L 12 AL 2528/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 2194/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2528/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der dem Kläger gewährten Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Der 1962 geborene, verheiratete Kläger war zuletzt bis 31.7.2003 als Gartenbauarbeiter beschäftigt und verdiente in dieser Zeit etwa 1350 EUR monatlich brutto. Danach war er arbeitslos.

Die Beklagte bewilligte ihm antragsgemäß mit Bescheid vom 8.8.2003 Arbeitslosengeld ab 1.8.2003 für 206 Tage in Höhe von (zuletzt ab 1.1.2004) wöchentlich 137,62 Euro. Arbeitslosengeld wurde gewährt bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 22.2.2004.

Am 7.4.2004 beantragte der Kläger Alhi. Zu der Zeit bezog die Ehefrau des Klägers ein Nettoeinkommen von 1087,39 Euro monatlich.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 11.5.2004 Alhi ab 23.2.2004 unter Anrechnung des Ehegatteneinkommens in Höhe von wöchentlich 23,24 Euro.

Den Widerspruch des Klägers gegen die Höhe der Alhi wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6.8.2004 zurück. Unter Darstellung der einschlägigen Rechtsnormen, insbesondere § 190 Abs. 1 und § 194 Abs. 1 SGB III wies sie darauf hin, die Ehefrau des Klägers verdiene monatlich 1087, 39 Euro netto. Von dem Einkommen seien abzusetzen der Freibetrag in Höhe der hypothetischen Alhi von monatlich 583,61 Euro, ferner als Pauschbetrag drei Prozent des Einkommens, also 48,43 Euro, ferner Fahrkosten in Höhe von monatlich 34,20 Euro. Damit sei vom Einkommen der Ehefrau ein monatlicher Betrag von 421,15. Euro bzw. wöchentlich 97,16 Euro anzurechnen. Bei einer rechnerischen Alhi des Klägers von wöchentlich 120,40 Euro ergebe sich ein Zahlbetrag in Höhe von 23,24 Euro.

Dagegen hat der Kläger am 9.9.2004 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Er hat vorgebracht, er könne nicht von wöchentlich 23,24 Euro leben. Das SG hat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 20.4.2006 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es unter nochmaliger ausführlicher Darstellung der Rechtsgrundlagen die Berechnungsweise der Beklagten als nach Rechtsgrund und Berechnungsweise zutreffend herausgearbeitet.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.5.2006 Berufung eingelegt. Er trägt zur Begründung vor, er wende sich nicht gegen die rechnerischen Ausführungen im angegriffenen Gerichtsbescheid. Die Berechnung des wöchentlichen Zahlbetrages von 23,24 Euro sei selbstverständlich rechnerisch zutreffend ermittelt worden. Die der Berechnung zu Grunde liegenden gesetzlichen Grundlagen seien aber nicht mit der Verfassung vereinbar. Es widerspreche dem Sozialstaatsprinzip und taste die Menschenwürde an, wenn ihm zugemutet werde, von 23,24 Euro wöchentlich leben zu sollen. Er bitte deshalb, die zu Grunde liegenden gesetzlichen Regelungen auf ihre Verfassungskonformität zu überprüfen.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Konstanz vom 20.4.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.5.2004 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 6.8.2004 zu verurteilen, ihm höhere Arbeitslosenhilfe zu gewäh- ren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.

Der Senat weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück. Er nimmt auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung nicht gegen die rechtliche und rechnerische Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides und des angefochtenen Gerichtsbescheides. Er meint lediglich, die Gesamtregelung des Gesetzes, die dazu führe, dass er gezwungen werde, von 23,24 Euro wöchentlich leben zu müssen, verstoße gegen die Verfassung. Dies ist indes nicht der Fall.

Dem Kläger ist zunächst entgegenzuhalten, dass ihm von Gesetzes wegen nicht abverlangt wird, von 23,24 Euro wöchentlich leben zu müssen. Vielmehr verlangt das Gesetz, konkret die Regelung über die Alhi im SGB III, dass der Kläger mit seiner zusammenlebenden Ehefrau von deren Erwerbseinkommen und der nach Einkommensanrechnung verbleibenden Alhi des Klägers lebt. Dies ist nicht zu beanstanden und entsprach dem gesetzlichen Sinn und Zweck der Alhi. Weil die Vorschriften über die Alhi zum 31.12.2004 gestrichen worden sind und ab 1.1.2005 durch die Regelungen über das Arbeitslosengeld II im SGB II ersetzt worden sind, ist über die Alhi hier ohnehin nur in der Vergangenheitsform, also rückwirkend zu urteilen. Die Alhi war dazu bestimmt, die Lücken zu füllen, die sich aus der Begrenzung des Rechts auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung ergaben. Arbeitslose, die Arbeitslosengeld entweder gar nicht oder infolge Zeitablaufs nicht mehr beanspruchen konnten, sollten nicht ohne weiteres der Sozialhilfe anheim fallen. Die Leistungen der Alhi bestimmten sich in der Höhe nach dem früheren Arbeitseinkommen des Arbeitslosen, wurden aber nur gewährt, wenn und soweit er bedürftig war. Die Kosten der Alhi trug auch nicht die Arbeitslosenversicherung, sondern der Bund, sie wurde aus Steuermitteln finanziert.

Diese Grundstruktur der Alhi ist vom BVerfG in mehreren Entscheidungen als verfassungsgemäß bestätigt worden. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Alhi als staatliche Sozialleistung einerseits am früher bezogenen Arbeitseinkommen des Arbeitslosen ausgerichtet sei, andererseits durch die Bedürftigkeit des Arbeitslosen begrenzt werde. Dies halte sich im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes (BVerfGE 81, 156). Bei der Regelung der verschärften Bedürftigkeitsprüfung habe der Gesetzgeber auch ohne Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG davon ausgehen dürfen, dass sich die Bedürftigkeit eines verheirateten Arbeitslosen durch Unterhaltsleistungen seines von ihm nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten mindere (BVerfGE 75, 382). Lebten Eheleute nicht dauernd getrennt, so sei auch die Vermutung erlaubt, dass sie einander in der gebotenen Weise Unterhalt leisteten. Dies rechtfertige prinzipiell die Methode einer pauschalen Einkommensanrechnung. Darüberhinaus habe der Gesetzgeber, ohne damit die Ehe zu diskriminieren, die Konsequenz aus der Erfahrung des täglichen Lebens ziehen dürfen, dass in einer Haushaltsgemeinschaft umfassend aus einem Topf gewirtschaftet werde mit der Folge, dass zusammenlebende Ehegatten einen finanziellen Mindestbedarf hätten, der unter dem doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden liege (aaO).

Soweit das BVerfG in einer weiteren Entscheidung (BVerfGE 87, 237) die für die Gewährung von Alhi vorgeschriebene Einkommensanrechnung unter nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten verfassungsrechtlich beanstandet hat, weil sie Ehepartner, die zuvor beide erwerbstätig gewesen seien, gegenüber solchen, von denen nur einer erwerbstätig gewesen sei, benachteilige, hat der Gesetzgeber dem mit Wirkung vom 1.1.1994 dadurch Rechnung getragen, als er die damalige Regelung in § 138 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 9 AFG neu gestaltet hat. Diese Neuregelung entsprach dem hier anzuwendenden § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB III. Das BVerfG hat in der letztgenannten Entscheidung klargestellt, dass, wenn der Gesetzgeber die gerügten verfassungsrechtlichen Mängel beseitige, Bedenken gegen die Bedürftigkeitsprüfung nicht (mehr) bestehen. Dem ist insoweit nichts hinzuzufügen.

Nach alledem vermag der Senat einen Verstoß der gesetzlichen Regelung gegen verfassungsrechtliche Grundsätze, vor allem gegen das Sozialstaatsprinzip und erst recht gegen die Menschenwürde, nicht zu erkennen. Die Berufung ist vielmehr aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, die auch einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, vor allem auch, weil es sich um ausgelaufenes Recht handelt.
Rechtskraft
Aus
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