Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 734/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 R 1378/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Weitergewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. Januar 2005 für die Witwe des am 5. Juni 2005 verstorbenen Versicherten.
Der 1952 geborene, zuletzt als Müllmann beschäftigt gewesene Versicherte wurde im Klinikum der Stadt V.-S. vom 22. November bis zum 24. Dezember 2001, vom 25. Januar bis zum 1. Februar und vom 22. bis zum 25. Juli 2002 wegen eines Magenkarzinoms stationär behandelt (Arztbriefe der Klinik für Innere Medizin II vom 4. Dezember 2001 sowie 6. Februar und 29. Juli 2002 und der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie vom 10. Januar 2002). Im Rahmen dieser Aufenthalte wurde am 6. Dezember 2001 eine Laparotomie mit Gastrektomie, eine Splenektomie, eine Pankreaslinksresektion und eine Resektion der linken Colonflexur durchgeführt. Vom 19. Februar bis zum 26. März 2002 durchlief der Versicherte in der Reha-Klinik K. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme (Entlassungsbericht vom 5. April 2002).
Am 31. Juli beantragte der Versicherte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Facharzt für Allgemeinmedizin S. gab in seinem Befundbericht vom 5. September 2002 als Funktionseinschränkungen eine Kraftlosigkeit bei Kachexie und chronische Rückenschmerzen an. Der Internist und Sozialmediziner Dr. M. führte in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 16. September 2003 aus, zwar sei bislang kein Hinweis für ein Rezidiv oder Metastasen aktenkundig, allerdings müsse wegen der zweifelhaften Prognose der Erkrankung des Versicherten von einem aufgehobenem Leistungsvermögen bis September 2003 ausgegangen werden. Wenn der Versicherte bis dahin rezidiv- und metastasenfrei bleibe, sei die Prognose sehr viel günstiger zu beurteilen und zumindest eine leichte körperliche Arbeit mit großer Wahrscheinlichkeit wieder über 6 Stunden möglich. Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 24. September 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines Leistungsfalls vom 5. November 2001 für die Zeit vom 1. Juni 2002 bis zum 30. September 2003.
Weitere stationäre Behandlungen im Klinikum der Stadt V.-S. erfolgten vom 15. bis zum 17. Oktober 2002, vom 27. bis zum 31. Januar und vom 2. bis zum 4. Juni 2003 (Arztbriefe der Klinik für Innere Medizin II vom 17. Oktober 2002 und 25. Februar 2003 sowie Kurzbericht vom Juni 2003). In den durchgeführten Staging-Untersuchungen zeigte sich sowohl radiologisch als auch endoskopisch kein Anhalt für ein Lokalrezidiv oder eine Fernmetastatisierung, sodass man von einer kompletten Remission ausging. Am 10. Juli 2003 ging bei der Beklagten der Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin S. vom 8. Juli 2003 ein, welchen die Beklagte als Weitergewährungsantrag wertete. Er führte aus, in den letzten beiden Jahren habe sich der Allgemeinzustand des Versicherten stabilisiert. Dr. M. untersuchte den Versicherten und gelangte in seinem Gutachten vom 1. August 2003 zu der Einschätzung, die Rekonvaleszenz sei jetzt abgeschlossen und der Versicherte habe das vor der Operation bestehende Leistungsvermögen wieder erreicht. Der Versicherte sei daher in der Lage, leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Funktionseinschränkungen über 6 Stunden auszuüben. Dasselbe gelte auch für seine Tätigkeit als Müllmann nach einer schrittweisen Wiedereingliederung. Der Beginn dieses Leistungsvermögens sei mit Auslaufen der Zeitrente gegeben. Mit Bescheid vom 13. August 2003 lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag ab.
Hiergegen erhob der Versicherte Widerspruch. Vom 24. Oktober bis zum 18. November 2003 wurde der Versicherte in der Klinik R. in R. wegen einer Alkoholabhängigkeit stationär behandelt (Arztbrief der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Gerontopsychiatrie und Neurologie vom 25. November 2003). Berichtet wurde über den mit leichten vegetativen Entzugserscheinungen erfolgten körperlichen Entzug und über eine darauf folgende Stabilisierung der körperlichen Verfassung des Versicherten. Der Versicherte legte das Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin S. vom 23. Oktober 2003 vor, wonach er wegen des Magenkarzinoms, einer Hypertonie, einer Lumboischialgie und einer Alkoholkrankheit weiterhin arbeitsunfähig sei. Dr. M. gelangte in seiner Stellungnahme vom 7. Januar 2004 zu der Einschätzung, der neue Aspekt der Alkoholkrankheit stelle keine Minderung der Erwerbsfähigkeit dar. Es bleibe daher bei der ursprünglichen Leistungsbeurteilung. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2004 zurück.
Hiergegen erhob der Versicherte am 10. März 2004 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Er legte das Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin S. vom 18. Mai 2004 vor, wonach er aufgrund einer allgemeinen Schwäche nicht in der Lage sei, körperliche Arbeiten von täglich 6 Stunden zu leisten.
Das SG holte auf Antrag des Versicherten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das arbeitsmedizinische Gutachten von Prof. Dr. S., Leiter des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin in U., vom 12. November 2004 ein. Der Sachverständige gelangte zu der Einschätzung, dem Versicherten seien leichte Arbeiten 6 und mehr Stunden täglich möglich. Neben den bislang bekannten Erkrankungen diagnostizierte Prof. Dr. S. einen abklärungsbedürftigen Verschleiß von Hals- und Lendenwirbelsäule sowie einen Narbenbruch im Bereich des Oberbauchs.
Vom 22. Januar bis zum 4. Februar 2005 wurde der Kläger im S.-B.-Klinikum V.-S. stationär behandelt. Es erfolgte eine erweiterte Hemicolektomie links mit Anlage eines protektiven Ileostomas. Nachdem sich der postoperative Verlauf komplikationslos gestaltete, wurde der Kläger beschwerdefrei entlassen (Arztbrief der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie vom 2. Februar 2005).
Das SG holte von Amts wegen das orthopädische Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Sportmedizin Dr. L.vom 22. Februar 2005 ein. Der Sachverständige gelangte zu der Einschätzung, der Versicherte sei seit dem 1. Oktober 2003 in der Lage, leichte Tätigkeiten von 6 Stunden und mehr durchzuführen. Der weitere Verlauf nach Durchführung der jetzigen operativen Maßnahme bleibe abzuwarten. Dr. L. diagnostizierte auf seinem Fachgebiet ein chronisch rezidivierendes degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Fehlhaltung der Wirbelsäule ohne funktionelle Einschränkungen, eine Funktionseinschränkung des linken Ellenbogens nach Flexion voraussichtlich arthrotischer Ursache und eine Fehlhaltung des rechten Fußes im Sinne eines Hohl-Varus-Fußes.
Vom 5. April bis zum 3. Mai 2005 durchlief der Versicherte in der St. G. Reha-Klinik H. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Im dort erstellten ärztlichen Entlassungsbericht vom 4. Mai 2005 wurde ausgeführt, seine körperliche Leistungsfähigkeit sei durch die jetzt eingetretene Verschlechterung der Leiden, den jetzt eingetretenen erheblichen Gewichtsverlust und das mittlerweile angelegte, vermutlich passagere Ileostoma deutlich reduziert worden. Aus ärztlicher Sicht sei der Versicherte gegenwärtig und auf absehbare Zeit auch für körperlich leichte Tätigkeiten wiederum weniger als 3 Stunden täglich einsetzbar. Diagnostiziert wurden ein Magenkarzinom, eine Dickdarmmetastase und ein Ileus sowie Untergewicht.
Am 5. Juni 2005 verstarb der Versicherte.
Das SG holte die sachverständige Zeugenauskunft von Prof. Dr. R., Direktor der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie des S.-B.-Klinikums V.-S., vom 10. Juni 2005 ein. Er führte aus, beim Versicherten sei ein Rezidiv eines Magenkarzinoms aufgetreten. Der Versicherte habe sich in der zuletzt am 25. Mai 2005 durchgeführten Untersuchung bereits in einem schlechten Allgemeinzustand befunden. Wegen der nicht möglichen operativen Weiterbehandelbarkeit des Tumorrezidivs habe man von einer Progredienz der malignen Erkrankung und einer Erwerbsminderung auf Dauer auszugehen.
Sodann bot die Beklagte einen Vergleich des Inhalts an, ausgehend von einem im Januar 2005 eingetretenen Leistungsfall eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Februar bis zum 30. Juni 2005 zu gewähren. Daraufhin beschränkte die Klägerin ihr Klagebegehren und beantragte nur noch die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. Januar 2005.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2006 wies das SG die Klage ab.
Hiergegen hat die Klägerin am 17. März 2006 Berufung eingelegt. Sie hat darauf hingewiesen, in dem ärztlichen Entlassungsbericht der St. G. Reha-Klinik in H. vom 4. Mai 2005 sei ausgeführt worden, der Versicherte sei seit dem Jahr 2004 für 4 Stunden für eine körperlich leichte Tätigkeit als ausreichend leistungsfähig eingestuft worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Februar 2006 und den Bescheid vom 13. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr als Rechtsnachfolgerin des Versicherten für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. Januar 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, die Ärzte der St. G. Reha-Klinik in H. hätten in dem ärztlichen Entlassungsbericht vom 4. Mai 2005 lediglich die Angaben des Versicherten, er sei nur für 4 Stunden täglich leistungsfähig, übernommen. Eine eigene Leistungseinschätzung hätten die Ärzte lediglich für den Zeitpunkt der Maßnahme und die Zukunft getroffen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet. Die Klägerin hat als Rechtsnachfolgerin des Versicherten im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach §§ 43 und 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der seit 1. Januar 2000 geltenden Fassung (n. F.) vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. Januar 2005.
§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI n. F. und § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI n. F. setzen für einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung u. a. voraus, dass der Versicherte teilweise oder voll erwerbsgemindert ist. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI n. F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI n. F. insbesondere Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
§ 240 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI n.F. setzt für einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung u. a. voraus, dass der Versicherte berufsunfähig ist. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI n. F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens 6 Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Das SG hat in seinem Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2006 ausführlich und mit zutreffenden Gründen dargelegt, warum der Versicherte über den 30. September 2003 hinaus bis zum 31. Januar 2005 keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hatte. Nach eigener Prüfung schließt sich der Senat diesen Ausführungen unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG an.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass im ärztlichen Entlassungsbericht der St. G. Reha-Klinik in H. vom 4. Mai 2005 kein unter halbschichtiges Leistungsvermögen angenommen worden ist. Aus der Arbeits- und Berufsanamnese auf Blatt 2-3 dieses Berichts ergibt sich, dass der Kläger selbst angegeben hat, er habe für 4 Stunden täglich arbeiten sollen, fühle sich hierfür jedoch nicht ausreichend leistungsfähig. Allein diese Angabe wurde in der sozialmedizinischen Epikrise auf Blatt 2-7 des Berichts übernommen, indem ausgeführt wurde, der Versicherte sei seit 2004 für 4 Stunden täglich ausreichend leistungsfähig eingestuft worden. Hieraus ergibt sich, dass es sich dabei nicht um eine eigene Leistungsbeurteilung der Ärzte in der St. G. Reha-Klinik in H. gehandelt hat. Im Übrigen wäre für den Senat eine derartige Leistungsbeurteilung auch nicht nachvollziehbar. Denn der Entlassungsbericht bietet keinen Anlass für eine quantitative Leistungsminderung bereits vor Februar 2005. Dies deshalb, da die Klinikärzte den Krankheitsverlauf des Versicherten und damit insbesondere den Umstand, dass im Juni 2004 von einer kompletten Remission ausgegangen worden ist, auf Blatt 2-1 bis 2-2 ihres Berichts schilderten. Schließlich gibt der Senat zu bedenken, dass es nicht Aufgabe der Klinikärzte ist, in einem Entlassungsbericht über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme unaufgefordert Leistungsbeurteilungen über einen vergangenen Zeitraum vorzunehmen. Vielmehr wird in derartigen Berichten ein Ausblick auf die zukünftige Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorgenommen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Weitergewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. Januar 2005 für die Witwe des am 5. Juni 2005 verstorbenen Versicherten.
Der 1952 geborene, zuletzt als Müllmann beschäftigt gewesene Versicherte wurde im Klinikum der Stadt V.-S. vom 22. November bis zum 24. Dezember 2001, vom 25. Januar bis zum 1. Februar und vom 22. bis zum 25. Juli 2002 wegen eines Magenkarzinoms stationär behandelt (Arztbriefe der Klinik für Innere Medizin II vom 4. Dezember 2001 sowie 6. Februar und 29. Juli 2002 und der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie vom 10. Januar 2002). Im Rahmen dieser Aufenthalte wurde am 6. Dezember 2001 eine Laparotomie mit Gastrektomie, eine Splenektomie, eine Pankreaslinksresektion und eine Resektion der linken Colonflexur durchgeführt. Vom 19. Februar bis zum 26. März 2002 durchlief der Versicherte in der Reha-Klinik K. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme (Entlassungsbericht vom 5. April 2002).
Am 31. Juli beantragte der Versicherte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Facharzt für Allgemeinmedizin S. gab in seinem Befundbericht vom 5. September 2002 als Funktionseinschränkungen eine Kraftlosigkeit bei Kachexie und chronische Rückenschmerzen an. Der Internist und Sozialmediziner Dr. M. führte in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 16. September 2003 aus, zwar sei bislang kein Hinweis für ein Rezidiv oder Metastasen aktenkundig, allerdings müsse wegen der zweifelhaften Prognose der Erkrankung des Versicherten von einem aufgehobenem Leistungsvermögen bis September 2003 ausgegangen werden. Wenn der Versicherte bis dahin rezidiv- und metastasenfrei bleibe, sei die Prognose sehr viel günstiger zu beurteilen und zumindest eine leichte körperliche Arbeit mit großer Wahrscheinlichkeit wieder über 6 Stunden möglich. Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 24. September 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines Leistungsfalls vom 5. November 2001 für die Zeit vom 1. Juni 2002 bis zum 30. September 2003.
Weitere stationäre Behandlungen im Klinikum der Stadt V.-S. erfolgten vom 15. bis zum 17. Oktober 2002, vom 27. bis zum 31. Januar und vom 2. bis zum 4. Juni 2003 (Arztbriefe der Klinik für Innere Medizin II vom 17. Oktober 2002 und 25. Februar 2003 sowie Kurzbericht vom Juni 2003). In den durchgeführten Staging-Untersuchungen zeigte sich sowohl radiologisch als auch endoskopisch kein Anhalt für ein Lokalrezidiv oder eine Fernmetastatisierung, sodass man von einer kompletten Remission ausging. Am 10. Juli 2003 ging bei der Beklagten der Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin S. vom 8. Juli 2003 ein, welchen die Beklagte als Weitergewährungsantrag wertete. Er führte aus, in den letzten beiden Jahren habe sich der Allgemeinzustand des Versicherten stabilisiert. Dr. M. untersuchte den Versicherten und gelangte in seinem Gutachten vom 1. August 2003 zu der Einschätzung, die Rekonvaleszenz sei jetzt abgeschlossen und der Versicherte habe das vor der Operation bestehende Leistungsvermögen wieder erreicht. Der Versicherte sei daher in der Lage, leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Funktionseinschränkungen über 6 Stunden auszuüben. Dasselbe gelte auch für seine Tätigkeit als Müllmann nach einer schrittweisen Wiedereingliederung. Der Beginn dieses Leistungsvermögens sei mit Auslaufen der Zeitrente gegeben. Mit Bescheid vom 13. August 2003 lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag ab.
Hiergegen erhob der Versicherte Widerspruch. Vom 24. Oktober bis zum 18. November 2003 wurde der Versicherte in der Klinik R. in R. wegen einer Alkoholabhängigkeit stationär behandelt (Arztbrief der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Gerontopsychiatrie und Neurologie vom 25. November 2003). Berichtet wurde über den mit leichten vegetativen Entzugserscheinungen erfolgten körperlichen Entzug und über eine darauf folgende Stabilisierung der körperlichen Verfassung des Versicherten. Der Versicherte legte das Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin S. vom 23. Oktober 2003 vor, wonach er wegen des Magenkarzinoms, einer Hypertonie, einer Lumboischialgie und einer Alkoholkrankheit weiterhin arbeitsunfähig sei. Dr. M. gelangte in seiner Stellungnahme vom 7. Januar 2004 zu der Einschätzung, der neue Aspekt der Alkoholkrankheit stelle keine Minderung der Erwerbsfähigkeit dar. Es bleibe daher bei der ursprünglichen Leistungsbeurteilung. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2004 zurück.
Hiergegen erhob der Versicherte am 10. März 2004 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Er legte das Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin S. vom 18. Mai 2004 vor, wonach er aufgrund einer allgemeinen Schwäche nicht in der Lage sei, körperliche Arbeiten von täglich 6 Stunden zu leisten.
Das SG holte auf Antrag des Versicherten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das arbeitsmedizinische Gutachten von Prof. Dr. S., Leiter des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin in U., vom 12. November 2004 ein. Der Sachverständige gelangte zu der Einschätzung, dem Versicherten seien leichte Arbeiten 6 und mehr Stunden täglich möglich. Neben den bislang bekannten Erkrankungen diagnostizierte Prof. Dr. S. einen abklärungsbedürftigen Verschleiß von Hals- und Lendenwirbelsäule sowie einen Narbenbruch im Bereich des Oberbauchs.
Vom 22. Januar bis zum 4. Februar 2005 wurde der Kläger im S.-B.-Klinikum V.-S. stationär behandelt. Es erfolgte eine erweiterte Hemicolektomie links mit Anlage eines protektiven Ileostomas. Nachdem sich der postoperative Verlauf komplikationslos gestaltete, wurde der Kläger beschwerdefrei entlassen (Arztbrief der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie vom 2. Februar 2005).
Das SG holte von Amts wegen das orthopädische Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Sportmedizin Dr. L.vom 22. Februar 2005 ein. Der Sachverständige gelangte zu der Einschätzung, der Versicherte sei seit dem 1. Oktober 2003 in der Lage, leichte Tätigkeiten von 6 Stunden und mehr durchzuführen. Der weitere Verlauf nach Durchführung der jetzigen operativen Maßnahme bleibe abzuwarten. Dr. L. diagnostizierte auf seinem Fachgebiet ein chronisch rezidivierendes degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Fehlhaltung der Wirbelsäule ohne funktionelle Einschränkungen, eine Funktionseinschränkung des linken Ellenbogens nach Flexion voraussichtlich arthrotischer Ursache und eine Fehlhaltung des rechten Fußes im Sinne eines Hohl-Varus-Fußes.
Vom 5. April bis zum 3. Mai 2005 durchlief der Versicherte in der St. G. Reha-Klinik H. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Im dort erstellten ärztlichen Entlassungsbericht vom 4. Mai 2005 wurde ausgeführt, seine körperliche Leistungsfähigkeit sei durch die jetzt eingetretene Verschlechterung der Leiden, den jetzt eingetretenen erheblichen Gewichtsverlust und das mittlerweile angelegte, vermutlich passagere Ileostoma deutlich reduziert worden. Aus ärztlicher Sicht sei der Versicherte gegenwärtig und auf absehbare Zeit auch für körperlich leichte Tätigkeiten wiederum weniger als 3 Stunden täglich einsetzbar. Diagnostiziert wurden ein Magenkarzinom, eine Dickdarmmetastase und ein Ileus sowie Untergewicht.
Am 5. Juni 2005 verstarb der Versicherte.
Das SG holte die sachverständige Zeugenauskunft von Prof. Dr. R., Direktor der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie des S.-B.-Klinikums V.-S., vom 10. Juni 2005 ein. Er führte aus, beim Versicherten sei ein Rezidiv eines Magenkarzinoms aufgetreten. Der Versicherte habe sich in der zuletzt am 25. Mai 2005 durchgeführten Untersuchung bereits in einem schlechten Allgemeinzustand befunden. Wegen der nicht möglichen operativen Weiterbehandelbarkeit des Tumorrezidivs habe man von einer Progredienz der malignen Erkrankung und einer Erwerbsminderung auf Dauer auszugehen.
Sodann bot die Beklagte einen Vergleich des Inhalts an, ausgehend von einem im Januar 2005 eingetretenen Leistungsfall eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Februar bis zum 30. Juni 2005 zu gewähren. Daraufhin beschränkte die Klägerin ihr Klagebegehren und beantragte nur noch die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. Januar 2005.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2006 wies das SG die Klage ab.
Hiergegen hat die Klägerin am 17. März 2006 Berufung eingelegt. Sie hat darauf hingewiesen, in dem ärztlichen Entlassungsbericht der St. G. Reha-Klinik in H. vom 4. Mai 2005 sei ausgeführt worden, der Versicherte sei seit dem Jahr 2004 für 4 Stunden für eine körperlich leichte Tätigkeit als ausreichend leistungsfähig eingestuft worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Februar 2006 und den Bescheid vom 13. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr als Rechtsnachfolgerin des Versicherten für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. Januar 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, die Ärzte der St. G. Reha-Klinik in H. hätten in dem ärztlichen Entlassungsbericht vom 4. Mai 2005 lediglich die Angaben des Versicherten, er sei nur für 4 Stunden täglich leistungsfähig, übernommen. Eine eigene Leistungseinschätzung hätten die Ärzte lediglich für den Zeitpunkt der Maßnahme und die Zukunft getroffen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet. Die Klägerin hat als Rechtsnachfolgerin des Versicherten im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach §§ 43 und 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der seit 1. Januar 2000 geltenden Fassung (n. F.) vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. Januar 2005.
§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI n. F. und § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI n. F. setzen für einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung u. a. voraus, dass der Versicherte teilweise oder voll erwerbsgemindert ist. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI n. F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI n. F. insbesondere Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
§ 240 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI n.F. setzt für einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung u. a. voraus, dass der Versicherte berufsunfähig ist. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI n. F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens 6 Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Das SG hat in seinem Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2006 ausführlich und mit zutreffenden Gründen dargelegt, warum der Versicherte über den 30. September 2003 hinaus bis zum 31. Januar 2005 keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hatte. Nach eigener Prüfung schließt sich der Senat diesen Ausführungen unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG an.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass im ärztlichen Entlassungsbericht der St. G. Reha-Klinik in H. vom 4. Mai 2005 kein unter halbschichtiges Leistungsvermögen angenommen worden ist. Aus der Arbeits- und Berufsanamnese auf Blatt 2-3 dieses Berichts ergibt sich, dass der Kläger selbst angegeben hat, er habe für 4 Stunden täglich arbeiten sollen, fühle sich hierfür jedoch nicht ausreichend leistungsfähig. Allein diese Angabe wurde in der sozialmedizinischen Epikrise auf Blatt 2-7 des Berichts übernommen, indem ausgeführt wurde, der Versicherte sei seit 2004 für 4 Stunden täglich ausreichend leistungsfähig eingestuft worden. Hieraus ergibt sich, dass es sich dabei nicht um eine eigene Leistungsbeurteilung der Ärzte in der St. G. Reha-Klinik in H. gehandelt hat. Im Übrigen wäre für den Senat eine derartige Leistungsbeurteilung auch nicht nachvollziehbar. Denn der Entlassungsbericht bietet keinen Anlass für eine quantitative Leistungsminderung bereits vor Februar 2005. Dies deshalb, da die Klinikärzte den Krankheitsverlauf des Versicherten und damit insbesondere den Umstand, dass im Juni 2004 von einer kompletten Remission ausgegangen worden ist, auf Blatt 2-1 bis 2-2 ihres Berichts schilderten. Schließlich gibt der Senat zu bedenken, dass es nicht Aufgabe der Klinikärzte ist, in einem Entlassungsbericht über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme unaufgefordert Leistungsbeurteilungen über einen vergangenen Zeitraum vorzunehmen. Vielmehr wird in derartigen Berichten ein Ausblick auf die zukünftige Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorgenommen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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