L 12 AL 929/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 1900/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 929/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 18.3.2003 bis 1.1.2004, insbesondere die Frage der Bedürftigkeit.

Der 1946 geborene, alleinstehende Kläger bezog bis zur Erschöpfung des Anspruchs mit Ablauf des 1.1.2000 Arbeitslosengeld. Seinen im Dezember 1999 gestellten Antrag auf Gewährung von Alhi lehnte die Beklagte teilweise ab, weil der Kläger über Vermögen verfüge, das Bedürftigkeit für zehn Wochen ausschließe. Alhi erhielt der Kläger vom 12.3.2000 bis zum 11.3.2002 (Ende des weiteren Bewilligungsabschnitts). Zur Alterssicherung bestimmtes Vermögen in Form von Kapitallebensversicherungen mit Rückkaufswerten in Höhe von 84.791,38 DM (Stand Dezember 1999) blieb dabei unberücksichtigt.

Seine Fortzahlungsanträge vom 22.2.2002 und 27.11.2002 lehnte die Beklagte mit der Begründung bestandskräftig ab, der Kläger verfüge über anrechenbares Vermögen. Dabei berücksichtigte die Beklagte auch die Rückkaufswerte aus den Lebensversicherungen.

Am 18.3.2003 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Alhi. Zu diesem Zeitpunkt verfügte er über Bankanlagen in Höhe von 3.138 EUR sowie Lebensversicherungen mit einem Rückkaufswert von 29.721,75 EUR. Mit Bescheid vom 26.3.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.7.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alhi mit der Begründung ab, dieses Vermögen sei abzüglich eines Freibetrages von 29.120 EUR in Höhe von 3.739,12 EUR berücksichtigungsfähig und schließe Bedürftigkeit aus.

Mit seiner hiergegen am 4.8.2003 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Verwertung der Lebensversicherungen sei unwirtschaftlich, weil sich die Rückkaufswerte zukünftig in erheblichem Umfang erhöhen würden. Mit Urteil vom 29.1.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und unter Darstellung der Rechtsgrundlagen für die begehrte Leistung (§§ 190, 193 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB III - und §§ 1, 4 der Alhi-Verordnung vom 13.12.2001, BGBl. I, S. 3734 - AlhiV 2002 -) ausgeführt, die Lebensversicherungen seien in Höhe ihres Rückkaufswertes verwertbar und der Kläger verfüge somit auch unter Berücksichtigung des Freibetrages von 520 EUR je Lebensjahr über die Bedürftigkeit ausschließendes Vermögen. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung der Lebensversicherungen bestehe nicht. Der Kläger verkenne, dass die Zunahme der Rückkaufswerte mit der kontinuierlichen weiteren Beitragszahlung korrespondiere. Im Ergebnis errechne sich ein Wertverlust von unter zehn Prozent. Durchgreifende Bedenken gegen die Gültigkeit der Alhi-Verordnung bestünden nicht. Es hat sich insoweit dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 02.09.2003, L 6 AL 16/03 angeschlossen.

Gegen das ihm am 4.2.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4.3.2004 Berufung eingelegt. Er sieht sich in seinem Vertrauen auf die frühere Regelung enttäuscht und gegenüber von der Rentenversicherungspflicht Befreiten ungleich benachteiligt.

Nach zwischenzeitlichem teilweisen Verbrauch seines Vermögens und der Auszahlung und Verbrauch eines Versicherungsschein-Darlehns (Darlehn im Hinblick auf die Fälligkeit von Leistungen aus einer der Lebensversicherungen) hat die Beklagte dem Kläger auf seinen erneuten Antrag vom 2.1.2004 ab Antragsdatum Alhi bewilligt (u.a. Bescheid vom 7.10.2004). Das Gesamtvermögen des Klägers hat zum 2.1.2004 nur noch 29.162,18 EUR betragen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Januar 2004 und den Bescheid vom 26. März 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom 18. März 2003 Arbeitslosenhilfe bis zum 1. Januar 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Leistungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Senat folgt den Ausführungen des SG.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 26.3.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.7.2003 und damit die Gewährung von Alhi ab dem 18.3.2003, allerdings im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene Leistungsbewilligung zeitlich beschränkt bis zum 1.1.2004.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die Rechtsgrundlagen für die hier begehrte Leistung dargelegt und ohne Rechtsfehler ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für diese Leistung, nämlich Bedürftigkeit deshalb nicht erfüllt hat, weil er über verwertbares Vermögen verfügt hat, das auch unter Berücksichtigung des Freibetrages Bedürftigkeit ausgeschlossen hat. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass Bedenken gegen die Gültigkeit der AlhiV 2002 nicht bestehen und die Lebensversicherungen mit ihrem Rückkaufswert berücksichtigt werden müssen. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Soweit der Kläger sich in der Berufung zur Frage der Gültigkeit der AlhiV 2002 auf Ausführungen des Sozialgerichts Berlin im Urteil vom 24.1.2003, S 58 AL 2208/02 beruft, verweist der Senat - wie das SG - auf die diesbezüglich ergangene und das Urteil des Sozialgerichts Berlin aufhebende Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin vom 2.9.2003, L 6 AL 16/03. Diese Ausführungen des Landessozialgerichts Berlin sind noch immer überzeugend, auch wenn das entsprechende Revisionsverfahren B 11 AL 79/03 R zu Gunsten des dortigen Klägers geendet hat (Urteil vom 14.7.2004). Maßgebend ist insoweit ausschließlich eine vom Landesozialgericht Berlin nicht angewandte Übergangsvorschrift gewesen. Entsprechendes gilt für den vom Kläger in Bezug genommenen Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 11.6.2003, S 13 AL 110/02 ER, wobei der Senat darauf hinweist, dass sich der dort entschiedene Fall vom hier zu beurteilenden Sachverhalt dadurch unterscheidet, als der Kläger über die Übergangsvorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 AlhiV 2002 noch in den Genuss des höheren Freibetrages von 520 EUR je Lebensjahr gelangt.

Von der grundsätzlichen Gültigkeit der AlhiV 2002 geht zwischenzeitlich auch das Bundessozialgericht aus (Urteil vom 9.12.2004, B 7 AL 30/04 R). Allerdings hat das Bundessozialgericht in diesem Urteil auch entschieden, dass die AlhiV 2002 als Rechtsgrundlage für die hier in Rede stehende Vermögensanrechnung (nur) insoweit unzulänglich ist, als sie keine allgemeine Härteklausel enthält. Dementsprechend sieht sich der Senat zu einer allgemeinen Billigkeitsprüfung veranlasst, die jedoch zu keinem für den Kläger günstigen Ergebnis führt. Umstände, die zur Annahme einer besonderen Härte hinsichtlich des dem Kläger zugemuteten Vermögensverbrauches führen würden, sind nicht ersichtlich. Der Kläger ist alleinstehend und hat nach der Auskunft des Rentenversicherungsträgers vom 21.3.2003 eine Altersrente in Höhe von monatlich 755,21 EUR zu erwarten. Zuletzt vor dem streitigen Zeitraum bezog der Kläger Alhi bis zum 11.3.2002 in Höhe von wöchentlich 142,80 EUR, was einem monatlichen Leistungsbezug von 618,80 EUR entspricht. Damit hat der Kläger im Rentenalter eine höhere Leistung zu erwarten, als er derzeit als Arbeitsloser erhält. Zugemutet worden ist dem Kläger - bezogen auf den streitigen Zeitraum - ein Vermögensverbrauch in Höhe von ca. 3.740 EUR bei einem anrechnungsfreien Vermögen von 29.120 EUR. Es verbleiben daher für das Alter höhere Rücklagen, als an Vermögensverwertung im streitigen Zeitraum bei niedrigeren Leistungen zur Lebenshaltung zugemutet wird. Von einem Härtefall im Hinblick auf die Anrechnung der Lebensversicherungen kann daher nicht ausgegangen werden, auch nicht im Hinblick auf die mit der Vermögensverwertung verbundene Beeinträchtigung der ursprünglich beabsichtigten Altersvorsorge. Denn dies trifft alle Arbeitslosen gleichermaßen.

Soweit sich der Kläger in seinem Vertrauen auf frühere Regelungen über die Anrechnung von Vermögen enttäuscht sieht, ist klarzustellen, dass bereits seit dem 29.6.1999 (§ 6 Abs. 4 Nr. 2 der Alhi-Verordnung i. d. F. der Verordnung vom 18.6.1999, BGBl. I, S. 878) eine - nicht zu beanstandende (BSG Urteil vom 27.5.2003, B 7 AL 104/02 R) - Begrenzung von zur Alterssicherung bestimmtem Vermögen auf 1000 DM (ab dem 1.1.2002 auf 520 EUR) je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen sowie seines Ehegatten bestand. Die der Alterssicherung dienenden Lebensversicherungen des Klägers waren jedoch schon zu jenem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitslosengeldanspruch erschöpft war und der Kläger Alhi beantragte, vorhanden und überschritten die Angemessenheitsgrenze des § 6 Abs. 4 Nr. 2 Alhi-Verordnung (Fassung 1999) bei Weitem. Gleichwohl wurden sie von der Beklagten bei der Prüfung der Bedürftigkeit nicht berücksichtigt. Mögliches Vertrauen im Hinblick auf rechtswidriges Verwaltungshandeln ist jedoch nicht geschützt.

Durch die hier vom Kläger gerügte AlhiV 2002 wurde die Berücksichtigung von Vermögen damit - soweit der Kläger betroffen ist - insoweit verschärft, als der frühere allgemeine Freibetrag von 8000 DM (bzw. 4100 EUR) entfiel. Insoweit sieht der Senat - ebenso wenig wie das LSG Berlin - aber keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bzw. des Rückwirkungsverbotes. Wie der Gesetzgeber ist auch der Verordnungsgeber nicht gehindert, bestehende Regelungen auch zum Nachteil der Betroffenen zu ändern und diese Änderungen ab einem bestimmten Stichtag wirksam werden zu lassen.

Ebenfalls nicht zu folgen vermag der Senat dem Kläger, soweit sich dieser gegenüber von der Rentenversicherungspflicht Befreiten ungleich behandelt sieht. Vielmehr hält der Senat die Unterscheidung zwischen den in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogenen Arbeitslosen und den von der Rentenversicherungspflicht befreiten Arbeitslosen für ein sachgerechtes Differenzierungsmerkmale im Hinblick auf die Anrechnung von Vermögen unter dem Gesichtspunkt der Alterssicherung. Auch insoweit sind die Ausführungen des Landessozialgerichts Berlin zutreffend.

Dem im Verlauf des Rechtsstreits erfolgten teilweisen Verbrauch des Vermögens hat die Beklagte zutreffend durch die Bewilligung von Alhi ab dem 2.1.2004 Rechnung getragen. Zu diesem Zeitpunkt hat das Vermögen des Klägers die Freibetragsgrenze (seit Vollendung des 57. Lebensjahres am 30.3.2003 29.640 EUR) geringfügig unterschritten, so dass seither Bedürftigkeit und damit ein Leistungsanspruch nachgewiesen ist. Nähere Angaben zu den Ausgaben zwischen dem 30.12.2003 und dem 2.1.2004, jenem Zeitraum, in dem der Kläger weitere 700 EUR verbraucht hat und in dem damit der Freibetrag unterschritten worden ist, hat der Kläger nicht machen wollen (vgl. Bl. 159 der Leistungsakte). Ein früherer Leistungsbeginn ist daher nicht möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, insbesondere vermag der Senat keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu erkennen.
Rechtskraft
Aus
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