L 3 AL 3127/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AL 5052/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3127/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. Juli 2004 abgeändert. Die Bescheide der Beklagten vom 11. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2001 werden insoweit aufgehoben, als die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den 15. Juli 1997 und 10. November 1997, von Arbeitslosenhilfe für den 7. Januar, 6. April, 29. Juni, 28. September und 3. Dezember 1998 sowie von Anschluss-Unterhaltsgeld für die Zeit vom 12. bis 15. April 1999 aufgehoben und die Erstattung der für diese Zeiten erbrachten Leistungen sowie der für diese Zeiten entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung festgesetzt wurde.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Rückforderung des vom 15.01.1997 bis 14.11.1997 gewährten Arbeitslosengeldes (Alg), der vom 27.12.1997 bis 26.12.1998 gewährten Arbeitslosenhilfe (Alhi), des vom 15.03.1999 bis 31.05.1999 gewährten Anschluss-Unterhaltsgeldes (Anschluss-Uhg) sowie die Erstattung der für diese Zeit entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung streitig.

Die am 08.09.1945 geborene Klägerin war vom 15.07.1971 bis 31.10.1995 bei der Firma Hewlett-Packard GmbH als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt sie eine Abfindung in Höhe von 150.522,- DM.

Nachdem sich die Klägerin am 06.11.1995 unter der Anschrift Schafgasse 20, Böblingen, arbeitslos gemeldet und Leistungen beantragt hatte, bewilligte die Beklagte - nachdem sie mit Bescheid vom 31.01.1996 das Ruhen des Anspruchs wegen einer Abfindung sowie einer Sperrzeit verfügt hatte - mit Bescheid vom 29.05.1996 Alg ab dem 15.07.1996 nach einem gerundeten Bemessungsentgelt von 1.100,- DM in Höhe von wöchentlich 420,60 DM für eine Anspruchsdauer von 359 Tagen.

Am 29.06.1996 teilte die Klägerin mit, sie werde am 01.08.1996 umziehen nach Böblingen in die W ... 40. Vom 03.08.1996 bis 09.09.1996 befand sich die Klägerin im Urlaub.

Nachdem eine Bescheinigung der Meldebehörde vorgelegt worden war, wonach sich Piroska E. mit Tag des Auszugs am 01.10.1996 von Böblingen nach 6791 Szeged, Vitorla 30, Ungarn, abgemeldet hatte, hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab dem 01.10.1996 auf. Am 13.01.1997 sprach die Klägerin bei der Dienststelle Böblingen der Beklagten vor und teilte mit, die Ummeldung beziehe sich auf ihre am 01.10.1982 geborene Tochter, die den gleichen Namen wie sie habe. Sie selbst ziehe am 15.01.1997 um nach S ... Hierzu legte sie eine Anmeldebestätigung des Einwohnermeldeamtes S. vom 14.01.1997 vor, wonach sie ab dem 15.01.1997 in der A. 8, 71101 S. (Wohnungsgeberin sei R. B.) wohnte.

Mit Bescheid vom 16.01.1997 bewilligte die Beklagte Alg ab dem 01.01.1997 nach Leistungsgruppe A/1 nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 1.140,- DM in Höhe von täglich 70,70 DM.

Am 10.03.1997 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten telefonisch und teilte mit, ihre Situation sei unverändert. Nachdem ein Schreiben der Beklagten mit Poststempel 20.01.1997 am 23.01.1997 und ein Schreiben mit Poststempel 24.03.1997 am 27.03.1997 an die Beklagte mit dem Vermerk "unbekannt" zurückgegangen war, teilte das Einwohnermeldeamt S. auf Anfrage der Beklagten am 08.04.1997 mit, die Klägerin sei unter der angegebenen Adresse noch gemeldet. Nachdem die Beklagte die Zahlung von Alg ab dem 31.03.1997 eingestellt hatte, bewilligte sie mit Bescheid vom 07.05.1997 Alg ab dem 31.03.1997 in bisheriger Höhe, das die Klägerin bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 14.11.1997 bezog.

Am 06.10.1997 stellte die Klägerin den Antrag auf Gewährung von Alhi. Hierbei gab sie an, sie verfüge zusammen mit ihrem Ehegatten über ein Guthaben in Höhe von insgesamt 25.000 DM. Auf die Anfrage der Beklagten über den Verbleib der Abfindung teilte die Klägerin unter dem 07.10.1997 mit, die Abfindung mit einem Auszahlungsbetrag von 136.000,- DM sei für folgende Ausgaben verbraucht worden: - Möbel 54.000,- DM - Auto 38.000,- DM - Waschmaschine und Elektroherd 3000,- DM - Teppiche 5000,- DM - Gardine 2000,- DM - Urlaub 4000,- DM

Der Rest sei für Einkäufe für das Kind verbraucht worden. Sie habe alles bar bezahlt und deshalb keine Belege mehr, wobei der Lieferschein für die Möbel wohl beim Umzug verloren worden sei. In der Erklärung vom 10.11.1997 gab die Klägerin an, die Einkäufe für die Tochter hätten ca. 10.000,- DM betragen. Von der Abfindung verbleibe ein Betrag von 25.000,- DM.

Mit Bescheid vom 11.12.1997 bewilligte die Beklagte Alhi für die Zeit vom 27.12.1997 bis 31.12.1997 in Höhe von täglich 60,10 DM. Mit Bescheid vom 12.01.1998 bewilligte sie Alhi ab dem 01.01.1998 mit einem täglichen Leistungssatz von 51,85 DM. Die Klägerin bezog Alhi bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 26.12.1998.

Am 03.12.1998 beantragte die Klägerin die Fortzahlung der Alhi. Im Antrag gab sie u.a. an, sie verfüge mit ihrem Ehegatten über Bargeld- bzw. Bankguthaben in Höhe von 25.000,- DM. Sie lebe in einer Haushaltsgemeinschaft zusammen mit ihrem Ehemann. Sie betreue und versorge im gemeinsamen Haushalt die gemeinsame Tochter. Mit Bescheid vom 21.01.1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Wegen des zu berücksichtigenden Vermögens könne dem Antrag auf Alhi bis 20.02.1999 nicht entsprochen werden.

Auf den Antrag der Klägerin vom 18.01.1999 bewilligte die Beklagte die Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme vom 18.01.1999 bis 12.03.1999 in Böblingen. Mit Bescheid vom 15.02.1999 bewilligte die Beklagte Uhg für die Zeit vom 18.01.1999 bis 14.03.1999 in Höhe von täglich 60,44 DM.

Am 17.02.1999 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 13.03.1999 arbeitslos und beantragte Anschluss-Uhg. Im Leistungsantrag gab sie an, sie betreue im gemeinsamen Haushalt gemeinsame Kinder sowie ihre 1919 geborene Mutter. Mit Bescheid vom 22.04.1999 bewilligte die Beklagte Anschluss-Uhg ab dem 15.03.1999 in Höhe von täglich 60,44 DM. Zahlungen erfolgten bis zum 31.05.1999.

Am 24.02.1999 ging bei der Beklagten eine anonyme Anzeige ein, wonach die Klägerin mit ihrem Ehemann und der Tochter vor ca. drei Jahren nach Ungarn übergesiedelt sei und sich nur noch gelegentlich bei Bekannten in Deutschland aufhalte.

Bei einer Vorsprache bei der Beklagten am 12.04.1999 gab die Klägerin an, sie sei seit 1995/96 wegen der politischen Unruhen nicht mehr in Ungarn gewesen. Sie und ihr Mann hätten zur Zeit kein Auto angemeldet. Beim Besuch von Bekannten werde auch deren Auto genutzt, so auch ein Renault Twingo mit ungarischem Kennzeichen. Da die Klägerin ihren Pass nicht dabeihatte wurde sie aufgefordert, diesen bis zum 16.04.1999 vorzulegen. Wenn darin keine Hinweise auf Ortsabwesenheit enthalten seien, müsse ihren Angaben Glauben geschenkt werden.

Am 13.04.1999 sprach die Klägerin wieder vor und teilte mit, sie und ihr Ehemann hätten ihren Pass sowie alle sonstigen Unterlagen wie z.B. Lebensversicherungspolicen verloren.

Am 15.04.1999 legte die Klägerin die am 13.04.1999 erstattete Anzeige über den Verlust eines Ausweisdokumentes vor. Danach hatte sie am 13.04.1999 dem Ordnungsamt beim Landratsamt Böblingen mitgeteilt, sie habe am 12.04.1999 den Verlust ihres am 17.07.1997 ausgestellten Passes festgestellt. Weiter vorgelegt wurde eine Aufenthaltsbescheinigung des Bürgermeisteramtes S. vom 12.04.1999, wonach die Klägerin seit dem 15.01.1997 mit alleiniger Wohnung in der A. 8, 71101 S. gemeldet war.

Am 26.05.1999 führte die Beklagte eine Außendienstprüfung durch. Hierbei gaben die Eigentümer des Hauses A. 8, Herr und Frau U., an, das Ehepaar E. sei ab und zu auf Besuch bei der Mutter der Hauseigentümerin, Frau B., die gleichfalls in der A. 8 wohne. Seit seiner Abmeldung aus Böblingen zum 14.01.1997 habe das Ehepaar E. keinen festen Wohnsitz mehr in Deutschland gehabt und sich nur sporadisch in Deutschland aufgehalten. Während dieser Zeit hätten sie in einem Zimmer in der Wohnung von Frau B. in der A. 8 gewohnt. Der Name des Ehepaares stehe weder an der Klingel noch am Briefkasten.

Am 01.06.1999 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten persönlich und teilte mit, sie werde nach Ungarn gehen. Die Beklagte hob daraufhin die Bewilligung von Anschluss-Uhg ab dem 01.06.1999 auf und lehnte den am 27.04.1999 gestellten Antrag auf Alhi mit Bescheid vom 11.06.1999 ab.

Mit Bescheid vom 11.06.1999 nahm die Beklagte die Bewilligung von Alg ab dem 15.01.1997 zurück und setzte die Erstattung der gewährten Leistung in Höhe von 18.452,70 DM sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.831,78 DM, insgesamt 24.284,48 DM, fest.

Mit weiterem Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 11.06.1999 nahm die Beklagte die Bewilligung von Alhi ab dem 27.12.1997 zurück und setzte die Erstattung von 18.906,40 DM sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe 6.984,10 DM, somit insgesamt 25.890,50 DM, fest.

Mit weiterem Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 11.06.1999 hob die Beklagte die Bewilligung von Anschluss-Uhg vom 13.05.1999 bis 31.05.1999 auf und setzte die Erstattung von 4.714,32 DM sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.466,36 DM, somit insgesamt 6.180,68 DM, fest. Zur Begründung führte sie jeweils aus, die Klägerin habe seit dem 15.01.1997 keine festen Wohnsitz in Deutschland mehr, sei deshalb nicht verfügbar und habe keinen Anspruch auf Leistungen.

Gegen die Rücknahme- und Erstattungsbescheide legte die Klägerin am 24.06.1999 Widerspruch ein mit der Begründung, sie habe immer unter der angegebenen Anschrift gewohnt. In der Widerspruchsbegründung vom 19.07.2000 trug die Klägerin vor, sie habe zusammen mit ihrem Mann und Frau B. gemeinsam eine 4-Zimmer-Wohnung genutzt. Sie hätten ein eigenes Zimmer zur Verfügung gehabt; Esszimmer, Wohnzimmer und Küche seien gemeinsam genutzt worden. Hierfür hätten Sie monatlich ca. 300,- DM gezahlt. Aufgrund des geringen Arbeitslosengeldes seien sie auf diese günstige Wohnmöglichkeit angewiesen gewesen. In den Jahren 1997 und 1998 seien sie nicht Eigentümer eines Pkw gewesen. Sie seien zeitweise im Besitz eines Pkw der Marke Variant gewesen, der allerdings bei einem Autohaus in Zahlung gegeben worden sei. Der Renault Twingo sei lediglich von einer befreundeten Familie aus Ungarn für zwei Wochen überlassen worden.

Mit Schreiben vom 10.11.1999 wurde die Klägerin gem. § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angehört.

Bei einer Befragung durch den Außendienst der Beklagten gab Frau U. an, das Ehepaar E. sei im Januar 1997 als Untermieter bei ihrer Mutter eingezogen. Sie seien vielleicht zwei bis vier Wochen hier gewiesen und dann wieder zwei bis vier Wochen nicht. Es habe jedoch kein durchgehender Aufenthalt in der A. 8 vorgelegen.

Der Zeuge Julius Kessel gab in der Niederschrift vom 15.03.2001 an, das Ehepaar E. habe 1996 für ca. vier bis fünf Monate, vielleicht auch nur drei Monate, bei ihm in der W ... 40 in Böblingen gewohnt. Im Januar 1997 sei das Ehepaar E. ausgezogen, nachdem es das Zimmer bei Frau B. gemietet habe. Danach habe das Ehepaar B. nur noch sporadisch (Feiern usw.) bei Ihnen übernachtet.

Die Zeugin Maria Kolb, wh. G. 9, 71101 S., gab in der Niederschrift vom 05.03.2001 an, das Ehepaar E. habe in den vergangenen Jahren ein paar Mal bei ihr übernachtet, wenn zu viel getrunken worden sei und keiner mehr habe fahren können. Im Zeitraum von 1997 bis 1999 sei dies fünf bis sechs Mal der Fall gewesen.

Mit Schreiben vom 14.03.2001 teilte die Klägerin mit, soweit sie sich im streitigen Zeitraum nicht in den von Frau U. angemieteten Räumen aufgehalten habe, sei sie bei ihrem Verwandten D. P. in I. untergekommen. Dort habe sie sich regelmäßig an den Unkosten beteiligt. Hierzu legte sie monatlich ausgestellte Quittungen für die Zeit von Januar 1997 bis Juni 1999 vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2001, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Widerspruch gegen die drei Bescheide vom 11.06.1999 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 23.05.2001 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Nachdem die Beklagte Strafanzeige gestellt hatte, setzte das SG mit Beschluss vom 15.08.2001 das Verfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens aus.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Stuttgart das Verfahren (24 Js 58428/01) wegen unbekannten Aufenthalts der Beschuldigten vorläufig eingestellt hatte, wurde das Verfahren vor dem SG wieder aufgerufen. In der mündlichen Verhandlung am 05.07.2004 hat die Klägerin angegeben, sie habe bei Frau B. gewohnt. Wenn sie nicht dort gewesen sei, habe sie jeden Tag bei Frau B. angerufen, um sich zu erkundigen, ob Post eingetroffen sei. Sie habe von I., wo sie bei Verwandten gewohnt habe, ca. eine halbe Stunde nach S. gebraucht. Sie habe an Frau B. keine Miete gezahlt, sondern lediglich die Nebenkosten übernommen. Der Umzug nach Ungarn im Juni 1999 sei schon länger geplant gewesen. In der ganzen Zeit bis zu dem Umzug habe sie Baden-Württemberg nie verlassen. 1996 sei ihre Tochter nach Ungarn gegangen. Sie habe sie dorthin begleitet und auch die Möbel gleichzeitig nach Ungarn gebracht.

Mit Urteil vom 05.07.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei im streitigen Zeitraum unter der von ihr angegebenen Adresse nicht täglich erreichbar und damit nicht verfügbar gewesen. Die Beklagte habe die Aufhebung der Bewilligung zu Recht gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen, da die Bewilligungsbescheide auf Angaben beruhten, welche die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Die Klägerin habe unrichtige Angaben über ihren Wohn- bzw. Aufenthaltsort gemacht.

Hiergegen hat die Klägerin am 30.07.2004 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, durch den ständigen Kontakt mit der Vermieterin sei sie für die Beklagte jederzeit erreichbar gewesen und hätte im Falle eines Posteingangs innerhalb einer halben Stunde in ihrer Wohnung in S. sein können. Hierzu hat sie eine Bestätigung von Frau B. vom 21.05.2001 vorgelegt, in welcher diese bestätigt, dass sich Herr oder Frau E. bei Abwesenheit regelmäßig telefonisch bei ihr meldeten, um sich nach Post oder Anrufen vom Arbeitsamt zu erkundigen. Genauso hätte der Verwandte D. P., bei dem die Klägerin angerufen habe, bestätigen können, dass eine regelmäßige Nachfrage erfolgt sei.

Der im Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit Beweisaufnahme vom 17.11.2006 als Zeuge vernommene D. P. hat bei seiner Vernehmung ausgesagt, die Klägerin sei die Tante seiner Frau. Er habe sich 1996 von seiner Frau getrennt und sei in die Wohnung in I. eingezogen. Dann habe er sich wieder mit seiner Frau versöhnt und sich häufig bei dieser in Ö. aufgehalten. Er habe mit der Klägerin und ihrem Mann vereinbart, dass diese seine Wohnung in I. benutzen könnten. Die Klägerin habe schon im Januar 1997 in I. gewohnt. Sie habe einen Schlüssel für die Wohnung erhalten. Wenn er selbst einen Auftrag in der Nähe von I. gehabt habe, habe er auch selbst in der Wohnung gewohnt. Er habe dies telefonisch geregelt, wobei er die Klägerin in I. angerufen habe. Die Kosten für die Wohnung habe er überschlägig berechnet, insbesondere die Kosten für Wasser, Telefon und Strom. Hierzu habe er die von der Klägerin vorgelegten Quittungen ausgestellt. Diese Rechnungen seien bar bezahlt worden. Wofür die auf den Quittungen angegebene Bescheinigung für Benzin gegolten habe wisse er nicht mehr. Auch glaube er nicht, dass er der Klägerin ein Auto zur Verfügung gestellt habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. Juli 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, vom angeblichen Aufenthalt der Klägerin bei D. P. in I. habe sie keinerlei Kenntnis gehabt. Den vorgelegten Quittungen für den Zeitraum 1997 bis Juni 1999 könne entnommen werden, dass sich die Klägerin regelmäßig in I. aufgehalten habe.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagten-Akten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat gem. § 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nur insoweit begründet, als die Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Tage 15.07.1997, 10.11.1997, 07.01.1998, 06.04.1998, 29.06.1998, 28.09.1998, 03.12.1998 sowie vom 12.04. bis 15.04.1999 zurückgenommen und die erbrachten Leistungen zurückgefordert hat. Im Übrigen ist die Berufung nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Bewilligung von Alg, Alhi und Anschluss-Uhg für die Zeit ab dem 15.01.1997 mit Ausnahme der genannten Tage aufgehoben und die Erstattung der für diese Zeit erbrachten Leistungen sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung festgesetzt.

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit - der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig und unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) oder - er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).

Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser gem. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Die Bescheide vom 16.01.1997 und 07.05.1997, mit denen die Beklagte Alg bewilligt hat, waren von Anfang an rechtswidrig.

Nach § 100 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat. Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist. § 1 und 2 der auf Grund der Ermächtigungsgrundlage in § 103 Abs. 5 AFG erlassenen Aufenthalts-Anordnung bestimmen, dass der Arbeitslose während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichbar sein muss. Der Arbeitslose kann sich auch an jedem anderen Ort im Nahbereich des Arbeitsamtes aufhalten, wenn er dem Arbeitsamt rechtzeitig seine Anschrift für die Dauer der Abwesenheit mitgeteilt hat und wie bei Ortsanwesenheit erreichbar ist.

Die Klägerin war spätestens nach ihrem Wegzug aus Böblingen am 14.01.1997 im Sinne dieser Vorschriften nicht mehr erreichbar. Dahingestellt bleiben kann, ob sich die Klägerin seit diesem Zeitpunkt überwiegend in Ungarn oder, wovon der Senat überzeugt ist, überwiegend in I. aufgehalten hat. Der Senat stützt sich hierbei auf die Aussage des Zeugen P. vom 17.11.2006 sowie auf die von diesem ausgestellten Quittungen. Der Zeuge P. hat glaubhaft ausgesagt, dass er sich im Jahr 1996 von seiner Frau getrennt und eine Zwei-Zimmer-Wohnung in I. angemietet hatte. Nachdem er sich mit seiner Frau wieder versöhnt hatte und insbesondere nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes am 12.11.1997 hatte er sich die meiste Zeit bei seiner Frau in deren Wohnung in Ö. aufgehalten. Herr P. hat nach seiner glaubhaften Aussage der Klägerin und ihrem Ehemann die von ihm nur noch sporadisch genutzte Wohnung in I. zur Verfügung gestellt. Zur Überzeugung des Senats haben sich die Klägerin und ihr Ehemann im streitigen Zeitraum auch überwiegend in dieser Wohnung aufgehalten. Hierfür spricht zunächst der Umstand, dass der Klägerin und ihrem Ehemann in S. lediglich ein einzelnes Zimmer zur Verfügung stand und sie sich die restliche Wohnung mit der demenzkranken Frau B. teilen mussten. Demgegenüber bestand die Wohnung in I. aus zwei Zimmern, einer großen Küche und einem großen Bad, die von der Klägerin und ihrem Ehemann weitgehend alleine genutzt werden konnte. Dementsprechend hat der Zeuge P. auch angegeben, die Klägerin habe ihm gegenüber gesagt, ihr fiele sprichwörtlich in der Wohnung in S. das Dach auf den Kopf.

Für einen regelmäßigen Aufenthalt der Klägerin in I. spricht weiter, dass sie einen Schlüssel für die dortige Wohnung besaß. Ein weiteres Indiz für einen regelmäßigen Aufenthalt ist, dass der Zeuge P. angegeben hat, er habe dann, wenn er die Wohnung selbst nutzen wollte, die Klägerin in I. angerufen. Der Zeuge P. hat danach die Klägerin nicht in S. oder unter einer anderen Adresse, sondern in I. telefonisch erreicht.

Für einen regelmäßigen Aufenthalt der Klägerin in I. spricht schließlich der Umstand, dass über den gesamten streitigen Zeitraum der Zeuge P. monatliche Quittungen über Zahlungen der Klägerin und ihres Ehemannes an ihn ausgestellt hat. In diesen Quittungen werden unterschiedliche monatliche Beträge für Strom, Wasser, Telefon und Benzin ausgewiesen. Daraus ergibt sich, dass diese Kosten auch jeden Monat angefallen sind. Den Aufenthalt in I. hat die Klägerin selbst mit Schreiben vom 13.03.2001 bestätigt, in dem sie angegeben hat, dass sie sich in der Zeit, in der sie sich nicht bei Frau B. in S. aufgehalten hat, bei Herrn P. in I. untergekommen war.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Stuttgart am 05.07.2004 auch vorgetragen, dass sie bei Verwandten in I. gewohnt hat. Sie habe von dort aus bei Frau B. angerufen, um sich zu erkundigen, ob Post eingetroffen sei. Die Klägerin hat hierbei auch angegeben, sie habe ca. eine halbe Stunde von I. nach S. gebraucht. Diese Wegstrecke kann innerhalb dieser Zeit jedoch nur mit einem Pkw zurückgelegt werden. Die Klägerin hat jedoch gleichzeitig vorgetragen, sie und ihr Ehemann seien in den Jahren 1997 und 1998 nicht Eigentümer eines Pkw gewesen (Bl. 189 der Verw.-Akten). Sie hätten lediglich Fahrzeuge von Besuchern aus Ungarn benutzt. Dies wiederum ist schwerlich mit der Angabe der Klägerin bei der Beantragung von Alhi zu vereinbaren, sie habe von der Abfindung u.a. ein Auto für 38.000,- DM gekauft.

Schließlich kann den Aussagen der Eigentümerin des Hauses A. 11, Frau U., entnommen werden, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann nur sporadisch in S. aufgehalten haben.

Allein durch den Umstand, dass die Klägerin sich bei Frau B. erkundigte, ob Post des Arbeitsamtes für sie eingegangen sei, ist die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit nicht erfüllt. Bis zum 31.12.1997 war vielmehr die persönliche Anwesenheit zum Zeitpunkt des gewöhnlichen Eingangs der Briefpost für die Erfüllung der Erreichbarkeit Anspruchsvoraussetzung.

Die Klägerin ist damit ihrer Residenzpflicht nicht nachgekommen, die im Interesse der Versichertengemeinschaft die sofortige Vermittelbarkeit des Arbeitslosen jederzeit sicherstellen soll. Eine Beeinträchtigung der Vermittlungstätigkeit der Arbeitsämter liegt hierbei schon vor, wenn Tage der Anwesenheit mit solchen der Abwesenheit wechseln und vorausschauend nicht feststeht, an welchen Tagen der Arbeitslose erreichbar ist und an welchen nicht. Steht fest, dass der Arbeitslose wiederkehrend mehrtägig ortsabwesend ist, ohne dass die Tage künftiger Abwesenheit festliegen, wird das Vermittlungsgeschäft der Arbeitsämter in ganz erheblichem Umfang beeinträchtigt, so dass der mit § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG verfolgte Zweck sich nicht erreichen lässt. In diesem Fall ist das Erfordernis, dass der Arbeitslose das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und täglich für das Arbeitsamt erreichbar ist, für die ganze Zeit nicht erfüllt. Eine durchgehend fehlende Verfügbarkeit liegt nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, bei jeweils mehrtägiger und zeitlich völlig unregelmäßiger Nichterreichbarkeit des Arbeitslosen vor, so dass für das Arbeitsamt nicht erkennbar ist, an welchen Wochentagen der Arbeitslose überhaupt erreichbar ist (BSG Urteil vom 03.03.1993 - 11 RAr 43/91 - SozR 3-4100 § 103 Nr. 9). Unbeachtlich ist deshalb, dass sich die Klägerin an einigen Tagen auch unter der angegebenen Adresse in S. aufgehalten hat, da es sich hierbei um jeweils nicht im voraus absehbare, vielmehr ungeplante kürzere Aufenthalte gehandelt hat. Eine Erreichbarkeit der Klägerin war lediglich an den Tagen gegeben, an denen sie sich bei der Beklagten gemeldet hat.

Die Klägerin hat der Beklagten während des streitigen Zeitraums auch nicht mitgeteilt, dass sie sich überwiegend in I. aufgehalten hat. In den Leistungsanträgen hat sie ihre Wohnanschrift immer mit A. 8, 71101 S., angegeben. Erstmals am 14.03.2001 hat sie mitgeteilt, dass sie sich im streitigen Zeitraum in I. aufgehalten hat (Bl. 198 der Verw.-Akten).

Der Außendienst der Beklagten hat darüber hinaus am 26.05.1999 und damit zu einem Zeitpunkt, als die Klägerin noch im Leistungsbezug stand, festgestellt, dass sich in der A. 8 in S. weder an der Klingel noch am Briefkasten der Name der Klägerin befand.

Nicht zutreffend ist weiter der Vortrag der Klägerin, sie habe sich regelmäßig bei der Beklagten gemeldet. Sie hat lediglich jeweils im Zusammenhang mit der Bewilligung bzw. Weitergewährung von Leistungen persönlich vorgesprochen. Ausweislich der Beratungsvermerke der Beklagten hatte sich die Klägerin im Aufhebungszeitraum am 15.07.1997, 10.11.1997, 07.01.1998, 06.04.1998, 29.06.1998, 28.09.1998, 03.12.1998, 12.04.1999, 13.04.1999 und 15.04.1999 persönlich gemeldet.

Gegen die Glaubwürdigkeit der Klägerin sprechen weiter folgende Gesichtspunkte: - Zunächst wurde angegeben, die Klägerin und ihr Ehemann hätten für die Wohnung in S. an Frau B. monatlich 300,- DM Miete bezahlt (Bl. 188 der Verw.-Akten). In der mündlichen Verhandlung vor dem SG Stuttgart am 05.07.2004 gab die Klägerin dagegen an, an Frau B. sei keine Miete bezahlt worden, es seien lediglich die Nebenkosten entrichtet worden. - Die Klägerin hat angegeben, ihre Tochter im Jahr 1996 nach Ungarn gebracht zu haben und sich danach bis Mitte 1999 nicht mehr in Ungarn aufgehalten zu haben. Die Klägerin erklärte am 29.07.1996 gegenüber der Beklagten, sie beabsichtige, sich vom 03.08. bis 13.09.1996 auswärts aufzuhalten. Sie meldete sich bereits am 09.09.1996 persönlich vorzeitig aus dem Urlaub zurück. Als Grund für den Antrag auf Urlaub von mehr als 3 Wochen hatte die Klägerin angegeben (Bl. 41 der Verw.-Akten), ihre Mutter sei krank. Die Tochter der Klägerin wurde jedoch erst am 11.11.1996 nach Ungarn umgemeldet, wobei als Tag des Auszugs aus der W ... 40 in Böblingen der 01.10.1996 angegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin jedoch keinen genehmigten Urlaub.

Die Beklagte hat die Rücknahme zu Recht auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X gestützt. Die Klägerin wusste aufgrund der Belehrung im Merkblatt für Arbeitslose, dass sie unter der von ihr angegebenen Anschrift täglich erreichbar sein musste und dass eine Ortsabwesenheit der Beklagten anzuzeigen war. Im Merkblatt wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine telefonische Erreichbarkeit nicht ausreichend ist. Die Klägerin war hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes somit zumindest grob fahrlässig.

Die Rücknahmevoraussetzungen liegen auch für die Zeit ab dem 01.01.1998 mit Ausnahme der Tage, an denen die Klägerin bei der Beklagten vorgesprochen hat, vor. Nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der ab 01.01.1998 geltenden Fassung haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, die arbeitslos sind. Arbeitslos ist gem. § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III ein Arbeitnehmer, der eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III sucht eine Beschäftigung, wer den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes (jetzt: Arbeitsagentur) zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes steht gem. § 119 Abs. 2 SGB III zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist. Nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III ist ein Arbeitsloser arbeitsfähig, der Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf. Durch diese Regelung wurde die Erreichbarkeitsregelung des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG ersetzt. Das Merkmal der Erreichbarkeit wurde konkretisiert durch die Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23.10.1997. Nach § 1 Abs. 2 EAO muss der Arbeitslose für das Arbeitsamt persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt durch Briefpost erreichbar sein. Zwar ist danach nicht mehr der Aufenthalt unter der postalischen Anschrift zum Zeitpunkt des Eingangs der Briefpost erforderlich. Der Leistungsempfänger kann sich vielmehr tagsüber weitgehend außerhalb seiner Wohnung aufhalten, er muss jedoch mindestens einmal täglich in seiner Wohnung anwesend sein, um die Briefpost in Empfang zu nehmen. Zwar liegt nach § 2 EAO auch Verfügbarkeit vor, wenn sich der Arbeitslose im Nahbereich des Arbeitsamtes aufhält, wenn er rechtzeitig die Anschrift für die Dauer seiner Abwesenheit mitgeteilt hat. Die Klägerin hat sich bei ihrem Aufenthalt in I. weder im Nahbereich des Arbeitsamtes Böblingen aufgehalten, noch hat sie ihren dortigen Aufenthalt mitgeteilt.

Die Beklagte hat die Bescheide auch innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X aufgehoben. Danach wird in den Fällen von Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

Kenntnis in diesem Sinne liegt dann vor, wenn der Beklagten die Umstände bekannt sind, welche die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide begründen und die Rücknahme des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (Wiesner in:von Wulffen, SGB X, 5.Aufl. § 45 Rn. 34). Die Beklagte hatte frühestens aufgrund des Außendienstberichtes vom 26.05.1999 die entsprechende Kenntnis. Durch den Erlass der Aufhebungsbescheide vom 11.06.1999 ist die Aufhebung innerhalb der Jahresfrist erfolgt.

Die Beklagte hat auch die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen gem. § 50 Abs. 1 SGB X in zutreffender Höhe festgesetzt. Die Klägerin hat vom 15.01.1997 bis 14.11.1997 Alg für 261 Werktage in Höhe von 70,70 DM täglich bezogen. Die Beklagte hat dementsprechend den Erstattungsbetrag für diese Zeit mit Ausnahme des 15.07. und 10.11.1997 zutreffend festgesetzt.

Die Erstattungspflicht der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung beruht bis zum 31.12.1997 auf § 157 Abs. 3a bzw. § 166 c AFG und ab dem 01.01.1998 auf § 335 Abs. 1 und Abs. 5 SGB III. Wurden danach von der Bundesanstalt für einen Bezieher von Alg oder Uhg Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt, so hat der Bezieher diese Leistungen der Bundesanstalt die Beiträge zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist. Gleiches gilt gem. § 335 Abs. 5 SGB III für die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung. Da für die Klägerin im streitigen Zeitraum kein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden hat, greifen die Ausnahmevorschriften nach § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III nicht ein.

Die Beklagte hat auch die Erstattungsbeträge der für die Zeit vom 27.12.1997 bis 31.12.1997 sowie vom 01.01.1998 bis 26.12.1998 gewährten Alhi, des vom 15.03.1999 bis 31.05.1999 gewährten Anschluss-Uhg sowie die sich hieraus ergebenden Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 13% des maßgeblichen Entgelts sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von 1,7% des maßgeblichen Entgelts, mit Ausnahme der Tage, an denen sich die Klägerin bei der Beklagten gemeldet hat, zutreffend berechnet.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Das lediglich geringfügige Obsiegen der Klägerin rechtfertigt auch keine teilweise Kostenübernahme durch die Beklagte.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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