Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 305/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 921/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung des Grades der Behinderung der Behinderung (GdB) im Wege der Neufeststellung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Bei der am 24.2.1946 geborenen Klägerin stellte der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 11.9.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.2.1999 als Behinderungen "Wirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen (Einzel-GdB 20), Kreuzbandersatzplastik rechts bei posttraumatischer vorderer Kreuzbandruptur beider Kniegelenke (Einzel-GdB 30), Trigeminusneuralgie (Einzel-GdB 10)" bei einem Gesamt-GdB von 40 fest.
Den Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 1.2.2001 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17.4.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.1.2002 ab. Zu Grunde lagen die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Lazarus und Dr. Simo vom 17.3. und 7.11.2001 mit der Feststellung der Funktionsbeeinträchtigungen "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20), Polyarthrose (Teil-GdB 30), Trigeminusneuralgie - links - (Teil-GdB 10)".
Dagegen hat die Klägerin am 18.1.2002 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Feststellung eines höheren GdB weiterverfolgt hat.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 18, 20/23, 41/44, 48/50 und 58/62 der SG-Akte Bezug genommen).
Sodann hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des fachorthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. H. vom 8.5.2003. Festgestellt worden sind eine schmerzhafte Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenkes mit einer mäßigen Instabilität (Teil-GdB 20), eine schmerzhafte Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule (Teil-GdB 10) sowie eine schmerzhafte Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule (Teil-GdB 10). Insgesamt ist der GdB für die orthopädischen Befunde mit 30 bewertet worden.
Der Beklagte hat daraufhin unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 5.8.2003 die Funktionsbeeinträchtigungen mit "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20), Instabilität des rechten Kniegelenkes (Teil-GdB 20), Trigeminusneuralgie links (Teil-GdB 10), Schwerhörigkeit links (Teil-GdB 10)" bei einem Gesamt-GdB von weiterhin 40 bezeichnet.
Ferner hat das SG auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung des weiteren orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. S. vom 4.10.2003. Diagnostiziert worden ist ein chronisches Lumbalsyndrom bei Fehlstatik der Lendenwirbelsäule mit deutlicher Skoliose ohne neurologische Ausfallserscheinungen sowie ein chronisches Schulter-Arm-Syndrom beidseits mit Zervicobrachialgie und neurovegetativen, jedoch nicht neurologischen Ausfallserscheinungen (bezeichnet als mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten und bewertet mit einem Teil-GdB 30) und eine anteromediale Instabilität des rechten Kniegelenkes nach Verletzung des vorderen Kreuzbandes und Innenbandes bei Zustand nach Kreuzbandersatzplastik (bewertet als unvollständig kompensierbare Lockerung des Kniebandapparates des rechten Knies mit Gangunsicherheit und Chondromalazie und mit einem Teil-GdB 30). Orthopädischerseits ist der GdB mit 50 bewertet worden.
Das SG hat die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid vom 14.2.2005 abgewiesen.
Es hat unter Darstellung der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und maßgeblichen Rechtsvorschriften entschieden, dass dem Sachverständigengutachten von Dr. S. folgend hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule von mittelgradigen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten und damit entsprechend Ziff. 26.8 (Seite 116) der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004 (AHP) von einem Teil-GdB von 30 auszugehen sei. Hinsichtlich der Befunde im Bereich des rechten Knies sei nach Ziff. 26.18 (Seite 126) der AHP ein Teil-GdB von lediglich 20 anzusetzen. Hieraus ergebe sich ein Gesamt-GdB von 40, die weiteren bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen, die mit Teil-GdB von jeweils 10 zutreffend bewertet seien, wirkten sich auf den Gesamt-GdB nicht aus. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den ihr am 23.2.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4.3.2005 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie rügt im Wesentlichen die vom SG entgegen dem Sachverständigengutachten von Dr. S. vorgenommene Bewertung des Einzel-GdB für den Kniegelenksbefund sowie die mangelnde Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Schwerhörigkeit und der Trigeminusneuralgie.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der HNO-Arzt Dr. R. verneint in seiner Stellungnahme vom 26.1.2006 zusammenfassend den Eintritt einer wesentlichen Änderung, schließt sich bezüglich seines Fachgebiets der versorgungsärztlichen Einschätzung an und bewertet die Schwerhörigkeit mit einem GdB von "maximal 15". Hinsichtlich der Trigeminusneuralgie ergibt sich aus der Auskunft des Internisten Dr. Lang vom 16.2.2006 eine fachneurologische Behandlung zuletzt im Dezember 1991 bei nach wie vor bestehenden Schmerzen ohne wesentliche Änderung. In seiner - von der Klägerin vorgelegten - ärztlichen Bescheinigung vom 23.6.2006 wird dieser Sachverhalt im Wesentlichen nochmals bestätigt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 31/83 und 124 der LSG-Akte Bezug genommen).
Ferner hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. E. vom 19.4.2006. Beschrieben werden eine S-förmige Thorakalskoliose ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigung (geringer Schweregrad), eine rechtskonvexe Lumbalskoliose bei Zustand nach Dekompressionsoperation L 3 bis L 5 im Januar 2006 mit deutlicher Funktionsstörung bezüglich Beweglichkeit und Bücken, Heben und Tragen von Lasten ohne Nervenwurzelreizungen (unter Berücksichtigung häufig rezidivierender und anhaltender Bewegungseinschränkungen, einer Instabilität mittleren Grades und häufig rezidivierender Schmerzen: Schweregrad mittel), ein Zustand nach Knieoperation beidseits, rechts ohne wesentliche Funktionseinschränkung und mit beginnender Kniegelenksarthrose und links mit leichter medialer Instabilität (bei fehlendem Streckdefizit und ohne ausgeprägte Beugehemmung: Schweregrad gering), eine mäßiges degeneratives Halswirbelsäulensyndrom ohne Nervenwurzelreizung und mit leichter Funktionseinschränkung bei Überkopfarbeiten (Schweregrad leicht) sowie eine beginnende Hüftgelenksarthrose rechts ohne wesentliche Funktionseinschränkung (Schweregrad gering). Mittelgradige funktionelle Auswirkungen lägen allenfalls im Bereich der Lendenwirbelsäule vor, so dass für die Veränderungen der Wirbelsäule ein GdB von 20 bis höchstens 30 (die Bildung eines Gesamt-GdB insoweit von 30 falle allerdings schwer) anzusetzen sei. Die Kniegelenksveränderungen seien mit einem Einzel-GdB von 20 zu veranschlagen. Von Seiten des Hüftgelenks betrage der Einzel-GdB 0. Unter Berücksichtigung einer Trigeminusneuralgie mit einem Teil-GdB von 10 betrage der Gesamt-GdB 40.
Der abschließend vom Senat noch als sachverständiger Zeuge befragte Chefarzt der Orthopädie des Städtischen Krankenhauses Sindelfingen Dr. K. hat in seiner Stellungnahme vom 1.6.2006 u. a. über die zuletzt im Januar 2006 erfolgte operative Behandlung der Klägerin wegen Schmerzen in der Lendenwirbelsäule berichtet und ausgeführt, dass zum Entlassungszeitpunkt die neurologischen Ausfälle komplett rückläufig gewesen seien und keine radikuläre Schmerzsymptomatik mehr bestanden habe.
Der Beklagte hat sich dem Sachverständigengutachten von Dr. E. unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 10.7.2006 im Wesentlichen angeschlossen. Dr. F.e hat in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.9.2006 ausgeführt, dass der schmerzhaften Trigeminusneuralgie durch Festsetzung eines Teil-GdB von 10 ausreichend Rechnung getragen worden sei. Die durchgeführten Ermittlungen hätten keine Anhaltspunkte für eine Zunahme von Häufigkeit, Dauer und Intensität der Schmerzen ergeben.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2005 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2002 zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40. Eine wesentliche Änderung ist nicht eingetreten.
Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und die Begründung der streitgegenständlichen Bescheide Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Hinsichtlich der Wirbelsäulenbefunde steht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen im Sachverständigengutachten von Dr. E. zur Überzeugung des Senats fest, dass bei der Klägerin im Bereich der Lendenwirbelsäule mittelgradige funktionelle Auswirkungen bestehen. Diesbezüglich besteht Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten von Dr. S ... Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings auch die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. K., wonach nach insoweit durchgeführter Operation die neurologischen Ausfälle als komplett rückläufig und die radikuläre Schmerzsymptomatik als nicht mehr gegeben beschrieben werden.
Indes lassen die im Sachverständigengutachten von Dr. S. getroffenen Feststellungen nicht den Schluss zu, dass auch bezüglich der Halswirbelsäule vergleichbare Einschränkungen bestehen. Die Zusammenschau der Befunde - auch der von Dr. H. insoweit erhobenen - ergibt vielmehr das Bild insoweit geringer ausgeprägter Erscheinungen, die damit - den Sachverständigengutachten von Dr. E. und Dr. H. folgend - lediglich als leichtgradig anzusehen sind. Insgesamt ist daher lediglich von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt auszugehen, die entsprechend Ziff. 26.18 (Seite 116) der AHP mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend bewertet sind.
Der Senat lässt offen, ob die bei der Klägerin vorliegenden Kniegelenksveränderungen einen Teil-GdB von 20 oder 30 rechtfertigen. Geht man von den für die Klägerin insoweit günstigeren Feststellungen im Sachverständigengutachten von Dr. S. aus, bestehen ausgeprägtere degenerative Veränderungen schwerpunktmäßig rechts mit Bewegungseinschränkung und eine unvollständig kompensierbare Lockerung des Kniebandapparates mit Gangunsicherheit. Nach Ziff. 26.18 (Seite 126) der AHP könnte - dem Sachverständigengutachten von Dr. S. folgend - sowohl für die Lockerung als auch für die degenerativen Veränderungen mit Bewegungseinschränkung jeweils ein Teil-GdB von 20 und damit insoweit integrativ ein GdB von 30 angesetzt werden. Andererseits kann entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. O. vom 11.3.2004 (Blatt 135/136 der SG-Akte) nicht unbeachtet bleiben, dass selbst unter Zugrundelegung der von Dr. S. erhobenen Befunde sich die Kniegelenksituation insgesamt doch noch besser darstellt als z. B. eine Versteifung eines Kniegelenkes in günstiger Stellung (Teil-GdB 30) bzw. eine Lockerung des Kniebandapparates, die eine Versorgung mit einem Stützapparat notwendig macht (Teil-GdB ab 30, vgl. Ziff. 26.18 [Seite 125/126] der AHP). Legt man allerdings die von Dr. H. und Dr. E. getroffenen Feststellungen zu Grunde, ist insoweit von vornherein kein höherer Teil-GdB als 20 anzusetzen und wird von diesen Sachverständigen auch nicht angenommen. Insgesamt spricht mehr für die Festsetzung eines Teil-GdB von 20 als für die Festsetzung eines solchen von 30. Auswirkungen auf die Höhe des Gesamt-GdB ergeben sich - was noch darzustellen sein wird - auch bei Annahme eines Teil-GdB von 30 nicht.
Die vom Senat durchgeführten Ermittlungen haben keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die weiteren bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen (Schwerhörigkeit und Trigeminusneuralgie) eine von der Einschätzung des Beklagten abweichende Bewertung bedingen. Insoweit ist jedenfalls nicht belegt, dass seit der letzten GdB-Bewertung eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Zwar nimmt Dr. R. nunmehr eine geringfügige Zunahme der Schwerhörigkeit und einen Einzel-GdB von "maximal 15" an, entsprechend der Rechtsprechung des BSG zu einer Änderung der wesentlichen Verhältnisse (dort im Rahmen der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE]) stellt eine Änderung von nicht mehr als 5 vH gerade keine solche wesentliche Änderung dar (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Unter Berücksichtigung von Ziff. 17 (Seite 20) und Ziff. 18 Abs. 4 (Seite 22) der AHP dürfte im Übrigen die Feststellung eines Teil-GdB von 15 unzulässig sein. Ausdrücklich haben Dr. R. und Dr. Lang demgemäß zusammenfassend eine wesentliche Änderung verneint. Hinsichtlich der Trigeminusneuralgie ist mit Dr. F.e in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.9.2006 nichts dafür ersichtlich, dass insoweit nach wie vor mehr als kurzzeitige (wenngleich nicht unerhebliche) Schmerzen (Befundbericht Dr. Lang vom 30.9.1998, Blatt 16 der Schwerbehindertenakte) bestehen. Damit ist kein Sachverhalt festzustellen, der entsprechend Ziff. 26.2 (Seite 39) der AHP den Ansatz eines höheren Teil-GdB als 10 zwingend bedingt.
Geht man im Ergebnis von Teil-GdB von 20 (Wirbelsäule), - zu Gunsten der Klägerin - von 30 (Veränderungen der Kniegelenke) sowie weiteren Teil-GdB von 10 (Schwerhörigkeit) und weiteren 10 (Trigeminusneuralgie) aus, kann unter Berücksichtigung der vom SG zutreffend dargelegten Grundsätze zur Bildung des Gesamt-GdB vorliegend kein höherer Gesamt-GdB als 40 festgestellt werden. Da - wie oben dargelegt - die Festsetzung eines Teil-GdB von 30 hinsichtlich der Kniegelenksveränderungen sehr günstig sein dürfte, würde sich an dem Gesamt-GdB von 40 nach Auffassung des Senats auch dann nichts ändern, wenn man - was insgesamt nicht unvertretbar erscheint - für die Trigeminusneuralgie einen Teil-GdB von 20 ansetzen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung des Grades der Behinderung der Behinderung (GdB) im Wege der Neufeststellung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Bei der am 24.2.1946 geborenen Klägerin stellte der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 11.9.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.2.1999 als Behinderungen "Wirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen (Einzel-GdB 20), Kreuzbandersatzplastik rechts bei posttraumatischer vorderer Kreuzbandruptur beider Kniegelenke (Einzel-GdB 30), Trigeminusneuralgie (Einzel-GdB 10)" bei einem Gesamt-GdB von 40 fest.
Den Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 1.2.2001 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17.4.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.1.2002 ab. Zu Grunde lagen die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Lazarus und Dr. Simo vom 17.3. und 7.11.2001 mit der Feststellung der Funktionsbeeinträchtigungen "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20), Polyarthrose (Teil-GdB 30), Trigeminusneuralgie - links - (Teil-GdB 10)".
Dagegen hat die Klägerin am 18.1.2002 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Feststellung eines höheren GdB weiterverfolgt hat.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 18, 20/23, 41/44, 48/50 und 58/62 der SG-Akte Bezug genommen).
Sodann hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des fachorthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. H. vom 8.5.2003. Festgestellt worden sind eine schmerzhafte Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenkes mit einer mäßigen Instabilität (Teil-GdB 20), eine schmerzhafte Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule (Teil-GdB 10) sowie eine schmerzhafte Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule (Teil-GdB 10). Insgesamt ist der GdB für die orthopädischen Befunde mit 30 bewertet worden.
Der Beklagte hat daraufhin unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 5.8.2003 die Funktionsbeeinträchtigungen mit "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20), Instabilität des rechten Kniegelenkes (Teil-GdB 20), Trigeminusneuralgie links (Teil-GdB 10), Schwerhörigkeit links (Teil-GdB 10)" bei einem Gesamt-GdB von weiterhin 40 bezeichnet.
Ferner hat das SG auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung des weiteren orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. S. vom 4.10.2003. Diagnostiziert worden ist ein chronisches Lumbalsyndrom bei Fehlstatik der Lendenwirbelsäule mit deutlicher Skoliose ohne neurologische Ausfallserscheinungen sowie ein chronisches Schulter-Arm-Syndrom beidseits mit Zervicobrachialgie und neurovegetativen, jedoch nicht neurologischen Ausfallserscheinungen (bezeichnet als mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten und bewertet mit einem Teil-GdB 30) und eine anteromediale Instabilität des rechten Kniegelenkes nach Verletzung des vorderen Kreuzbandes und Innenbandes bei Zustand nach Kreuzbandersatzplastik (bewertet als unvollständig kompensierbare Lockerung des Kniebandapparates des rechten Knies mit Gangunsicherheit und Chondromalazie und mit einem Teil-GdB 30). Orthopädischerseits ist der GdB mit 50 bewertet worden.
Das SG hat die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid vom 14.2.2005 abgewiesen.
Es hat unter Darstellung der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und maßgeblichen Rechtsvorschriften entschieden, dass dem Sachverständigengutachten von Dr. S. folgend hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule von mittelgradigen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten und damit entsprechend Ziff. 26.8 (Seite 116) der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004 (AHP) von einem Teil-GdB von 30 auszugehen sei. Hinsichtlich der Befunde im Bereich des rechten Knies sei nach Ziff. 26.18 (Seite 126) der AHP ein Teil-GdB von lediglich 20 anzusetzen. Hieraus ergebe sich ein Gesamt-GdB von 40, die weiteren bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen, die mit Teil-GdB von jeweils 10 zutreffend bewertet seien, wirkten sich auf den Gesamt-GdB nicht aus. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den ihr am 23.2.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4.3.2005 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie rügt im Wesentlichen die vom SG entgegen dem Sachverständigengutachten von Dr. S. vorgenommene Bewertung des Einzel-GdB für den Kniegelenksbefund sowie die mangelnde Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Schwerhörigkeit und der Trigeminusneuralgie.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der HNO-Arzt Dr. R. verneint in seiner Stellungnahme vom 26.1.2006 zusammenfassend den Eintritt einer wesentlichen Änderung, schließt sich bezüglich seines Fachgebiets der versorgungsärztlichen Einschätzung an und bewertet die Schwerhörigkeit mit einem GdB von "maximal 15". Hinsichtlich der Trigeminusneuralgie ergibt sich aus der Auskunft des Internisten Dr. Lang vom 16.2.2006 eine fachneurologische Behandlung zuletzt im Dezember 1991 bei nach wie vor bestehenden Schmerzen ohne wesentliche Änderung. In seiner - von der Klägerin vorgelegten - ärztlichen Bescheinigung vom 23.6.2006 wird dieser Sachverhalt im Wesentlichen nochmals bestätigt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 31/83 und 124 der LSG-Akte Bezug genommen).
Ferner hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. E. vom 19.4.2006. Beschrieben werden eine S-förmige Thorakalskoliose ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigung (geringer Schweregrad), eine rechtskonvexe Lumbalskoliose bei Zustand nach Dekompressionsoperation L 3 bis L 5 im Januar 2006 mit deutlicher Funktionsstörung bezüglich Beweglichkeit und Bücken, Heben und Tragen von Lasten ohne Nervenwurzelreizungen (unter Berücksichtigung häufig rezidivierender und anhaltender Bewegungseinschränkungen, einer Instabilität mittleren Grades und häufig rezidivierender Schmerzen: Schweregrad mittel), ein Zustand nach Knieoperation beidseits, rechts ohne wesentliche Funktionseinschränkung und mit beginnender Kniegelenksarthrose und links mit leichter medialer Instabilität (bei fehlendem Streckdefizit und ohne ausgeprägte Beugehemmung: Schweregrad gering), eine mäßiges degeneratives Halswirbelsäulensyndrom ohne Nervenwurzelreizung und mit leichter Funktionseinschränkung bei Überkopfarbeiten (Schweregrad leicht) sowie eine beginnende Hüftgelenksarthrose rechts ohne wesentliche Funktionseinschränkung (Schweregrad gering). Mittelgradige funktionelle Auswirkungen lägen allenfalls im Bereich der Lendenwirbelsäule vor, so dass für die Veränderungen der Wirbelsäule ein GdB von 20 bis höchstens 30 (die Bildung eines Gesamt-GdB insoweit von 30 falle allerdings schwer) anzusetzen sei. Die Kniegelenksveränderungen seien mit einem Einzel-GdB von 20 zu veranschlagen. Von Seiten des Hüftgelenks betrage der Einzel-GdB 0. Unter Berücksichtigung einer Trigeminusneuralgie mit einem Teil-GdB von 10 betrage der Gesamt-GdB 40.
Der abschließend vom Senat noch als sachverständiger Zeuge befragte Chefarzt der Orthopädie des Städtischen Krankenhauses Sindelfingen Dr. K. hat in seiner Stellungnahme vom 1.6.2006 u. a. über die zuletzt im Januar 2006 erfolgte operative Behandlung der Klägerin wegen Schmerzen in der Lendenwirbelsäule berichtet und ausgeführt, dass zum Entlassungszeitpunkt die neurologischen Ausfälle komplett rückläufig gewesen seien und keine radikuläre Schmerzsymptomatik mehr bestanden habe.
Der Beklagte hat sich dem Sachverständigengutachten von Dr. E. unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 10.7.2006 im Wesentlichen angeschlossen. Dr. F.e hat in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.9.2006 ausgeführt, dass der schmerzhaften Trigeminusneuralgie durch Festsetzung eines Teil-GdB von 10 ausreichend Rechnung getragen worden sei. Die durchgeführten Ermittlungen hätten keine Anhaltspunkte für eine Zunahme von Häufigkeit, Dauer und Intensität der Schmerzen ergeben.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2005 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2002 zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40. Eine wesentliche Änderung ist nicht eingetreten.
Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und die Begründung der streitgegenständlichen Bescheide Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Hinsichtlich der Wirbelsäulenbefunde steht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen im Sachverständigengutachten von Dr. E. zur Überzeugung des Senats fest, dass bei der Klägerin im Bereich der Lendenwirbelsäule mittelgradige funktionelle Auswirkungen bestehen. Diesbezüglich besteht Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten von Dr. S ... Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings auch die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. K., wonach nach insoweit durchgeführter Operation die neurologischen Ausfälle als komplett rückläufig und die radikuläre Schmerzsymptomatik als nicht mehr gegeben beschrieben werden.
Indes lassen die im Sachverständigengutachten von Dr. S. getroffenen Feststellungen nicht den Schluss zu, dass auch bezüglich der Halswirbelsäule vergleichbare Einschränkungen bestehen. Die Zusammenschau der Befunde - auch der von Dr. H. insoweit erhobenen - ergibt vielmehr das Bild insoweit geringer ausgeprägter Erscheinungen, die damit - den Sachverständigengutachten von Dr. E. und Dr. H. folgend - lediglich als leichtgradig anzusehen sind. Insgesamt ist daher lediglich von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt auszugehen, die entsprechend Ziff. 26.18 (Seite 116) der AHP mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend bewertet sind.
Der Senat lässt offen, ob die bei der Klägerin vorliegenden Kniegelenksveränderungen einen Teil-GdB von 20 oder 30 rechtfertigen. Geht man von den für die Klägerin insoweit günstigeren Feststellungen im Sachverständigengutachten von Dr. S. aus, bestehen ausgeprägtere degenerative Veränderungen schwerpunktmäßig rechts mit Bewegungseinschränkung und eine unvollständig kompensierbare Lockerung des Kniebandapparates mit Gangunsicherheit. Nach Ziff. 26.18 (Seite 126) der AHP könnte - dem Sachverständigengutachten von Dr. S. folgend - sowohl für die Lockerung als auch für die degenerativen Veränderungen mit Bewegungseinschränkung jeweils ein Teil-GdB von 20 und damit insoweit integrativ ein GdB von 30 angesetzt werden. Andererseits kann entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. O. vom 11.3.2004 (Blatt 135/136 der SG-Akte) nicht unbeachtet bleiben, dass selbst unter Zugrundelegung der von Dr. S. erhobenen Befunde sich die Kniegelenksituation insgesamt doch noch besser darstellt als z. B. eine Versteifung eines Kniegelenkes in günstiger Stellung (Teil-GdB 30) bzw. eine Lockerung des Kniebandapparates, die eine Versorgung mit einem Stützapparat notwendig macht (Teil-GdB ab 30, vgl. Ziff. 26.18 [Seite 125/126] der AHP). Legt man allerdings die von Dr. H. und Dr. E. getroffenen Feststellungen zu Grunde, ist insoweit von vornherein kein höherer Teil-GdB als 20 anzusetzen und wird von diesen Sachverständigen auch nicht angenommen. Insgesamt spricht mehr für die Festsetzung eines Teil-GdB von 20 als für die Festsetzung eines solchen von 30. Auswirkungen auf die Höhe des Gesamt-GdB ergeben sich - was noch darzustellen sein wird - auch bei Annahme eines Teil-GdB von 30 nicht.
Die vom Senat durchgeführten Ermittlungen haben keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die weiteren bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen (Schwerhörigkeit und Trigeminusneuralgie) eine von der Einschätzung des Beklagten abweichende Bewertung bedingen. Insoweit ist jedenfalls nicht belegt, dass seit der letzten GdB-Bewertung eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Zwar nimmt Dr. R. nunmehr eine geringfügige Zunahme der Schwerhörigkeit und einen Einzel-GdB von "maximal 15" an, entsprechend der Rechtsprechung des BSG zu einer Änderung der wesentlichen Verhältnisse (dort im Rahmen der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE]) stellt eine Änderung von nicht mehr als 5 vH gerade keine solche wesentliche Änderung dar (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Unter Berücksichtigung von Ziff. 17 (Seite 20) und Ziff. 18 Abs. 4 (Seite 22) der AHP dürfte im Übrigen die Feststellung eines Teil-GdB von 15 unzulässig sein. Ausdrücklich haben Dr. R. und Dr. Lang demgemäß zusammenfassend eine wesentliche Änderung verneint. Hinsichtlich der Trigeminusneuralgie ist mit Dr. F.e in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.9.2006 nichts dafür ersichtlich, dass insoweit nach wie vor mehr als kurzzeitige (wenngleich nicht unerhebliche) Schmerzen (Befundbericht Dr. Lang vom 30.9.1998, Blatt 16 der Schwerbehindertenakte) bestehen. Damit ist kein Sachverhalt festzustellen, der entsprechend Ziff. 26.2 (Seite 39) der AHP den Ansatz eines höheren Teil-GdB als 10 zwingend bedingt.
Geht man im Ergebnis von Teil-GdB von 20 (Wirbelsäule), - zu Gunsten der Klägerin - von 30 (Veränderungen der Kniegelenke) sowie weiteren Teil-GdB von 10 (Schwerhörigkeit) und weiteren 10 (Trigeminusneuralgie) aus, kann unter Berücksichtigung der vom SG zutreffend dargelegten Grundsätze zur Bildung des Gesamt-GdB vorliegend kein höherer Gesamt-GdB als 40 festgestellt werden. Da - wie oben dargelegt - die Festsetzung eines Teil-GdB von 30 hinsichtlich der Kniegelenksveränderungen sehr günstig sein dürfte, würde sich an dem Gesamt-GdB von 40 nach Auffassung des Senats auch dann nichts ändern, wenn man - was insgesamt nicht unvertretbar erscheint - für die Trigeminusneuralgie einen Teil-GdB von 20 ansetzen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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