Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 33/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4272/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1963 geborene Klägerin bezog ab dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zum 1.10.2005 zog die Klägerin mit ihrem am 18.1.1987 geborenen Sohn M. in die Wohnung G. in K. um.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 29.9.2005 für die Zeit vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Von den Unterkunftskosten brachte die Beklagte einen Betrag von 11,40 Euro monatlich in Abzug, weil die Wohnung unangemessen groß bzw. zu teuer sei. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, sie begehrte die ungekürzte Berücksichtigung der Unterkunftskosten. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2005 zurückgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 3.1.2006 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Sie hat zum einen die Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten geltend gemacht, zum anderen die Anerkennung der Haushaltsgemeinschaft zwischen ihr und ihrem Sohn als Bedarfsgemeinschaft. Der Sohn M. ist pflegebedürftig in Pflegestufe I im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Er bezieht Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 24.4.2006 bereiterklärt, die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen, die Beklagte hat es mit Bescheid vom 3.5.2006 ausgeführt.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für ihren Sohn gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin bilde in dem hier maßgeblichen Entscheidungszeitraum (1.10.2005 bis 30.3.2006) mit ihrem volljährigen Sohn M. keine Bedarfsgemeinschaft i. S. des § 7 Abs. 3 SGB II. Nach der bis zum 30.6.2005 gültigen Rechtslage hätten volljährige erwerbsfähige Kinder, auch wenn sie mit den Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft gelebt hätten, eine eigene Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II gebildet. Aber auch nicht erwerbsfähige volljährige Kinder bildeten keine Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern bzw. einem Elternteil. Die nicht erwerbsfähigen Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, hätten einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII. Dementsprechend beziehe auch der Sohn der Klägerin Leistungen gem. §§ 27 ff. SGB XII. Mit der ab dem 1.7.2006 geltenden Änderung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehören die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zur Bedarfsgemeinschaft, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen könnten. Der Zeitraum ab dem 1.7.2006 sei jedoch nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens.
Gegen diesen mit eingeschriebenem Brief vom 27.7.2006 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23.8.2006 Berufung eingelegt. Sie bringt zur Begründung vor, der Gesetzgeber habe für die Zeit ab 1.7.2006 nunmehr eindeutig anerkannt, dass die streitgegenständliche Haushaltsgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem nicht erwerbsfähigen volljährigen Sohn eine Bedarfsgemeinschaft i. S. des SGB II darstelle. Damit habe der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass der bis 30.6.2006 geltenden Gesetzeswortlaut vor dem Hintergrund der ansonsten geltenden Rechtslage, insbesondere den Grundsätzen familiengerechter Hilfe i. S. des § 7 BSHG, unvollständig gewesen sei. Wenn schon Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen in einer Haushaltsgemeinschaft lebten, bei Vorliegen entsprechender Hilfsbedürftigkeit zusätzliche Dienst- und Sachleistungen erhielten bzw. hier eine Bedarfsgemeinschaft anerkannt werde, so müsse dies auch schon vor dem 1.7.2006 für solche Personen gelten, die mit nicht erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen in einer Haushaltsgemeinschaft lebten. Ebensowenig könne die Tatsache, dass eine dauerhaft nicht erwerbsfähige Personen volljährig geworden sei, die bis zum Eintritt der Volljährigkeit bestehende Hilfebedürftigkeit bzw. Bedarfsgemeinschaft von einem Tag auf den anderen wegfallen lassen. Der Gesetzgeber habe also mit dem am 1.7.2006 geänderten Wortlaut des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II in erster Linie klargestellt, dass auch eine Haushaltsgemeinschaft wie die vorliegende eine Bedarfsgemeinschaft i. S. des SGB II sei. Weil es sich um die Klarstellung einer erst jetzt erkannten Bedarfssituationen handele, sei schon vor dem 1.7.2006 eine Bedarfsgemeinschaft im vorliegenden Einzelfall anzuerkennen. Da der Sohn der Klägerin auf Grund seiner Behinderung dauerhaft erwerbsunfähig sei und die Klägerin als Pflegeperson dadurch gehindert sei, durch eigene Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt für sich und ihren Sohn ausreichend zu bestreiten, müsse eine solche dauerhafte ausreichende Sicherung in jedem Fall durch die Vorschriften des SGB II bzw. der Anerkennung einer Bedarfsgemeinschaft gewährt werden.
Die Klägerin stellt den Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25.7.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.9.2005 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 29.12.2005 zu verurteilen, ihr in der Zeit vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 auch für ihren Sohn M. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Erst nach der zum 1.7.2006 eingetretenen Gesetzesänderung hinsichtlich § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehörten die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder, welche das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, grundsätzlich zur Bedarfsgemeinschaft. Im vorliegenden Fall sei für den streitigen Zeitraum 1.10.2005 bis 31.3.2006 nicht von einer Bedarfsgemeinschaft auszugehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Der Sohn der Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil er nicht mit der Klägerin eine Bedarfsgemeinschaft i. S. des § 7 Abs. 3 SGB II bildet.
Nach der vom 1.1.2005 bis 30.6.2006 geltenden Fassung des § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Nach Abs. 3 Nr. 4 der genannten Rechtsnorm gehörten zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder der (u. a.) erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können.
Nach dieser Rechtsnorm ist die Klägerin zutreffend als Leistungsberechtigte nach dem SGB II angesehen worden. Der dauerhaft nicht erwerbsfähige Sohn der Klägerin ist nach dieser Vorschrift im hier streitigen Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, denn er ist nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft i. S. des § 7 Abs. 3 SGB II. Er bezieht vielmehr zutreffenderweise Leistungen nach dem SGB XII - Sozialhilfe -.
Mit Wirkung zum 1.7.2006 wurde § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II (durch das Gesetz vom 24.3.2003 I 558) dahingehend geändert, dass zur Bedarfsgemeinschaft nunmehr gehören die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der (u. a.) erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
Diese geänderte Rechtsnorm kann im vorliegenden Rechtsstreit der Klägerin und ihrem Sohn nicht zugutekommen. Dies hat das SG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt. Daran vermag auch die Berufungsbegründung der Klägerin nichts zu ändern.
Hierzu ist folgendes auszuführen:
Angesichts des eindeutigen Wortlauts der die Bedarfsgemeinschaft normierenden gesetzlichen Regelung in der Zeit vor dem 1.7.2006 und nach dem 1.7.2006 kann nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung zum 1.7.2006 lediglich einen vorher bestehenden Rechtszustand klargestellt. Vielmehr wurde/wird eindeutig bestimmt, dass bis zum 31.6.2006 nur die minderjährigen unverheirateten Kinder zur Bedarfsgemeinschaft gehörten, ab dem 1.7.2006 die unverheirateten Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Neuregelung war es zu verhindern, dass erwerbsfähige minderjährige Kinder im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II dann, wenn sie volljährig werden, selbst zu Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 SGB II werden. Sie konnten dann die Haushalts- und Bedarfsgemeinschaft verlassen und selbst die vollen Leistungen nach §§ 20, 22 SGB II beziehen. Dies zu erschweren und tendenziell zu unterbinden war der Zweck der genannten gesetzlichen Neuregelung. Geändert hat sich die rechtliche Situation der nicht erwerbsfähigen Kinder durch die gesetzliche Neuregelung insoweit, als sie jetzt bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres in der Bedarfsgemeinschaft verbleiben. Nichts geändert hat sich an der rechtlichen Situation des Sohnes der Klägerin, der im hier streitigen Zeitraum (und im Zeitpunkt der genannten Gesetzesänderung) zwar volljährig war, aber das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Er war sowohl vor als auch nach der Neufassung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II leistungsberechtigt nach § 19 Abs. 2 i. V. m. §§ 41 ff. SGB XII.
Die Klägerin ist ferner darauf hinzuweisen, dass das von ihr genannte erweiterte Leistungsspektrum mit zusätzlichen Dienst- und Sachleistungen hier nicht vom SGB II, sondern vom SGB XII angeboten wird. Das SGB XII enthält in § 16 den aus § 7 BSHG bekannten Grundsatz familiengerechter Leistungserbringung. Einen dem vergleichbaren Grundsatz kennt das SGB II nicht.
Schließlich ist die Klägerin darauf hinzuweisen dass ihr (auf Dauer nicht erwerbsfähiger) Sohn, selbst wenn er zur Bedarfsgemeinschaft i. S. des § 7 Abs. 3 SGB II zählen würde, ohnehin lediglich das Sozialgeld nach § 28 SGB II beziehen könnte. Dieses wird jedoch nur gewährt, soweit kein Anspruch auf Leistungen nach §§ 19, 41 ff. SGB XII besteht. Es hat damit dabei zu verbleiben, dass die Klägerin, wenn sie für ihren Sohn ein erweitertes Leistungsspektrum glaubt beanspruchen zu können, dieses nur über das SGB XII und nicht über die Bedarfsgemeinschaft des § 7 Abs. 3 SGB II erreichen kann.
Die Berufung der Klägerin erweist sich damit als unbegründet, sie ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere sieht der Senat angesichts des eindeutigen Wortlauts der streitigen Rechtsnorm keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, vor allem auch, weil es sich insoweit um ausgelaufenes Recht handelt.
2. Außergerichtliche Kosten sind zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1963 geborene Klägerin bezog ab dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zum 1.10.2005 zog die Klägerin mit ihrem am 18.1.1987 geborenen Sohn M. in die Wohnung G. in K. um.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 29.9.2005 für die Zeit vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Von den Unterkunftskosten brachte die Beklagte einen Betrag von 11,40 Euro monatlich in Abzug, weil die Wohnung unangemessen groß bzw. zu teuer sei. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, sie begehrte die ungekürzte Berücksichtigung der Unterkunftskosten. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2005 zurückgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 3.1.2006 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Sie hat zum einen die Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten geltend gemacht, zum anderen die Anerkennung der Haushaltsgemeinschaft zwischen ihr und ihrem Sohn als Bedarfsgemeinschaft. Der Sohn M. ist pflegebedürftig in Pflegestufe I im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Er bezieht Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 24.4.2006 bereiterklärt, die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen, die Beklagte hat es mit Bescheid vom 3.5.2006 ausgeführt.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für ihren Sohn gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin bilde in dem hier maßgeblichen Entscheidungszeitraum (1.10.2005 bis 30.3.2006) mit ihrem volljährigen Sohn M. keine Bedarfsgemeinschaft i. S. des § 7 Abs. 3 SGB II. Nach der bis zum 30.6.2005 gültigen Rechtslage hätten volljährige erwerbsfähige Kinder, auch wenn sie mit den Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft gelebt hätten, eine eigene Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II gebildet. Aber auch nicht erwerbsfähige volljährige Kinder bildeten keine Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern bzw. einem Elternteil. Die nicht erwerbsfähigen Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, hätten einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII. Dementsprechend beziehe auch der Sohn der Klägerin Leistungen gem. §§ 27 ff. SGB XII. Mit der ab dem 1.7.2006 geltenden Änderung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehören die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zur Bedarfsgemeinschaft, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen könnten. Der Zeitraum ab dem 1.7.2006 sei jedoch nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens.
Gegen diesen mit eingeschriebenem Brief vom 27.7.2006 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23.8.2006 Berufung eingelegt. Sie bringt zur Begründung vor, der Gesetzgeber habe für die Zeit ab 1.7.2006 nunmehr eindeutig anerkannt, dass die streitgegenständliche Haushaltsgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem nicht erwerbsfähigen volljährigen Sohn eine Bedarfsgemeinschaft i. S. des SGB II darstelle. Damit habe der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass der bis 30.6.2006 geltenden Gesetzeswortlaut vor dem Hintergrund der ansonsten geltenden Rechtslage, insbesondere den Grundsätzen familiengerechter Hilfe i. S. des § 7 BSHG, unvollständig gewesen sei. Wenn schon Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen in einer Haushaltsgemeinschaft lebten, bei Vorliegen entsprechender Hilfsbedürftigkeit zusätzliche Dienst- und Sachleistungen erhielten bzw. hier eine Bedarfsgemeinschaft anerkannt werde, so müsse dies auch schon vor dem 1.7.2006 für solche Personen gelten, die mit nicht erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen in einer Haushaltsgemeinschaft lebten. Ebensowenig könne die Tatsache, dass eine dauerhaft nicht erwerbsfähige Personen volljährig geworden sei, die bis zum Eintritt der Volljährigkeit bestehende Hilfebedürftigkeit bzw. Bedarfsgemeinschaft von einem Tag auf den anderen wegfallen lassen. Der Gesetzgeber habe also mit dem am 1.7.2006 geänderten Wortlaut des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II in erster Linie klargestellt, dass auch eine Haushaltsgemeinschaft wie die vorliegende eine Bedarfsgemeinschaft i. S. des SGB II sei. Weil es sich um die Klarstellung einer erst jetzt erkannten Bedarfssituationen handele, sei schon vor dem 1.7.2006 eine Bedarfsgemeinschaft im vorliegenden Einzelfall anzuerkennen. Da der Sohn der Klägerin auf Grund seiner Behinderung dauerhaft erwerbsunfähig sei und die Klägerin als Pflegeperson dadurch gehindert sei, durch eigene Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt für sich und ihren Sohn ausreichend zu bestreiten, müsse eine solche dauerhafte ausreichende Sicherung in jedem Fall durch die Vorschriften des SGB II bzw. der Anerkennung einer Bedarfsgemeinschaft gewährt werden.
Die Klägerin stellt den Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25.7.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.9.2005 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 29.12.2005 zu verurteilen, ihr in der Zeit vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 auch für ihren Sohn M. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Erst nach der zum 1.7.2006 eingetretenen Gesetzesänderung hinsichtlich § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehörten die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder, welche das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, grundsätzlich zur Bedarfsgemeinschaft. Im vorliegenden Fall sei für den streitigen Zeitraum 1.10.2005 bis 31.3.2006 nicht von einer Bedarfsgemeinschaft auszugehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Der Sohn der Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil er nicht mit der Klägerin eine Bedarfsgemeinschaft i. S. des § 7 Abs. 3 SGB II bildet.
Nach der vom 1.1.2005 bis 30.6.2006 geltenden Fassung des § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Nach Abs. 3 Nr. 4 der genannten Rechtsnorm gehörten zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder der (u. a.) erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können.
Nach dieser Rechtsnorm ist die Klägerin zutreffend als Leistungsberechtigte nach dem SGB II angesehen worden. Der dauerhaft nicht erwerbsfähige Sohn der Klägerin ist nach dieser Vorschrift im hier streitigen Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, denn er ist nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft i. S. des § 7 Abs. 3 SGB II. Er bezieht vielmehr zutreffenderweise Leistungen nach dem SGB XII - Sozialhilfe -.
Mit Wirkung zum 1.7.2006 wurde § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II (durch das Gesetz vom 24.3.2003 I 558) dahingehend geändert, dass zur Bedarfsgemeinschaft nunmehr gehören die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der (u. a.) erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
Diese geänderte Rechtsnorm kann im vorliegenden Rechtsstreit der Klägerin und ihrem Sohn nicht zugutekommen. Dies hat das SG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt. Daran vermag auch die Berufungsbegründung der Klägerin nichts zu ändern.
Hierzu ist folgendes auszuführen:
Angesichts des eindeutigen Wortlauts der die Bedarfsgemeinschaft normierenden gesetzlichen Regelung in der Zeit vor dem 1.7.2006 und nach dem 1.7.2006 kann nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung zum 1.7.2006 lediglich einen vorher bestehenden Rechtszustand klargestellt. Vielmehr wurde/wird eindeutig bestimmt, dass bis zum 31.6.2006 nur die minderjährigen unverheirateten Kinder zur Bedarfsgemeinschaft gehörten, ab dem 1.7.2006 die unverheirateten Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Neuregelung war es zu verhindern, dass erwerbsfähige minderjährige Kinder im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II dann, wenn sie volljährig werden, selbst zu Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 SGB II werden. Sie konnten dann die Haushalts- und Bedarfsgemeinschaft verlassen und selbst die vollen Leistungen nach §§ 20, 22 SGB II beziehen. Dies zu erschweren und tendenziell zu unterbinden war der Zweck der genannten gesetzlichen Neuregelung. Geändert hat sich die rechtliche Situation der nicht erwerbsfähigen Kinder durch die gesetzliche Neuregelung insoweit, als sie jetzt bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres in der Bedarfsgemeinschaft verbleiben. Nichts geändert hat sich an der rechtlichen Situation des Sohnes der Klägerin, der im hier streitigen Zeitraum (und im Zeitpunkt der genannten Gesetzesänderung) zwar volljährig war, aber das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Er war sowohl vor als auch nach der Neufassung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II leistungsberechtigt nach § 19 Abs. 2 i. V. m. §§ 41 ff. SGB XII.
Die Klägerin ist ferner darauf hinzuweisen, dass das von ihr genannte erweiterte Leistungsspektrum mit zusätzlichen Dienst- und Sachleistungen hier nicht vom SGB II, sondern vom SGB XII angeboten wird. Das SGB XII enthält in § 16 den aus § 7 BSHG bekannten Grundsatz familiengerechter Leistungserbringung. Einen dem vergleichbaren Grundsatz kennt das SGB II nicht.
Schließlich ist die Klägerin darauf hinzuweisen dass ihr (auf Dauer nicht erwerbsfähiger) Sohn, selbst wenn er zur Bedarfsgemeinschaft i. S. des § 7 Abs. 3 SGB II zählen würde, ohnehin lediglich das Sozialgeld nach § 28 SGB II beziehen könnte. Dieses wird jedoch nur gewährt, soweit kein Anspruch auf Leistungen nach §§ 19, 41 ff. SGB XII besteht. Es hat damit dabei zu verbleiben, dass die Klägerin, wenn sie für ihren Sohn ein erweitertes Leistungsspektrum glaubt beanspruchen zu können, dieses nur über das SGB XII und nicht über die Bedarfsgemeinschaft des § 7 Abs. 3 SGB II erreichen kann.
Die Berufung der Klägerin erweist sich damit als unbegründet, sie ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere sieht der Senat angesichts des eindeutigen Wortlauts der streitigen Rechtsnorm keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, vor allem auch, weil es sich insoweit um ausgelaufenes Recht handelt.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved