L 3 AS 3557/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 1508/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3557/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 16. Juni 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2005 werden abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 165,37 EUR (Kaltmiete) zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger und seine mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau sowie der gemeinsame Sohn Anspruch auf Kosten der Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) haben.

Der 1966 geborene, seit 1989 verheiratete Kläger beantragte bei der Beklagten am 20.10.2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Ausweislich des Antrags bezog er bis zum 25.08.2004 Arbeitslosengeld (Alg). Im Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gab er unter dem 19.10.2004 an, er bewohne im Haus seiner Mutter eine Wohnung mit ca. 77 qm ... Das Bad werde gemeinsam benutzt. Derzeit bezahle er keine Miete. Im Dachgeschoss werde ein Kinderzimmer ausgebaut und durch von ihm aufgenommene Darlehen finanziert. Hierauf zahle er monatlich 73,37 EUR Schuldzinsen. Ein Bausparvertrag werde angespart, um nach Zuteilungsreife das Darlehen abzulösen.

Mit Bescheid vom 07.12.2004 bewilligte die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von monatlich 730,75 EUR. Hierin waren monatlich 26,60 EUR Heizkosten und 29,15 EUR Nebenkosten enthalten. Aufwendungen für Kaltmiete wurden nicht anerkannt.

Hiergegen legte der Kläger am 16.12.2004 Widerspruch ein mit dem Antrag, höhere Kosten für die Mietaufwendungen sowie für die Heizung zu berücksichtigen. Er wohne ohne Mietvertrag bei seiner Mutter, trage jedoch die Kosten des Umbaus (monatlich 73,37 EUR Zinsen und 92,- EUR Tilgung). Zur Vorfinanzierung bezahle er jeden Monat 92,- EUR in einen Bausparvertrag. Hierzu legte er eine von seiner Mutter unterzeichnete Bescheinigung vor, wonach aufgrund der Übernahme der Kosten des Umbaus keine Miete zu zahlen sei.

Der Kläger legte sodann einen am 01.01.2005 abgeschlossenen Mietvertrag für die Zeit ab 01.01.2005 mit einem monatlichen Mietzins in Höhe von 300,- EUR und monatlichen Nebenkosten in Höhe von 108.- EUR vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.05.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die vom Kläger getragenen Kosten für die Unterkunft kämen einem Kredit im privaten Bereich an die Mutter gleich. Solche Vereinbarungen könnten nicht als mietvertragliche Vereinbarungen gelten und daher nicht als Kosten der Unterkunft anerkannt werden. Der nachträglich vorgelegte Mietvertrag könne ebenfalls nicht anerkannt werden, da dieser lediglich zum Erhalt höherer Sozialleistungen abgeschlossen worden sei.

Hiergegen hat der Kläger am 30.05.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm eingelegt. Er hat vorgetragen, mit seiner Mutter sei zunächst vereinbart gewesen, die Mietzahlung solle in der Weise erfolgen, dass er den Umbau bezahle. Hierfür habe er monatliche Aufwendungen von 165,37 EUR. Auf Anraten der Arbeitsagentur habe er im Januar 2005 einen Mietvertrag abgeschlossen. Mit seiner Mutter bestehe keine Haushaltsgemeinschaft, es werde getrennt eingekauft und gewirtschaftet. Auch habe ihn diese finanziell nicht unterstützt.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.06.2006 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 07.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2005 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 300,- EUR monatlich (Kosten der Unterkunft, Kaltmiete) für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 zu zahlen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Kläger habe am 01.01.2005 mit seiner Mutter einen wirksamen Mietvertrag abgeschlossen. Die Größe der Wohnung und die Höhe der Kaltmiete seien angemessen. Bei einer Wohnungsgröße von 75 qm betrage derzeit die angemessene Kaltmiete im Stadtgebiet Bopfingen für drei Personen 379 EUR. Der Mietvertrag sei rechtswirksam abgeschlossen und insbesondere nicht sittenwidrig. Zwischen dem Kläger und seiner Mutter habe bereits vor dem 01.01.2005 ein Schuldverhältnis bestanden, welches der Sache nach ein Mietverhältnis gewesen sei. Danach habe der Kläger als Gegenleistung für die Benutzung der Wohnung die Kosten für den Ausbau des Dachgeschosses übernommen. Der Sache nach entspreche diese Regelung einem Mietverhältnis. Durch den schriftlichen Mietvertrag sei deshalb nicht ein Mietverhältnis begründet, sondern lediglich ein bestehendes Mietverhältnis schriftlich fixiert worden. Dies sei erst durch die zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Regelungen des SGB II erforderlich geworden, da erst ab diesem Zeitpunkt entsprechende Nachweise über Kosten der Unterkunft erforderlich seien und geltend gemacht werden könnten. Indizien für das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne von § 9 SGB II mit der Mutter des Klägers lägen nicht vor.

Gegen den am 23.06.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 17.07.2006 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, die vom Kläger geltend gemachten Kosten für den Ausbau des Dachgeschosses in Höhe von monatlich 73,37 EUR und 92,- EUR könnten nicht als Aufwendungen für das eigene Haus berücksichtigt werden, da das Haus dem Kläger nicht - auch nicht anteilig - gehöre und er im Grundbuch nicht als Eigentümer oder Miteigentümer eingetragen sei. Der Kläger habe auch keine Mietbelastung. Der am 01.01.2005 abgeschlossene Mietvertrag sei lediglich zur Erlangung höherer monatlicher Leistungen nach dem SGB II abgeschlossen worden. Bis zum 31.12.2004 sei auch kein Wohngeld bei der zuständigen Wohngeldstelle beantragt worden.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 16. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt vor, er wohne mit seiner Ehefrau seit 1987 im Hause seiner Mutter. Im Jahr 2001 sei der Ausbau des Dachgeschosses erforderlich geworden, um für das im November 2001 geborene erste Kind ein Kinderzimmer zu schaffen. Diese Kosten habe er zu tragen. Ein Teil des hierfür erforderlichen Geldes hätten er und seine Ehefrau, die wie er damals noch gearbeitet habe, angespart. Darüber hinaus sei die Aufnahme eines Kredites in Höhe von 30.000,- DM erforderlich geworden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagten-Akten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig und insoweit begründet, als der Kläger im streitigen Zeitraum nur einen Anspruch auf Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 165,37 EUR hat. Im Übrigen ist die Berufung nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist allein der Anspruch der Bedarfsgemeinschaft, zu deren Vertretung der Kläger gem. § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG legitimiert ist, auf Unterkunftskosten für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005. Die Bescheide für die nachfolgenden Zeiträume sind nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, da sie einen anderen Streitgegenstand betreffen.

Nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

Der Kläger ist bedürftig, so dass ihm grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II zustehen. Es besteht insbesondere keine Haushaltsgemeinschaft mit der Mutter des Klägers, so dass die Vermutungsregelung des § 9 Abs. 5 SGB II nicht eingreift. Eine Haushaltsgemeinschaft liegt vor, wenn ein gemeinsamer Haushalt geführt und "aus einem Topf" gewirtschaftet wird (BT-Drucks. 15/1516, 53). Die Familie des Klägers wohnt zwar mit dessen Mutter in einem Haus, jedoch in getrennten Wohnungen. Die Familie des Klägers bewohnt das Erdgeschoss und das Dachgeschoss, die Mutter des Klägers den 1. Stock. Lediglich das Bad wird gemeinsam benutzt. Für ein darüber hinausgehendes gemeinsames Wirtschaften bestehen keine Anhaltspunkte.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der im Mietvertrag vom 01.01.2005 vereinbarten Kaltmiete von 300,- EUR monatlich. Dieser Betrag ist zwar bezogen auf die Größe der Wohnung und die ortsübliche Miete angemessen. Entsprechende Mietkosten sind dem Kläger jedoch nicht entstanden. Der Kläger wohnt mit seiner Ehefrau seit 1987 im Hause seiner Mutter. Bis zum 01.01.2005 ist kein Mietvertrag abgeschlossen worden. Der Kläger hat bis dahin auch keinen Mietzins an seine Mutter entrichtet. Noch in der Bescheinigung vom 15.12.2004 hatte die Mutter des Klägers angegeben, dass keine Miete bezahlt werde. Erst nachdem mit dem angefochtenen Bescheid Kosten für die Unterkunft abgelehnt worden sind, hat der Kläger am 01.01.2005 einen Mietvertrag abgeschlossen. Dieser erfolgte ersichtlich allein zu dem Zweck, Leistungen der Beklagten zu erhalten. Durch den Mietvertrag vom 01.01.2005 wurde deshalb keine zivilrechtlich wirksame Zahlungspflicht des Klägers begründet (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 18.01.1998 - 12 M 566/97).

Demgegenüber sind die Aufwendungen des Klägers, die er für den Ausbau der Dachgeschosswohnung zu tragen hat, als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen. Der Vortrag der Beklagten ist zwar insoweit zutreffend, als es sich bei den Aufwendungen des Klägers nicht um Aufwendungen für das eigene Haus handelt. Maßgeblich ist jedoch, ob es sich um Aufwendungen für die Unterkunft handelt. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind die Leistungen für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Diese Vorschrift differenziert nicht danach, ob es sich um Mietkosten, Kosten für eigenes Wohneigentum oder sonstige Kosten der Unterkunft handelt. Erforderlich ist vielmehr lediglich, dass die Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich sind und tatsächlich anfallen. Aufwendungen für die Wohnung sind die (Geld-) Aufwendungen, die der Hilfebedürftige in der Bedarfszeit für die Nutzung einer bestimmten Unterkunft Dritten gegenüber kraft bürgerlichen oder öffentlichen Rechts aufzubringen hat (Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rz. 12). Dies ist bei den Aufwendungen des Klägers zur Rückführung der für den Dachgeschossausbau aufgenommenen Verbindlichkeiten der Fall.

Wegen der Geburt des Kindes des Klägers im Jahr 2001 wurde im Dachgeschoss des vom Kläger bewohnten Hauses ein Zimmer als Kinderzimmer ausgebaut. Hierfür hat der Kläger - neben Zahlungen aus seinem Vermögen - ein Darlehen in Höhe von 30.000.- DM aufgenommen. Die Aufwendungen zur Rückzahlung dieses Darlehens sind als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen. So hat die Mutter des Klägers in der Bescheinigung vom 15.12.2004 angegeben, die Verbindlichkeiten aufgrund des Umbaus würden vom Kläger getragen, dieser müsse deshalb keine Miete zahlen. Diese Zahlungen stehen damit in einem kausalen Zusammenhang mit der Überlassung der Wohnung.

Zu den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen gehören zum einen die monatlichen Zinsen in Höhe von 73,37 EUR für ein Darlehen der Kreissparkasse Ostalb in Höhe von 15.338,76 EUR. Weiter zu berücksichtigen ist ein monatlicher Betrag von 92,- EUR, den der Kläger auf den am 12.10.2001 abgeschlossenen Bausparvertrag einzahlt. Dieser Vertrag dient zwar auch der Vermögensbildung. Grundsätzlich sind bei Aufwendungen für das selbstbewohnte Eigentum nur Zinszahlungen, nicht jedoch Tilgungszahlungen zu berücksichtigen. Dies beruht darauf, dass die Schuldentilgung der Vermögensbildung dient und es mit dem Zweck der steuerfinanzierten Leistungen der Grundsicherung nicht vereinbar ist, den Vermögensaufbau der Hilfeempfänger zu finanzieren (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.09.2005 - L 8 AS 1995/05). Die vorliegende Konstellation ist jedoch dadurch gekennzeichnet, dass die Zahlung auf den Bausparvertrag nicht der Vermögensbildung des Klägers dient, sondern - bei Zuteilungsreife des Bausparvertrages - zur Tilgung des Darlehens der Kreissparkasse Ostalb bestimmt ist. Die Rückführung der Darlehensschuld dient hier nicht der Vermögensbildung des Klägers, da dieser nicht Eigentümer oder Miteigentümer des Hauses bzw. der bewohnten Wohnung ist. Eine Vermögensbildung auf Seiten des Klägers findet durch die Zahlungen somit nicht statt. Die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen übersteigen auch nicht den Betrag einer angemessenen Miete, den die Beklagte für drei Personen mit 379.- EUR monatlich beziffert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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