer nachträglichen Korrektur für zwei Fallgruppen vorgesehen, zum einen für den Fall, dass der Leistungsberechtigte aus den im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften überhaupt keine Leistungen "erhalten hat" (Abs 1) oder ihm nur geringfügige Leistungen "gewährt wurden oder werden" (Abs 2). Nach den sog Gesetzesmaterialien wurde vom Deutschen Bundestag bei der Regelung des § 4 Abs 1 VAHRG insbesondere die Sachverhaltsgestaltung des Vorversterbens in Betracht gezogen, also den Fall, dass der Ausgleichsberechtigte stirbt, bevor er rentenberechtigt ist, dh ein Recht auf Rente erworben hat. § 4 Abs 2 VAHRG sollte die Fälle erfassen, in denen dem Ausgleichsberechtigten aus den übertragenen Anwartschaften nur kurze Zeit Rentenleistungen "gewährt worden sind" (vgl dazu BT-Drucks 9/2296 S 8, 14).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Urteil vom 14. Februar 1990 - 1 RA 11/89, BSGE 66, 198 , 200 = SozR 3-5795 § 4 Nr 2 S 10; BSG Urteil vom 26. Juni 1991 - 8 RKn 15/90 = BSGE 69, 85 , 87 f = SozR 3-5795 § 4 Nr 3 S 16 f; BSG Urteil vom 31. März 1992 - 4 RA 22/91 , SozR 3-5795 § 4 Nr 4 S 22 ff; BSG Urteil vom 20. April 1993 - 4 RA 4/92 , SozR 3-5795 § 4 Nr 5 S 30; BSG Urteil vom 14. Mai 1996 - 4 RA 22/95 , SozR 3-5795 § 4 Nr 6 S 39; BSG Urteil vom 25. Februar 2004 - B 5 RJ 3/03 R , SozR 4-5795 § 4 Nr 1 RdNr 10), der die Beklagte folgt, umfasst der in § 4 VAHRG verwendet Ausdruck "Leistungen" alle Hauptleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, die in § 23 Abs 1 Nr 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) aufgezählt sind, also alle Sozialleistungen (§ 11 Satz 1 SGB I), die der Rentenversicherungsträger dem Ausgleichsberechtigten aus dessen Rentenversicherungsverhältnis erbringt. Hierunter fallen nach Buchst c dieser Vorschrift auch (Hinterbliebenen-)Renten wegen Todes iS der §§ 46 ff SGB VI.

Der erkennende Senat hält nach erneuter Prüfung an der ständigen Rechtsprechung des BSG fest. Dafür sind vor allem folgende Erwägungen maßgeblich:

Die Übertragung sog "Rentenanwartschaften" im Rahmen des Versorgungsausgleichs findet nicht ausschließlich im Ausgleichsverhältnis zwischen den früheren Ehegatten statt, sondern betrifft - mindestens - auch einen Rentenversicherungsträger, dessen voneinander getrennte Rentenversicherungsverhältnisse mit dem Ausgleichsverpflichteten und mit dem Ausgleichsberechtigten durch den Versorgungsausgleich in unterschiedlicher Weise, jeweils aber nach den Maßgaben des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht nach denen des BGB, verändert und umgestaltet werden. Insbesondere geben die im Versorgungsausgleich übertragenen sog "Rentenanwartschaften" dem Ausgleichsberechtigten keinen Anspruch gegen den Rentenversicherungsträger, bei Eintritt eines Versicherungsfalls an ihn einen bestimmten Geldbetrag (etwa in Höhe der - rein fiktiven - übertragenen Anwartschaften) zu zahlen. Die Übertragung hat - und darin erschöpft sich ihre Wirkung - ihm nur in fiktiv berechneten EP bemessene Vorleistungswerte zugeordnet. ( ...) Jedoch hat die Übertragung den Rangwert des Versicherten (= Summe der EP beim Versicherungsfall) erhöht und damit anteilig den Geldwert des Rechts von dessen Hinterbliebenen. Denn die Übertragung der fiktiv errechneten EP hat damals den relativen Wert seiner Rangstelle erhöht. Diese EP sind Bestandteil seiner von ihm selbst erworbenen Rentenanwartschaft gegen den Rentenversicherungsträger geworden. Diese umfasst nach ihrem gesetzlichen Gewährleistungsgehalt die Garantie, dass die jeweils erlangte Rangstelle unter den Versicherten (bemessen in der bisher erlangten (Mindest-)Summe der EP) bei Eintritt eines Versicherungsfalles dem Monatsbetrag des Rechts auf Rente zu Grunde gelegt wird, es sei denn, verfassungsgemäße Änderungsgesetze bestimmen etwas anderes; dies gilt auch für einen vormals ausgleichsberechtigten Versicherten; auch er kann seine Vorsorgeplanung auf diese Gewährleistung stützen. Darüber hinaus gibt die gesetzliche Rentenanwartschaft des SGB VI jedem Berechtigten das gesetzliche Systemversprechen. Dieses beinhaltet ua, dass der Versicherte von privater Vorsorge für Hinterbliebene im Blick auf die Versicherung auf den eigenen Todesfall absehen darf. Der Tod des Versicherten ist in der gesetzlichen Rentenversicherung ein eigenständiger Versicherungsfall, mit dem die Anwartschaft des verheirateten Versicherten, die eine Lebensversicherung auf den eigenen Todesfall zu Gunsten des Ehegatten umfasst (sog Eigenversicherung), zu einem Vollrecht des Hinterbliebenen auf Rente gegen den Träger erstarkt ( § 46 SGB VI ; dazu eingehend: BSG Urteil vom 29. Januar 2004 - B 4 RA 29/03 R, BSGE 92, 113 , RdNr 33 ff = SozR 4-2600 § 46 Nr 1 RdNr 33 ff; vgl auch: BSG Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 45/03 R , SozR 4-2600 § 307b Nr 4 RdNr 16).

§ 4 Abs 1 VAHRG erfasst daher nur die Fallgruppen, dass trotz der Übertragung

(a) keine Rentenanwartschaft entstanden ist, sondern nur ein rentenversicherungsrechtliches Anrecht, aus dem ein Vollrecht nicht entstehen kann (dazu näher: BSGE 92, 113 , RdNr 55 ff = SozR 4-2600 § 46 Nr 1 RdNr 55 ff), (b) zwar eine Rentenanwartschaft entstanden ist, die aber mangels potenzieller Hinterbliebener keine Eigenversicherung umfasst, und der Versicherte vor der Bewilligung oder Erfüllung von Ansprüchen aus einem Vollrecht auf Rente (wegen Alters oder wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach §§ 35 ff , 43 ff SGB VI ) oder auf Leistungen zur Teilhabe ( §§ 9 ff SGB VI ) stirbt.

Zu diesem Personenkreis gehört der Ausgleichsberechtigte nicht, weil er im Blick auf seine neue Ehefrau eine Eigenversicherung erlangt hatte.

( ...) Die Regelungen in § 4 Abs 1 und Abs 2 VAHRG ergänzen sich somit.

Abs 1 aaO ist - wie dargelegt - anzuwenden, wenn der verstorbene Ausgleichsberechtigte "vor seinem Tod keine Leistungen aus dem erworbenen Anrecht erhalten hat"; Abs 2 aaO ist maßgeblich, wenn dem Ausgleichsberechtigten oder seinen Hinterbliebenen "aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt wurden oder werden". Die Beklagte hat mit den an die Witwe des (verstorbenen) Ausgleichsberechtigten gezahlten monatlichen Geldbeträgen aus deren aus der Rechtsposition des Versicherten abgeleiteten Recht auf Witwenrente solche Leistungen erbracht. Das Stammrecht der Witwe auf eine monatliche Rente ist schon deswegen eine Frucht aus dem im Versorgungsausgleich vom Ausgleichsberechtigten erworbenen Anrecht, weil die individualisierten monatlichen Rentenansprüche jedenfalls der Höhe nach auch auf den zugesplitteten Anwartschaften beruhen (vgl BSG Urteil vom 14. Mai 1996 - 4 RA 22/95 , SozR 3-5795 § 4 Nr 6 S 41; dazu auch: BSG Urteil vom 29. Januar 2004 - B 4 RA 29/03 R, BSGE 92, 113 , RdNr 34 ff, 49 ff = SozR 4-2600 § 46 Nr 1 Nr 34 ff, 49 ff). Die für die Hinterbliebenenrente relevante "Summe der EP" (Rangwert) ist die Summe der EP, die dem Versicherten bei seinem Tod rechtlich zustanden ( § 66 Abs 2 Nr 2 SGB VI ).

Die Rückausgleichsberechtigung der Klägerin nach § 4 Abs 2 VAHRG - unter Anrechnung des Zugeflossenen - entsteht, wenn die Summe der Geldwerte der "aus dem erworbenen Anrecht gewährten" Leistungen den maßgeblichen Grenzbetrag nicht übersteigt. Das ist der Fall, wenn der Wert in Geld nicht höher ist als zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezugs berechneten RAR aus dem erworbenen Anrecht (vgl BSG Urteil vom 14. Mai 1996, aaO, S 41). Diesem "Grenzwert" ist die Summe der Werte (in Geld) aller "aus dem erworbenen Anrecht gewährten" individualisierten Leistungen gegenüber zu stellen, dh die Summe der einzelnen geldwerten unmittelbaren Rechtsfrüchte ( § 99 Abs 2 BGB ) aus den abgesplitteten "Anwartschaften". Daher ist für jeden individualisierten Leistungsanspruch gesondert zu prüfen, wie weit gerade er Frucht des im Versorgungsausgleich erworbenen Anrechts ist (vgl BSG aaO S 41 f).

Die Beklagte und die Instanzgerichte sind zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin vor dem Ende des Leistungsbezugs der Witwe des Ausgleichsberechtigten kein Anspruch aus § 4 Abs 2 VAHRG zustehen kann. Denn erst zu diesem Zeitpunkt kann festgestellt werden, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Erst dann lassen sich zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezugs berechneten RAR feststellen, denen die Summe der Werte aller bis dahin "aus dem erworbenen Anrecht gewährten" individualisierten Leistungen gegenüber zu stellen ist.

Streit besteht im vorliegenden Fall allein darüber, ob der Kläger als so genannten "Rückausgleich" nach § 4 VAHRG den Gegeneinwand geltend machen kann, dass der durchgeführte Versorgungsausgleich keine Rechtswirkung entfaltet, also die Wertfestsetzung ohne Abschlag an Entgeltpunkten (hier 13,6431 EP) für den durchgeführten Versorgungsausgleich zu erfolgen hat. Dies ist nach den oben dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, zu verneinen. Denn § 4 Abs. 1 und 2 VAHRG in ihrer nach den obigen Grundsätzen gemeinsam zusammen zu lesenden Gesamtschau sind vorliegend nicht erfüllt, so dass keine Härte vorliegt: Zwar ist ein Versorgungsausgleich gemäß § 1587b BGB durchgeführt worden ist (§ 4 Abs. 1 VAHRG) und ist die Berechtigte gestorben, aber aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht werden mit der zunächst an die Berechtigte gezahlte Altersrente für Frauen ab dem 01.10.2003 und die ab dem 01.06.2004 geleisteten großen Witwerrente an K. M. Leistungen gewährt, die insgesamt zwei Jahresbeiträge übersteigen (§ 4 Abs. 2 VAHRG). Der Kläger räumt selbst ein, dass seine Auslegung des Leistungsbegriffs mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen ist. Er übersieht, dass mit der Witwerrente an den neuen Ehemann der geschiedenen Frau des Klägers aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen erbracht werden, diese sind zu berücksichtigen. Seine im übrigen geltend gemachten "Härten" sind subjektiver Art und werden vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt.

Der Kläger hat damit keinen Anspruch auf höhere Rentenleistungen, die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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