L 8 AS 6203/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 3738/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 6203/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. November 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht Reutlingen (SG) nicht abgeholfen hat, gegen den Beschluss des SG vom 13.12.2006, mit dem das SG den Antrag des Antragstellers vom 11.10.2006, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum ab 01.10.2006 weiter zu gewähren, abgelehnt hat, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).

Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236; BVerfG, NVwZ 2004, 95,96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG, NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).

Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).

Diese Voraussetzungen sind beim Antragsteller nicht erfüllt. Der Senat gelangt mit dem SG nach eigener Überprüfung ebenfalls zu der Ansicht, dass ein Anordnungsanspruch für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II nicht glaubhaft gemacht ist.

Der Antragsteller wohnte seit März/April 2003 zusammen mit Frau K. (K) in einer von K angemieteten Wohnung. Bereits in den Jahren 2000 bis 2002 waren der Antragsteller und K "ein Paar", wobei diese Beziehung im Jahr 2002 wegen persönlicher Probleme des Antragstellers von K beendet wurde, wie K ausweislich der Niederschrift des SG vom 08.11.2006 bei ihrer Vernehmung beim SG angegeben hat. Nach den Feststellungen von Mitarbeitern des Antragsgegners bei einer Wohnungsbegehung am 31.08.2006 bestand die Wohnung ausweislich der hierzu gefertigten Niederschrift aus einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, einer Küche und einem Bad. Im Schlafzimmer waren ein Doppelbett und drei Kleiderschränke vorhanden. Ein Kleiderschrank stand K zur Verfügung. Nach den Angaben der K beim SG wurde das Doppelbett auch gemeinsam benutzt. Dem entsprachen auch die Feststellungen der Mitarbeiter des Antragsgegners bei der Wohnungsbegehung, wonach das Doppelbett mit zwei Garnituren Bettzeug versehen waren, die beidseitig benutzt waren. Auf dem Bett lag der Schlafanzug von K. Auf dem Nachtkästchen standen Fotografieren der K. Es enthielt persönliche Sachen des Antragstellers. Auf einer Pinnwand fand sich eine Photographie, auf der der Antragsteller und K küssend abgebildet sind. Weiter fand sich ein Zettel mit der Aufschrift "Ich liebe Dich! Für mein Herz G. - D." (Kosename der K). Weiter haben der Antragsteller und K im Jahr 2005 zusammen in Rumänien ihren Urlaub verbracht, den sie dazu nutzten, sich ihre Zähne dort richten zu lassen, wie K beim SG außerdem angegeben hat. Aufgrund dieser Tatsachen, insbesondere aufgrund der Gestaltung, Einrichtung und Nutzung der Wohnung durch den Antragsteller und K drängt sich der Eindruck auf und rechtfertigt sich die Vermutung, dass der Antragsteller und K in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebten, das nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, weshalb beim Antragsteller und K vom Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3c iVm Abs. 3a SGB II (in der ab 01.08.2006 gültigen Fassung) auszugehen ist.

Das hiergegen gerichteten Vorbringen des Antragstellers, insbesondere, es sei weder zur Aufnahme einer Beziehung gekommen, noch bestünden gemeinsame Konten, Schulden oder Ratenzahlungsverpflichtungen, er beteilige sich an den Mietkosten (170 EUR), bezahle 30 EUR für die Nutzung von Haushaltsgeräten und wasche seine Wäsche selbst mit eigenen Waschmitteln, es bestehe lediglich eine Wohngemeinschaft, ist nicht geeignet, den sich aus den oben genannten Tatsachen aufdrängenden Eindruck und die Vermutung für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft relevant zu entkräften, zumal es auch an Belegen fehlt, die dieses Vorbringen objektiv nachprüfbar macht. Entsprechendes gilt für die von K beim SG gemachten, dem Vorbringen des Klägers im Wesentlichen entsprechenden Angaben.

K ist nach dem Vorbringen des Antragstellers in einer Metzgerei erwerbstätig. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass sie im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II) zu berücksichtigendes Einkommen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II) erzielt. Hierzu hat der Antragsteller keine Angaben gemacht. Weiter fehlen Angaben zu den Vermögensverhältnissen der K. Damit kann beim Antragsteller nicht festgestellt werden, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II und damit ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bestand.

Schließlich rechtfertigt auch der Umstand, dass der Antragsteller zum 01.12.2006 aus der Wohnung der K in ein von ihm angemietetes möbliertes Zimmer umgezogen ist, wie sich aus den vorgelegten Akten des Antragsgegners ergibt, nicht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung. Denn der Antragsgegner hat ausweislich der vorgelegten Akten diesem Umstand mit Bescheid vom 04.12.2006, der nicht Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist, Rechnung getragen und hat dem Antragssteller nunmehr für die Zeit vom 1.12.2006 bis 31.05.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 521,26 EUR weiterbewilligt. Ob dem Umzug des Antragstellers zum 01.12.2006 auch im Zeitraum vom 01.10.2006 bis 30.11.2006 rechtsrelevante Bedeutung beizumessen ist, kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben. Denn die Klärung dieser Frage ist - ggf. - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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